Читать книгу Cappuccino Amore - Susanne Fülscher - Страница 5

so heiß wie ein buschbrand in den trockensavanne

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„Zeig mir die Handtasche eines Mädchens, und ich sag dir, wer sie ist.“ Antonio klappte den Kragen seines Polohemds hoch, bevor er nach den Tellern mit den Clubsandwichs griff, die ihm sein Kollege in die Durchreiche gestellt hatte.

„Alles klar“, erwiderte Karl spöttisch lächelnd. „Und ich kann an der Haarfarbe eines Mädchens erkennen, wie sie im Bett ist.“

Deswegen bist du also mit Jolka zusammen!“ Geschickt wie ein Akrobat schichtete Antonio die Teller auf seinem Unterarm. „Rote Haare gleich Leidenschaft gleich Hemmungslosigkeit. Da darf man ja gratulieren, oder?“

„Nur kein Neid“, blaffte Karl zurück. „Es gibt in Berlin bestimmt noch mehr rothaarige Mädchen, die bloß darauf warten, sich mit einem gut aussehenden Kellner wie dir einzulassen.“

„Unter Garantie. Nur leider steh ich nicht auf Hexen.“ Antonio konnte es sich nicht verkneifen, hämisch aufzulachen. Er sah noch, wie Karl seine Kochmütze zurechtrückte, dann machte er auf dem Absatz kehrt und eilte, gefolgt von seinem Hund Amore, durch das Café nach draußen. Jolka und gut im Bett ... Bei ihrem kurzen Techtelmechtel im letzten Jahr hatte sie zwar Herzchen für zehn in den Augen gehabt, sich allerdings wie eine Klosterschülerin angestellt.

Es war einer der ersten Tage im Jahr, in denen der Außenbereich des Cafés geöffnet hatte. Trotz schlechten Wetters. Der Himmel war wolkenverhangen, und ein frischer Wind blies von Nordosten. Dennoch hatten es sich drei Mädchen im Schutze der Mauer des Cafés bequem gemacht und tranken Latte macchiato.

„Prego, le Signorine“, rief Antonio und stellte die Teller mit einer galanten Bewegung ab. Wie immer, wenn sich die Möglichkeit für einen Flirt bot, sprach er italienisch. Denn – das war eine Art Naturgesetz – Mädchen standen auf Italiener, Spanier und Portugiesen. Irgendwie schien sich in ihren Gehirnwindungen der verquere Gedanke festgesetzt zu haben, dass Südländer die besseren Liebhaber waren. Also hatte sich Antonio (der zumindest schon mal so aussah, als hätte er jenseits der Alpen das Licht der Welt erblickt) vor ein paar Jahren auf das Abenteuer Italienisch eingelassen. Er hatte sich durch Verb-Tabellen, Präpositionen und Zeitabfolgen geboxt, wochen-, monatelang, und zu seinem Erstaunen festgestellt, dass ihm die Paukerei anders als in der Schule Spaß machte. Kurs eins hatte Kurs zwei nach sich gezogen, Kurs zwei Kurs drei, und sein Sprachenschul-Spitzname Antonio Peppino, an einem weinseligen Abend in einer Kneipe entstanden, war nach und nach in sein reales Leben gedrungen. Niemand nannte ihn inzwischen noch Manfred (außer seinen Verwandten vielleicht). An seiner Haustür pappte ein Emailleschild mit dem wohlklingenden Namen Antonio Peppino, Fremden gegenüber stellte er sich als Antonio Peppino vor, und auch die Behörden hatten nach einigem Hickhack und Heckmeck endlich Antonio Peppino als Künstlernamen in seinen Ausweis eingetragen. Antonio machte heute noch drei Kreuze, dass es so gekommen war. Auch wenn er das seiner Mutter so nicht sagen konnte, aber mit dem Namen Manfred Müller war man einfach nur gestraft. Manfred Müller hießen nur Deppen, Hirnis und norddeutsche Fischköpfe – neben seinem lieben Opa Manfred natürlich, der immer noch heimlich Mofas in der Garage frisierte.

„Mille grazie“, entgegnete eines der Mädchen, indem sie perfekt das R rollte. Anscheinend kam sie aus dem Land der Herzensbrecher. „Italiano?“

„Ja, äh, irgendwie schon.“ Antonio verkniff es sich diesmal, auf Italienisch zu antworten. Wenn er sich nicht bereits verraten hatte, würde dem Mädchen spätestens jetzt sein norddeutscher Dialekt auffallen.

„Irgendwie?“ Sie beugte sich runter, um den fiependen Amore zu tätscheln.

„Ja! Halb, halb ... Nicht Fisch, nicht Fleisch“, wich Antonio aus und lächelte automatisch sein Aufreißer-Lächeln. „Komm, Amore!“ Er machte, dass er schnell wieder ins Lokal kam. Das Mädchen war süß/sexy/zum Anknabbern, und vielleicht hätte er sogar als stinknormaler norddeutscher Manfred Chancen bei ihr gehabt, aber im Moment stand Tran Hang ganz oben auf seiner Liste. Tran Hangs Eltern waren Vietnamesen, sie selbst hatte im Ostteils Berlin das Licht der Welt erblickt, studierte inzwischen in Würzburg Physik und war bloß in den Semesterferien in der Hauptstadt, um sich im Imbiss ihres Vater ein paar Euro dazuzuverdienen. Seit einer Woche gingen sie miteinander aus. Bisher war zwar nichts weiter passiert außer ein bisschen flirten und Händchen halten, aber Tran Hangs aktuellem Augenaufschlag zufolge war sie so heiß wie ein Buschbrand in der Trockensavanne. Als Frauenexperte schlechthin verwettete Antonio sein letztes (Polo-)Hemd darauf, dass er sie schon bald im Bett haben würde.

Im Indoorbereich des kitchen saß bloß ein Mann über seinen Laptop gebeugt und nippte ab und zu an seinem Tee, ansonsten war es ruhig, und da sich auch Chefin Anka nicht blicken ließ, um ihn mit Sonderaufgaben zu behelligen, gesellte sich Antonio zu Karl in die Küche. Karl war alles andere als sein engster Freund, sie kabbelten sich häufig wegen der lächerlichsten Kleinigkeiten, aber im Grunde mochte Antonio ihn schon. Zumindest als Kollegen, der einem ein bisschen die Langeweile vertrieb.

„Dann erzähl mal“, sagte Antonio. „Was hat deine Herzallerliebste in ihrer Handtasche?“

„Kondome. Und riesige Vibratoren.“ Karl war gerade damit beschäftigt, Feldsalat zu waschen, was ihm sichtlich Mühe bereitete.

„Veräppeln kann ich mich selbst.“

„Oh, super! Ich guck dir gerne dabei zu.“

Antonio hüpfte rittlings auf die chromblitzende Arbeitsfläche, aber Karl scheuchte ihn sofort wieder runter.

„Abwischen!“, fauchte er. „Oder soll ich etwa da Schnitzel klopfen, wo gerade eben noch dein Hinterteil war?“

„Warum nicht?“ Antonio grinste frech. „Mein Hinterteil ist immer blitzblank, um nicht zu sagen antiseptisch.“

„Trotzdem hat dein antiseptischer Arsch nichts auf meiner Arbeitsplatte zu suchen! Stell dir nur vor, Anka kriegt das mit!“

„Schon gut ... Reg dich ab.“ Nur widerstrebend holte Antonio den Lappen und wischte ein bisschen larifari über die Platte. „Also ... Was hat Jolka nun in ihrer Tasche?“

Karl zeigte Antonio zwar einen Vogel, leierte aber sogleich wie auswendig gelernt runter: „Taschentücher, Bürste, Portemonnaie, Schlüssel, Notfallschokoriegel.“

„Keine dreckigen Taschentücher? Bonbonpapier? Ausrangierte Zettel?“

„Nicht dass ich wüsste.“

„Zigaretten?“

Karl schüttelte den Kopf.

„Deo?“

„Hat sie nicht nötig.“

„Bücher? Notizheft?“

„Antonio, du nervst! Gib mir bitte mal die Salatschleuder rüber ...“

Karl deutete auf den Holztisch am Fenster, wo sich Küchengeräte stapelten, die häufig benutzt wurden.

Voller Neid registrierte Antonio, wie muskulös die Arme seines Kollegen waren. Unverschämt. Denn zu allem Überfluss hatte er auch noch einen eins a Sixpack-Bauch. Angeblich trieb Karl, der zugegebenermaßen keine Schönheit war, nicht mal Sport. Seine Muskeln – so behauptete er zumindest immer – waren ein Überbleibsel aus früheren Leistungsschwimmer-Tagen. Antonio hätte einiges drum gegeben, auch ein bisschen athletischer auszusehen, allerdings war er bisher immer zu träge gewesen, sich im Fitnessstudio anzumelden. Und Sport zu Hause war schon gar nicht sein Ding.

Er reichte Karl die Plastikschleuder und sagte: „Verstehe. Jolka ist also Puristin.“

„Wieso? Wie meinst du das?“

„Kein Schnickschnack in der Tasche, sie hat nur das Notwendigste dabei. Allerdings deutet das auch auf ein kleines Problem hin ...“ Er stockte und überlegte, ob er es wirklich aussprechen sollte; Karl war manchmal die reinste Mimose.

„Was für ein Problem?“, hakte Karl nach, das Gesicht schon mal vorsichtshalber zur Gewitterwolke verzogen.

„Na ja ...“ Ein Gluckser kam über seine Lippen. „Dass sie im Bett eben doch nicht so das feurige Modell ist. Frei nach dem Motto Was die Bäuerin nicht kennt ... Stimmt’s, oder hab ich recht?“

„Weißt du was?“ Karl knallte die Salatschleuder auf die Spüle. „Es geht dich überhaupt nichts an, wie Jolka im Bett ist. Kümmere dich mal besser um deine eigenen Sexgeschichten – falls du denn überhaupt welche am Laufen hast.“

„Hab ich. Und zwar mehr als ein Mann allein verkraften kann“, trumpfte Antonio auf.

„Na großartig! Da bin ich aber beruhigt! Ein Kollege mit Notstand wäre auch nur schwer zu ertragen.“ Karl stopfte den Salat in die Schleuder, als wäre es dreckige Wäsche. „Übrigens sind gerade neue Gäste reingekommen.“

„Bin schon unterwegs“, stöhnte Antonio und folgte Amore, der mit wackelndem Hinterteil ins Café lief. Von einer Sekunde zur nächsten war seine Laune so ziemlich im Keller.

Ja, bei ihm herrschte Notstand. Tran Hang war zwar in greifbare Nähe gerückt, aber sie lag eben noch nicht in seinem Bett. Und solange sie das nicht tat, konnte er nicht mit ihr schlafen. Und solange er nicht mit ihr schlafen konnte, schossen nun mal seine Hormone kreuz und quer und verlangten nach ihrem Recht.

Noch zwei Stunden bis Schichtende. Eine Gruppe Schulmädchen schneite ins Café, Flirtmaterial ohne Ende, doch Antonio fieberte einfach nur dem Moment entgegen, in dem er die Kellnerschürze abbinden und Feierabend machen konnte. Er hatte keine neue Verabredung mit Tran Hang getroffen, das hätte seiner Taktik widersprochen, die Mädchen ein wenig zappeln zu lassen, aber vielleicht würde sie sich ja zu einem Spontan-Rendezvous überreden lassen.

Kurz vor sechs löste ihn die neue Aushilfe Ben ab, fünf nach sechs stieß Antonio mit frisch gegelten Haaren die Tür zum Saigon auf und erschnupperte einen Moment lang die Geruchsmischung aus Sojasoße und Fisch. Ein paar Gäste warteten auf Barhockern an der Fensterfront des Imbisses; Tran Hangs Vater stand in der Kochnische am Herd und warf geraspeltes Gemüse in brutzelndes Öl. Von seiner Tochter keine Spur.

„Ja, bitte?“ Der Vietnamese griff nach der Sojasoße und würzte das Gemüse mit weit ausholenden Gesten.

„Ich möchte zu Tran Hang.“

„Nicht da.“

Jetzt hob der schon ergraute Mann endlich den Kopf, allerdings nur für den Bruchteil einer Sekunde (Stirnrunzeln; noch größeres Stirnrunzeln, als er Antonio erkannte), schon widmete er sich wieder seiner Gemüsepfanne und nuschelte: „Hof. Laden für T-Shirts.“

Ende der Durchsage.

Antonio bedankte sich höflich – der Mann schien aus unerfindlichen Gründen nicht besonders gut auf ihn zu sprechen zu sein –, dann verließ er das Saigon und tauchte bloß zwei Sekunden später in den Hinterhof ein.

Cappuccino Amore

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