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Auf dem Thingplatz herrschte ausgelassenes Treiben und Lärmen, denn viele der hier versammelten Fürsten des Landes kannten sich, hatten sich aber seit längerer Zeit nicht mehr gesehen. Auch die zahlreichen Krieger, die sie zu diesem Treffen bei Aalborg begleiteten, kannten sich untereinander und hatten häufig miteinander gegen ihre Feinde gekämpft. Das waren für die an der Küste lebenden Menschen überwiegend Schweden und Norweger, die mit ihren Langbooten auf viking zogen und in den kleinen Dörfern auf wenig Widerstand stießen. Um nun überhaupt etwas gegen diese regelmäßigen Raubüberfälle ausrichten zu können, schlossen sich viele der Fürsten zusammen und halfen ihren Fryd, den bewaffneten Bauern, sich im Kampf zu erproben, um anschließend gemeinsam mit ihnen gegen die Feinde anzutreten.

Schließlich kamen die Männer, die Harald begleiteten, und augenblicklich trat Ruhe auf dem Platz ein, die letzten Gespräche verstummten, als sich der hoch gewachsene Anführer rasch umsah und gleich darauf auf die Gruppe der wartenden Fürsten zuschritt, die sich vor dem für ihn aufgestellten Hochstuhl versammelt hatten.

Doch mit finsteren Mienen betrachteten die Männer die Mönche, die Harald folgten. Es waren die Männer, die man beim Betreten der Stadt auf üble Weise verprügelt und beleidigt hatte, und noch immer trugen einige die Spuren dieser Behandlung deutlich in ihren Gesichtern. Sie hielten die Köpfe gesenkt, den Blick auf die Erde geheftet, und beeilten sich, dicht bei Harald zu bleiben.

Einer der älteren Fürsten, ein breitschultriger, weißhaariger Mann, dem man noch immer den kampferprobten Krieger ansah, trat vor. Sein Gesicht wirkte wie ein Stück verwittertes Schiffsholz, tiefe Furchen hatten Wind und Sonne darin eingegraben, und ein paar Narben verstärkten diesen Eindruck noch. Sein silberweißes Haar war noch voll und dicht und hing ihm in dicken Zöpfen bis auf die Schultern, sein Bart war allerdings frisch geschnitten und nur etwa eine Handbreit lang. Silberne, goldene und auch ein paar dunkle Perlen, vermutlich aus Bernstein, waren kunstvoll in Bart und Haupthaare eingeflochten, die zahlreichen, silbernen Armreifen und ein dicker Silberring um seinen Hals kündeten nicht nur von seinem Reichtum, sondern waren auch eine Erklärung für seinen Namen. Baugur bedeutete nämlich schlicht und einfach Ring.

Erfreut über die zahlreichen Fürsten, die seinem Ruf gefolgt waren, schritt Harald würdevoll auf die Wartenden zu und reichte dem Weißhaarigen seine Hand mit den Worten: „Du musst Baugur sein, von dem ich schon so viel gehört habe! Wie sieht es bei dir in Aarhus aus, konntest du deine Befestigungen ausbauen? Es wäre möglich, dass wir bald darauf zurückgreifen müssen, wenn wir den Krieg mit den anderen Ländern beginnen!“

Der alte Fürst ergriff die Hand und drückte sie kräftig.

„Du willst also wirklich den Krieg mit allen Nachbarländern, Harald?“

Der lachte dröhnend und drehte sich so, dass alle Anwesenden sehen konnte, was er jetzt tat. Mit einem schnellen Griff hatte er nämlich sein Schwert aus der Scheide gezogen und hielt es jetzt hoch über seinen Kopf, sodass jeder die ungewöhnliche Waffe gut sehen konnte.

„Nennt mich nicht mehr einfach nur Harald! Ich bin König Harald, den man zu Recht Blåtand (Schwarzes Schwert) nennt. Dieses Schwert in meiner Hand ist die Ursache für meinen Ehrennamen, und wer diese Klinge einmal zu schmecken bekam, wird vielleicht noch erkannt haben, was es bedeutet, eine fränkische Klinge in den Händen zu halten. Dieses Schwert wurde einst in meinem Auftrag in einer wahren Meisterschmiede für mich gefertigt und auf besondere Weise dabei gehärtet. Mir war es sehr wichtig, die Klinge zu schwärzen, damit kein verräterischer Sonnenstrahl auf sie fällt, wenn ich sie benutze.“

Beifälliges und zum Teil auch irritiertes Gemurmel ging durch die Reihen, denn wohl jeder der hier Anwesenden hatte schon von dem fränkischen Schwert gehört, aber bei Weitem nicht alle, dass Harald der neue König ist.

„Aber, bevor wir zu den Dingen kommen, derentwegen ich euch hier zusammengerufen habe, werde ich euch einmal zeigen, was eine fränkische Schwertklinge vermag!“

Harald gab ein paar Kriegern ein Zeichen, und die Männer eilten vor den Hochstuhl und stellten dort auf einem Baumstumpf einen der üblichen Nasalhelme ab und eines der aus Lindenholz gefertigten Rundschilde davor. Danach traten sie zurück, und Harald holte mit dem Schwert aus, schlug kraftvoll auf den Helm und ein lauter Ruf der Bewunderung ging aus vielen Kehlen über den Platz.

Das Schwert hatte den Helm glatt durchschlagen, als wäre er aus einfachem Leder und nicht geschmiedet worden. Doch die Zuschauer sollten gleich ein weiteres Beispiel erleben, denn mit dem nächsten Schlag hieb Harald den Schild mittendurch, ohne dass jemand den Eindruck hatte, dass er sich dabei sonderlich anstrengen musste.

Wieder hob er es hoch über den Kopf und drehte sich im Kreis, wobei er die Gesichter aufmerksam musterte, um seine Wirkung abzuschätzen. Überall blickte er in strahlende Gesichter, er hatte mit dieser Vorführung die Krieger schon für sich gewonnen. Aber noch stand ihm der schwerste Teil bevor.

„Wir werden auf einen großen viking ziehen, sowie die nächsten Wintermonate vorüber sind. Es wird aber nicht nur ein Kriegszug werden, der allen, die mir folgen, unglaubliche Reichtümer bringt. Wir werden über unsere Feinde siegen, sie unterwerfen, und sie so zwingen, nie wieder unsere Küsten zu überfallen. Nach diesem Zug bis in den hohen Norden wird Friede herrschen, denn wir werden ein Volk sein, das zusammengehört.“

Der alte, weißhaarige Baugur aus Aarhus flüsterte ein paar Worte mit seinen Gefolgsleuten und schüttelte anschließend seinen Kopf, während Harald bei seiner Rede auf und ab ging. Es lag ihm daran, seine Worte auf die Fürsten einwirken zu lassen und vor allem, ihre Reaktionen zu beobachten.

Nach einem Augenblick der Pause trat ein Mann vor, dessen kräftige Figur allein schon jeden Gegner einschüchtern musste. Er überragte die meisten der Umstehenden um Kopfeslänge, seine breiten Schultern waren von einem kurzen Kettenhemd bis zur Brust geschützt, und die darunter deutlich erkennbaren Oberarme hatten Muskelstränge, die sich bei jeder seiner Bewegungen deutlich unter der gebräunten Haut abzeichneten.

„Man nennt mich Bolmur!“, sagte der Riese mit dröhnender Stimme, und ein paar Fürsten lachten, denn diesen Namen, der Bär bedeutet, trug kaum ein anderer jemals so zu Recht wie dieser Mann. „Ich bin der Jarle aus Vesthimmerland, und ich frage dich, Rig (König), ob du auch daran denkst, den Männern aus Nynorsk einmal auf die Finger zu klopfen und sie in ihre Schranken zu weisen. Es sind ja überwiegend deren Langboote, die unsere Dörfer überfallen!“

Der Bär erhielt zustimmendes Gemurmel und Kopfnicken.

Harald war schlau genug, sich nicht zu dicht vor den Riesen zu stellen, als er ihm antwortete. Durch die Wahrung eines gewissen Abstandes vermied er es, den Blick zu Bolmur aufzurichten.

„Das habe ich vor, meine Freunde! Wir werden in den hohen Norden aufbrechen und diesen Kriegern aus Norðvegr zeigen, wozu wir in der Lage sind, wenn wir uns alle zusammenschließen!“

Erneutes Nicken, schließlich deutete Bolmur auf die Mönche an der Seite Haralds.

„Warum hast du aber diesen Männern erlaubt, in deiner Nähe zu sein, Rig? Stimmt es etwa, was man sich überall erzählt; dass du zum Christentum übertreten willst?“

Und wieder kam beifälliges Gemurmel von den Reihen der Fürsten und alle Augen richteten sich gespannt auf Harald. Der künftige König drehte sich zu den Mönchen und gab ihnen ein Zeichen, nach vorn zu treten. Nur zögernd folgten die Kirchenmänner seiner Geste, wagten kaum, aufzusehen, und die Reaktion der anwesenden Krieger bestärkte sie nicht gerade in ihrem Auftreten, denn es entstand deutliche Unruhe, die in mehr oder weniger laut hervorgebrachten Unmutsäußerungen endeten.

Harald machte eine herrische Handbewegung, um Stille zu erreichen, aber die Männer blieben unruhig, tauschten halblaute Bemerkungen aus, von denen einige trotzdem an das Ohr Haralds drangen.

„Hört mir alle zu! Wir können nur Erfolg haben, wenn wir uns einig sind und zusammenstehen. Für mich ist es vollkommen klar geworden, dass ich in der nächsten Zeit nach Heiðabýr (Haithabu) fahren werde, um dort von dem Mönch Poppo getauft zu werden!“

Jetzt wurden die ersten lauten Rufe hörbar.

„Unglaublich!“ – „Ein Verrat der alten Götter!“ – „Das wird schlimme Folgen haben!“, klang es durcheinander, und jetzt hatte Harald wirklich Mühe, erneut Ruhe einkehren zu lassen. Er erhob seine Stimme und rief über den Platz:

„Weder Odin noch Thor noch einer der alten Götter haben uns bislang vor den Raubzügen unserer Nachbarn beschützen können! Ich behaupte nicht, dass der christliche Gott Jahwe das tun wird, aber ich bin sicher, dass er ein Gott ist, der uns den Frieden schenken wird. Ich glaube den Worten dieser Männer hier, die es auf sich genommen haben, zu uns zu kommen, um uns die Worte Jahwes zu geben. Wenn wir als Christen zusammenstehen und uns nicht mehr in kleinlichen Fehden bekriegen, dann können wir alle in Frieden leben und müssen nicht ständig mit Überfällen rechnen!“

Einen kurzen Moment lang herrschte Schweigen.

Als Harald die Blicke der anderen suchte, wichen sie ihm aus.

Wieder war es der große Bolmur, der das Wort ergriff.

„Höre, Harald, du nennst dich König und keiner von uns hat dich gefragt, wo der alte König geblieben ist, dein Vater Gorm den Gamle. Du hast ihn entmachtet, doch das habt ihr anscheinend unter euch abgemacht. Aber was du jetzt verlangst, geht weit über das hinaus, was ein König von uns verlangen kann!“

„Richtig! Bolmur spricht für uns!“, riefen einige der Fürsten aus, während andere schwiegen und sich vollkommen zurückhielten.

Harald machte einen Schritt in die Mitte der versammelten Männer und zog erneut sein Schwert.

„Bei diesem Schwert und der Schärfe seiner Klinge schwöre ich euch: Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich und wird diese Klinge zu spüren bekommen!“

Ein Raunen ging abermals durch die Reihen, und nun stellte sich Bolmur direkt vor Harald und stützte sich dabei auf eine gewaltige Breitaxt, deren langer Stiel ihm bis zur Brust reichte.

„Hier steht Bolmur, Jarle von Vesthimmerland, und ich schwöre bei meiner Axt, dass ich jeden damit töte, der mich zwingt, einen anderen Glauben anzunehmen. Wer sich ebenfalls von keinem Rig vorschreiben lässt, welchen Gott er anruft, kommt auf meine Seite!“

Jetzt brach ein wahrer Tumult aus, denn mit dieser Konfrontation waren die anwesenden Fürsten gezwungen, sich offen für oder gegen den neuen König zu entscheiden. Erst zögernd, dann mit schnellen Schritten lösten sich zwei Männer aus den Reihen der Fürsten und stellten sich hinter Bolmur. Trotzig starrten die drei Männer Harald an, und nach einem anfänglichen Schweigen traten noch zwei weitere zu ihnen, die Schwerter in den Händen.

Haralds Blicke flogen triumphierend über die Köpfe der Männer.

„Damit dürfte ja wohl klar sein, was alle erwartet, die sich jetzt Bolmur anschließen! Ich gebe euch noch einen Moment Bedenkzeit, dann solltet ihr euch entscheiden. Bleibt ihr dabei, betrachte ich euch ab sofort als Feinde – mit allen Konsequenzen!“

Haralds Miene zeigte ein düsteres Spiel, als die fünf Abtrünnigen sich nur kurz mit Blicken verständigten und anschließend langsam den großen Thingplatz verließen. Kaum waren sie am Rand der Versammlung angelangt, als auch schon ihre Krieger einen Schutzwall um sie bildeten. Die Rundschilde waren in Brusthöhe hochgezogen, die rechte Hand hielt den Speer, bereit, sofort mit einem Schildwall die Fürsten zu schützen. Aber niemand hinderte die Männer am Abzug.

Mit einem tiefen Atemzug schien Harald seinen Ärger abschütteln zu wollen, besann sich dann aber und rief über den Platz:

„Wir werden unsere Vorbereitungen für die Reise nach Heiðabýr treffen, danach schicke ich euch erneut Boten für das nächste große Thing an dieser Stelle. Bis dahin solltet ihr eure Boote und Waffen instand setzen, damit wir unseren Krieg gegen alle Feinde beginnen können!“

Damit trat Harald zu den Mönchen und einigen seiner Unterführer, die ihn auf dem Rückweg in die Stadt begleiteten. Hinter ihm schwoll der Lärm erneut an, denn viele der Fürsten, Unterführer und Krieger ließen jetzt ihrer Meinung freien Lauf.

Aber der alte, weißhaarige Baugur war es, der überhaupt nichts sagte. Er hatte sich stumm umgedreht und gemeinsam mit zwei seiner Gefolgsleute ohne weiteres Aufsehen den Platz verlassen. Gleich darauf brachen seine Leute wieder nach Aarhus auf.


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