Читать книгу The Japanese H-Manga Academy (of Rumoi) - Tuja Tiira - Страница 10

Kapitel 3

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Als ich aufwachte, fiel das Sonnenlicht durch die Vorhänge, Vogelzwitschern klang von draußen herein. Im Zimmer war es immer noch angenehm kühl.

Auf der Kommode stand eine Schale mit Wasser und ein Krug. Ich erinnerte mich an Nishizawas Bemerkung.

"Ich habe dir einen Krug frisches Wasser in dein Zimmer gestellt."

Nachdem ich mich kurz frischgemacht hatte, ging ich nach unten. Aus der Küche drang fast lautlos und doch unüberhörbar eine klare helle Stimme ins Treppenhaus. Sie erinnerte an die Stimme eines Zauberwesens aus einem Kinderfilm.

"Einheit 731

Ärzte lachen,

Wasseraufbereitung,

ein 'Holzklotz' fällt."

Ich schluckte und betrat die Küche. Eine schlanke, hochgewachsene junge Frau blickte mir entgegen.

"Hallo, guten Morgen, ich bin Akiko Miyamoto, hier nennen mich aber alle Aki, und die, die gerade zwei ihrer Haiku vorträgt, ist Hana Ichimura. Du musst unsere internationale Studentin sein. Wir sind erst heute Morgen wieder gekommen."

"Yukiko Müller, es freut mich, euch kennenzulernen."

"Du musst hier nicht so formal sein. An der Akademie wird ein zwangloser Umgangston gepflegt, um die Studierenden auf die Verhältnisse in anderen Regionen dieser Welt vorzubereiten. Es gehört zum Training."

In der hellen Hose mit Schlag, dem weißen Hemd mit offenem Kragen und mit den halblangen dunkel-blonden Haaren, welche die Ohren frei ließen, hätte man Akiko Miyamoto auch mit einem feminin aussehenden Mann verwechseln können. Außer ihr saßen auch unsere Lehrerin, Kita Nishizawa und noch eine junge Studentin, die sich halb hinter den Rücken von Akiko Miyamoto zurückgezogen hatte, am Tisch.

"Morgen."

Dieses kaum verständlich gemurmelte Morgen kam von unserer Lehrerin, Fumiko Furuhashi. Sie saß mit müden Augen vornübergebeugt über einem Becher schwarzen Kaffees. Auch Nishizawa grüßte mich mit kurzem Kopfnicken. Die junge Studentin, bei der es sich um Hana Ichimura handeln musste, schaute schüchtern zu Boden. Sie war noch kleiner als Nishizawa und hatte lange, gewellte blonde Haare und einen blassen Teint. Ihre Art, sich zurückzuziehen vor dem Blick der anderen, ließ sie verletzlich wirken und löste den unwillkürlichen Reflex aus, sie beschützen zu wollen. Doch dann änderte sich ihr Auftreten plötzlich. Als sie aufsah und zu reden begann, ließen ihre Stimme und ihr Blick nicht den geringsten Zweifel zu an dem, was sie sagte:

"Unter der Bezeichnung 'Division für Epidemieprävention und Wasseraufbereitung' organisierten die japanischen Streitkräfte im zweiten Weltkrieg verschiedene Einheiten mit den Aufgaben Biowaffenforschung, Chemiewaffenforschung und Menschen-versuche. Zentral war dabei die Einheit 731, die im Gebiet des von Japan in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kontrollierten Marionettenstaates Manchukuo in Nordost-China in großem Maßstab medizinische und Waffenexperimente an lebenden Menschen durchführte. Opfer waren Gefangene, primär aus China und der UDSSR. Beteiligt waren mehr als 3.000 Japaner und Japanerinnen. Das japanische Nationalarchiv hat 2018 eine Liste mit 3.607 direkt Beteiligten herausgegeben, darunter ein Großteil medizinisches Personal und mehr als 1.000 Ärzte. In allen Einheiten zusammen waren geschätzt mehr als 10.000 Japaner und Japanerinnen an den Verbrechen beteiligt."

Hana Ichimura nahm einen Schluck aus ihrem Glas, bevor sie fortfuhr. Ihre Stimme klang immer noch hell und klar und gerade dadurch bewirkte sie, dass die Zuhörenden sich dem, was sie sagte, nicht entziehen konnten.

"Unter anderen wurden Menschen Organe oder Gliedmaßen amputiert, teilweise auch an andere Stellen versetzt, um dann anhand des Todeskampfes der Opfer medizinische Schlussfolgerungen ziehen zu können. Außerdem wurden an lebenden Menschen Experimente zu biologischen Krankheitserregern, Chemiewaffen und Explosivstoffen und ihrer Wirkung durchgeführt. Unter den Opfern war auch eine größere Gruppe Kleinstkinder und junger Frauen, die vom Personal außerdem Vergewaltigungen ausgesetzt waren. Frauen, die schwanger waren oder auf Grund der Vergewaltigungen in der Gefangenschaft schwanger wurden, benutzten die japanischen Ärzte für spezifische Versuche an Schwangeren. Mehr als 3.000 Menschen wurden im Zuge dieser Experimente ermordet. Der Einsatz der biologischen Waffen hatte nach seriösen Schätzungen mehrere 100.000 Tote zur Folge."

Ich nickte und schluckte erneut.

"Darüber habe ich gelesen und wusste, auf was sich dein Haiku bezog, aber was hat die Zeile mit dem 'Holzklotz' zu bedeuten?"

"Die menschlichen Opfer der Experimente wurden innerhalb der Einheit mit dem Begriff 'maruta', dem japanischen Begriff für Holzklötze, bezeichnet, der für die Menschenversuche zuständige Teil der Einheit mit dem deutschen Begriff 'Holzklotz'." Sie strich sich einige Haare aus dem Gesicht. "Die Täter und Täterinnen gingen nach dem Krieg in der Regel straffrei aus, da die USA aufgrund ihres Interesses an den Forschungsergebnissen von einer Verfolgung absahen. Sie stellten in Japan einen nicht unerheblichen Teil des medizinischen Fachpersonals nach dem 2. Weltkrieg. Unter anderem wurde von einem Teil der Täter, darunter Masaji Kitano, dem stellvertretenden Kommandeur der Einheit 731, zusammen mit weiteren Akteuren mit 'Kabushiki Gaisha Midori Jūji', dem Industriekonzern Grünes Kreuz, eines der größten Pharmazieunternehmen Japans gegründet. Inzwischen ist das Unternehmen aufgegangen in der 'Mitsubishi Pharma Corporation'."7

Aki blickte Hana an.

"Du wolltest noch ein zweites Haiku vortragen?"

Hana nickte.

"Auch das zweite Haiku betrifft die Einheit 731."

Ihre Stimme klang auch jetzt wie aus einer anderen Welt. Gerade dieser Bruch zwischen Inhalt und Tonfall ließ mich frösteln.

"Einheit 731

Versuche an

'Manchurian Monkeys',

peer reviewed.

Unter der Bezeichnung 'Versuche an Manchurian Monkeys' wurden Teile der Ergebnisse der Menschenversuche der Einheit 731 in internationalen medizinischen und wissenschaftlichen Journalen veröffentlicht."

Einen Augenblick schwiegen alle, dann wandte ich mich zu ihr.

"Schreibst du nur zu historischen und derart bedrückenden Themen?"

"Nein, ich habe letzte Woche auch noch ein aktuelleres Haiku geschrieben, das ist eher lustig.

Moritomo Gakuen

Grundstücksverkauf,

des Politikers Frau,

sie weiß von nichts."

Als sie merkte, dass mir der Name 'Moritomo Gakuen' offensichtlich nichts sagte, ergänzte sie auch hier eine Erklärung.

"Beim geplanten Landverkauf für einen Schulneubau in Osaka wurden 2016 dem Käufer Moritomo Gakuen 86% des Preises von ca. 7.000.000,- € vom Verkäufer des Grundstückes, dem Finanzministerium, mit fragwürdigen Begründungen erlassen. Die restliche Summe von 14% wurde ihm außerdem für Aufräumarbeiten weitgehend erstattet. Hinter Moritomo Gakuen stand der rechtsextreme Aktivist Kagoike Yasunori, der bis dahin in Osaka einen Kindergarten betrieben hatte, in dem Kinder mit nationalistischer Ideologie indoktriniert wurden, und der nun eine Grundschule nach den selben Prinzipien aufbauen wollte.

Um das Projekt zu befördern, nutzte er rechte Netzwerke, um in direkten Kontakt mit Premierminister Shinzō Abe zu treten und gewann Akie Abe, die Frau des Premierministers, als Ehrenvorsitzende der Schule. Nachdem kritische Anfragen eines Stadtratsmitglieds 2017 zu einer Untersuchung führten, wurden Dokumente von Mitarbeitern des Finanzministeriums verändert, um den Namen Akie Abes aus ihnen zu tilgen, außerdem wurden die Verhandlungsprotokolle zwischen dem Finanzministerium und dem Träger der Schule, Moritomo Gakuen, vernichtet. Akie Abe bestritt jedes Wissen über die Bedingungen des Verkaufs. Der Verkauf fand aber nicht mehr statt.8 Trotz dieses Eklats und weiterer Skandale konnte Abe jedoch seine Wiederwahl Ende 2017 sichern, indem er Auseinandersetzungen innerhalb der Opposition zu vorgezogenen Neuwahlen nutzte. Seine Partei, die LDP, gewann dabei insbesondere in der Gruppe der Wählerinnen und Wähler unter 30 viele Stimmen hinzu."

Ich wusste nicht recht, ob Japans Premierminister den Humor dieses Haiku teilen würde. Aki tippte mich an.

"Hana-San9 ist inspiriert durch Haiku-Dichter der Neuen Haiku-Bewegung der 1930er Jahre.10 "

"Kann man über so etwas Haiku schreiben? Und sind das dann nicht eher Senryuu11 ? Ich dachte, das wäre der Begriff für haikuartige Kurzgedichte, die sich nicht auf Natur beziehen, sondern individuelle Gefühle oder anderes thematisieren."

Inzwischen war auch unsere Lehrerin aufgewacht, anstelle von Aki beantworte sie meine Frage:

"Wir fassen Haiku hier sehr weit und wenn es dir lieber ist kannst du auch Senryuu sagen. Unsere zentrale Aufgabe ist die Produktion von Haiku-Manga, das würde mit einem eng gefassten Begriff von Haiku nicht wirklich Spaß machen. Außerdem interessiert ohnehin niemanden, was wir machen."

Mit den letzten Worten biss sie in einen so dick mit Honig bestrichen Toast, das der Honig seitlich herabtropfte.

Ich bestrich mir eine Toastscheibe mit Marmelade.

"Die Kosten für Toastbrot und Aufstrich legen wir um."

Das war Nishizawa. Ich nickte, irgendetwas musste ich ja essen.

"Was ist mit den anderen Studierenden?"

"Kazuya Saito, unser einziger männlicher Student, kommt nach dem Frühstück. Itsuko Yasumi kommt erst heute Nachmittag wieder. Sie wohnen beide in der Stadt und kommen immer von dort hierher."

"Wo ist die Stadt?"

"Vier Kilometer von hier aus direkt am Meer."

"Ist sie groß?"

"2.738 Einwohner und Einwohnerinnen. Uns zählen sie dabei vermutlich mit. Zumindest gibt es einen Minimarkt und einen Fischladen. Und die Stadt ist Geburtsort eines berühmten Bärenjägers."

"Ah."

"Der berühmteste Bärenjäger Japans war Yamamoto Heikichi, er hat den Bär Kesagake erlegt, der im Dezember 1915 sieben Menschen tötete, bei zwei Überfällen auf Farmen in Sankebetsu, einem Ortsteil der Kleinstadt Tomamae hier in Rumoi. Der Bär war zwei Meter siebzig groß und 340 Kilo schwer. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden auf Hokkaido 141 Menschen durch Bären getötet und viele weitere verletzt. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nahm die Zahl der Zwischenfälle stark ab. Seit in den letzten Jahrzehnten die Besiedlungsdichte in großen Teilen Hokkaidos zurückgeht, nimmt die Anzahl der Bären jedoch wieder zu. Auch die Anzahl der Begegnungen zwischen Mensch und Bär."12

Nishizawas Stimme klang, als sie dies sagte, wieder völlig ausdruckslos.

The Japanese H-Manga Academy (of Rumoi)

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