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3.

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Welchen ungewöhnlichen Besuch der Vizeadmiral Edward Vernon in der Nacht erhält, während er ein Mittel sucht, um 1000 Pfund zu gewinnen.

uf dem Wege nach seiner Wohnung und als er dieselbe erreicht hatte, ließ es sich Vernon, obwohl es schon sehr spät in der Nacht war, doch recht ernstlich angelegen sein, ein Mittel auszusinnen, um am künftigen Abend das in Aussicht gestellte schwierige Kunststück leisten zu können. Aber er fühlte diesmal seinen sonst nie verlegenen Kopf so unfruchtbar wie eine taube Nuss und seufzte aufs Neue über den Verlust seines Freundes, des Hochbootsmannes, der leider längst im nassen Element bei den kalten Fischen lag. Manchmal kommt ein guter Einfall im Schlafe. Es ist freilich gewagt, sich darauf zu verlassen, zumal für einen See- und Kriegsmann; aber Vernon suchte sich in dieser Nacht doch auch mit solcher schwachen Hoffnung zu trösten. Er hatte so viel und so lebhaft an seinen besagten Hochbootsmann gedacht, dass er allenfalls hoffen durfte, demselben im Traume zu begegnen. Ganz wollte er sich indes dabei nicht auf den Zufall verlassen und zum Glück hatte er ein Mittel zur Hand, um ein solches Begegnen im Traume etwas wahrscheinlicher zu machen. Dieses Mittel bestand nämlich in einer Flasche Rum. Es war wirklich stets zweifelhaft geblieben, ob der selige Hochbootsmann mehr mutig und sinnreich oder mehr in den Rum verliebt war; in beiderlei Eigenschaften war er gewiss nie von irgend einem andern Seemanne übertroffen worden.

„Das sicherste Mittel von dem Seligen zu träumen“, sagte Vernon zu sich selbst, „wird sicherlich sein, wenn ich diese Rumflasche entkorkt neben mein Bett stelle. Wenn dieser Duft mir den Freund nicht lebhaft vor die Seele bringt, dann träum’ ich nun und nimmer von ihm.“

So tat er es denn. Er stellte die entkorkte Rumflasche auf den Tisch dicht neben seinem Bette und legte sich dann auf letzterem selber zur Ruhe nieder.

Die Glut im Kamin war noch nicht völlig erloschen, es herrschte ein angenehmes Halblicht im Zimmer und die Flasche entsendete ihren feinen aromatischen Duft. Dabei ruhte es sich sehr gut auf dem Lager, besonders für einen Seemann, der erst unlängst das Meer verlassen und lange Zeit nur kärglich zwischen Himmel und Wasserwogen geschlafen hatte. Gleichwohl wollte es nicht so bald zum Schlafen kommen, vielleicht weil ihn seine Gedanken zu stark beschäftigten.

Aber bei dem schwachen Lichte, welches vom Kamine her noch schimmerte, bemerkte Edward Vernon plötzlich, dass er nicht allein im Zimmer war, denn von der Tür her schritt eine Gestalt auf sein Lager zu und diese Gestalt war in Ewigkeit unverkennbar — es war die des seligen Hochbootsmanns.

Mit wahrhaftem Entzücken sah Vernon diesen treuen Gefährten, der weniger sein Untergebener als sein Freund gewesen war, und nur der Gedanke war ihm schmerzlich, dass es doch eigentlich nur sein Geist sein könnte, was er erblickte, denn er selber, Admiral Vernon, war ja dabei gewesen, als man den Körper dieses braven Mannes einige Grad südlich vom Äquator in die trostlose unerquickliche Tiefe versenkt hatte. Es konnte also wirklich nur sein Geist sein. Man braucht wohl nicht erst zu bemerken, dass der Seeheld Vernon bei diesem Gedanken nichts von Grauen oder Schrecken empfand; auch hatte der Hochbootsmann sein ganz gewöhnliches Ansehen, so gut er in dem Dämmerlichte überhaupt betrachtet werden konnte, und Vernon’s Empfindung beschränkte sich, wie gesagt, nur auf freudige Überraschung; denn — Geist oder Körper — es war doch immer der alte liebe Hochbootsmann, mit dem Vernon sicherlich die Welt erobert hätte, wenn er am Leben geblieben wäre.

Bei seinem willkommenen Anblicke war der Admiral im Begriff emporzufahren vom Lager, aber der Hochbootsmann stand schon neben ihm, schüttelte ihm die Hand und hieß ihn ruhen bleiben, während er sich selber einen Stuhl dicht vors Bett schob. „Lasst Euch nicht stören und wundert Euch nicht, Admiral, „ sagte er; „da bin ich und damit gut und ich habe Zeit genug, um ein halbes Stündchen mit Euch zu schwatzen. Musst’ Euch schon einmal wiedersehen, und dass Ihr da gleich etwas zu trinken stehen habt, das ist löblich, wiewohl es Sünd’ und Schande heißen muss, das liebe Gut da so leichtsinnig verdunsten zu lassen.“ Während seine Rechte noch die des Admirals hielt, hatte seine Linie sich bereits der Rumflasche bemächtigt und er Tat einen herzhaften Zug daraus.

„’s ist aber von der rechten Sorte, wahrhaftig!“ sagte er, den Zug etwas gründlicher wiederholend; „das verduftet sich nicht so geschwind.“ „Wisst Ihr aber auch, dass ich die Flasche nur Euretwegen so hinstellte?“ sagte Vernon. „Ich wollte gern von Euch träumen und so dacht’ ich, das geschah am sichersten, wenn ich diesen Geruch im Schlafe um mich hätte.“ „Kein übler Einfall, Admiral“, erwiderte der Hochbootsmann; „und ich kam noch zu rechter Zeit, um das liebe Gut nicht unnütz verduften und verderben zu lassen. Aber dass Ihr sogar von mir träumen wolltet, das freut mich, wahrlich! Ich bin nicht leicht zu rühren, wie Ihr wisst, aber das rührt mich doch!“

„Na, lasst gut sein; wir ja sind immer Freunde gewesen“, sagte Vernon. „Aber ich will Euch nur gleich offen gestehen, dass diesmal ein bisschen Eigennutz mit im Spiele war. Ich wollt’ Euch sehen, um einen guten Rat von Euch zu erhalten.“ Darauf trug er dem Hochbootsmann sein Anliegen ausführlich vor, was den letzteren etwas zu langweilen schien. Indes hörte er schweigend zu und kam inzwischen dem Grunde der Flasche um ein Merkliches näher. Als Vernon fertig war, antwortete er:

„Ach, Narrenspossen! Sagt den Landratten, dass sie Narren sind, Einer wie der Andere. Plaudern wir von andern Dingen, wenn’s Euch gefällt.“

„Aber die 1000 Pfund, Herzensjunge! Ich sag’ Euch, die 1000 Pfund kämen mir jetzt so recht gelegen, ungeborgt, brauchte sie nicht wieder zu bezahlen!“ „Ja so!“ erwiderte der Hochbootsmann. „Tut mir leid, dass ich diesmal nicht Zeit habe, mir die beiden Prachtexemplare selber zu besehen. Das beste Mittel ist aber, dass sie sich je eher je lieber in der andern Welt umsehen; da wird ihnen die Verwandtschaft klar genug samt ihrer Dummheit. Aber der 1000 Pfund wegen will ich Euch doch noch einen Rat geben, wie sie am besten dazu kommen können; ich meine zur andern Welt. Sagt den Querköpfen, sie sollen’s machen wie ihr Papa oder Großpapa, der die Leidenschaft gehabt hat, wie Ihr sagt, Gift für die gesündeste Mahlzeit zu halten.“ „Lieber Junge“, sagte Vernon, etwas ungeduldig, „ich weiß nicht, wie Ihr mir heute vorkommt! Seid Ihr denn nicht mehr der Alte? Das klingt ja, dass Gott erbarm! als hätt’ Euch Euer Witz ganz verlassen! Habt Ihr denn keinen Rat für mich?“ „Nun meiner Treu, der Rat war doch kräftig genug, sollt’ ich meinen. Bessern wüsst’ ich auch diesmal nicht. Zumal, „ fügte er hinzu, indem er den Rest der Flasche leerte, „da hier gerade die Ebbe eingetreten ist. Ich muss für diesmal wieder Abschied nehmen. Auf gut Wiedersehen, Admiral! Die 1000 Pfund sind Euer, wenn Ihr mir folgt. Lebt wohl! Ich komme schon gelegentlich mal wieder.“ Er ließ sich nicht halten, schüttelte dem Admiral die Hand derb und war dann weg. Ob durch die Tür oder den Schornstein, das ließ sich nicht sagen. — — Als der Vizeadmiral Edward Vernon am Morgen erwachte, war natürlich sein erster Gedanke diese nächtliche Erscheinung. Ebenso natürlich war er geneigt, dieselbe für einen Traum und nichts weiter zu halten. Dem widersprach nur ein einziger Umstand, nämlich die Flasche, die wirklich bis auf den letzten Tropfen geleert neben seinem Bette stand. Das war ein sichtbares und unbestreitbares Faktum. Die meisten Geistererscheinungen lassen sich keineswegs so triftig beweisen.

„Hätt’ ich ihn nicht selber die Flasche leeren sehn, „ dachte Vernon, „so würd’ ich fast meinen, der arme Teufel sei in seinem nassen Fischelement ganz aus der Art geschlagen. Gar nicht mehr der alte Hochbootsmann! Mich so im Stiche zu lassen, und mir einen dummen Rat zu geben, der mir und der Sache gar nichts nützen kann!“

Als er jedoch nachher wieder erwog, dass der Hochbootsmann Zeit seines Lebens zuverlässig und nie ohne klugen Rat gewesen, und dass er seine Worte in der Nacht vielleicht nur nicht richtig verstanden hätte, da dachte er der Sache weiter nach, bis es ihm heller und klarer im Geiste wurde und fröhlich rief er endlich:

„Ja, Du hast doch recht! jetzt versteh’ ich Dich erst und Dein Rat ist gut! Alter braver Junge, wie konnt’ ich so kurzsichtig sein und einen Augenblick an Dir zweifeln! — Ich denke, die Sache wird sich gewinnen lassen!“ —

Humoristische Geschichten - Zweiter Band

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