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KAPITEL 3 DIE NIE GESPIELTE FLÖTE

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Bevor wir loslegen – ihr fragt euch möglicherweise: »Gehts jetzt um den berühmten Rattenfänger aus dem Märchen oder ist das wieder so eine oberschlaue Drogenanspielung?« Lest weiter … suchet, so werdet ihr finden …

Ich glaube fest an die Gunst der Stunde. Der Zug fährt ohne dich ab, Mann, wenn du nicht bereit bist für den Weg zum Ruhm. Dann brauchst du Brüder wie die Kinks, die Everly Brothers und natürlich die Stones. Und ich war bereit, so bereit wie man nur sein konnte. »Keith, gib mir ein E!« Und der Ansager spricht: »Einen Riesenapplaus für den alten Wieheißternoch und seine bunt zusammengewürfelten Wichser.« Yeah, yeah, yeah … Aber ich fand immer, dass ich einen Bruder brauche, um die Welt zu rocken – und das Schicksal erledigt dann den Rest.

Ich bin Rockstar, seit ich denken kann. Ich kam aus dem Bauch meiner Mutter und schrie nach mehr als ihrer Brust und Nahrung. Ich wurde geboren, um da oben auf der Bühne meine Nummer abzuziehen, Stadien zu füllen, Drogen zu missbrauchen und drei leckere Groupies gleichzeitig zu vernaschen … UND meine eigene Barbecuesauce auf den Markt zu bringen (ach nein, das war Joe). Vom Rest der Welt verlangte ich nicht mehr, als dass er erkannte, wer ich wirklich war – ich, Steven Tyler, the Demon of Screamin’, der Schrecken des Unterhaltungsgewerbes. Dem Rezept nach brauchte ich dazu eine heiße Band, eine Handvoll Hits und, wie ich bereits andeutete, meinen Mutantenzwilling. War das zu viel verlangt?

Im Sommer 1970 beherrschten die Riesenechsen und Heavy-Metal-Saurier der Sechzigerjahre immer noch das Land – The Stones! The Who! Pink Floyd! Black Sabbath! Deep Purple! Led Zeppelin! Die ganzen mimosigen Briten mit ihren millionenwerten Bluesriffs, ihrem Akzent, ihren Marshall-Türmen, die in affigen King’s-Road-Klamotten rumliefen. Wir hatten nicht die leiseste Chance, Alter. In den USA erschienen kleine Bands auf der Bildfläche und verschwanden wieder. Sie kauerten im Unterholz, das vorbeiziehende Ledzepposaurier niedertrampelten. Wenn du es dort unten mal rascheln hörtest – das waren wir. Ich war in vielen dieser kleinen Bands und schlug mich durch mit 60-Dollar-Gigs (wenn wir Glück hatten) in miesen Clubs, Turnhallen, Tanzlokalen und Spelunken.

In Sunapee (Einwohner im Sommer 5 400, im Winter 500) war ich sogar ein ausgewiesener Rockstar. Meine Singles liefen in der Jukebox vom Anchorage, unserer Stammkneipe. Ich hatte mit Chain Reaction ein paar Singles veröffentlicht, die sehr poppige und Brit-Invasion-mäßige Ballade »When I Needed You« und das beatleske, nach Dave Clark Five klingende »You Should Have Been Here Yesterday«. Ich war eine Lokalgröße, zügig auf dem Weg nach ganz oben … in meiner Vorstellung. Aber mehr war da nicht. Ich zündelte mit zahllosen Bands und kehrte als gebranntes Kind heim.

Ich mähte wieder Rasen. Ich hatte ein wenig Hasch in meiner Haschdose und rauchte es in meiner Haschpfeife, die ich Die nie gespielte Flöte nannte. Ein paar Züge, um ein bisschen high zu werden in einem alten, zugigen Haus mit zugezogenen Vorhängen. Mit meinen Freunden saß ich rum, wir sprachen darüber, womit wir unser Geld verdienen wollten. Vielleicht Bulle werden – ich habe das wirklich gesagt! Ich schwöre! Ich wollte hier Polizist sein, wie mein bester Kumpel Rick Maston, der am See seinen Dienst tat. Ich dachte mir, ich könnte dann nachts rumfahren, wenigstens hätte ich etwas zu tun, wie Biff, der alte Cop am Hafen. Was würden wir mit sechzig machen? Das war ein anderes Gesprächsthema. Ja nun, wir würden Zigarren rauchen und auf der Terrasse sitzen. Aber kaum waren die Worte ausgesprochen, hörte ich den schrillen Fledermausschrei in meinem Gehirn. Nein, das glaube ich nicht!

Sunapee ist so wie Unsere kleine Stadt – es ist nur kleiner, ein bisschen künstlicher (weil Ferienort) und liegt an einem See. Sunapee Harbor sieht aus wie seine eigene Postkarte: idyllische Häuschen, Souvenirläden mit Krimskrams, bunt schillernde lokale Charaktere, alternde Rockstars … die Masten der Segelboote schaukeln im Hafen. Es ist sooo malerisch. Das perfekte Bühnenbild für Touristen. Da legte ein antiker Raddampfer neben einem kleinen, herausgeputzten Park an. Die Crew trug Schiffsuniformen wie aus einer komischen Oper und der Kapitän berichtete über Historie, Sehenswürdigkeiten und die Sage vom kristallklaren Lake Sunapee, derweil er zwecks Belehrung und Vergnügung der glotzenden Besucher auf interessante Punkte wies. »Hier nun sehen Sie den Leuchtturm, von dem die Legende erzählt, dass sich zwei unglücklich liebende Menschen in hellen Mondnächten an ihm trafen … Und dort drüben befindet sich das Sommerhaus des aus der Art geschlagenen Rockstars und Kontrollfreaks Steven Tyler [ohhh!], der als Kind hier im Sommer den Rasen mähte und mit Elfen sprach …«

Das Stück Unsere kleine Stadt gibt man hier unter dem Namen »Crackerbarrel Chat«, wo Senioren (die sich selbst spielen) um den Holzofen im Museum der Historischen Gesellschaft sitzen und aus erster Hand Erinnerungen, Erfahrungen und Fotos vergangener Tage weiterreichen. Für nächstes Jahr habe ich einen Vertrag. Meine Themen werden sein: schnitzen, Kuckucksuhren, die Schwanzgröße von Slash und wie man einen Fernseher aus dem Hotelzimmer in den Swimmingpool wirft, sodass er beim Aufschlag auf das Wasser explodiert. (Kleiner Tipp: Verlängerungskabel.)

Sunapees Idylle ist schön und gut, aber wenn du den Ehrgeiz hast, Rockstar zu werden, dann sitzt du in der Klemme. Dann ist das nicht der geeignete Ort. Ich wusste, dass die Stadt in ein paar Wochen völlig verlassen wäre. So wie Brigadoon in dem Musical hätte sich im September alles in Luft aufgelöst, die Wohnungen verrammelt, die Kulissen eingelagert, und über Nacht ist das Dorf wieder so verlassen wie in einem Film von Stephen King, wo der Ort aufgrund eines übernatürlichen Nebels geräumt wurde. Ich stand ganz allein in Sunapee Harbor und niemand war mehr da. Ich bekam Gänsehaut. Kein Wunder, dass die Stadt voll von Alkoholikern ist – es gibt nichts anderes zu tun.

Die Winter in Sunapee sind brutal. Sechs Monate heulender Wind und Schneetreiben. Ein sibirischer Albtraum! Und ich habe jede Menge Winter in Sunapee verbracht, meine Wunden geleckt, mich zugedröhnt, vor mich hin gebrütet, meine Sinne gesammelt, mich neu erfunden und meine Jagger-Schnute geübt. Zu viele Winter schon hatte ich damit zugebracht. Noch einen würde ich es nicht tun. Ich sagte mir: »Jetzt reichts!« Ich betete zum Engel der Betonziegelgarderoben und zerrissenen Kunstledersofas: »Erlöse mich von dem Übel!«

Und dann eines Tages – wie eine Erscheinung – Joe Perry! In seinem braunen MG tauchte er vor dem Haus meiner Eltern in Trow-Rico auf. Man sollte dort eine Gedenktafel anbringen. Gott, ich sehe es noch immer vor meinem inneren Auge – die Mauer aus Waschbeton unterhalb des großen Hauses, die Stufen hinauf, wo ich die Hecken schnitt – ein Moment in Technicolor-Breitbandformat. Er stieg aus seinem kleinen britischen Sportwagen und trug eine schwarze Hornbrille: »Hey, Steven, ich hab eine Band, die spielt heute Abend in der Scheune. Komm doch vorbei, ich lade dich ein. Du kennst doch Elyssa, oder? Sie kommt auch.« Oh ja, ich kannte Elyssa, die Flipperkönigin. Sie war Joes Freundin und atemberaubend schön.

Joe, Tom Hamilton und ein Bürschchen namens Pudge Scott nannten sich als Gruppe The Jam Band, sie trat rund um Sunapee und Boston auf. Am Abend ging ich in die Scheune, um sie mir anzuhören: Joe, Tom Hamilton am Bass, Pudge Scott am Schlagzeug und ein Typ namens John McGuire als Leadsänger. Ihr Äußeres war ungepflegt, sie imitierten die hemmungslose Boheme-Coolness früher britischer Rockbands. Joe sah bekloppt aus mit der geflickten schwarzen Brille und seiner ziemlich verstimmten Gitarre.

John McGuire glotzte die ganze Zeit auf seine Schuhe … ein Verhalten, das später von Liam Gallagher von Oasis und Neunziger-Postgrunge-Bands wie Adam Duritz von den Counting Crows zur Kunstform erhoben wurde. Diese Leadsänger sahen auf ihre Füße statt ins Publikum. Das sollte wohl Authentizität vorspiegeln; für mich ist das Missachtung des Showbiz – aber scheiß drauf. Als ich John McGuire beobachtete, wie er auf seine Schuhspitzen starrte, dachte ich: »Oh Gott, der hat keinen Blickkontakt, keine Verbindung mit dem Publikum – was soll das denn?« Aber dann fiel mir auf, dass er nicht direkt auf die Bretter sah. Er hatte ein paar Seiten aus dem Playboy zwischen seine Füße geklebt und betrachtete die Titten – also wie geil ist das denn? Ich frage mich, ob Eddie Vedder Seiten aus dem Surfer Magazine auf die frühen Pearl-Jam-Bühnen geklebt hat.

Beim nächsten Song war Joe der Leadsänger. Ich setzte mich mit Elyssa hin, um ihn »I’m Going Home« singen zu hören, nicht wahr, den alten Song von Ten Years After. Joe konnte überhaupt nicht singen. Er sang wie die britischen Bluestypen, wie Alvin Lee. Die Art Songs, bei der man die Töne nicht halten muss (weil man eigentlich nicht singen kann), frühes Rockgestammel eben, so wie Ray Davies in »All Day and All of the Night«.

Nächster Song. Der ging: »Weeeellll, beh-bee, if you gotta rock gong-gong-chick-gong, I got to be your rockin’ horse«. Joe sang das so ähnlich wie Dylan, denn damals konnte – und wollte – er die Töne nicht halten. Schön und in der richtigen Tonart singen war Popscheiß, das konnte man Dusty Springfield und Joannie Baez überlassen. Die Blues Cats waren auf das einzig wahre knarzige Delta-Feeling aus.

Am ganzen Abend spielten sie außer jeder Menge Riffs und Genudel nur drei Songs, einer davon war »Rattlesnake Shake« von Fleetwood Mac – die mojomäßige Peter-Green-Version (rau und dreckig, vor Stevie Nicks und den Megahits). Fleetwood Macs Live at the BBC – dieses Album war unser Alles-auf-Anfang. Das war der Heilige Gral, wahre Kabbalistik, reine, unverbogene melodische Sensibilität. Besorgt euch die Platte, da ist alles drin.

Joe konnte um sein Leben keinen Ton halten – und ich dachte: »Mein Gott, diese Typen sind echt scheiße! Die spielen derart neben der Spur, total peinlich! Ich muss hier raus!«

Sie spielten diesen tollen britischen Blues, bei dem du allen Ärger vergisst, aber sie waren schrecklich. Sie sangen falsch, waren nicht im Takt – und wenns um den Takt geht, werde ich zum Tier, ich habe Ohren wie eine Fledermaus. Wenn ein Trommelschlag eine Hundertstelsekunde daneben liegt, fliege ich aus der Bahn. Ich schimpfe und tobe, das muss behoben werden, sonst gerät die Welt aus den Fugen. Damit nerve ich meine Band bis zur Verzweiflung.

Ich saß also neben Elyssa im Publikum und sah Joe beim Spielen zu. Er hatte seinen Keith Richards echt drauf. Der bedrohliche Blick im Raubvogelgesicht und die Knie gebeugt, als wäre der Riff so schwer, dass er ihn nach unten zieht. Der saucoole Anblick leicht gestört durch die Hornbrille mit dem weißen Klebeband, die Haare bis zu den Schultern.

Die zweite Strophe:

He do the shake

The rattlesnake shake

Man, do the shake

Yes, and jerk away the blues

Now, jerk it

Dann – und das ist der große Moment – fädelt Joe seinen Gitarrenbreak ein: BOOAH DANG BOOAH DUM. Scheiße, Mann! Als ich ihn das spielen hörte, kriegte ich soo einen Steifen! Er blies mir das Hirn weg! Ich hörte die Englein singen, ich sah das Licht. Ich erlebte den Augenblick – den Augenblick. Erinnert ihr euch an die Szene in dem Film Licht im Dunkel mit der taubstummen Helen Keller und ihrer blinden Lehrerin? Tausende Male hat sie Helen beizubringen versucht, ihr mit dem Finger in die Handfläche zu schreiben. Plötzlich, eines Tages bei der Wasserpumpe, buchstabiert sie W-A-S-S-E-R. In dem Augenblick war der Damm gebrochen.

Als Nächstes spielte er die Yardbirds-Nummer »Train Kept a-Rollin’«, die unsere Machs-doch-besser-du-Arsch-Schlussnummer werden sollte. Er war wie ich ein alter Fan der Yardbirds – daher unsere Mantras: »Train Kept a-Rollin’« und »I Ain’t Got You«.

Meine Ohren waren etwas feiner justiert als die von diesen Typen, aber da war dieser raue, ungeschliffene Rock ’n’ Roll, dieses Unbestimmbare, das wilde Etwas, das sich von Little Richard bis Janis Joplin durch die Rockmusik zieht. Genau das fehlte bei den anderen Bands. Das kann man nicht lernen, das ist man einfach. Du spielst, was du bist. Ich dachte, wer sollte uns aufhalten – mich, den Rockstardarsteller (was ich so gut konnte) und Joe im Beck-Keith-Page-Fahrwasser? Wer? Das war alles noch in einem rauen, ungeschliffenen Zustand – na und? Wenn das Pferd nicht die ganze Zeit mit der Scheißkandare im Maul geritten werden will, dann lass es einfach laufen. Wenn du ein Monster von einem Tier hast, lass es laufen.

Es war so fucking great, dass ich weinen musste, und dann fuhr ein Gedanke in mein Hirn ein wie eine Dampflok in den Bahnhof: Was käme dabei raus, wenn ich das, was mir mein Vater beigebracht hat, meine melodische Sensibilität, kombiniere mit den Realitätssplittern, die diese Typen zusammenfügen? Das könnte was werden.

Oh yeah! Als sie »Rattlesnake Shake« spielten, strahlten sie radioaktiv vor Energie, sie hatten Power wie keine der anderen Bands, in denen ich gespielt hatte. Das heilige Feuer! Mit all dem LSD, Tuinal und Crystal hatten wir nicht hingekriegt, was die hier einfach aus dem Ärmel schüttelten. Hier schimmerte bereits der weißglühende Kern von Aerosmith durch. Ich schrie »Jaa-hh! JA!!!« Ich hörte die hohe, ekstatische Stimme, Grillen zirpten in meinem Hirn! Da wusste ich, das war unser Tag.

Mein Leben lang hatte ich nach einem Mutantenzwilling gesucht – ich wünschte mir einen Bruder. Ohne Bruder wollte ich nicht wieder in eine Band. Ich brauchte einen Seelenfreund, der Segen spendete. Jemanden, bei dem ich mich nicht mehr einkriegte, wenn ich einen Millionen-Dollar-Riff hörte. In all den Bands, in denen ich von 1964 bis 1970 gespielt hatte, fehlte genau das, die wesentliche Zutat. Joe war das missing link. Ich wollte so ein Ding wie Dave Davies/Ray Davies (wirkliche Brüder), wie Pete Townshend/Roger Daltrey und natürlich Mick/Keith. Das hatte ich nie gehabt.

Wir sind polare Zwillinge, das genaue Gegenteil voneinander. Joe ist kühl, in seinen Adern fließt Enteisungsmittel; ich bin heiß, ein heißblütiger Kalabrese, ein Schwefel-Sonnen-Wesen, das immer die Klappe aufreißt. JOE IST EIN MISTKERL … ICH BIN EIN ARSCHLOCH. Er ist der Cowboy, der die Krempe seines Riesenhutes tief ins Gesicht zieht, der Scheiß-drauf-macht-eh-nix-Typ. Aber zum Teufel, muss der denn immer gewinnen? Bin immer ich derjenige, der die faulen Eier abkriegt? Natürlich sind es die Gegensätze, die den Erfolg von großen Duos ausmachen. Mutt und Jeff, Lucy und Desi, Tom und Jerry, Dean Martin und Jerry Lewis, Shem und Shaun, Batman und Joker.

Sofort ging er los, der Konkurrenzkampf bis aufs Blut. Der innere Verbrennungsmotor, der uns antreibt. Es ist Teil unserer DNA, unserer Chemie. Eine wechselseitige Sache … die Kombination aus beiden. Als ich Joe begegnete, wusste ich, dass ich mein anderes Selbst, meinen Bruder Dämon gefunden hatte. Wir sind die Schizobestie mit den zwei Köpfen. Joe kommt mit einem fantastischen Riff an und sofort denke ich: »Scheiße, ich muss diesen Drecksack übertreffen. Ich werde einen Text schreiben, der sofort das Blatt versengt, auf dem er steht!«

Aber wisst ihr was? Konkurrenz, reine, nitrogeladene Wut treibt die Fantasie an. Muss ich euch das erklären? Und Feindseligkeit hat man nicht im Griff, nicht wahr?

Wir sind seit fast vierzig Jahren aneinandergekettet, auf der Flucht wie Sidney Poitier und Tony Curtis in Flucht in Ketten. Wir schreiben zusammen Songs, wohnen nebeneinander, gehen gemeinsam auf Tour, teilen uns die Mädchen, machen Aufnahmen, kiffen, räumen gemeinsam auf, trennen uns … und finden wieder zusammen. Was immer passiert, da ist Liebe. Kaum ist der Ärger verflogen, sind wir ein Herz und eine Seele, nichts kann uns trennen, aber dann passiert wieder das Unvermeidliche und ich brause auf: »Ey, Moment mal!«

Keiner kann mich so in den Wahnsinn treiben wie Joe. Niemand hat mich öfter an den Traum des Rattenfängers denken lassen, keine Exfrau und kein Exmanager – und ihr wisst, wie mir die auf die Nerven gehen. Joe Perry ist einfach fucking Joe Perry – da kann ich nichts gegen machen. Will ich auch nicht. Er könnte auch voll Kotze und Scheiße und mit einer Nadel im Arm auf die Bühne gehen, die Leute würden immer noch klatschen und schreien, weil er den Gitarrengott so gut spielt wie sonst niemand. Er ist der real deal. Auch wenn der real deal nicht immer der best deal sein muss.

Und dann dieses verhängnisvolle, selbstzerstörerische Rockstarding … direkt aus dem Rockstarhandbuch. Da muss ich bei ihm auch ein Auge drauf haben. Einer muss das schließlich! Die Frauen lieben ihn; sie müssen mit seinem Scheiß leben, damit, dass er zu viel schnupft, raucht und kifft. Ich sehe ihn von außen. Joe fucking Perry ist das Nonplusultra … aber ich kann den Schatten über, unter und … in ihm sehen. Und da schwebt nun mal eine Wolke des Unheils über ihm. Meine Beziehung zu Joe ist komplex, konkurrierend, nervenaufreibend, irgendwie echt faszinierend, aber so, dass sich dir die Haare sträuben. Immer ist da so ein Unterton, eine permanente Spannung, zeitweise sogar mörderische Feindseligkeit, hinterhältige Eifersucht und Missgunst. Aber hey, so arbeitet die große Maschine.

Wir wurden Mitglied der illustren Gesellschaft lautstarker Blues Brothers: Mick und Keith! Ray und Dave Davies! Die Everly Brothers! Das sind wir, die siamesischen Kampffische des Rock! Awright! Bring it on.

Aber was auch immer passiert, wenn wir auf Tour gehen, schweißt uns das zusammen, dann werden wir zu der großen Bestie mit den zwei Köpfen. Ich sehe Joe jeden Abend und denke, Scheiße, das ist es! Genau deshalb tun wir uns das an! Und deshalb liebe ich es! Alles andere wird dabei hinweggespült. Alles.

Nach diesem Abend mit dem Rattlesnake-Shakedown war ich so weit, es anzugehen. Tom und Joe gingen noch zur Highschool, als ich sie kennenlernte, und überlegten, aufs College zu gehen. Ich hatte die Brücken hinter mir eingerissen und blickte niemals zurück. Ich sagte mir: »Scheiß drauf, ich versuchs und mach mit denen gemeinsame Sache.«

Ich wusste, dass wir es schaffen. Ich liebte die Musik der Sixties; Britrockstars waren der Hit. Diesen Sound wollte ich unbedingt. Und fast genauso dringlich wie der Wunsch nach der Band war der nach dieser Art Leben. Das wollte ich mehr als alles andere. Ich konnte es schon schmecken. Aus dieser Band würden die Sechzigerjahre in doppelter Schallgeschwindigkeit … die Yardbirds auf flüssigem Stickstoff.

Wir zogen gemeinsam nach Boston und betrieben das Geschäft des Berühmtwerdens mit aller Ernsthaftigkeit. Wir verfügten über alles, was man braucht, uns fehlte nur noch der Ruhm. Und ich war noch ein bisschen verrückter nach ihm als die meisten, ich hatte Lunte gerochen, jetzt ging es vollstoff zur Sache. Der Sommer war vorüber, ich hatte meine Koffer gepackt und ich verabschiedete mich von meinen Eltern: »Okay, los gehts.«

Wir fuhren von New Hampshire nach Boston – und hier muss man die Silben strecken: Wir f-u-u-u-u-h-r-e-n. Durchs Wagenfenster betrachtete ich die vorbeiziehenden Bäume und Hügel. Ich war einigermaßen nachdenklich (was mich betrifft). Es war mir etwas unbehaglich dabei, mit den Jungs zusammenzuziehen, andererseits geriet ich fast in Ekstase. Es war ein angenehmes Unbehagen, ich war nervös und aufgekratzt zugleich. In diesem Moment weitete sich der Highway – und an der Straßenkreuzung, wo man die Skyline von Boston zum ersten Mal erblickt, machte es »Was!?« in mir. Denn mit einem Schlag hatte sich die Umgebung verändert, von Bäumen, Wäldern und Grillen zu vorbeirasenden Autos, Hochhäusern und Wohnblocks … und mir schoss durch den Kopf: »Oh Scheiße, die Stadt!« Ich saß auf dem Rücksitz. Ich schnappte mir eine Schachtel Kleenex von der Heckablage, fragte nach einem Kugelschreiber und begann etwas auf den Boden der Schachtel zu schreiben.

Im Auto war ich wie in einer Seifenblase, wie in einem Vorführraum, in dem ich unsere Zukunft auf die Windschutzscheibe projizierte, einen Breitbandfilm über die kommenden Sensationen – ich konnte sie schon sehen! Joe, dessen Les Paul sich wie ein klingender Hai durch die Wirklichkeit beißt, kleine Popmiezen, die ihre Höschen auf die Bühne werfen, und das Hochgefühl, wenn du es schaffst, 20 000 Fans zu einer Einheit zu verschmelzen. Das Auto fährt dahin (kommt auch im Film vor) … Bilder und Worte kollidieren – und erschaffen dabei eine Art Beschwörung dessen, was die Zukunft bringen soll.

In dem Moment, als ich die Skyline von Boston erblickte, begannen Worte meinen Kopf zu fluten: Scheiße, wir müssen es schaffen, no, break it, man, make it. We can’t break up, we gotta make it, break it, make it, you know, make it. Und ich schrieb auf: »Make it, make it, make it, break it« und sagte diese Worte immer wieder vor mich hin, wie ein Goldgräber, der den Sand in seinem Sieb schüttelt, hin und her, hin und her – Wasser und Sand, Wasser und Sand –, bis ein kleines Goldnugget hervorschimmert. Ich saß da auf dem Rücksitz des Autos und dachte: Was zum Teufel würde ich zum Publikum sagen? Wenn wir Songs schreiben, auf der Bühne stehen, sehe ich den Leuten in die Augen und was sage ich dann? Was würde ich sagen wollen? Ich begann das Goldsieb zu schütteln: Was sage ich dann? Was würde ich sagen wollen? Was kommt cool rüber? All diese Einfälle formten sich zu Sätzen … Los gehts!

Ähm … good evening, people, welcome to the show …

(In der ersten Person, ich singe zum Publikum …)

I got something here I want you all to know …

(Das kollektive Wir, die Band…)

We’re rockin’ out, check our cool …

(Hm, nein, nein, nicht gut, sprich von deinen Gefühlen …)

When life and people bring on primal screams,

You got to think of what it’s gonna take to make your dreams,

Make it …

Oh Scheiße, ja! Jetzt kritzelte ich wie ein Irrer auf die Kleenexschachtel:

You know that history repeats itself

But you just learned so by somebody else

You know you do, you gotta think the past

You gotta think of what it’s gonna take to make it last;

Make it, don’t break it!

Make it, don’t break it! Make it!

Da wars geschehen, erster Song, erste Platte. Zieht euch das rein …

Does the Noise in My Head Bother You?

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