Читать книгу Harald von den Wikingern: Zwei Romane - Tomos Forrest - Страница 9

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Mächtig schäumten die Bugwellen der fünf halffertugt skips, der Kriegsschiffe Haralds, als sie in schneller Fahrt auf das Ufer zuhielten. Erst kurz vor dem Ufer lösten die Männer an den Masten die Taue, sodass die gestreiften Segel in sich zusammensanken und die Boote deutlich langsamer wurden. Auf jeder Seite saßen fünfunddreißig kräftige Männer an den Rudern, alles kampferprobte Krieger, die ihre Hemden bei dem warmen Wetter ausgezogen hatten und nun mit ihren schweißüberströmten Oberkörpern ein imposantes Bild boten. Jedenfalls warf Harald Blåtand einen stolzen Blick über seine Mannschaft, als sie auf den Strand von Aalborg zuhielten. Eben bemerkte er aus dem Augenwinkel, wie ein Mann zwischen den Reihen nach vorn eilte, um den Drachenkopf abzunehmen.

„Halt!“, rief der hoch aufgerichtete Anführer mit donnernder Stimme, und alle Köpfe drehten sich zu ihm herum. „Der Drachenkopf bleibt in seiner Halterung!“

Sprachloses Erstaunen zeichnete sich auf den Gesichtern der Krieger ab, denn so etwas hatte es noch nie gegeben. Bevor die Boote den Grund berührten, nahm man den Drachenkopf vom stál, dem Steven, herab und verwahrte ihn in seinem Behälter, um nicht die guten landvaettir, die Landgeister, zu beleidigen.

Der Mann, der das wie bei jeder Landung beabsichtigte, blieb unschlüssig auf seinem Platz stehen, den Blick starr auf die mächtige Gestalt seines Befehlshabers gerichtet. Harald trug ein blau gefärbtes Gewand, das er extra für den bevorstehenden Landgang aus seiner Truhe genommen und übergezogen hatte. Im Gürtel steckte sein Sax-Schwert, die langen, braunen Kopfhaare waren sorgfältig geölt und zu zwei mächtigen Zöpfen geflochten. In seinem bis auf die Brust reichenden Bart fanden sich zahlreiche eingeflochtene Silberringe, und an den freien Unterarmen klirrten bei jeder Bewegung zahlreiche silberne Armreifen.

„Was ist los mit euch? Der Kopf bleibt, wo er ist. Vom heutigen Tag an wird das immer so sein.“

Von den Sitzbänken der Ruderer kam ein dumpfes Murren, und Haralds Kopf flog rasch nach beiden Seiten. Sein eben noch freundliches Gesicht hatte sich verfinstert, und mit geballter Faust rief er so laut, dass man es auch auf den benachbarten Booten hören konnte:

„Gilt mein Befehl nicht mehr? Ihr habt doch wohl verstanden, was ich gerade gesagt habe!“

In diesem Augenblick berührte sein Langboot den Strand, und dieser sanfte Stoß genügte, die Aufmerksamkeit der Männer wieder zu dem Nächstliegenden zu lenken.

Die ersten erhoben sich, sprangen über Bord, griffen an den Bootsrand und schoben es weiter hinauf, wo es anschließend mit kräftigen Tauen an ein paar großen, eisernen Ringen befestigt wurde, die man zu diesem Zweck an dicken Felssteinen angebracht hatte.

Aalborg oder besser Ålabu, wie man es hier oben im Norden gewöhnlich nannte, hatte sich in den letzten Jahren mächtig am Limfjord ausgebreitet und versprach aufgrund seiner günstigen Lage, bald eine der wichtigsten Handelsstädte zu werden. Der wie ein Fluss verengte Fjord zwischen Jütland und Vendsyssel-Thy verband zudem das nördliche mit dem östlichen Meer und bot damit einen weiteren Vorteil.

Als die fünf Langboote sicher vertäut am Ufer lagen und die Besatzung sich bereit machte, in den Ort zu gehen, nahm kaum jemand der Bewohner von ihnen Notiz. Fünf Langboote mit jeweils siebzig Ruderern, also insgesamt dreihundertfünfzig gut bewaffnete Krieger, begleiteten Harald, aber wer jetzt hier jubelnde Menschen am Wegrand erwartet hatte, sah sich getäuscht. Eine derart große Kriegergruppe würde zahlreiche Probleme in den Ort bringen, der mit Frauen, Kindern und Männern kaum mehr Bewohner aufwies.

Auch Harald, der mit mächtigen Schritten vorausschritt und dabei so unauffällig wie möglich die Häuser und Gassen rasch musterte, schien von seinem Empfang sichtlich enttäuscht zu sein, denn schon nach wenigen Schritten hatte sich seine Miene verfinstert. Als ihm dann der Rat der Ältesten entgegeneilte, diente deren Begrüßung auch kaum dazu, seine Stimmung zu heben, und als man ihm das Langhaus zeigte, in dem er zusammen mit seinen Unterführern essen und schlafen sollte, da schienen seine Augen regelrecht Blitze zu verschießen, wenn ihn einer der Einheimischen ansprach.

Immerhin hatte man ihm einen Hochstuhl bereitgestellt, und auf den ließ sich Harald jetzt krachend fallen, rief sofort nach etwas Essbarem und starrte dabei die Männer von Aalborg herausfordernd an, denn es war klar, dass man ihm nicht einen einfachen Salzfisch vorsetzen konnte. Zuerst brachte man ihm eine Schüssel mit Skyr und dazu ein frisch gebackenes Brot. Harald brach sich ein Stück davon ab, tunkte es in die Milchspeise, kostete und schob die Schüssel mit verächtlichem Blick weit von sich.

Gleich darauf wurde ihm ein gebratenes Huhn aufgetischt, und schon beim ersten Bissen schleuderte er die Keule in eine Ecke.

„Was ist das für ein Schweinefraß? Ein vollkommen salzloses Skyr, ein uraltes Huhn, zäh wie ein Stück Leder – bewirtet man so seinen König?“

Die alten Männer waren in der Nähe des Eingangs stehen geblieben und hatten das Treiben Haralds mit erschrockenen Blicken aus weit aufgerissenen Augen verfolgt.

„Den König? Aber – Herr! Euer Vater Gorm den Gamle ist doch unser König, und als sein zukünftiger Nachfolger haben wir Euch alle Ehren bei unserem Empfang bereitet, die wir auch ihm erwiesen hätten!“, stammelte einer der Alten.

Nun ließ sich der Zorn Haralds nicht mehr besänftigen. „Ab heute bin ich euer König, merkt euch das!“

Der Sprecher des Rates trat irritiert vor, verbeugte sich tief und erklärte: „Herr, wir schlachten unsere Hühner immer erst, wenn sie keine Eier mehr legen, sie sind sonst zu wertvoll für einen Braten. Aber zur Feier Eurer Ankunft haben wir auch noch ein Lamm schlachten lassen, es wird gleich aufgetragen und sicher Eure Anerkennung finden!“, versicherte ihm der weißhaarige Mann eifrig.

„Das will ich hoffen, und außerdem gehört es sich nicht, den König mit Bier zu bewirten! Wo bleibt der Met? Ein einfaches Bier kann ich jeden Tag trinken, selbst wenn ich auf dem Meer unterwegs bin! Bringt mir einen ganzen Krug Met hierher, aber rasch, sonst müsste ich annehmen, dass ihr euren König in dieser Stadt nicht willkommen heißt!“

Ein ganzer Krug mit dem kostbaren Met kam auf den Tisch, und der Sprecher des Ältestenrates wollte Harald gerade erzählen, dass es im letzten Jahr zu wenig Honig gegeben hatte und man deshalb nur über geringe Met-Vorräte verfügte, aber Harald unterbrach ihn brüsk und deutete zur Tür, durch die gerade zwei Männer traten, von denen jeder auf einer Holzplanke gebratenes Fleisch herübertrug.

„Na, das riecht schon einmal sehr köstlich! Ich hoffe nur für euch, dass es auch so schmeckt!“

Schweigend sahen die Männer zu, wie Harald ein großes Stück Fleisch abschnitt und sich in den Mund schob. Er kaute einen Moment und nickte zufrieden. Man konnte förmlich hören, wie erleichtert die Alten die angestaute Luft herausließen, als es nun keine weiteren Beschwerden von dem mächtigen Jarle gab, der sich selbst zum König ernannt hatte.

Daraufhin schnitt er sich ein weiteres Stück ab, und auch der Met schien seine Zustimmung gefunden zu haben, denn der große Becher war schon leer, und Harald hielt ihn demonstrativ in die Richtung des Rates, der noch immer nicht entlassen war, sondern dem Mahl zusehen musste.

„Wenigstens davon scheint ihr ja etwas in Aalborg zu verstehen!“, rief ihnen schließlich Harald schmatzend zu. „Wenn ihr nur nicht so knauserig mit eurem Met wäret – euer König wäre darüber sehr erfreut!“

Augenblicklich gab man nach hinten ein Zeichen, und ein weiterer Krug mit dem kostbaren Met wurde herbeigebracht und vor Harald gestellt.

„Ausgezeichnet!“, rief der begeistert aus. „Ich sehe, wir verstehen uns! Aber ihr müsst mir hier nicht die Bissen in den Mund zählen, ihr könnt getrost nach Hause gehen, meine Freunde!“

Mit diesen freundlichen Worten war der Ältestenrat der Stadt in Gnade entlassen, und die fünf alten Männer beeilten sich, aus dem Langhaus zu kommen, bevor sich der selbst ernannte König etwas Neues ausdachte.

Jetzt trat einer der Unterführer ein, gefolgt von drei Kriegern.

Harald sah kurz auf und nickte ihnen zu.

„Ihr seht hungrig aus, kommt an den Tisch und greift zu. Was gibt es Neues, Sven Einohr?“

Der so angesprochene Unterführer hatte einen üblen Schwerthieb bei einem Kampf erhalten, der nicht nur sein linkes Ohr glatt abgeschnitten, sondern auch einen Teil der Gesichtshaut mit fortgerissen hatte. Die schwere Verletzung war nicht gleich richtig behandelt worden, entzündete sich noch und hinterließ beim späteren Heilungsprozess einen unangenehmen Anblick. Die Haut an Schläfe und Wange schien dünn wie das erste Eis auf einer Pfütze, und wenn Sven wütend war, glaubte man, das Blut in den Adern darunter sehen zu können. Der verstümmelte Rest seiner Ohrmuschel schien zudem ständig zu jucken, denn inzwischen hatte sich der Unterführer angewöhnt, alle Augenblicke mit der rechten Hand unter dem Kinn entlang die linke Gesichtshälfte zu berühren, als wolle er sich von dem derzeitigen Zustand durch Abtasten überzeugen. Da auch die Barthaare dort nur noch spärlich wuchsen hatte die Verletzung ihm ein seltsames, schiefes Aussehen gegeben, das noch durch ein nervöses Augenzucken auf der beschädigten Seite verstärkt wurde.

Aber Sven Einohr war ein gefährlicher, sehr schneller Krieger, bevorzugte zumeist seine Breiðöx, die Breitaxt, mit der er selbst bei nur einhändiger Führung so schnell war, dass mancher Schwertkämpfer ihm schon beim zweiten Hieb unterlegen war. Sven war dabei nicht sonderlich groß, schien aber nur aus Muskeln und Sehnen zu bestehen, und wer einen Blick auf seine mächtigen Oberarme warf, verstand schnell, wieso er die Axt so virtuos wirbeln konnte. Die Männer, die zu seiner Bootsmannschaft gehörten, wären für ihn durch jedes Feuer gegangen, denn Sven Einohr verlangte von ihnen nichts, was er nicht selbst vormachte. Er war stets an der Spitze seiner Männer, wenn es gegen einen fest gefügten Schildwall ging, schnellte sich mit kaum glaublicher Geschwindigkeit über die drohend herausragenden Speere, ließ sein Gewicht auf den Schild des Nächsten krachen und durchbrach auf diese tollkühne Weise rasch jede Gegenwehr, denn seine Krieger folgten ihm sofort dichtauf.

„Herr, die Boten sind alle unterwegs, die Fürsten werden benachrichtigt und können alle rechtzeitig in drei Tagen hier eintreffen. Sie müssen allerdings ihr Lager außerhalb der Stadt aufschlagen, ich habe mir alles angesehen, aber die Ratsleute haben wirklich nicht übertrieben. In der Stadt ist kein Platz mehr, auch ein großer Teil unserer eigenen Leute beginnt bereits, das Lager außerhalb zu errichten.“

„Wie ist es mit dem Thing-Platz beschaffen? Finden dort alle Platz?“

„Der liegt sehr günstig. Wir können deinen Platz auf einer kleinen Anhöhe und unter mächtigen Eichen errichten. Von dort aus bist du gut zu hören und vor allem, zu sehen, Herr!“

Harald erhob seinen Becher.

„Gut, Sven Einohr, dann ist alles geregelt. Du wirst mit deinen Männern dafür sorgen, dass in dem Lager alles ruhig bleibt. Ich möchte in keinem Falle Auseinandersetzungen mit den Stadtbewohnern!“

Sven griff ebenfalls zum Met und hob den Becher.

„Das werde ich, Herr!“

Doch wie zum Hohn für seine gerade ausgesprochenen Worte wurde es draußen vor dem Langhaus sehr laut. Stimmen brüllten etwas, jemand lachte, gleich darauf erklang ein lauter Schmerzensschrei. Sven warf Harald einen raschen Blick zu, der nickte nur, und im nächsten Augenblick waren die Krieger auf der Straße, wo sich ihnen eine besondere Szene zeigte.

Von der westlichen Seite aus hatte eine kleine Menschengruppe die Stadt betreten, die jedoch sofort mehr Aufmerksamkeit erregte, als die große Anzahl der Krieger um Harald. Es waren fünf Mönche, von denen einer ein schlichtes Holzkreuz an einer langen Stange trug und damit deutlich machte, dass es sich bei ihnen tatsächlich um christliche Mönche handelte und nicht etwa um ein Treffen der heidnischen Priester, die man als Gode bezeichnete. Denn äußerlich unterschieden sich diese fünf Mönche kaum von den anderen. Alle hatten lange, dunkel eingefärbte Gewänder, die mit einer Fibel auf der Brust geschlossen wurden und auf diese Weise ihre hellen Unterkleider vor dem Straßendreck schützten. Der Kreuzträger hatte sich den Kopf kahl geschoren, die anderen trugen jedoch ihre Haare bis zum Nacken, wie die meisten Erwachsenen.

„Verschwindet von hier, ihr seid in Aalborg nicht willkommen!“, keifte ein altes Weib, das gerade von der Feldarbeit nach Hause ging und dabei eine hölzerne Hacke über der Schulter trug.

„Der Friede des Herrn sei mit dir!“, antwortete salbungsvoll der Kreuzträger, aber damit kam er bei der Alten an die richtige. Sie spuckte aus, hob die Hacke hoch und lief auf den Mann zu, um sie ihm über den Kopf zu schlagen. Im letzten Moment sprang der Mönch behände beiseite, die Hacke verfehlte ihn knapp und fuhr dicht neben ihm in den Straßenstaub.

„Habt ihr nicht gehört?“, schrie ihnen jetzt ein rotgesichtiger, gedrungener Mann zu, der aus dem Haus trat. „Ihr sollt verschwinden, wir brauchen hier keine Kreuzanbeter!“

Doch die fünf Mönche hatten wohl beschlossen, ihren Weg ungeachtet der Feindseligkeiten fortzusetzen, und unter leisem Gemurmel ihre Gebeten sprechend, die Köpfe geneigt, schritten sie langsam weiter.

Jetzt kamen immer mehr Menschen aus ihren Häusern, zornige Rufe wurden laut, und als sich die Mönche überhaupt nicht beeindrucken ließen, kam es zum Zusammenstoß. Zuerst flog nur ein verfaulter Kohlkopf in ihre Richtung, den jemand aus dem Straßendreck geklaubt hatte. Das Geschoss verfehlte sein Ziel und schlug auf der Straße auf und spritzte auseinander.

„Weg mit den elenden Christen!“, schrie ein dritter aus seiner Haustür, und nun waren die Mönche plötzlich umstellt, eine ganze Reihe von Männern und Frauen hatten drohend ihre Fäuste erhoben und zwangen die Mönche, auf dem Platz stehen zu bleiben.

Einer der Männer rempelte den Kreuzträger mit der Schulter so heftig an, dass der Mönch ins Taumeln geriet und bei dem Versuch, sein Gleichgewicht zu finden, das Kreuz fallen ließ. Als es auf die Straße fiel, jubelten die Menschen laut auf. Jetzt waren weitere ermutigt, und plötzlich hagelte es von allen Seiten Knüffe und Püffe auf die Mönche herab. Ängstlich duckten sich die Männer unter den Hieben, und als einer von ihnen plötzlich einen schweren Knüppelschlag auf den Kopf erhielt und blutüberströmt zusammenbrach, da war das Geschrei der Menge in der gesamten Stadt zu hören. Schon lag der Nächste auf der Erde, und noch immer schlug und trat man auf sie ein. Das war der Moment, als Sven Einohr aus dem Langhaus trat und sofort laut rufend Einhalt gebot.

„Nieder mit den Christen!“, brüllte aber einer der Männer aus der Menge heraus und verpasste dem nächsten Mönch einen kräftigen Tritt, sodass der vor Schmerz aufschrie.

„Hört auf damit, der König will es nicht! Die Christen dürfen nicht mehr angegriffen werden!“

„Was erzählst du da? König Gorm hat verboten, sich taufen zu lassen! Wir brauchen diese Götterleugner nicht! Odin wird sich für diesen Frevel an uns rächen, wenn wir sie nicht vertreiben!“

Der Mann, der diese Antwort mit wahrer Stentorstimme über den Platz rief, war ein großer, aber sehr schmal geratener Bursche. Man kannte ihn, er war ein Fischer und mochte mager aussehen, verfügte aber über gewaltige Hände und sehr viel mehr Kraft, als man ihm zutrauen mochte.

„Wer hat da so ein großes Maul, wenn ich hier rede?“, rief ihm Sven Einohr zu.

Furchtlos trat der Mann aus der Menge heraus und antwortete:

„Das bin ich, Söhnke, und ich weiß nicht, was dich das angeht! Wir lassen uns hier von keinem Wikinger etwas befehlen!“

Sven lief bei diesen Worten vor Wut dunkelrot an.

Mit dem Wort Wikinger hatte Söhnke offenbar ganz bewusst eine schwere Beleidigung ausgesprochen, denn dieser Name wurde nur für die Männer verwendet, die auf den Meeren jedes Schiff überfielen und die Mannschaften töteten. Selbst kleinere Fischerboote wurden schon zu ihren Opfern, obwohl die Beute nur in einem vollen Netz bestanden hatte.

„Hör mal, Söhnke, mit einem derart großen Maul muss doch etwas zu machen sein, wenn es nicht mehr richtig schließt, oder?“

Mit diesen Worten stand Sven schon vor dem langen Burschen, der ebenfalls seine Fäuste geballt hatte und sich vor einem Kampf nicht zu scheuen schien.

„Na, dann komm mal her, du Wikinger!“, rief er dem Unterführer zu und schlug blitzschnell mit der rechten Hand nach dem Kopf des Gegners.

Doch Sven hatte den Hieb kommen gesehen, nahm den Kopf etwas zurück und blockte gleich darauf die Faust des Fischers mit seiner flachen Hand ab. Für Söhnke schien es, als hätte er gegen eine Wand geschlagen, und verwundert starrte er in das entstellte Gesicht des Kriegers. Der hatte jetzt die Faust fest umschlossen und presste sie nach unten. Während Söhnke verwundert diese Bewegung verfolgte, schlug ihm Sven die linke Hand sehr hart und brutal mitten ins Gesicht. Dafür musste er sich sogar noch recken, denn der Kopf des Fischers befand sich ein ganzes Stück über ihm.

Es knackte unangenehm laut, als Söhnkes Nasenbein brach, und mit einem Jammerlaut und einem Blutschwall brach er in die Knie. Hier versetzte ihm Sven einen weiteren Faustschlag in den Nacken, der den Fischer wie einen Baum fällte und der Länge nach hinschlagen ließ.

„Noch jemand von euch, der mich einen Wikinger nennt? Und dann, merkt euch eins, Leute! Harald ist ab sofort der neue König, sein Vater ist längst zu alt und zu krank für dieses Amt!“, wandte er sich mit finsterer Miene an die Umstehenden, die jedoch scheu vor ihm zurückwichen.

Nach und nach entfernten sich die Leute, und Sven deutete auf das Langhaus. „Kommt mit hinein, da könnt ihr euch säubern und etwas essen, das hilft meistens gegen die Angst!“

Ohne sich weiter nach den Mönchen umzusehen, ging er seinen Kriegern wieder voraus, die das ganze Geschehen tatenlos, aber mit der Hand auf dem Griff ihrer Sax-Schwerter beobachtet hatten.

Als er wieder an der Tafel Haralds Platz nahm, stolperten die Mönche langsam herein und blieben am Eingang stehen. Harald hatte sofort erkannt, dass man diese Männer misshandelt hatte, denn alle zeigten deutliche Spuren der Schläge in ihren Gesichtern.

„Dort hinten steht ein Holzeimer mit genug Wasser für euch zur Verfügung. Reinigt und erfrischt euch und setzt euch anschließend an meine Tafel. Niemand wird euch hier noch belästigen!“

„Aber Herr!“, begann einer der Mönche und hob bittend seine Hände. „Wir sind christliche Mönche und können es wohl nicht wagen, in diesem Haus ...“

„Hast du nicht verstanden, was ich gesagt habe?“, antwortete Harald unwillig. „Ich bin der neue König, und in meiner Gegenwart wird es niemand wagen, euch auch nur ein schlechtes Wort zu sagen. Beeilt euch, es gibt noch etwas Fleisch für euch!“

Das ließen sich die fünf Mönche nicht noch einmal sagen. Hastig eilten sie zu dem kleinen Eimer und wuschen sich nur flüchtig, denn Fleisch war so kostbar geworden, dass man eine derartige Einladung in keinem Falle ablehnen konnte. Noch einmal machte Harald eine entsprechende Geste, und schließlich saßen die fünf Mönche neben den Kriegern und genossen das gute Essen nach den vielen entbehrungsreichen Tagen ihrer Wanderung durch das Land.

„Woher kommt ihr?“, erkundigte sich Harald schließlich, und der Sprecher der fünf Mönche beeilte sich mit der Bemerkung:

„Vom Norden her, wir waren vor Monden in Skagen und sind dann ein wenig an der Küste entlanggezogen, bevor wir nach Aalborg gelangten. Wir wollten hören, was bei dem Thing gesprochen wird!“

„Aus Skagen kommt ihr? Habt ihr den Jarle Bolthar gesehen?“

„Nein, Rig (König), er war auf einem ... viking und sollte erst in einigen Tagen zurückkehren. Man riet uns aber, nicht bis zu seiner Ankunft zu warten!“

Der Mönch hatte sichtlich Probleme mit dem Begriff viking nach seinem Erlebnis und war nun froh, den Beutezug eines nordischen Fürsten umschrieben zu haben.

Harald lachte dröhnend auf.

„Das kann ich mir gut vorstellen. Na, ihr habt nicht viel versäumt, denn Bolthar könnt ihr noch beim Thing sehen. Er wird, wie alle Jarle, in drei Tagen hier in der Stadt eintreffen!“

Die Mönche tauschten ängstliche Blicke aus, schwiegen aber und beugten sich erneut über ihr Essen, das sie rasch mit den Fingern aufnahmen und in sich hinein stopften, als würde es in Kürze nichts mehr geben.

Doch den Sprecher der Mönche ließ die letzte Bemerkung Haralds nicht zur Ruhe kommen, immer wieder hob er den Kopf und sah zu dem mächtigen Krieger hinüber, der aber so tat, als würde er es nicht bemerken. Schließlich platzte der Mönch heraus:

„Und ist es wirklich wahr, dass Ihr Jarle Bolthar zum Thing geladen habt, Rig?“

Erstaunt sah Harald den Mönch an, dann sagte er mit besonderer Betonung jedes Wortes:

„Aber natürlich, mein Guter! Ich werde ihn zu einem meiner húskarlars (Mitglied der Leibgarde) ernennen. Niemand ist in den vergangenen Monden erfolgreicher gewesen als der Jarle von Skagen – er verdient es, an meinem Hof eine besondere Position einzunehmen! Und dann werde ich aller Welt verkünden, dass ich der neue König bin, verstanden?“

Unwillkürlich ballte der Mönch eine Faust.


Harald von den Wikingern: Zwei Romane

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