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Januar:

Der Verheißung trauen

Jesus Christus spricht: Kommt und seht!

Johannes 1, 39 (L=E)

Kommt und seht!

(zu Johannes 1, 35ff.)

Sie hätten zu Hause bleiben können, als Jesus vorüberging.

Zu Hause, in ihrem gewohnten Leben. Es hat ja was für sich, den Tag schon zu kennen, der eben beginnt. Getragen von einer Routine, die sich bewährt hat. Das Neue ist leicht zu verkraften, es ist geplant und wohl überlegt.

Doch da ist dieses Versprechen: Er, der da vorübergeht, ist der, auf den wir gewartet haben. Der Himmel steht über ihm offen.

Plötzlich lockt da ein anderes Leben als das gewohnte. Wer ihm folgt, für den könnte alles anders werden und neu. Doch was heißt das: neu? Es wäre schön, das etwas genauer zu wissen.

„Meister, wo wirst du bleiben?“, fragt einer. „Wo geht es hin, wenn wir dir folgen? Wie wird das Leben aussehen in deiner Nähe?“

Aber es gibt keine klare Antwort.

Der Werbefilm, der in zartverwischenden Farben ein Happy End vor die Augen malt: Er bleibt aus.

Und da ist auch kein Navigationssystem, bei dem eine Stimme am Ende sagen wird: „Sie haben Ihr Ziel erreicht.“

Diese drei Worte nur: „Kommt und seht!“

Die beiden schauen sich an: bleiben oder gehen?

Und schon stehen die Einwände in der Tür, wie alte Bekannte, die sie nicht eingeladen haben. Und schon reden sie auf die beiden ein:

„Ich weiß nicht so recht“, sagt die Skepsis. „Wäre es nicht besser, bei dem zu bleiben, was du hast? Du weiß ja nicht, was du bekommst!“

„Dir geht es doch gut!“, sagt die Bequemlichkeit. „Du hast alles, was du brauchst, ja, sogar etwas mehr. Warum etwas ändern?“

„Viel zu riskant“, erklärt der Zweifel. „Erinnere dich, wie oft du schon reingefallen bist auf Versprechungen. Meist waren sie leer.“

„Ich kenne mich aus“, sagt die Enttäuschung. „Ich habe schon alles erlebt. Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!“

„Lieber nicht!“, sagt die Angst. „Du wirst dich zurücksehnen, wirst Heimweh bekommen nach dem, was war.“

Und nur die drei Worte: „Kommt und seht!“

Sie hätten zu Hause bleiben können, als Jesus vorüberging.

Zu Hause, in ihrem alten Leben.

Ein Nest nur

Leben heißt weiterziehen,

dein Haus ein Nest nur, gebaut

aus zerbrechlichen Halmen,

kein Dach, das den Regen fernhält,

keine Lampe gegen das Dunkel in dir.

Ein Nest nur, über dem doch

der Himmel offen steht

und du gelegentlich

einen Stern entdeckst,

der dich in ferne Fremde lockt.

Gebet: Wagemut

Gott,

manchmal traue ich mich nicht,

deine Verheißungen zu betreten.

Es scheint mir zu riskant,

das Alte hinter mir zu lassen.

Und ich verzichte darauf,

mein Leben zu verändern.

Schenk mir Wagemut,

dir zu vertrauen,

öffne mir die Augen

für Wolken- und Feuersäule

in meinem Leben.

Lass mich entdecken:

Wohin ich auch gehe,

du bist da.

Den Engeln Farbe verleihen

Eine Sandsteinplatte aus hellem Graugelb, aufgestellt in einer Kirche. Unscheinbar, von weitem hebt sie sich kaum ab von der Wand dahinter.

Aufmerksam werde ich, weil ein kleiner Fleck darauf angemalt ist. Er ist nun von weitem zu sehen und macht mich neugierig.

Ich trete näher heran.

Der Künstler hat kräftige, glänzende Farben aufgetragen, blau, rot und gold. So hat er die Konturen im Stein sichtbar gemacht: Aus blassem Ocker hebt sich nun ein einzelner Engel hervor. In seinen Händen hält er eine Leier.

Jetzt schaue ich mir den ganzen Sandstein genauer an. Und ich stelle fest: Dieser Engel ist nicht allein. Ein ganzes Orchester ist hier eingemeißelt, geflügelte Wesen, Engel an Engel, jeder von ihnen mit einem andern Instrument.

Alle außer dem einen verharren noch im Stein. Unentdeckt, als warteten sie noch darauf, dass einer sie wahrnimmt und ihnen Farbe verleiht.

Was, wenn die Welt voller Engel wäre? Farblose Wesen, versunken im Alltagsgrau? Die Nachbarin zur linken Seite, der Verkäufer im Supermarkt, ja, Sie und ich: Wir gehören auch dazu. Wie schön wäre es, wenn aufscheinen dürfte, was uns zu Engeln macht. Und wie schade, wenn es verborgen bliebe.

Wie ließe sich zum Glänzen bringen, was in uns steckt?

Ich denke daran, wie ein Lob mich erröten lässt. Ich fühle mich beflügelt und angespornt.

Und umgekehrt nehme ich vielleicht ein Talent beim anderen wahr, von dem er selbst noch nichts weiß. Wie ließe es sich zum Leuchten bringen?

Ich schaue noch einmal auf das Relief. Mit dem Finger fahre ich über einen der Engel, der noch im Graugelb verharrt. Ich spüre seine Konturen, sein Instrument, es ist eine Geige.

Ich stelle mir vor, wie eine Künstlerin kommt, mit Farben und Pinsel bearbeitet sie den Stein. Engel um Engel erscheint. Einer nach dem anderen stimmt sein Instrument. Und dann beginnen sie, gemeinsam zu spielen.

Und der Raum füllt sich mit himmlischen Klängen, die bis in den letzten Winkel dringen.

Identitätskrise

Das Wunder ist ziemlich verschreckt.

Sein Geheimnis wurde erläutert und somit für nicht existent erklärt.

Entmythologisiert, sagte man.

Es fühlt sich, als habe ihm einer den Pass weggenommen.

Das Wunder schaut in den Spiegel und erkennt sich nicht mehr.

Wer bin ich, fragt es sich, wenn niemand mich wahrnimmt?

Gibt es mich noch, wenn es mich nicht mehr gibt?

Nennt einer mich noch beim Namen?

Das Wunder weiß keine Antwort.

Nie hat es in so einer Identitätskrise gesteckt.

Ach, wäre ich unsichtbar, denkt es.

Dann verkriecht es sich in seinen Fragen und verstummt.

Segenswunsch: Ungelebt

Spürst du es auch?

Das ungelebte Leben

neben dem, was ist?

Es lockt dich mit dem,

was sein könnte.

Ich wünsche dir

den beharrlichen Mut,

hin und wieder

die Einwände hinter dir zu lassen

und seiner Verheißung

stärker zu trauen

als deiner Angst.

Willkommen und gesegnet

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