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Mit alten Sprachen punkten: Schulbildung und Fremdsprachenkenntnisse

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Welche persönlichen Voraussetzungen braucht man also, um sich erfolgreich als Kaiser zu bewerben? Einige Aspekte sind schnell aufgezählt: Sie müssen ein männlicher und volljähriger römischer Bürger sein; eine Altersgrenze nach oben existiert nicht (Nerva wurde zum Beispiel mit 65 Jahren Kaiser, Galba sogar mit 71). Sie sollten nach Möglichkeit dem Senatorenstand angehören und eine entsprechende Laufbahn absolviert haben – auf diesen Punkt kommen wir im nächsten Kapitel ausführlich zu sprechen. Und Sie sollten sich guter körperlicher und geistiger Gesundheit erfreuen (vgl. auch Kapitel 6 zu den physischen Beanspruchungen im Zusammenhang mit Reisetätigkeit).

Praxistipp: Diagnose Caesarenwahn?

Gelehrte haben viele Betrachtungen über den sogenannten „Caesarenwahn“ angestellt, eine psychische Erkrankung, die aus der unbeschränkten Macht und gottgleichen Stellung eines Kaisers resultieren soll. Die vergröberte und populäre Version dieser Sichtweise besagt, dass eigentlich fast alle bisherigen Kaiser „verrückt“ waren. Deshalb hier ein wichtiger Hinweis: Wenn bei Ihnen Schizophrenie oder andere psychotische Vorerkrankungen diagnostiziert wurden, dann verbessert das mit Sicherheit nicht Ihre Chancen im Auswahlverfahren. Sie sollten derartige medizinische Details also auf keinen Fall in Ihren Bewerbungsunterlagen preisgeben – Geisteskrankheit ist keine Voraussetzung, um den Posten zu bekommen!

Im Prinzip gehören die Phänomene, die unter das Label Caesarenwahn fallen, auch eher in das Gebiet des Reputation Management als das der Psychiatrie: Kaiser, die aus der Rolle fallen und nicht die üblichen Spielregeln der politischen Kommunikation einhalten, werden schnell als „verrückt“ abgestempelt. Gerade Caligula, der oft als einer der wahnsinnigsten in einer langen Reihe von wahnsinnigen Kaisern dargestellt wird, belegt dies: Dass der Kaiser der unumschränkte Herr über das gesamte Imperium ist, war schon unter seinen Vorgängern Augustus und Tiberius hinreichend klar. Caligula beging jedoch den Fehler, seine gesamte Umgebung permanent an dieses Faktum erinnern zu wollen, oft sogar in ausgesprochen geschmackloser Weise. Wie sehr er dabei den Bogen überspannt hat, zeigt sich daran, dass er schließlich von Soldaten ermordet wurde, und seine Frau und seine Tochter gleich mit. – Ein ganz außergewöhnlicher Vorgang, entwickelt die Leibwache doch normalerweise eine tief empfundene Loyalität zum Amtsinhaber und seiner Familie.

Das Stichwort politische Kommunikation, das gerade gefallen ist, beschreibt einen wesentlichen Aspekt Ihrer Rolle als Kaiser: Augustus war ein begnadeter Kommunikator, der seine überragende Machtposition vor allem dadurch erringen und erhalten konnte, dass er alle Misstöne im Verhältnis zum empfindlichen Senat vermied. Wer jedoch, wie der eben erwähnte Caligula, als Kommunikator scheitert, der scheitert unweigerlich als Kaiser überhaupt. Und das Fundament, das Ihnen den souveränen Umgang mit den Spielregeln der politischen Kommunikation ermöglicht, ist eine solide Schulbildung (lat. humanitas bzw. griech. paideia). Nicht technisches Fachwissen ist für Sie als Kaiser das Entscheidende, kein spezielles Know-how in Verwaltungsdingen und dergleichen (dafür gibt es schließlich Personal, das Ihnen zur Hand geht), sondern in erster Linie die gründliche Kenntnis der Klassiker. Auf Ihrem Lehrplan sollten vor allem folgende Autoren gestanden haben (wenn es hier Lücken aus der Schulzeit gibt, müssen diese rechtzeitig vor dem Bewerbungsgespräch geschlossen werden):

Lateinische Autoren

– Cicero, Sallust, Terenz und Vergil gehören zu den wichtigsten Schulautoren, ihr Stil gilt als vorbildlich, und sie sind Essentials für einen Mann von Bildung! Die Aeneis von Vergil beschreibt die Vor- und Frühgeschichte Roms, eine Art Sequel zu Homers Troianischem Krieg; seine Georgica sind offiziell ein Lehrgedicht über die Landwirtschaft. Realiter jedoch sind beide Werke vor allem Lobgesänge auf das goldene Zeitalter des Augustus – und hervorragende Quellen von Zitaten zu jeder Gelegenheit!

– Livius – umfassende, wenn auch manchmal etwas ideologielastige Einführung in die Geschichte Roms; sein umfangreiches Werk ist sehr schnell in den Rang eines Klassikers erhoben worden.

– Weitere Autoren, die in der Schule weniger oft vorkommen, die wir Ihnen jedoch ans Herz legen wollen, sind: Iulius Caesar – sehr präziser Stil, unbedingt als Vorbild zu empfehlen, falls Sie selbst einmal Feldzugsberichte verfassen sollten; Ovid – seine Metamorphosen sind ideal, um die Kenntnisse in Mythologie aufzufrischen (seine schlüpfrige Liebeskunst hingegen eignet sich nicht als Zitatefundus für offizielle Anlässe!).

Griechische Autoren

– Homers Ilias über den Troianischen Krieg und die daran anschließende Odyssee sind die griechischen Klassiker schlechthin; wenn Sie sich aus Zeitmangel auf einen einzigen griechischen Autor beschränken wollen, dann muss es Homer sein!

– Demosthenes – der größte Redner, den Athen (manche sagen sogar: die Welt) je hervorgebracht hat. Zugegeben, die athenische Demokratie war berüchtigt für die törichten und unüberlegten Beschlüsse der Volksversammlung, woran Demosthenes als Demagoge keinen geringen Anteil hatte. Aber vom rein rhetorischen Standpunkt her war er eine Spitzenkraft, aus seinen Schriften können Sie gewiss noch manches lernen.

– Zur Abrundung empfehlen wir die Philosophen Platon und Aristoteles sowie einige Historiker – Herodot (Perserkriege) und Thukydides (Peloponnesischer Krieg zwischen Athen und Sparta), dazu Polybios, der als erster Grieche ausführlich über das römische Militärwesen geschrieben hat.

Wenn Ihnen dieses Pflichtprogramm umfangreich und abschreckend vorkommt, sollten Sie auch das Positive dabei sehen, bevor Sie kapitulieren: Im Prinzip reichen zwei Sprachen vollkommen aus, nämlich Latein und Griechisch, um alle Anforderungen des Kaiserjobs zu meistern. Zwar werden im Imperium etliche weitere Sprachen gesprochen, und verschiedene Ihrer Vorgänger haben tatsächlich auch einige davon beherrscht; Septimius Severus etwa sprach auch Punisch, und Claudius hat sogar ein wissenschaftliches Werk über die etruskische Sprache verfasst. Aber das ist Beiwerk, das für einen Kaiser überflüssig ist. Selbst von den Barbaren, mit denen Sie auf diplomatischer Ebene zu tun haben werden, kann man Kenntnisse in Latein oder Griechisch erwarten.

Nur zwei Sprachen also, aber die müssen sitzen! Latein allein reicht nicht, vor allem der griechischsprachige Osten Ihres Reiches wird von Ihnen erwarten, dass Sie sich auch in der Sprache Homers flüssig ausdrücken können. Selbst ein Kaiser wie Tiberius, der als schwierig und wenig populär galt, konnte wenigstens einige Pluspunkte gutmachen, weil er das Griechische so perfekt beherrschte. Denn eines sollten Sie sich einprägen: Kommunikation ist das Kerngeschäft des Kaisertums. Das perfekte Beherrschen der beiden Hauptsprachen der Elite im Imperium; die Fähigkeit, auch aus dem Stegreif formvollendete Reden zu halten; das mühelose Erkennen von gelehrten Anspielungen in den Reden anderer und das ebenso mühelose Erwidern mit literarischen Zitaten – wer hier nicht im Stoff steht und stilsicher auftritt, hat keine Chance als Kaiser. Im Einzelnen erwartet Sie vor allem Folgendes:

Kommunikationsanlässe im Regierungsalltag

– Reden vor den Senatoren

– Empfang von Gesandtschaften

– Ansprachen an das Volk (in Rom und anderswo)

– Ansprachen an die Soldaten

– Anrufung der Götter bei religiösen Veranstaltungen

– Beantwortung von Bittgesuchen und Eingaben (mündlich und schriftlich)

– Administrative Korrespondenz mit Statthaltern, Provinziallandtagen, Städten

Wenn Sie sich schon immer gefragt haben, was die vielfältig angebotenen Rhetorikkurse für Führungskräfte eigentlich bringen, dann haben Sie jetzt eine Antwort. Dabei ist in jedem Fall eine sorgfältige Zielgruppenanalyse nötig: Senatoren wollen anders angesprochen werden als die plebs urbana der Hauptstadt; Soldaten schätzen keine ellenlangen Homerzitate in den Ansprachen, die sie über sich ergehen lassen, dafür kommt es gut an, wenn Sie sie als Kameraden (commilitones) ansprechen – was sich wiederum gegenüber den Senatoren verbietet.

Viele Anlässe sind planbar, etwa offizielle Auftritte im Senat. Daneben werden Ihre Untertanen aber erwarten, dass Sie auch zu anderer Gelegenheit ein offenes Ohr für ihre Anliegen haben und entsprechend darauf eingehen.

Fallbeispiel: Hadrian und die Bittstellerin

Cassius Dio berichtet, dass Hadrian einmal auf einer Reise von einer Frau angesprochen wurde, die ein Anliegen vorbringen wollte. Hadrian erklärte, er habe keine Zeit, und ritt weiter. Da rief ihm die Bittstellerin hinterher: „Dann sei auch nicht Kaiser!“, woraufhin Hadrian kehrtmachte und ihr eine Audienz gewährte. – Eine hübsche Anekdote, die uns misstrauisch machen sollte, gerade weil sie so hübsch ist (und in fast identischer Form auch von anderen Herrschern berichtet wird). Aber egal, ob wahr oder erfunden, worauf es hier ankommt, ist, dass diese Episode die Essenz der Erwartungen beschreibt, die man dem Herrscher entgegenbringt.

Auf die konkreten Anliegen, die man an Sie herantragen wird, gehen wir auch in Kapitel 4 noch ein. Hier wollen wir einen anderen Punkt hervorheben: Wie das Beispiel der Bittstellerin deutlich macht, erwarten Ihre Untertanen von Ihnen vor allem, dass Sie auf Ihre vielfältigen mündlichen und schriftlichen Anfragen reagieren. Privatpersonen rufen den Kaiser als Berufungsinstanz in Rechtsstreitigkeiten an (wenn sie sich nicht sogar direkt an ihn wenden, unter Umgehung der örtlichen Gerichte), Statthalter bitten um Klärung strittiger Verwaltungsfragen, von Erdbeben heimgesuchte Städte rufen nach finanzieller Hilfe für den Wiederaufbau – und so weiter. Der Großteil der Korrespondenz, der Einzelfallentscheidungen und der Gesetzgebung, die von Ihren Vorgängern erhalten sind, ist als Reaktion auf solche Anfragen entstanden.

Gerade für jüngere Männer voller Tatendrang, die mit dem Kaiserjob vor allem aktives Gestalten und entschlossenes Durchregieren assoziieren, kann dies zu Problemen führen. Wenn Sie ernsthaft an diesem Posten interessiert sind, müssen Sie der Tatsache ins Auge sehen, dass Ihre Regierungstätigkeit überwiegend passiv und reaktiv statt proaktiv sein wird. Kaiser, die sich berufen fühlen, den Zustand der Welt durch groß angelegte Reformen und umfassende Gesetzgebung umkrempeln zu wollen, stoßen sehr schnell auf den Widerstand der öffentlichen Meinung.

Fallbeispiel: Domitian und die Weinstöcke

Suetonius berichtet in seiner Vita Domitians über einen der wenigen Versuche eines Kaisers, durch ein Reformgesetz einen Übelstand auszumerzen: „In einem Jahr, in dem es eine Überfülle von Wein, aber zu wenig Getreide gegeben hatte, war er der Meinung, durch übertriebenen Weinbau komme der Ackerbau zu kurz, und er erließ eine Verordnung, dass niemand mehr in Italien neue Rebberge anlegen dürfe und in den Provinzen mindestens die Hälfte der Reben vernichtet werden müsse.“ (Suetonius, Domitian 7; Übers. A. Lambert). Klugerweise verzichtete er darauf, die Durchsetzung zu erzwingen; schließlich musste die Regelung unter dem Druck der öffentlichen Meinung ganz zurückgenommen werden: „Als er das Edikt über die Abholzung der Weinberge widerrufen ließ, war wahrscheinlich der Hauptgrund der, dass eine Schmähschrift verbreitet wurde, in der folgende griechische Verse zu lesen waren: ,Frisst du mich auch bis zur Wurzel, genug trag ich immer noch Früchte,

Um dir zu spenden den Wein, wirst einst geopfert du, Bock.‘“ (Suetonius, Domitian 14; Übers. A. Lambert).

Wenn es Sie schmerzt, dass Sie der Welt nicht Ihren Stempel durch gesetzgeberische Reformvorhaben aufdrücken werden, dann tröstet es Sie vielleicht, dass selbst Augustus in diesem Punkt an seine Grenzen gelangte: Die von ihm auf den Weg gebrachten Ehegesetze haben die sittlichen Verhältnisse innerhalb der Senatorenschaft nicht messbar verbessert, aber ihm selbst dafür den Spott eingebracht, dass seine eigene Familie und sein Freundeskreis diese Bestimmungen auch nicht erfüllten.

Berufsziel: römischer Kaiser

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