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Regieren im Späten Mittelalter

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Es sei hier abgesehen von den politischen und militärischen Problemen, welche die verbliebenen Lancasteranhänger nach wie vor bereiteten, konzentrieren wir uns auf den Bereich der Finanzen. Im Verlauf des Bürgerkriegs hatte Edward seine Ressourcen dazu einsetzen müssen, um den Krieg zu finanzieren und seine Anhängerschaft bei der Stange zu halten. Jetzt, da er den Sieg errungen hatte, war die Finanzlage katastrophal: Die Kassen waren leer, dazu hatte sein gestürzter Vorgänger, Heinrich VI., einen Berg von Schulden hinterlassen. Wir wissen leider nicht, wie hoch die Schulden waren. Schon für das Jahr 1450 (fast zehn Jahre vor Beginn der Rosenkriege) wird die Summe von 370 000 Pfund Sterling genannt, eine für die damalige Zeit astronomische Summe. Zum Vergleich: Unter König Heinrich IV. hatten die jährlichen Einnahmen der Krone durchschnittlich 90 000 Pfund pro Jahr betragen; unter Heinrich VI. waren sie zuletzt bis auf 24 000 Pfund jährlich abgesunken. Auf dem hohen Stand von 1450 scheinen sich die Schulden 1461 nicht mehr befunden zu haben, weniger, weil Heinrich sie zurückgezahlt hätte, als vielmehr deshalb, weil sie teils abgeschrieben, teils durch Verpfändungen abgegolten, teils von neu ausgeschriebenen Steuern bezahlt waren, zu einem Gutteil aber auch, weil Heinrich kaum noch einen Financier fand, der bereit gewesen wäre, ihm Geld zu leihen. Zu den Gläubigern, die Forderungen an Heinrich und seine Erben hatten, gehörte paradoxerweise auch Edward selbst, da sein Vater Heinrich VI. beträchtliche Summen geliehen und nicht zurückgezahlt hatte.

Eine grundsätzliche Entscheidung war nötig. Edward hätte sich auf den Standpunkt stellen können, die Schulden seien von einem illegitimen Herrscher gemacht worden und gingen ihn also nichts an. Aber der neue König entschied anders. Er erkannte Heinrichs Schulden als die seinen an und versprach, sie zurückzuzahlen. Dieser Entschluss mag auf den ersten Blick unverständlich erscheinen, hatte Edward doch im Bürgerkrieg die Legitimität Heinrichs VI. bestritten, ihn bekämpft, ja, er sollte ihn am Ende sogar umbringen lassen. Gleichwohl hat seine Entscheidung sich auf lange Sicht ausgezahlt, und sie zeigt zugleich, dass Edward – oder seine Ratgeber – etwas von wirtschaftlichen Zusammenhängen verstanden. Es war offensichtlich, dass er die angehäuften Schulden keineswegs auf einen Schlag würde zurückzahlen können, dass er vielmehr noch lange Zeit auf Kredit und Kreditgeber angewiesen sein würde. Gerade dadurch, dass er den Bürgerkrieg nicht zum Vorwand genommen hat, die angehäuften Schulden seiner Vorgänger einfach mit einem Federstrich zu liquidieren, hat er seine Kreditwürdigkeit unter Beweis gestellt und die englischen wie europäischen Geldgeber auf seine Seite gebracht.

Sicherheiten für Kredite

Zwar hatte Edward die Schulden seines Vorgängers anerkannt, ob er sie aber in voller Höhe zurückgezahlt hat, ist unklar. Das hängt mit den Eigenheiten solcher Kredite zusammen. Ihre Rückzahlung im eigentlichen Sinne war normalerweise gar nicht vorgesehen, vielmehr bekam der Gläubiger bestimmte Einnahmequellen oder finanziell nutzbare Rechte wie etwa Landgüter, Zölle, Bergwerke übertragen, aus denen er dann selbst das ihm zustehende Geld zu erwirtschaften hatte. Das Problem in Heinrichs VI. letzten Amtsjahren hatte vor allem darin bestanden, dass es kaum noch irgendwelche Einnahmequellen zur Sicherung von Krediten gab, die nicht schon verpfändet waren.

Mit Edwards Amtsantritt änderte sich daran zunächst nichts, allerdings konnte er zusätzlich auf die Güter und Reichtümer des Hauses York zurückgreifen. Zudem ließ er zahlreiche Güter geflohener Lancasteranhänger beschlagnahmen. Andere mussten sich die Verzeihung des neuen Königs mit beträchtlichen Summen erkaufen. Gleichwohl waren Edwards erste Regierungsjahre von großen finanziellen Schwierigkeiten geprägt, musste er ständig neue Kredite aufnehmen, um die alten bedienen zu können. Ein kleiner Überschuss konnte erstmals im siebten Jahr erzielt werden. Erst in der großen Krise seiner Amtszeit in den Jahren 1470 /1471 gelang ihm gleichsam ein Befreiungsschlag: Nicht nur konnte er Heinrich VI. und Königin Margarete endgültig besiegen, sondern – finanziell noch wichtiger – den Grafen Richard von Warwick ausschalten und dessen Ländereien beschlagnahmen. Er vereinte nun die Besitzungen der Häuser York, Lancaster und Warwick (nicht zu reden von einigen kleineren Adelshäusern), im Jahr 1478 konnte er zudem die Güter seines Bruders Georg, des Herzogs von Clarence, einziehen.

Überhaupt war die zweite Hälfte seiner Amtszeit erheblich erfolgreicher als die erste. Seine Herrschaft im Inneren war nun gesichert, auch nach außen hin herrschte weitgehend Friede – abgesehen von dem kurzen Intermezzo des Frankreichfeldzugs. Dadurch wurde es möglich, die Verschuldung allmählich abzubauen.

Edward war darauf angewiesen, seine Kreditwürdigkeit aufrechtzuerhalten; sein Handeln war in vieler Hinsicht von diesem Ziel bestimmt. Um seine Finanzen zu sanieren, musste er die Einnahmen der Krone erhöhen und die Ausgaben senken. Auf beiden Feldern hat sich Edward als ebenso innovativer wie phantasievoller Herrscher erwiesen. War seine Vorgehensweise auch bei den Zeitgenossen umstritten, so war sie doch letztlich erfolgreich.

Herrscher und Berater

Das Zusammenspiel des Königs mit seinen Beratern vollzog sich im königlichen Rat (council). Hier wurden die wichtigen Entscheidungen diskutiert und getroffen. Es gab den so genannten kleinen Rat (King’s council), der alle paar Tage zusammentrat und die täglich anfallenden Geschäfte bearbeitete, und den eigentlichen, den großen Rat (great council). Seine Mitglieder sollten „ausgewählt werden aus den Prinzen und aus den großen Herren des Landes, den geistlichen wie den weltlichen, und ebenso aus anderen Männern, die große Autorität besitzen und hohe Ämter bekleiden“1. Einberufen wurde er lediglich in besonders wichtigen Fällen; solange er tagte, stand er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Gleichwohl war es der kleine Rat, der die alltägliche Regierungsarbeit besorgte und somit das zentrale Entscheidungszentrum des Königreichs war. Anders etwa als bei einem heutigen Kabinett war die Zugehörigkeit zu dieser Versammlung keineswegs festgelegt, der König entschied vielmehr nach Gutdünken, wen er zu einer Sitzung hinzuzog. Üblicherweise nahmen etwa 10 bis 20 ständige Mitglieder an den Sitzungen teil, also solche, die – wenn sie bei Hofe anwesend waren – immer herangezogen wurden. Hinzu kam eine wechselnde Gruppe anderer Teilnehmer: Insgesamt sind 105 Personen bekannt, die einmal als Ratgeber des Königs genannt werden. Ständige Mitglieder waren die Vorsteher der bedeutenden Ämter, also Kanzler, Siegelbewahrer und Schatzmeister, einige Bischöfe und diverse Vertraute des Königs, die meist auch seinem Haushalt angehörten. Die führende Stellung im Rat nahm der Schatzmeister ein; dieses Amt bekleidete seit 1471 Heinrich Bourchier, der Graf von Essex, der schon seit 1467 Steward – also Vorsteher – des königlichen Haushalts war. In Abwesenheit der Königs leitete er die Ratsversammlung. Die Bedeutung der Finanzverwaltung und ihre Verklammerung mit dem königlichen Haushalt springen ins Auge. Ein weiteres prominentes Ratsmitglied war Thomas Bourchier, Heinrichs Bruder und Erzbischof von Canterbury. In der ersten Hälfte von Edwards Regierung gehörte auch Erzbischof Georg Neville von York, der Bruder von Richard Neville, dem Rat an, womit der Neville-Clan einen Vertreter in der Versammlung hatte. Nachdem die Nevilles sich an der Verschwörung von Edwards Bruder Georg beteiligt hatten, fielen sie in Ungnade und hatten seither keinen Sitz mehr im kleinen Rat.

Königliche Patronage

Die „Macht“ des englischen Königs beruhte nicht nur auf den Befugnissen seines Amtes und auf seinem Reichtum, sondern auch und gerade auf der Möglichkeit, Einfluss auf die Vergabe von Ämtern, Würden und Rechten und die damit verbundenen Einkünfte auszuüben. Sehr deutlich wird das im Bereich der Kirche. Generell waren die Bischöfe zu Beginn von Edwards Regierung überwiegend Anhänger des Hauses Lancaster, die sich eher unwillig mit dem neuen Herrscher arrangierten. Mit jeder „Neubesetzung“ hat Edward hier seinen Einfluss genutzt, um treue Gefolgsmänner, die zuvor seinem Haushalt angehört hatten, zu Bischöfen wählen zu lassen. Ähnliche Muster finden sich bei der Vergabe von Lehen, bei der Besetzung hoher Ämter und auch und gerade bei den Eheschließungen des Hochadels. In allen Fällen konnte Edward unliebsame Kandidaten beiseite schieben und stattdessen seine bewährten Anhänger in Vertrauenspositionen unterbringen. Belohnungen für treue Dienste konnten so gleichsam indirekt erfolgen, nicht durch Zuweisung von Geld oder Besitz, sondern durch die Vermittlung eines Lehens, eines Amtes oder auch einer reichen Ehefrau.

Während in der ersten Hälfte von Edwards Regierung noch einige Mitglieder des Hochadels (so genannte Magnaten) dem Rat angehört hatten, verschwanden diese – abgesehen von den genannten Ausnahmen – weitgehend in der zweiten. Die meisten Teilnehmer kamen aus dem Landadel (der gentry), die sich in Edwards Haushalt als treue und fähige Diener bewährt hatten und dann vom König in den Rat berufen wurden. Feste Ressorts oder Kompetenzen gab es nur in Ansätzen, am ehesten noch in der Finanzverwaltung. Ansonsten aber findet man Mitglieder des Rats mit den verschiedensten Aufgaben beschäftigt, als Verwalter, Diplomaten oder auch mit militärischen Aufträgen. In der Regel hat Edward gute Menschenkenntnis bewiesen, fast alle seine Berater sind ihm 1470 ins Exil gefolgt und haben sich nach seinem Tod geweigert, in die Dienste Richards III., des Mörders von König Edwards rechtmäßigem Nachfolger, zu treten.

So mächtig ein mittelalterlicher Monarch auch war, seine Herrschaft war nicht absolut. Bei allen wichtigen politischen Entscheidungen war es nötig, den Konsens mit wenigstens dem größten Teil der Eliten herzustellen. Zu diesem Zweck pflegte der König den erwähnten großen Rat zu befragen, der sich aus den Großen des Reichs, also den Hochadligen und Bischöfen zusammensetzte. Nicht nur hörte er hier die Meinungen der Mächtigen des Landes, er konnte sie auch auf die zu treffenden Entscheidungen festlegen.

Wen der König in den großen Rat berief, war prinzipiell in sein Belieben gestellt; er tat allerdings gut daran, die Mächtigen seines Reichs nicht zu übergehen, sondern sie durch Berufung in dieses Gremium einzubinden. Die Bedeutung des Rats als wichtigstes Entscheidungszentrum war allgemein bekannt – Richard von York beispielsweise wurde gerade dadurch, dass man ihn vom Rat ausschloss, in die Opposition und schließlich zum Aufstand gedrängt.

Wir wissen leider kaum etwas darüber, wie und von wem die wirtschaftlichen Fragen im Rat vertreten worden sind und wer speziell für die händlerischen Aktivitäten des Königs zuständig war. Ein wichtiger Ratgeber war zweifellos Gherardo Canigiani, der Filialleiter der Medicibank in London (vgl. S. 131). Er gehörte jedoch dem königlichen Haushalt nicht an und dürfte eher sporadisch zu den Sitzungen herangezogen worden sein. Gleiches gilt für die factores, den königlichen Beauftragten, welche seine Handelsgeschäfte realiter betrieben. Sie standen zu tief in der Hierarchie und waren zudem selten bei Hofe anwesend. Am ehesten wird man an Heinrich Bourchier, den Grafen von Essex, den königlichen Schatzmeister und Steward, zu denken haben, nicht nur weil er Vorsteher der Finanzverwaltung war, sondern auch, weil er in kaum geringerem Maße als der König selbst als Händler in Erscheinung getreten ist.

Die Macht des Parlaments

Es ist ein verbreitetes Vorurteil, das Mittelalter wäre tyrannisch und unfrei, die Bevölkerung unterdrückt gewesen. Zwar sind Vergleiche hier problematisch, da die gesellschaftlichen Strukturen im Mittelalter ganz andere als heute waren, indes kann man doch ohne Übertreibung sagen, dass ganz im Gegenteil der im spätmittelalterlichen Europa erreichte Stand an Partizipationsmöglichkeiten erst im späten 19. Jahrhundert wieder erreicht wurde. Besonders deutlich ist das in England erkennbar, wo die parlamentarische Tradition vom Mittelalter ohne Unterbrechung in die Gegenwart hineinreicht. Man sollte jedoch nicht übersehen, dass vergleichbare Institutionen – Reichstage, Landtage, Ständeversammlungen – in allen europäischen Ländern existierten. Erst in den folgenden Jahrhunderten sollte auf dem Kontinent ihr Einfluss zurückgedrängt und ihre Befugnisse beschnitten werden, während wir in England die umgekehrte Entwicklung verfolgen können.

Was ist ein Parlament?

Mit dem Begriff parliamentum (von lateinisch parabolare = öffentlich reden) bezeichnete man in England zunächst eine vom König einberufene „große“ Ratsversammlung, wo über wichtige, das ganze Reich betreffende Fragen beraten wurde. Im Laufe der Zeit war diese Versammlung auch um Vertreter des Landadels und der Städte erweitert worden. Im 15. Jahrhundert konnte das Parlament bereits auf eine mehrhundertjährige Tradition zurückblicken, hatten sich Regeln für Einberufung, Ablauf und Befugnisse ausgebildet. Anders als heute tagte das Parlament nicht durchgängig, sondern nur, wenn der König es einberufen hatte, und zwar so lange, bis die anstehenden Fragen geklärt waren und der König das Parlament wieder entließ. Im 15. Jahrhundert bestand das Parlament bereits aus den noch heute bestehenden zwei Häusern: dem House of Lords, d. h. den hohen Adligen und Bischöfen, die persönlich berechtigt waren, am Parlament teilzunehmen, und dem House of Commons, das aus den Abgeordneten der Grafschaften und der Städte bestand. Gerade die Commons, das „Unterhaus“, galten als eigentliche Vertretung der comunitas regni, des Gesamtreichs. Nur mit Zustimmung des Parlaments konnte der König Gesetze erlassen und Steuern ausschreiben; beide Häuser mussten ihnen zustimmen.

Dem König standen vielfältige Mittel der Beeinflussung des Parlaments zur Verfügung. Nicht nur gehörten zahlreiche Mitglieder beider Häuser zu seiner Familie und seinem Haushalt, auch der Speaker, der Vorsitzende des Unterhauses, war ein Vertrauter des Königs. Man hat etwa berechnet, dass von den 291 bekannten Mitgliedern, die dem Unterhaus des Parlaments von 1478 angehörten, 57 enge Beziehungen zum königlichen Hof hatten. Statuten und Beschlüsse des Parlaments wurden in aller Regel in Ausschüssen vorbereitet, denen Berater des Königs, die zugleich Mitglieder des Parlaments waren, angehörten. Daraus sollte man aber nicht den Schluss ziehen, das Parlament sei machtlos oder vom König einfach zu manipulieren gewesen. Die Möglichkeiten der Beeinflussung bestanden ja auf beiden Seiten; das Parlament konnte seinerseits durch die genannten Personen auf den König einwirken, ihm seine Wünsche, Forderungen und Bedürfnisse nahe bringen. Gerade bei Steuerforderungen des Königs hat das Unterhaus mehrfach zähen Widerstand geleistet, der zur Folge hatte, dass Edward es vorzog, die Forderungen fallen zu lassen oder erheblich zu modifizieren. Der Zweck der Parlamente war es gerade, Übereinstimmung von König und Nation in wichtigen Fragen herzustellen, Konflikte auf dem Weg der Verhandlung und des Kompromisses zu lösen. Gelang dies schnell und reibungslos, zeigte es dem König, dass er Rückhalt in der Bevölkerung hatte.

Edward IV. hat lange als Gegner des Parlaments gegolten, da er es nur sechs Mal einberufen hat. Daraus folgt jedoch nicht, dass er es prinzipiell abgelehnt hätte, eher lag es daran, dass er es nicht nötig hatte. Infolge seiner Friedens- und erfolgreichen Wirtschaftspolitik konnte er sich mit Steuerforderungen zurückhalten. Zudem haben seine Parlamente relativ lange getagt – insgesamt 84,5 Wochen –, und in dieser Zeit eine beträchtliche gesetzgeberische Aktivität entfaltet.

Gerade Gesetze zu wirtschaftlichen Fragen wurden verabschiedet, die uns hier besonders interessieren. Die Abgeordneten, die die Städte ins Unterhaus entsandten, wurden vom städtischen Patriziat nominiert; vielfach handelte es sich dabei um Geschäftsleute und Fernhändler. Sie waren die geeigneten Lobbyisten für wirtschaftliche Fragen; sie fanden in Edward einen interessierten Ansprechpartner. Ihre Tätigkeit war durchaus erfolgreich. Von den 54 Statuten, die Edwards Parlamente erlassen haben, also von solchen Beschlüssen, die das Gewohnheitsrecht dauerhaft modifizierten, betrafen mehr als die Hälfte, nämlich 28, wirtschaftliche Fragen. Aus heutiger Sicht wirken die erlassenen Vorschriften freilich eher antiquiert, manche würden heutige Ökonomen als Todsünde gegen die Marktwirtschaft brandmarken, wie etwa die Bestimmung, dass ausländisches Korn erst dann nach England eingeführt werden dürfe, wenn der Brotpreis einen bestimmten Höchststand überschritten hatte.

Eine solche Kritik würde jedoch ihr Ziel verfehlen. In einer Wirtschaft, die zum allergrößten Teil eben noch nicht von Marktgesetzen reguliert wurde, mussten derartige Vorschriften an die Stelle frei austarierter Preise treten. Freie Konkurrenz konnte man sich zunächst nur bei Luxuswaren erlauben, die nicht lebensnotwendig waren. Die parlamentarische Gesetzgebung in wirtschaftlichen Angelegenheiten lässt sich am ehesten als früher Merkantilismus charakterisieren, d. h. als eine protektionistische Politik, welche die eigene Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz möglichst zu schützen versucht. Typisch ist etwa ein Einfuhrverbot für ausländische Seide, um die Londoner Seidenmanufaktur zu protegieren. Wichtiger war das Verbot der Wollausfuhr durch ausländische Kaufleute, womit offenbar der italienische Wollhandel getroffen werden sollte. Es wird sich noch zeigen, dass die Genehmigung von Ausnahmen von dieser Regel, d. h. der Verkauf von Lizenzen, eine wichtige Einnahmequelle für Edward war. Ungewöhnlich sind nicht die Vorschriften als solche, sondern dass sie für das gesamte Reich erlassen wurden.

Analoge Regelungen sind durchaus auch vom Kontinent bekannt; sie waren zu dieser Zeit allerdings lediglich auf städtischer Ebene üblich. England genoss hier den Vorteil, bereits ein geeintes und auch verwaltungsmäßig erfasstes Staatswesen zu sein. Man bemerkt hier den beginnenden Übergang von der „Stadtwirtschaft“ zur „Volkswirtschaft“.

Der königliche Kaufmann

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