Читать книгу Fachdidaktisches Orientierungswissen für den Religionsunterricht - Stefanie Pfister - Страница 8

Оглавление

3. Kriterienorientierte theologische Sachanalyse

In einem viel gelesenen Online-Forum1 zur Unterrichtsvorbereitung im Fach Evangelische Religion ist folgender aufschlussreiche Diskussionsverlauf dokumentiert.

Melosine fragt: „Hallo, seit Anfang des Halbjahres müssen wir in Religion Sachanalysen mit in den Unterrichtsentwurf schreiben. So’n Krampf! Deshalb meine Fragen an euch: Was gehört in eine Sachanalyse? Gibt es Tipps, wie man eine Sachanalyse verfasst? Mein konkretes Beispiel: Symbol Hand in einer 1. und 2. Klasse: Wenn ich eine Bildbetrachtung mache, was analysiere ich dann? Das Bild? Das Bild, bezogen auf das Symbol Hand? Schreibe ich etwas zur Symboldidaktik? Ich stehe gerade völlig auf dem Schlauch und bin für jede Hilfe dankbar!

Juna antwortet auf diesen Thread: „Mein Tipp: Schreibe alles drei! Zitat mein Seminarleiter: Nur mit einer ordentlichen Sachanalyse zeigt man, dass man sich gründlichst mit der Sache auseinandergesetzt hat!“

Frage und Antwort in diesem Thread lassen bereits auf den ersten Blick erkennen, dass sich die beiden Disputantinnen bei der Abfassung ihrer theologischen Sachanalyse sehr verunsichert fühlen. Die Begründung, etwaige Struktur und Funktion einer reflektierten theologischen Sachanalyse erscheinen den beiden Diskussionspartnerinnen als lästige Pflichtübung, deren Inangriffnahme und Durchführung nach Möglichkeit mit Hilfe von alltagstauglichen, bewährten „Kochrezepten“ erfolgen soll.

In Beantwortung der weiter oben durch den Diskussionsverlauf im Online-Forum durch „Melosine“ aufgeworfenen Frage sollte festgehalten werden:

Selbstverständlich ist eine sachgemäße und professionelle Unterrichtsvorbereitung zentraler Bestandteil der Lehrerprofessionalität. Eine dergestalt zu fordernde Unterrichtsvorbereitung wird auch immer die didaktisch-methodische Dimension der „Sache“ im Blick behalten. Gleichwohl evoziert der christliche Glaube und seine Rechenschaftslegung ein allgemeindidaktisch-methodisch nicht einholbares Mehr an existenzieller Orientierung.

Dieses apostrophierte Mehr des christlichen Glaubens lässt es geraten sein, die Sachanalyse im Religionsunterricht nicht allein als allgemeindidaktisch ableitbare, sondern auch als explizit theologische Aufgabe zu bestimmen und entsprechend durchzuführen.

Von daher plädiert das vorliegende Kapitel dafür, die theologische Sachanalyse im Kontext der Unterrichtsvorbereitung eben nicht als lästige Pflichtübung anzusehen und entsprechend niederschwellig durchzuführen, sondern als Ort zu bestimmen, an dem insbesondere durch die Persönlichkeit des Unterrichtenden immer wieder neu (und de facto unabgeschlossen) eine „Wesensanalyse“ und normative „Wesensbestimmung“ − als zentralem Aspekt professionellen Lehrerhandelns − reformatorischen Christentums vorgenommen werden kann. Gleichermaßen plädiert dieses Kapitel dafür, die theologische Sachanalyse als Ermöglichungsperspektive eines Evangelischen Religionsunterrichts zu verstehen, der in konfessioneller Perspektive als „Befähigung zum Christsein“ − sowohl auf der Seite der Unterrichtenden als auch auf der Seite der SchülerInnen − beizutragen vermag.2

Mirjam Zimmermann schreibt beispielsweise:

„Eine Sachanalyse ist sozusagen eine „Miniseminararbeit“ zum Thema mit der Intention, das Thema für mich als Lehrer bzw. Lehrerin wieder neu aufzuarbeiten und zu durchdringen. Es geht hier noch nicht um das mögliche Verhältnis des Schülers/der Schülerin zu dieser Sache, sondern um eine dem geistigen Niveau des Lehrenden entsprechende Durchdringung – erst das ermöglicht eine spätere ‚Übersetzung‘ ins Kindgemäße.“3

Das nachfolgend skizzierte Modell einer reflektierten theologischen Sachanalyse als christliche Rechenschaftslegung hat sich in der Ausbildungspraxis bei Lehramtsstudierenden an der TU Dortmund und der Universität Essen bewährt.

Methodische Schritte zum Entwurf einer theologischen Sachanalyse

Als zentrale, formale Dimensionen jedweder theologischen Sachanalyse können dabei gelten:

•die exakte Definition des theologischen Begriffs bzw. der biblische Befund und dessen exegetische Akzentuierung,

•der historische Befund: zentrale Weichenstellungen zum Thema (dem Begriff, der Sache) in der Dogmen- und Theologiegeschichte,

•die aktuelle – ggf. interkonfessionelle – Fachdiskussion,

•zentrale, kontroverse, christliche Theologie und christlichen Glauben herausfordernde Voten nicht theologischer Wissenschaften zum Thema.4

Es ist dabei für die Unterrichtsvorbereitung nicht zielführend, diese formalen Dimensionen der theologischen Sachanalyse bei jedem Unterrichtsthema immer wieder redundant und nur aneinandergereiht, quasi mechanisch „abzuarbeiten“, sondern es gilt eine begründete Schwerpunktsetzung mit Bezug auf die jeweilige Anforderungssituation vorzunehmen.

Dabei können zwei Anforderungssituationen unterschieden werden:

•Die Vorgaben und Impulse der entsprechenden kompetenzorientierten Kernlehrpläne der einzelnen Bundesländer und bzw. oder

•sich häufig spontan ergebende, oftmals allgemein-religiöse Fragestellungen aus dem Kontext des Religionsunterrichts heraus und im weiteren Bedingungskontext des Religionsunterrichts selbst.

Damit erwächst dem Unterrichtenden in der theologischen Sachanalyse eine doppelte Aufgabenstellung: Einmal steht er vor der Aufgabe, sich zu „seinem“ Thema theologische Überblicks- und Orientierungskompetenz zu verschaffen und anzueignen. Zum anderen besteht seine Aufgabe darin, begründet und nachvollziehbar die zentrale theologische Dimension bzw. die zentralen, theologischen Dimensionen (gesamtbiblisch, systematisch-theologisch, kirchen- bzw. theologiegeschichtlich) „seines“ Themas in ihrer Exemplarizität für den christlichen Glauben und die christliche Lebenspraxis zu benennen und diese Exemplarizität entsprechend darzustellen. In einem darauffolgenden methodischen Schritt ist der Unterrichtende aufgefordert, wiederum begründet, zentrale inhaltliche Teilaspekte der dargelegten theologischen Dimension(en) für die Gegenwart hermeneutisch reflektiert auszulegen und diese schließlich jeweils mit Hilfe der entsprechenden, fachdidaktischen Ansätze auf Unterricht hin zu erschließen.

Gleichwohl ist in der theologischen Sachanalyse die grundlegende Unterscheidung und gegenseitige Verhältnisbestimmung von Aussagen der Heiligen Schrift als norma normans und der Bekenntnistradition als norma normata zu wahren. Diese Unterscheidung ermöglicht sowohl kurzfristig als auch mittel- und langfristig die Kennzeichnung und Wiedererkennung der intendierten Positionierung als spezifisch evangelisches Votum.5

Auch eine bewusste Rezeption und Bearbeitung zentraler Anfragen und Impulse nicht theologischer Wissenschaften an den zur Debatte stehenden theologischen Fragestellungen vermögen es, den Charakter der theologischen Sachanalyse als christliche bzw. evangelische Rechenschaft nochmals pointiert zu fokussieren.

Das folgende Schema vermag die Struktur und die empfehlenswerte Vorgehensweise beim Entwurf einer theologischen Sachanalyse zu verdeutlichen.


Schaubild 1: Die theologische Sachanalyse in der Unterrichtsvorbereitung

1 http://www.lehrerforen.de/board922-ausbildung-und-berufsanfang/board1-referendariat/5585-sachanalyse-religion/ (abrufen am 24.03.2014).

2 Zu Begriff und Gegenstand des „Befähigung zum Christsein“ als Inhalt und Ziel des Religionsunterrichts vgl. Grethlein: Fachdidaktik Religion, 271ff.

3 Mirjam Zimmermann: Planung von Religionsunterricht. Vorarbeiten, Unterrichtsentwurf, Evaluation, online verfügbar unter: http://www.uni-bielefeld.de/theologie/lehre/Zimmermann-2006-Planung_Religionsunterricht.pdf (abgerufen am 25.03.2014). Dies.: Planung von Religionsunterricht in der Oberstufe, in: Gottfried Adam/Martin Rothgangel/Michael Wermke: Kompendium für den Religionsunterricht in der Sekundarstufe I, Göttingen 2006, 413−436.

4 Die Einträge zu zentralen, theologischen Begriffen in den gängigen theologischen Lexika (RGG, TRE, LThK) folgen diesem Schema.

5 Zur komplexen Verhältnisbestimmung von Bibel als norma normans und Bekenntnistradition als norma normata vgl. die Hinweise von Johannes Dittmer: Zur Bedeutung von „Kirche und Bekenntnis“ für das ev. Kirchenrecht. Zur Bedeutung des Kirchenverständnisses für Organisation und Selbstverständnis der Union Evangelischer Kirchen (UEK) als Kirchenbund in Deutschland in historischer und systematischer Hinsicht. Working-Paper 1/08, online verfügbar unter: http://www.ekd.de/kirchenrechtliches_institut/download/HIEK2_Dittmer.pdf (abgelesen am 27.03.2014).

Fachdidaktisches Orientierungswissen für den Religionsunterricht

Подняться наверх