Читать книгу Was als Spiel begann - Ein Norwegen-Krimi - Unni Lindell - Страница 14

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Ein klebriges altes Blatt setzte sich an seinem Schuh fest, als er über die Straße ging. Cato Isaksen drehte sich um und hielt Ausschau nach Roger Høibakk, der gerade den Wagen abschloss. Er drückte auf die Klinke der Tür zu dem heruntergekommenen Mietshaus in der Odins gate. Das Mietshaus war wohl gegen 1900 erbaut worden. Pavel Pletanek war nicht zu Hause, jedenfalls machte er nicht auf. Sein Telefon war ausgeschaltet, und den Ermittlern blieb nichts anderes übrig, als weiterzufahren, zur Nächsten auf der Liste, Jenny Brown. Sie wohnte in Bestum in einem kleinen Einfamilienhaus aus den siebziger Jahren, das im Garten eines eleganten Hauses aus den Dreißigern errichtet worden war. Ein altes Auto stand unter einer blauen Plane auf dem Hofplatz. Vor der Treppe lag ein Kinderfahrrad. Die Ermittler stiegen darüber hinweg.

Jenny Brown, Mitte dreißig und Mutter von zwei kleinen Kindern, war zu Hause. Die Frau in der Tür wirkte überrascht, als plötzlich zwei Polizisten vor ihr standen. Sie war klein und schmächtig und nicht sonderlich hübsch. Ihre Locken waren von einem undefinierbaren Braun, und sie hielt sie sich mit einem Haarband aus der Stirn. Sie war nicht geschminkt und trug eine verschlissene Trainingshose und einen frühlingsgrünen Pullover. An den Füßen hatte sie Wollsocken. Sie bat die Besucher nervös herein und fragte, worum es gehe, während sie zugleich Schuhe und Stiefel wegräumte, die auf dem Boden herumlagen.

Cato Isaksen dachte an die Worte des Gedichtes in seinem Büro, während er den Grund ihres Kommens nannte, und Jenny Brown wimmerte und schlug die Hände vors Gesicht. Du verlierst deine Züge. Ehe du durchsichtig wirst, ist deine Haut glatt ...Du strömst neben dem Blut.

Sie ging rückwärts und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Dort blieb sie apathisch sitzen und starrte abwechselnd Roger und Cato an. »Ich war eifersüchtig auf sie«, sagte sie zu deren Überraschung. Sie sprach mit englischem Akzent. »Siv Ellen war so selbstsicher. Wir waren befreundet, aber ich war eifersüchtig auf sie.«

Die schmächtige Frau stand auf und ging vor den Ermittlern her in das chaotische Wohnzimmer.

»Mein Mann ist mit den Kindern unterwegs.«

»Warum waren Sie eifersüchtig auf sie?«

»Das hat keinen besonderen Grund.«

»Haben Sie sie gut gekannt?«, frage Cato Isaksen, als sie sich auf das Sofa gesetzt hatte.

Jenny Brown nickte. »Ja«, sagte sie. »Wir haben schon häufiger zusammen gespielt, nicht nur in der Oper. Wir haben auch zusammen geübt. Oben in ihrem Schlafzimmer. Das war sehr groß. Im Sommer hatten wir das Fenster offen. Draußen auf den Bäumen saßen Vögel. Sie sangen mit uns.« Sie lächelte.

Cato Isaksen zeigte fragend auf zwei Sessel, und Jenny Brown sprang auf und zog die Sessel weiter vom Tisch weg. »Natürlich«, sagte sie. »Setzen Sie sich.« Sie drehte sich um und starrte aus dem Fenster. »Wo ist es passiert?«, fragte sie dann. »Und warum? War das Axel?«

Die Ermittler betrachteten ihren Rücken, ohne zu antworten. Jenny Brown ließ ihren Blick von dem schmutzigen Fenster wegwandern und drehte sich zu den Besuchern um. »Sie hat ihn provoziert«, sagte sie verbissen. »Männer sind so. Wo ist es passiert?«, fragte sie noch einmal.

»In Vinderen, in der Nacht zum Samstag«, sagte Cato Isaksen ruhig. »Es ist nicht in ihrem Haus passiert, es war draußen, bei einem Möbelhaus im Einkaufszentrum.«

Jenny Brown öffnete den Mund, um etwas zu sagen, überlegte sich die Sache dann aber anders.

»Können Sie uns etwas über Pavel Pletanek erzählen?« Cato Isaksen sah sie an. Die Frage war als Überraschungsmanöver gedacht. Oft konnte man die Leute durch solche Techniken zum Reden bringen.

»Steht er unter Verdacht?«, fragte Jenny Brown entsetzt. »War es etwa nicht Axel, sondern Pavel? Das kann doch nicht sein.«

»Sie wissen nicht zufällig, wo er sich gerade aufhält?« Roger Høibakk erhob sich.

»Nein«, sagte Jenny Brown überrascht. »Ist er nicht zu Hause?«

»Das wissen wir nicht«, sagte Cato Isaksen und sah plötzlich die vielen gerahmten Opernplakate. »Wir versuchen, uns ein Bild vom Leben der Toten zu machen, wir sprechen mit Freunden, Bekannten, Verwandten. Wir sprechen mit allen, wirklich mit allen, die auch nur das Geringste mit ihr zu tun hatten. Und wir wissen inzwischen, dass Pavel Pletanek und Siv Ellen Blad eine ganz besondere Beziehung hatten.«

»Ach?«, fragte Jenny Brown überrascht. Ihre Miene veränderte sich. Plötzlich wirkte sie nicht mehr so geschockt. Sie stand auf und las rastlos Spielzeug vom Boden auf, dann verließ sie das Zimmer.

Die Ermittler tauschten einen stummen Blick.

Jenny Brown war fast sofort wieder da. »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich fühle mich nicht so ganz wohl. Ich habe allerlei Probleme mit mir selbst, wenn ich ehrlich sein soll. Im Moment ist einfach alles zu viel«, sagte sie und setzte sich wieder auf das Sofa.

»Dürfen wir fragen, was Ihnen Probleme bereitet?« Cato Isaksen beugte sich freundlich in seinem Sessel vor.

Sie überlegte einen Moment. »Es geht um meine Ehe«, sagte sie müde. »In letzter Zeit fühle ich mich einfach nicht wohl. Und jetzt auch noch das.« Sie kämpfte mit den Tränen. Am Ende konnte sie sie nicht mehr zurückhalten. Sie steckte die Hand in die Tasche und zog ein Stück Küchenpapier hervor und presste es auf ihre Nase. »Wir waren sozusagen immer zusammen, Pavel, Beate, Siv Ellen und ich.«

»In welcher Weise waren Sie zusammen?«

»Einfach dadurch, dass wir in den Pausen oft zusammen saßen, dass wir uns vor der Vorstellung in einem Café trafen. Oder danach ausgingen. Das ist eigentlich alles. Sie waren gute Kollegen«, fügte sie hinzu, »und Siv Ellen hat offen über ihre Probleme mit Axel gesprochen.«

»Sie hat auch bei der Post gearbeitet, haben Sie auch noch einen Nebenverdienst?«

Jenny Brown schüttelte den Kopf. »Ich bin fest angestellt«, sagte sie. »Und Pavel und Beate sind das auch.«

»Was spielen Sie?«

»Violine. Siv Ellen hat als feste Freie gearbeitet, aber sie war sehr gut. Sie hatte schon als kleines Kind gespielt.«

»Glauben Sie, Sie können uns irgendetwas sagen, das uns weiterhilft?«, fragte Cato Isaksen. »Vielleicht etwas über Pavel Pletanek? Hat er sich in letzter Zeit auffällig verhalten?«

Jenny Brown sah ihn an. Ihr grüner Pullover war an den Bündchen aufgeriffelt. »Ich weiß nichts«, sagte sie.

Nach diesem Besuch saßen die Ermittler einige Zeit in ihrem vor dem Haus abgestellten Auto. »Was hast du für einen Eindruck von ihr?« Cato Isaksen sah seinen Kollegen auf dem Beifahrersitz an.

Roger Høibakk drehte sich zu ihm um. »Gar keinen, eigentlich. Und du?«

Cato Isaksen zuckte mit den Schultern, entdeckte aber im selben Moment Jenny Brown, die die Treppe zur Garage hinuntereilte. »Sieh mal«, sagte er und nickte in ihre Richtung.

Jenny Brown trug einen knallblauen Mantel. Der Mantel stand offen. Sie hob das Kinderfahrrad weg, öffnete die Garagentür und setzte sich in einen apfelgrünen Lupo.

Cato Isaksen drehte den Zündschlüssel um und fuhr rasch durch die kurze Wohnstraße. »Wieso hat sie es plötzlich so eilig, was meinst du?«

»Fahr hier rein«, sagte Roger Høibakk, »und dann folgen wir ihr.«

Cato Isaksen bog in die Auffahrt zu einer weißen Villa ein. Als Jenny Brown vorbeigefahren war, kehrten sie auf die Straße zurück und fuhren hinter dem Lupo her.

Was als Spiel begann - Ein Norwegen-Krimi

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