Читать книгу Die Französische Revolution - Susanne Lachenicht - Страница 8

Einleitung

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Die Französische Revolution wird bis heute als das Ereignis betrachtet, das die Vormoderne von der Moderne oder die Frühe Neuzeit von der Neuzeit trennt. Sie steht für einen Epochenumbruch, der Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur inklusive der kollektiven Mentalitäten (Michel Vovelle) tiefgreifend verändert haben soll. Aus politischer Perspektive ist die Französische Revolution immer wieder als Geburtsstunde von Freiheit und Demokratie beschrieben worden. Aus dem Untertanen (sujet) sei der (Staats-)Bürger (citoyen) geworden. Gesellschaftlich und wirtschaftlich bedeutete sie – so viele Autoren – das Ende der Ständegesellschaft und damit Rechtsgleichheit und den Aufstieg des Bürgertums in Frankreich. Wirtschaftlich wird mit der Französischen Revolution durch die Abschaffung von ständischen Privilegien, von Zünften und Gilden Unternehmensfreiheit und die allmähliche Durchsetzung des Leistungsprinzips auf dem europäischen Kontinent verbunden. Kulturell bedeutete die Revolution das Ende des alten Europas, in dem Staat und Kirche bis dato ein enges Bündnis eingegangen waren. Neben die christliche Religion bzw. die christlichen Konfessionen trat 1789 eine säkulare Ideologie, die sich in England und auch in Frankreich seit dem 16. Jahrhundert entwickelt hatte: Der Nationalismus, der in Frankreich während der Revolution zum „demokratischen Nationalismus“ werden sollte, verdrängte die Staatsreligion – den Katholizismus – zwar nicht, setzte jedoch an dessen Stelle eine klare Alternative, die bis zum heutigen Tag von vielen Franzosen gelebt wird: Republikanismus und Laizismus.

Schon die Revolutionäre selbst sahen in den Ereignissen zwischen 1789 und 1799 etwas Irreversibles; eine Umkehr, eine Rückkehr in alte Zeiten schien ihnen nicht mehr möglich. Nach der Hinrichtung des Königs, Ludwigs XVI. (geb. 1754), am 21. Januar 1793 soll der Abgeordnete des Nationalkonvents Pierre Joseph Cambon (1756–1820) gesagt haben: „Wir sind endlich auf der Insel der Freiheit gelandet und haben das Schiff verbrannt, das uns hinfuhr“ (zitiert nach Vovelle 1985:106). Spätestens mit der radikalen Revolution von 1792 wurde nicht mehr das Alte, das bisher Dagewesene als Legitimation für Reformen, für Veränderung bemüht. Bis dahin waren Revolten wie der Bauernkrieg von 1525, die Englische Revolution der 1640er Jahre sowie die Glorreiche Revolution von 1688/89 von den Revolutionären immer als Rückkehr zum „alten Recht“, zu einem Zustand gesehen worden, der von den Herrschenden gewaltsam verändert worden sei und den die Revolutionäre nun wiederherstellen mussten. Vor dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und den Ereignissen in Frankreich von 1789 bis 1799 bezeichnete der Begriff „Revolution“ den immer wiederkehrenden Kreislauf der Gestirne oder politisch die Rückkehr zu altem Recht und alter Ordnung.

Dies änderte sich mit der Französischen Revolution. Das Neue, die Realisierung einer Utopie, der Fortschritt der Menschheit hin zu neuen Ufern waren nun Legitimation für politisches und gesellschaftliches Handeln. Die Revolution katalysierte die Entwicklung weg vom Alten, zu Bewahrenden, hin zum Neuen, zum Unbekannten; ein Wandel der Mentalitäten, der sich bereits mit der Aufklärung angekündigt hatte. Mit den Ereignissen in Nordamerika, aber vor allem durch die Umwälzungen, die in Frankreich zwischen 1789 und 1799 stattfanden, veränderte sich auch die Bedeutung des Begriffs „Revolution“. Seitdem steht der Begriff „Revolution“ für die mit Aufständen und Gewalt einhergehende Veränderung von staatlichen Institutionen, von Eigentumsverhältnissen, von Zugangsbedingungen zu staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Eliten, für die Durchsetzung neuer, manchmal staatlich verordneter Ideologien, im Grunde also für die totale, wenn nicht gar totalitäre Umwälzung von Staat, Kultur und Gesellschaft.

Aber war die Französische Revolution wirklich ein Epochenumbruch? War es wirklich die Französische Revolution, die langfristig den oben beschriebenen Wandel hervorbrachte? Der vorliegende Band wird sich mit der Frage beschäftigen, was denn diesen Epochenumbruch – wenn er wirklich einer gewesen ist – ausmacht.

Im Zentrum der Darstellung stehen dabei nicht nur die Ereignisse in Frankreich selbst. Denn diese sind ohne ihre Vorgeschichte – Aufklärung, Veränderungen in Gesellschaft und Kultur Europas, die Amerikanische Revolution und ihre Auswirkungen auf den europäischen Kontinent und die Britischen Inseln – nicht wirklich denk- und erklärbar. Ebenso wird es um die Auswirkungen der Französischen Revolution auf Europa und den atlantischen Raum gehen: um die Gründung der Schwesterrepubliken in den Niederlanden (Batavische Republik von 1795) und im Rheinland (1792/93 und 1797), um die italienischen Schwesterrepubliken (ab 1796), aber auch um die Atlantischen Revolutionen, die auf die Französische folgten: Haiti (1804) und die spanischen Unabhängigkeitsbewegungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Innerhalb der französischen Revolutionsforschung besteht weitgehend Konsens, dass die Ereignisse zwischen 1789 und 1799 insgesamt als Revolution oder Revolutionsdekade bezeichnet werden müssen. Viele deutschsprachige Darstellungen hingegen bleiben einer Interpretation verhaftet, die die Revolution mit dem Thermidor, d.h. 1794, oder der Errichtung des Direktoriums (1795) enden lassen bzw. die der Phase zwischen 1795 und 1799 nur wenig Beachtung schenken, so etwa bei Ernst Schulin oder Hans-Ulrich Thamer. François Furet und Denis Richet haben jedoch bereits 1965 gezeigt, dass das Direktorium keineswegs nur eine Art von Interregnum zwischen Jakobinerdiktatur und Kaiserreich darstellte, sondern dass in diesen fünf Jahren zum ersten Mal in Frankreich versucht wurde, eine Republik dauerhaft zu institutionalisieren.

Um die Auswirkungen der Revolution in Europa und im atlantischen Raum zu verstehen, muss nicht nur die gesamte Dekade zwischen 1789 und 1799, sondern letztendlich auch die Ära Napoleon nach 1799 mit in die Darstellung einbezogen werden. Denn nur in den Reaktionen auf die napoleonischen Kriege infolge der Französischen Revolution sind wiederum nationale, Freiheits- und demokratische Bewegungen in Europa (und in Übersee) in der Zeit zwischen 1800 und 1848 zu verstehen. Im Rahmen dieses Buches wird die Ära Napoleon allerdings nur in einem Ausblick berücksichtigt.

Die Französische Revolution

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