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5 – Ein Mann liegt im Fahrstuhl und schläft

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Ich habe ja schon vieles im Fahrstuhl liegen sehen: Schuhe, Unterhosen, Kondome, jede Menge Flaschen, Plastik und Papiermüll, aber noch keinen Typen. Und ich weiß nicht, ob ich ausgerechnet da schlafen würde. Dort glänzten auch schon Pippipfützen. Immerhin atmet er.

Heute Morgen lag er da noch nicht. Vielleicht war er im Haus auf einer Party, die dauern meist bis vormittags, wenn die Bullen nicht kommen und sie vorher auflösen.

Obdachlos ist er nicht, er sieht sogar aus, als könnte er erst vor kurzer Zeit hergezogen sein. Die Klamotten sind besser als die Gegend, eine Spur von Stil ist auch zu erkennen, alles Braun und Schwarz.

Ich schaue mich um, aber außer mir steht niemand im Flur.

Alleine mit ihm im Fahrstuhl? Na ja, besser als Treppen laufen.

In der Kabine riecht es nach Schnaps, Schweiß und Chemikalien. Ich drücke die 9. Sämtliche Tasten sind angekokelt. Die Türen schließen sich quietschend – wenn man das schließen nennen kann. Fast eine Handbreit Spalt lassen sie. Gut, dass ich mir nicht regelmäßig den Finger in den Hals stecke, so jemand könnte da glatt durchfallen.

Ruckelnd setzt sich das 1982er Gefährt in Bewegung. Eine einsame Schmeißfliege hat sich in den Fahrstuhl verirrt. Der Wind, der durch den Spalt zieht, spielt mit meinen Haaren, so dicht stehe ich an den Türen, so weit wie möglich weg von dem Mann am Boden.

Er schnarcht kurz, und ich erschrecke mich, aber er bewegt sich nicht.

Wie immer schweift mein Blick über die Tags und die Kritzeleien, über die Telefonnummern, die Namen, die Filzstiftpenisse, die Beschimpfungen, die Beleidigungen, die Drohungen, die Fratzen und Kratzer und die Beulen und Rotzflecken an den Metallwänden. Ich suche meinen Namen oder meine Telefonnummer, nur für den Fall, das ist im Haus schlimmer als Internetmobbing.

Etwas kitzelt an der Wade, die Fliege, denke ich, schaue an mir herunter und sehe den Zeigefinger des Mannes mich begrapschen. Ich springe zurück, knalle an die Wand mit Rücken und Sporttasche.

„Bah, Arsch, Perverser!“, ohne Plan feuere ich die Worte ab.

Ein Auge ist offen, die Hand schwebt in der Luft.

Ich hau auf den Alarmknopf. Nichts. Verschmort klebt er in seiner Fassung und lässt sich nicht bewegen. Dritter Stock.

Ein Bein habe ich schon gehoben, wenn er nach mir greift, trete ich zu.

„Lass die Finger bei dir!“, schreie ich, „Scheiße, Fuck!“, und ich hole mein Handy raus, „ich rufe die Bullen“, aber tatsächlich tippe ich die Kurzwahl für den Hausmeister, Herr Mijivosic. Der geht zum Glück sofort dran, und ich lege los, „Hier Anneke Willms, aus 908, im Fahrstuhl liegt ein perverser Penner, der ist gleich auf dem Weg runter zu ihnen ... ja, er ist wach, sehr wach.“

Er bedankt sich und hängt einfach auf. Super. Ich wäre gerne noch verbunden geblieben.

Fünfter Stock.

Es scheint, der Fahrstuhl fährt nur noch halb so schnell. Kann ich irgendetwas als Waffe benutzen? Ich hatte mal einen Selbstverteidigungskurs für junge Frauen mitgemacht.

Sechster Stock.

Sein Arm senkt sich, und das Augenlid schließt sich zitternd. Glück gehabt. Wir beide.

Siebter Stock.

Mir fällt ein, ich hätte auch einfach auf einem Etagenknopf drücken und den Rest laufen können, jetzt war es egal, gleich da, und er ist eingepennt.

Es blubbert und gluckert in seinem Hals, dann übergibt er sich. Und weil er auf dem Rücken liegt, ergießt sich alles über sein Gesicht.

„Uäh, nein!“

Der erstickt doch so. So ist das doch, oder? Ich hatte auch mal einen Erste Hilfe Kurs mitgemacht.

Zwei Kräfte ringen in mir miteinander: Ekel und Erste Hilfe. Wieder ein Schwall. Und ich halte die Luft an, packe ihn mit beiden Händen an der Seite und wuchte ihn mithilfe meiner Beine herum, so dass er seitlich an der Wand lehnt.

Ich schreie ihn an, „Wachen Sie auf!“

Das Fahrstuhlsignal erklingt, elektrisch, mutwillig zerstört BRRRING. Und der Mann kotzt mir mit Schmackes auf meine weißen Nikes. Lauwarm an den Knöcheln, meine neuen Nikes. Jetzt könnte ich mitkotzen.

Hinter mir öffnen sich die Türen.

Ich fluche und stapfe auf Zehenspitzen raus aus der Suppe. Dann drücke ich das E, und die Türen schließen sich wieder.

In meinen Schuhen schmatzen meine Füße feucht. Der säuerliche Geruch.

„Fuck.“

Der Fahrstuhl verschwindet nach unten. Das ist jetzt Herrn Mijivosics Job.

Ich drehe mich um. Unsere Wohnung ist am anderen Ende des Flurs.

Unbekannt Verzogen

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