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Diederich Heßling

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Die gesamte Entwicklung des Kindes und des Studenten Diederich Heßling ist eine Entwicklung zum »Untertan«. Als Höhepunkte seines Lebens betrachtet er später seine beiden Die Begegnungen mit dem KaiserBegegnungen mit der kaiserlichen Obrigkeit, jene in Berlin, da ihn »der Kaiser vom Pferd herunter [an]blitzte« (S. 69), und jene in Rom, da sie, »der Kaiser und sein Untertan«, »einige Sekunden lang […] unter einem knallblauen Himmel ganz miteinander allein« (S. 402) waren. Dass in beiden Fällen der Kaiser seinen Untertan von oben herab ansieht, ist Teil der hierarchischen, von Diederich Heßling anerkannten und verteidigten Weltordnung, in der nicht die Bildung zur Persönlichkeit, sondern die Preisgabe der Individualität belohnt wird.

Diederich Heßling wächst in der Provinzstadt Netzig in einem Elternhaus auf, in dem der Vater patriarchalisch herrscht und die Mutter sich unterordnet. Als weitere »Die herrschenden GewaltenGewalten, denen man unterworfen war« (S. 10), sieht Diederich den Schornsteinfeger, die Polizei, den Arzt und schließlich die Schule an. An diesem »menschenverachtenden, maschinellen Organismus, der das Gymnasium war« (S. 11), leidet er; gleichzeitig ist er stolz auf »die kalte Macht« (S. 11), lernt, mit ihr umzugehen, »den Machthabern nachzuahmen« (S. 12) und sie für sich auszunutzen.

Zum Studium, das ihn auf die Übernahme der elterlichen Firma vorbereiten soll, »schickte« der Vater »Diederich nach Berlin« (S. 16). Der anfänglich von »Heimweh« (S. 16) geplagte Student findet zunächst Familienanschluss im Hause Göppel, wo Agnes Göppel, die Tochter, seine Aufmerksamkeit auf sich zieht; dann aber wird er in die Studentenverbindung gelockt und aufgenommen. Hier fühlt er sich wohl: »Alles ward laut kommandiert, und wenn man es richtig befolgte, lebte man mit sich und der Welt in Frieden« (S. 32). Diederich einverleibt sich die Rituale, den »Komment« (S. 46) und die gesamte Welt- und Lebensanschauung der »Die KorporationKorporation« (S. 31) und richtet sein Leben nach diesen Grundsätzen aus.

Vor dem Wehrdienst drückt er sich, obwohl er das Militär als staatliche Institution hochschätzt. Agnes Göppel, die er eine Zeit lang zu lieben glaubt, stößt er von sich, weil er »stark sein« (S. 109) will, aber auch, weil sie nicht vermögend ist.

Nach bestandenem Examen übernimmt er die väterliche Firma und unternimmt alles, um seine Machtstellung in Netzig auszubauen. Er heiratet reich, vergrößert seine Firma, knüpft Beziehungen, konkurriert und intrigiert mit politischen Freunden und Feinden und setzt sich durch.

In den Augen seiner Kritiker und Feinde ist dieser Diederich Heßling als »Typus«Heßling ein neuer »Typus«, nämlich ein »Untertan« (S. 260), der sich dem Kaiser willfährig ergibt und gleichzeitig selbstherrlich Macht ausübt. Ihn kennzeichnet »das Prahlerische des Auftretens, die Kampfstimmung einer vorgeblichen Persönlichkeit, das Wirkenwollen um jeden Preis, wäre er auch von anderen zu bezahlen« (S. 260 f.). Die Macht ist geliehene, angemaßte, gespielte Macht. Sie beruht nicht auf Kompetenz und Ansehen, sondern auf Anmaßung und Intrige. Diederich Heßling ersetzt – wie Kaiser Wilhelm II. – fehlende Autorität durch autoritäres Verhalten.

Der Untertan von Heinrich Mann: Reclam Lektüreschlüssel XL

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