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Blaue Farbe auf der Nase – sieht doch super aus, der Hase!

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Jetzt, wo ich frische Luft in die Lungen bekam, wurde mir klar, dass Lee vorhin totalen Unfug verzapft hatte, als er sagte: »Der Sinn meines Lebens ist die Suche nach dem Sinn.« Das war wie ein Laufrad im Kopf, das sich immer weiterdrehte und nie irgendwo ankam. So wie wir auch, denn Kira blieb vor jedem Schaufenster stehen.


»Ich habe absolut keine Idee, worüber Sandra sich freuen würde.«

»Ich glaube nicht, dass du in einem Geschäft für Anglerbedarf etwas Passendes finden wirst«, meinte Jan.

Kira zuckte mit den Schultern. »Ich schau mich halt um.«

Jan zog sie weiter. »Die schönsten Sachen gibt es doch bei Petra, und da wollen wir sowieso hin.«

Petra und ihr Hund Kenny haben einen Laden, Petras Geschenke-Shop. Kenny ist groß, braun, schlappohrig und gutmütig. Beim Superhamster-Casting hat er das süße Hamsterweibchen Mariechen vor ihrem fiesen Besitzer gerettet. Jetzt lebt Mariechen bei Petra, das heißt, meistens lebt sie in Kennys rechtem Ohr, so wie ich oft auf Jans Schulter lebe.

Ich konnte es kaum erwarten, Mariechen endlich wieder in die Pfoten zu schließen. Doch vor dem nächsten Schaufenster, in dem lauter Plüschtiere hockten, hielt Kira schon wieder an und ging mit dem Gesicht ganz nah an die Scheibe.

Jan schüttelte den Kopf. »Sandra ist längst aus dem Alter raus, wo sie mit Teddys spielt.«

»Deswegen schaue ich doch gar nicht. Aber ich habe da eine merkwürdige Bewegung gesehen. Ha, wusste ich’s doch! Der Kerl da hinten sprüht Farbe auf einen Plüschhasen. Na, dem werde ich was husten.«

Wenn Kira damit droht zu husten, dann ist sie nicht erkältet, sondern stinksauer.

Sie stürmte in den Laden. Jan lief hinterher. Vor einem Regal voller Hasen stand ein Junge, der einen Kopf größer als Kira und von der Kappe bis zu den Turnschuhen ganz in Dunkelblau gekleidet war. Ein paar schwarze Zotteln schauten unter dem Rand der Kappe hervor. Er war gerade dabei, aus einer Spraydose blaue Farbe auf ein rosa Häschen zu sprühen. Das sah gar nicht schlecht aus, jedenfalls nicht mehr so kitschig wie davor.

Kira zog ihn am T-Shirt-Ärmel. »Sag mal, tickst du noch richtig? Du bist ja der reinste Vandale! Jan, geh den Verkäufer suchen.«

Jan wollte Kira nicht mit dem Kerl allein lassen, das merkte ich ihm an, weil er unschlüssig von einem Bein auf das andere wippte, was mich bedenklich ins Schwanken brachte.

»Ey, stress mich nicht.« Der Junge drehte sich um und hielt Kira die Spraydose vors Gesicht. »Sonst verpass ich dir eine blaue Nase.«

Kira blieb ganz ruhig. »Das traust du dich nicht, das wäre Körperverletzung.«

»Und ob ich mich traue, du halbe Portion.« Er bleckte die Zähne, an denen ein kleines Klettergerüst aus Metall befestigt war.

Ich ging sofort in Karategrundstellung: Ich stellte mich auf die Hinterfüße, ballte die Vorderpfoten, fletschte mein Gebiss und machte mich auf einen langen, harten Kampf gefasst.

Endlich sah mich der Kerl. »Oder ich verpasse eurem Goldhamster eine neue Farbe. Dann ist er ein Blauhamster.« Er lachte wie bescheuert und zielte mit der Spraydose auf mich. Er wollte gerade auf den Sprayknopf drücken, da schoss Kiras Fuß hoch und traf ihn am Handgelenk. Die Spraydose flog in hohem Bogen durch den Laden und knallte dem Verkäufer direkt auf die Glatze.

»Aua«, schimpfte der. »Was ist denn hier los?«

Gleichzeitig kam eine Stimme von der Tür. »Ey, komm raus, bevor sie dich hopsnehmen, du Idiot.«

Dort stand noch ein Junge, der auch ganz in Dunkelblau angezogen war. Unter seiner Kappe schauten blonde Haare raus. Seine Nase war so breit, dass Chan gemütlich daraufgepasst hätte. Sogar quer.

Hinter ihm lugte die Kappe von einem dritten Jungen hervor, der sich duckte und hinter Breitnase versteckte, als er uns sah. Das war ja eine ganze blaue Bande! Der Junge mit dem Klettergerüst an den Zähnen spurtete zur Tür. Kira wollte ihn festhalten, doch der Verkäufer stellte sich ihr in den Weg. So konnten der Junge und seine beiden Freunde entkommen. Ich sah sie wegrennen und ärgerte mich, dass ich zu klein war, um sie festzuhalten. Wenn ich wenigstens so groß wäre wie ein Meerschweinchen oder eine Kanalratte!

Jetzt entdeckte der Verkäufer den blauen Hasen. »So eine Sauerei! Den wirst du bezahlen.«

Kira atmete tief durch. »Nein, werde ich nicht. Das war nämlich der Junge, der mit seinen Freunden abhauen konnte, weil Sie mich daran gehindert haben, ihn festzuhalten.«

Der Verkäufer rieb sich die Glatze und starrte erst Jan, dann mich an. Ich stand immer noch in Grundstellung. »Und einen Plüschhamster wollt ihr auch klauen. So eine Frechheit.«

Jan lachte. »Der ist nicht aus Plüsch, der ist echt.«

Der Verkäufer griff nach mir, doch ich holte mit der Pfote aus und verpasste ihm einen astreinen Karatehieb. Erschrocken wich der Verkäufer zurück. »Der lebt ja.«

»Sag ich doch«, meinte Jan grinsend.

»Was ist jetzt?«, fragte Kira. »Können wir endlich gehen und die Täter verfolgen?«

»So leicht kommt ihr mir nicht davon. Erst schreibe ich mir eure Namen auf und dann verständige ich eure Eltern.« Er hob die Spraydose auf. »Die behalte ich als Beweismaterial.«

Kira nannte ihren Namen und ihre Adresse. Ebenso Jan. Nur von mir wollte der Verkäufer nichts wissen. Ich war zwar genauso unschuldig wie Kira und Jan, aber wenn meine beiden Menschen verdächtigt wurden, dann wollte ich auch verdächtigt werden. »Ich heiße Neo Schraubelokker«, rief ich so laut ich konnte. »Und ich wohne in einem Karnickelkäfig.«

»Jetzt haut ab«, sagte der Verkäufer. »Ich kann das Gekreische von eurem Hamster nicht mitanhören.«


Kaum waren wir aus dem Laden, schimpfte Kira: »So ein unfreundlicher Mensch. Bei dem kaufe ich bestimmt nie etwas.«

»Ob der Junge etwas gegen ihn persönlich hatte und deswegen einen Hasen besprüht hat? Oder war das eine Mutprobe? Oder einfach nur blinder Vandalismus?«, überlegte Jan, als wir weitergingen.

»Das fragen wir sie, wenn wir sie geschnappt haben.« Kira sah die Straße hinauf und hinunter. »Irgendwann laufen die uns schon wieder über den Weg.«

Der Karatehamster hebt ab

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