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Kapitel 2 - Das verzauberte Tal

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Internat, Schloss Waldeck.

Patricia sah scheinbar interessiert aus dem Fenster. Draußen vor dem Klassenzimmer blühten schon die ersten Frühlingsblumen. Helles Grün schmückte Büsche und Bäume. Waldeck trug bereits die Farben des Frühlings, obwohl der April gerade erst begonnen hatte. Eigentlich müsste um diese Zeit hier oben noch Schnee liegen.

Seit geraumer Zeit tat Patricia alles, um ihr Desinteresse an dem attraktivsten Lehrer der Schule zu demonstrieren. Sie hatte ihn in ihrer Schülerzeitschrift beschuldigt, sich mit einem sehr jungen Mädchen eingelassen zu haben. Kein Wort an der Geschichte hatte gestimmt. Patricia hatte sich in einem Jahrhundertfettnapf wiedergefunden.

Das Mädchen, mit dem sie den Lehrer fotografiert hatte, war seine Tochter. Patricias anzügliche spöttische Bildunterschriften waren irreführend und unwahr. Sie musste sich bei ihm entschuldigen und das war für die verwöhnte Tochter aus sehr reichem Elternhaus unentschuldbar.

Ihr Blick streifte Ben. Ihr ehemaliger Freund war jetzt mit Lisa zusammen. Eine weitere Demütigung für sie. Nein, das Jahr hatte nicht gut für sie begonnen.

Als Patricia ihre Aufmerksamkeit wieder dem Unterricht zuwandte, hörte sie Leonards Stimme.

„Ich bin der Geist, der stets verneint.“ Mit eindringlicher Stimme fuhr er fort.

„Und das mit Recht, denn alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht; drum besser wär's, dass nichts entstünde. So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz, das Böse nennt, mein eigentliches Element.“

Das Zitat der Teufels, aus Goethes „Faust.“

Ihre Gedanken wanderten zurück zu den jüngsten Ereignissen.

Leathan, dachte Patricia. Er war Mephistopheles. Ein teuflischer Elf. In seinen Händen verfiel alles, wurde hässlich und starb.

Sie sah die Feenkamine noch vor sich. Eine vermooste unwirtliche Landschaft, die einmal wunderschön gewesen sein musste. Nur ganz kurz war sie mit Richard zusammen in der Anderswelt gewesen. Sie hatte Annabelle und auch Leathan gesehen. Sie, eine Fee, schillernd und verlockend, er, ein Dunkelalb, gefährlich und schön. Ein egozentrisches Zwillingspaar, das sich nur in seinem Hunger nach Macht und einer durch nichts zu befriedigenden Besitzgier ähnelte.

Das Läuten der Pausenglocke holte Patricia zurück in die Wirklichkeit. Sie stand auf und ging hocherhobenen Kopfes an ihrem Lehrer vorbei zur Tür. Miriam, ihre ständige Begleiterin, folgte ihr.

Um das flache Wasserbecken herum, das den Mittelpunkt des Innenhofs bildete, standen die jüngeren Schüler. Sie bespritzten sich kreischend gegenseitig mit Wasser, das drei ungeheuer kitschige rosafarbene Sandsteinnixen unentwegt in das Becken spuckten. Lisa und Ben standen mit ihren Freunden wie immer unter den Arkaden, die den quadratischen Hof begrenzten, als sie Herrn Zorn, den Hausmeister auf sich zueilen sahen. Der „Zornige“, wie die Schüler ihn nannten, eilte immer, war aber sonst von eher ausgeglichenem Gemüt und sehr selten zornig.

„Frau Dr. Kirchheim-Zschiborsky möchte sie sehen.“

„Jetzt?“ Lisa sah ihn verwundert und fragend an.

Herr Zorn nickte nur und eilte vor ihr her. Als ob sie den Weg nicht kannte, der zum Zimmer der Direktorin führte.

Aber er ging nicht zum Büro der Direktorin, sondern brachte sie auf direktem Weg zur Krankenstation. Lisa folgte ihm. Es war doch niemand krank? Ihre Freunde standen alle gesund und munter an der gewohnten Säule unter den Arkaden. Vor der Tür erwartete sie Schwester Dagmar.

„Du kannst gleich reingehen, Lisa.“

Sie öffnete ihr die Tür.

„Faith!“

Lisa stürzten die Tränen aus den Augen. Sie konnte es nicht glauben. Faith war wieder da. Lisa warf sich auf die Freundin und drückte sie an sich.

„Lass mich los. Ich kriege keine Luft mehr.“ Faith entwand sich ihr lachend.

„Ist Robert auch zurück?“

„Nein.“

Die Antwort war so kurz und der Blick auf die Direktorin und den Arzt, die sich leise unterhielten, so eindeutig, dass Lisa nicht weiterfragte. Sie kannte ihre Freundin und wusste, wann es besser war den Mund zu halten.

“Komm später wieder“, flüsterte Faith.

„So, dann wollen wir dich mal ansehen.“ Der Arzt war ein netter Mann, aber, dachte Lisa, seine Angewohnheit von sich in der dritten Person zu sprechen, nervte.

Dr. Dr. Schrader trat an Faith Bett, und Lisa verließ mit der „Kirchheim“ das Zimmer.

~~~~~

Das verzauberte Tal

Graue Nebelpanther mit sahneweißen Bärten, rote Augen kleiner brauner Bären im Dickicht. Hunderte Arten farbiger Schmetterlinge auf schweren riesengroßen Blüten. Süßer Duft.

Flüsse, in denen es wimmelte von regenbogenfarbenen Fischen und glitzernden Forellen. Der Geruch von frischgemähtem Gras, das Rauschen der Wälder. Wogendes zartgrünes Schilf am Rand einer Seenlandschaft, in der hochbeinige Vögel ihre Jungen großzogen.

Mit gelben langen Schnäbeln suchten sie nach Fröschen, Schlangen und kleinen Säugetieren. Ihre rosafarbenen Beine trugen sie mühelos durch das hohe Gras und über den feuchten schlammigen Boden.

Maia dachte an das Verzauberte Tal, das in einiger Entfernung von Leathans Festung existierte. Unermüdlich und wachsam schwebte ein gewaltiger tiefschwarzer Kondor darüber. Kein Ort in der Anderswelt könnte schöner sein. Das Tal lag zwischen zwei Gebirgszügen und Maia hatte es mit einem starken Zauber geschützt. Nicht einmal Leathan wusste davon. Es war leicht gewesen, dieses kleine Paradies vor Leathan zu verbergen.

Ihr Sohn hatte sich immer lieber über der Schattenwelt aufgehalten. Mit allen Mitteln hatte er versucht, die Macht auch über die Lichte Welt zu gewinnen. Also lag es nahe, sich in ihrer Nähe aufzuhalten. Hätte er das Tal entdeckt und versucht hineinzugelangen, es wäre ihm nicht gelungen.

Dort wären Lilly und Oskar sicher vor den Bewohnern der Festung und dem Labyrinth. Eines Tages, träumte Maia, würde von diesem Zaubertal aus die dunkle Welt schöner werden. All ihre Macht würde sie einsetzen, um das zu bewirken. Es war jetzt schon schön und farbig. Etwas ganz Besonderes in der Schattenwelt.

Die Quellgeister dort waren stark, aber noch nicht stark genug. Es gab noch zu wenig Feen und Elfen.

Sie alle hüteten ein Geheimnis.

Es gab etwas, das so mächtig war wie das Zeichen der Macht, das wunderschöne Medaillon, das Magalie inzwischen trug.

Von diesem Geheimnis wussten nur ihre Schwester, die alte Herrscherin, die es ihr anvertraut hatte, und natürlich Nathan. Sie sah ihre beiden jungen Besucher an und fragte sich, ob es richtig war, sie dort hinzuschicken.

Auch Elsabe kannte das Verzauberte Tal, aber nicht das Geheimnis, das sich dort verbarg.

Sie musste mit ihr reden. Elsabe würde verstehen, dass Lilly mit ihrem Ungehorsam die Lichte Welt vor Leathan gerettet hatte. Sie müsste Gnade vor Recht ergehen lassen. Lilly war geflogen, was den jungen Hexen streng verboten war. Aber sie hatte es getan, um Magalie das Zeichen der Macht zu bringen, das Faith Leathan abgenommen hatte. Sie hatte es auch getan, um Faith vor dem Dunkelalb zu retten.

~~~~~

Markt in Waldeck

Der Markt, der jeden Samstag auf dem Rathausplatz in Waldeck stattfand, wäre nicht vollständig gewesen ohne den Stand im Frühjahr mit seinen ersten zarten Sträußen.

Im Sommer gab es dort süß duftende Freilandrosen mit dicken schneeweißen Knospen, die, wenn sie sich öffneten, einen Hauch von Rosa zeigten. Im Herbst lockten dort die köstlichsten Äpfel von allen.

Die alte Frau, die drei Mal im Jahr hinter dem Holztisch hockte, hatte ein freundliches Gesicht und ihre grünen, merkwürdig jungen Augen blitzten spöttisch, wenn sie sah, wie die Kundinnen sich um ihre Waren rissen. Sie war ein paar Jahre zuvor aufgetaucht, war die Erste, die in der Frühe ihren Stand aufbaute und verschwand, ohne dass jemand wahrnahm, wie sie ihren Stand abräumte, bis sie ein paar Monate später wieder erschien.

Wie immer ging Dr. Dr. Schrader, nachdem er Faith noch einmal untersucht und aus der Krankenstation entlassen hatte, über den Markt nach Hause. Heute war sie wieder da, die Frau mit den grünen Augen. Er kaufte gern bei ihr. Sie wusste viel über Heilkräuter und ihre Wirkung und er bewunderte ihre Rosen. Sein eigener kleiner Rosengarten war schon eine Pracht, aber mit den Rosen an diesem Stand konnte er nicht mithalten. Ihr süßer Duft erfüllte, lange bevor man den Stand erreicht hatte, die Luft.

Für die Rosen war es jetzt noch zu früh. Heute gab es zarte Akeleien in allen Farben.

„Wie geht es Faith?“

Die Frage kam ganz unbefangen, als er an ihrem Stand ankam.

„Es geht ihr gut, ich habe sie heute entlassen.“

Der Arzt fragte sich, was in ihn gefahren sein mochte. Niemals hätte er auf diese Frage antworten dürfen. Schließlich gab es so etwas wie die ärztliche Schweigepflicht.

Aber von diesen Augen ging etwas aus, dem er sich nicht entziehen konnte. Er sah das zufriedene Aufblitzen in den grünen Augen und fragte sich plötzlich verwirrt, ob sie oder er überhaupt gesprochen hatten. Hatte das Gespräch nicht nur in seinem Kopf stattgefunden? Woher kannte sie den Namen des Mädchens?

Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit kaufte er nur einen Strauß zarter blauer Akeleien. Heute ließ er sich auf kein Gespräch mit ihr ein. Er wandte sich irritiert ab.

Amüsiert sah die alte Frau hinter ihm her. Er hatte ganz vergessen zu bezahlen. Aber was sollte sie in ihrer Welt schon mit dem wertlosen Geld der Menschen. Sie hatte erfahren, was sie wissen wollte.

~~~~~

Faith’ Entschluss

„Das kannst du nicht machen.“

Ängstlich sah Lisa Faith an. Die beiden Mädchen saßen in Lisas Zimmer im Internat. Lisa hockte mit angezogenen Beinen auf ihrem Bett. Die Arme hatte sie um die Knie geschlungen, als ob sie sich schützen wollte vor dem, was sie hörte. „Das ist viel zu gefährlich. Du bist gerade erst Leathan entkommen, was glaubst du, was er mit dir macht, wenn er dich erwischt? Nein, du kannst nicht in die Anderswelt zurück. Das lass ich nicht zu.“

„Was willst du denn dagegen tun?“ Faith verzog die Lippen zu einem halben Lächeln. Auch ihr war nicht sehr wohl bei dem Gedanken, wieder in die Welt, aus der ihre Mutter kam, hinüberzugehen. „Ich muss zurück, Lisa.“

Faith hatte vergessen, dass sie ihre Mutter angegriffen hatte und tief im Innern spürte sie die Gewissheit, dass ihr Vater wohlbehalten zu ihr zurückkehren würde, so wie Magalie es gewünscht hatte. Aber sie vermisste Richard. Lilly hatte ihr geschildert, was im Hof von Leathans Burg vorgefallen war, nachdem sie selbst geflüchtet war.

Weil er glaubte, Richard habe ihr zu dieser Flucht geholfen, hatte Leathan seinen Sohn nicht nur brutal gezüchtigt, sondern ihn auch in die Schattenwelt verbannt.

Faith hatte ein schlechtes Gewissen. Sie hatte Richards Hilfe angenommen. Ihretwegen war er schwer bestraft worden. Er besaß nicht einmal einen Schutz, wie sie.

Faith drehte gedankenverloren an dem Mondsteinring, den sie auf dem Mittelfinger ihrer linken Hand trug. Magalie hatte ihr dieses zauberhafte Schmuckstück an ihrem siebzehnten Geburtstag geschenkt. Es sollte sie beschützen und ihr ein wenig von der Zauberkraft der Wesen der Anderswelt geben.

„Nicht, bitte.“

Lisa hatte sich zur Seite geworfen, als Faith begann, den blau schimmernden Mondstein zu drehen. Sie wusste, was es damit auf sich hatte. Derjenige, auf den Faith den Ring richtete, würde für einige Zeit bewegungsunfähig, ohne etwas davon zu bemerken. Ein kleines Stück seiner Erinnerung würde ihm für immer fehlen. Mit Hilfe dieses Zauberringes wollte Faith Richard befreien.

„Sei nicht albern.“

Lisa wurde langsam sauer. „Der Ring wird dir nicht viel helfen. Die Kräfte, die Leathan beherrscht, sind so viel stärker als die, die in diesem lächerlichen Ring wohnen.“

Sie hatte es satt. So lange war sie in der Anderswelt gewesen. Sie und Ben wären fast erfroren bei den schrecklichen weißen Derwischen. Nie wieder wollte sie hinüber in diese Welt, die so unfassbar war wie ein schlechter Traum.

Lisa war weit davon entfernt gewesen zu glauben, dass es eine andere Welt gab als die, die sie jeden Tag umgab. Und obwohl sie in der Lichten Welt gewesen war, wehrte sich immer noch alles in ihr, diese Erfahrung als real zu akzeptieren. Nein, sie wollte das alles vergessen und nun kam ihre Freundin mit der schwachsinnigen Ansage, sich mit dem gefährlichsten Dunkelalb dieser Spiegelwelt anlegen zu wollen, dem sie gerade knapp entronnen war.

Würde sie selbst das auch für Ben tun? Sie liebte ihn, aber… ja, sie würde. Lisa stöhnte entnervt auf. „Aber du gehst nicht allein.“

~~~~~

Magalie trifft Cybill, die alte Herrscherin.

Elsabe und ihre Schwestern näherten sich den Grotten, ihrem Zuhause. Der Himmel zeigte die üblichen schmalen Nebelbänder, die entstanden, wenn die Hexen flogen. Das Blau vermischte sich mit grauen Schlieren, marmorierte die Luft für kurze Zeit, um sich wieder zu klären, wenn sie gelandet waren. Sie hatten Oskar und Lilly noch nicht gefunden, aber sie wussten jetzt, wo sie die beiden suchen mussten.

Elsabe hatte Odine versprochen zu helfen. Sie musste, bevor sie sich erneut auf die Suche nach Lilly machte, mit Magalie sprechen.

Durch Leathans Gegenwart im Neuen Meer verloren die Fische ihre Farben und verendeten. Selbst in der grünen Muschel zerrann die zerstörerische Kraft des Dunklen Fürsten nicht.

Wenn er noch lange in der Muschel gefangen bliebe, würde den Nixen und Wassermännern die Lebensgrundlage entzogen werden. Sie lebten von Fischen, Seegurken und Algen, allem, was das Meer hergab. Das Wasser wimmelte nur so von neuen Bewohnern.

Der Vergessene Fluss hatte mit seinen Fluten auch Pflanzen und Tiere in den Krater gespült. Seit das Neue Meer sich mit den Seen, Tümpeln und Flüssen der Anderswelt verbunden hatte, war hier erstaunlich schnell neues Leben entstanden. Der Fluss war aus den Tiefen der Erde, weit unter der Schattenwelt, hervorgeschossen. Von dort hatte er seinen Weg durch die Schattenwelt bis hinauf in die Lichte Welt gesucht und gefunden.

Mit seiner Gier nach Gold, Silber und Eisen hatte Leathan die Anderswelt unterhöhlt. Seine riesigen Bohrtürme hatten sich in die Erde gegraben. Tausende der Lavatiden, seiner Grubenarbeiter, arbeiteten mit ihren Frauen und Kindern in den Bergwerken. Gewaltige Feuer brannten hier unten, wo die Metalle auch verarbeitet wurden.

Die Kraft, mit der die Erde auseinander gebrochen war, hatte dem Vergessenen Fluss den Weg freigemacht, auszubrechen und alles zu überschwemmen. Tiefe Krater waren entstanden, hatten sich mit Wasser gefüllt, das Dörfer, Wälder und Ackerboden mit sich gerissen hatte. Gebirge aus Feuer, Dampf und Asche hatten viele der Bewohner der Anderswelt unter sich begraben. Beinahe hätte dieser Ausbruch auch Faith und Richard das Leben gekostet.

Als Elsabe vor ihren Grotten landete, traute sie ihren Augen nicht. Er hat es geschafft, dachte sie.

Robert hielt Magalie umfangen, als wollte er sie nie mehr loslassen.

In einiger Entfernung stand die alte Herrscherin mit dem Raben auf der Schulter und beobachtete das Paar. Elsabe trat zu ihrer alten Freundin. „Ich bin überrascht, dich hier zu sehen.“

Der Rabe hüpfte hinüber auf Elsabes Schulter und keckerte aufgeregt. Die Hexe strich dem schwarzen Gesellen sacht über das Gefieder und blickte die alte Herrscherin fragend an.

„Cybill, was machst du hier?“

„Ich war unruhig. Nachdem ich Corax“, zärtlich sah sie den Raben an, „geschickt hatte, um Magalie auf die Möglichkeit hinzuweisen, wie Robert sein Leben retten könnte, musste ich wissen, ob er es schaffen würde, durch die Feuersäule zu gehen. Und ich wollte endlich meine Tochter in die Arme schließen. Aber“, sie wandte sich lächelnd um, „ich sehe sie hat schon andere Arme gefunden, in denen sie sich ausgesprochen wohl fühlt. Woher kommen deine Schwestern und du?“

Elsabe sah ihre Schwestern in den Grotten verschwinden, wo immer Kranke und Verletzte auf die heilenden Hände der Hexen warteten. Das Wasser, das sich aus den Felsen hinter den Grotten ergoss, hatte schon viele Leben gerettet. Nicht nur den Wesen der Anderswelt, sondern auch einigen Sterblichen. Es hatte eine besondere heilende Kraft. Warm und silbern glitzernd schoss es aus dem hohen Felsgestein hinter den Grotten, um von dort in steinerne Wannen zu sprudeln.

„Wir haben Lilly gesucht. Eine neue Hexe ist geboren, die besonders widerspenstig zu sein scheint. Sie ist, bevor sie die Erlaubnis dazu bekam, geflogen.“

Die Alte lachte laut auf.

„Kommt mir bekannt vor. Ich erinnere mich an eine Hexe, die vor Hunderten von Jahren geboren wurde. Sie besaß, anders als ihre Schwestern, blaue Augen und einen sehr aufsässigen Geist. Damals hätte ich sie fast wieder zurück zu den Alraunen geschickt. Sie hieß Elsabe.“ Die alte Herrscherin blickte die Hexe abwartend an. „Erinnerst du dich?“

Elsabes Augen weiteten sich, dann brach sie in schallendes Gelächter aus. „Ja, ich erinnere mich. Du wolltest mich auf die Felder der Mandragora zurückschicken. Warum hast du es nicht getan?

„Weißt du das nicht mehr? Der Herrscher hatte es verboten.“

„Warum?“

„Er war ein bedachter Mann. Er meinte, dass es gut sei, unabhängige selbstständige Wesen um sich zu haben. Und du warst klug. Manchmal ein bisschen zu sehr. Nicht umsonst führst du deine Schwestern. Ich denke, eines fernen Tages wird Lilly deine Stellung einnehmen können, meinst du nicht?“

„Ich verstehe, was du mir sagen willst.“ Elsabe umarmte die Freundin. „Du warst immer klüger als ich. Ich danke dir. Trotzdem muss ich Lilly und Oskar finden. Er ist in Gefahr in der Schattenwelt. “

„Wer ist Oskar?“

„Er ist ein Glitter. Ich glaube, Oskar ist nicht ganz unschuldig am Verschwinden der kleinen Hexe. Magalie liebt ihn sehr. Er sollte nicht in Leathans Hände fallen. Leathan würde jede Gelegenheit ergreifen, deine Tochter zu verletzen.“

Leicht amüsiert blickte Cybill Elsabe an.

“Noch befindet Leathan sich in der grünen Muschel, oder nicht?“

Elsabe berichtete der alten Herrscherin von ihrer Begegnung mit Odine. „Sie müssen Leathan loswerden, seine mörderische Wut tötet die Fische. Er muss dort verschwinden, bevor er das Leben im Neuen Meer vernichtet hat.“

Das Lächeln war aus Cybills Gesicht gewichen.

“Wir haben hier also die Wahl zwischen Pest und Cholera. Entweder zerstört er das Leben im Neuen Meer oder er versucht wieder die Macht, auch über die Lichte Welt, an sich zu reißen.“

Ihr Blick wurde weich, als sie Magalie auf sich zukommen sah.

Zum ersten Mal sah Magalie in Cybill nicht nur die alte Herrscherin, sondern auch ihre Mutter. Sie fragte sich, warum sie nie diese auffällige Ähnlichkeit wahrgenommen, nie zuvor dies warme Gefühl der Zugehörigkeit gespürt hatte.

~~~~~

Nacht im Internat

Faith berührte den winzigen Einstich, den der Stachel in ihrem Finger hinterlassen hatte. Noch immer war das zierliche grüne Mal zu sehen. Es war mehr ein Verschmelzen als ein Stechen gewesen. Sie hatte das Eindringen des Stachels nicht gespürt. Die stachelige Frucht mit dem Duft nach Salz und Meer, die sie damals in Leathans Burg in der Hand gehalten hatte, war geformt wie die Riesenmuschel, in der sie auf den Grund des Neuen Meeres gesunken war.

War es möglich, dass dieser kleine Stich ihr das Leben gerettet hatte? Wie sonst hätte sie atmen und überleben können unter Wasser, eingeschlossen in der weichen Wärme der Molluske? Sie stöhnte auf. Nie würde sie die Welt ihrer Mutter verstehen. In einem Moment schien alles richtig, im anderen schien dasselbe falsch zu sein.

Zauberwelt!

Jetzt war Leathan in der Muschel gefangen. Sie sah ihn noch in den Schlund stürzen, dem sie gerade entkommen war, hörte Annabelles Gelächter. Sah, wie sich die Muschel um ihn schloss und versank, fühlte die Klauen des Adlers, der sie gepackt und Sekunden später vor ihrer Mutter abgesetzt hatte.

Magalies Adler hatten sie zu den Grotten getragen.

Faith hatte keine Ahnung mehr, was danach geschehen war. Merkwürdigerweise hatte sie das Gefühl, dass sich ihr Vater in Sicherheit befand. Sie würde ihn wiedersehen, dessen war sie gewiss.

Sie erinnerte sich nicht, wie sie in ihre Welt zurückgekommen war. Jetzt lag sie hier und schmiedete Pläne, wie sie zurück in diese beunruhigende gefährliche Anderswelt gelangen konnte, der sie gerade erst entkommen war.

Die Direktorin hatte darauf bestanden, dass sie, solange ihr Vater noch nicht wieder da war, bei Lisa im Internat schliefe. Lisa war längst eingeschlafen, aber Faith lag wach und überlegte, wie sie unbeobachtet und alleine den Weg in die Schattenwelt finden könnte. Sie wollte ihre Freunde nicht wieder in Gefahr bringen.

Solange Leathan sich in der grünen Muschel befand, konnte sie sich sicher fühlen.

Sie glaubte, dass Magalie Leathan nicht dort herausholen würde.

Richard, dachte sie, bevor sie einschlief. Sie musste die Schattenwelt suchen, um den Freund zu finden. Wer würde ihr in der anderen Welt den Weg zu dem Ort zeigen, an den Leathan seinen Sohn verbannt hatte?

Maia?

Faith jagte finstere Flure entlang, die sich mit immer neuen Abzweigungen weiter vor ihr öffneten. Das flackernde Licht der Kerzen tauchte die Wände in ein diffuses gespenstisches Licht. Die Flammen knisterten und entließen kleine Rauchwolken, die an den Mauern entlang krochen, bevor sie sich auflösten.

Weit vor sich glaubte sie Richard zu sehen, er hörte ihr Rufen nicht. Sie schrie, aber kein Ton kam aus ihrer Kehle. Sie kam ihm nicht näher. Sie lief, bis sie das Gefühl hatte, ihre Lungen würden platzen. Faith rannte. Endlich hatte er sie gehört.

Richard drehte sich langsam zu ihr um, aber es war nicht Richards Gesicht, in das sie sah. Leathans Miene verzog sich zu einem arroganten zynischen Lächeln. Violette Augen, verengt zu Schlitzen, ließen sie schaudern.

„Hab ich dich endlich.“ Er hielt Faith fest. „Wenn ich dich habe, wird auch Magalie kommen.“ Sein höhnisches Gelächter wurde vervielfältigt und zurückgeworfen von den steinernen Wänden, brach dann jäh ab.

Lisa stand vor Faith, die Hand noch auf dem Wecker. „Kannst du dir nicht mal eine Uhr mit einem leiseren Weckton anschaffen?“

Faith fuhr sich mit der Hand über die verschwitzte Stirn und befreite sich von dem zerwühlten Laken, das sich um ihre Beine gewickelt hatte.

„Mach ich“, flüsterte sie. Sie hatte nur geträumt. Aber die endlosen Flure, durch die sie gelaufen war, kannte sie.

Sie erinnerte sich an die Dunkelheit in Leathans Burg. Mit Richards Hilfe hatte sie von dort flüchten können. Richard hatte ihr erklärt, dass diese steinerne Festung nur das Portal zur Schattenwelt sei, dem eigentlichen Fürstentum Leathans. Die dunkle Welt hinter dem Portal war um ein Vielfaches größer und düsterer, als die, die sich darüber befand. Die Festung würde sie wiederfinden. Ja, sie wollte Maia bitten, ihr das Tor zur Schattenwelt zu zeigen.

~~~~~

Schulstunden

Nach ihren Erlebnissen in der Anderswelt konnte Faith sich kaum auf den Unterrichtsstoff konzentrieren.

Die Mathematikstunden waren nicht nur öde, sie waren auch ärgerlich. Herr Wallch, der wie ein aufgeblähter Gockel durch die Klasse stolzierte, war immer auf der Suche nach jemandem, den er mit hämischen Bemerkungen klein machen konnte. Ein eitler Kerl, der es nötig hatte, die schwächeren Schüler vorzuführen. Die begabten Schüler förderte er, die weniger begabten wurden, wenn sie Glück hatten, links liegen gelassen, mit weniger Glück schikaniert.

Patricia gehörte zu den Begabten und blühte in seinem Unterricht auf. Sie kokettierte mit ihrem Wissen und flirtete ganz ungeniert mit dem Lehrer.

Valerie war eine der bedauernswerten Schülerinnen, die Herrn Wallchs sadistische Seite herausforderte. Sie schaffte es nur mit Hilfe ihres Zwillingsbruders Viktor und der Unterstützung Brunos, ihres hochbegabten Freundes, den Stoff einigermaßen zu begreifen. Was weniger an mangelnder Auffassungsgabe, als vielmehr an ihrer Angst vor dem unangenehmen Lehrer lag.

Die Zwillinge hatten eine indische Mutter und sahen mit ihrem dunklen Teint und den großen, fast schwarzen Augen hinreißend exotisch aus.

Faith hegte den Verdacht, dass das einer der Gründe war, der den Lehrer reizte. Auch Viktor und Jamal entgingen den ironischen Angriffen des Lehrers nicht, obwohl beide überdurchschnittlich gute Schüler waren.

Jamal war schwarz wie die Nacht, und Viktor besaß genau wie Valerie die schöne, getönte Haut ihrer Mutter.

Die Zwillinge, dachte Faith, könnten mit ihrem reizvollen Äußeren ganz gut der Anderswelt entstammen. Sie besaßen die gleiche Anmut wie die Feen und Elfen in der Welt Magalies.

Valerie stand inzwischen an der Tafel und starrte die Formel an, die Herr Wallch für sie dort aufgeschrieben hatte.

„Du wirst uns jetzt das Vergnügen machen, diese relativ einfache Kurvendiskussion durchzuführen.“

Rote Flecken breiteten sich auf Valeries Wangen aus. Der Lehrer hatte sich inzwischen im hinteren Bereich des Klassenzimmers niedergelassen, um das Schauspiel zu genießen, das er inszeniert hatte. Auch die Schüler sahen gespannt nach vorn. Faith saß in der ersten Reihe neben Lisa. Jetzt drehte sie sich um.

„Duck dich“, zischte sie Bruno zu, der direkt hinter ihr saß und hilflos mit ansehen musste, wie Valerie litt.

Er reagierte sofort und Faith drehte den Mondstein, während sie ihn direkt auf den Lehrer und die anderen Schüler richtete. Herr Wallch erstarrte und mit ihm die gesamte Klasse.

„Beeil dich“, raunte Faith Bruno zu.

Und Bruno beeilte sich.

In der Sekunde, in der er seinen Platz wieder einnahm, löste sich die Erstarrung der Klasse und des Lehrers.

Faith ließ den Mondstein los und sah scheinbar gelangweilt nach vorn. Lisa, die wie Bruno und Valerie nicht von dem Zauber des Ringes erfasst worden war, schnaubte in ihr Taschentuch und fiel vor Lachen fast vom Stuhl.

Auch der Mathematiklehrer fiel beinahe vom Stuhl. Allerdings aus anderen Gründen als Lisa. Was er erblickte, war eine perfekt gelöste Kurvendiskussion ohne einen einzigen Fehler und eine ebenso gelöste Schülerin, die ihn abwartend ansah.

Er ähnelte einem Karpfen an Land. Sein Mund öffnete und schloss sich mehrmals. Nachdem er wiederholt vergeblich zum Sprechen angesetzt hatte, brachte er endlich einen Satz hervor.

„Du kannst dich setzen.“

Faith hatte ein schlechtes Gewissen. Sie hatte ihre Mitschüler um ein winziges Stück ihrer Erinnerungen gebracht.

„Ich weiß nicht, wie du das geschafft hast. Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, würde ich denken, du hattest Hilfe. Wenn dies ein unerlaubter Trick war, werde ich es herausfinden.“

Mit diesen Worten entließ Herr Wallch Valerie kurz danach in die Pause.

Faith’ schlechtes Gewissen verflog, als sie die giftigen Worte des Lehrers hörte.

~~~~~

Nacht über dem Tal

Dies war nicht der kalte blaue Ton, den Oskar über Leathans Felsenstadt gesehen hatte. Hier hing eine silberne messerscharfe Sichel vor einem goldenen Hof am blauschwarzen Himmel, die ihren hellen Schein über das Tal ergoss.

Ein strahlender Stern begleitete die Sichel des Mondes.

„Wie wunderschön“, flüsterte der kleine Elf und hob das grüne Gesichtchen. Seine spitzen Ohren bewegten sich begeistert vor und zurück. Oskar und Lilly stolperten mehr, als sie gingen. Tagelang waren sie unterwegs gewesen durch unwegsames Gebirge und versteppte, sandige, kaum bewaldete Gegenden, immer auf der Hut vor Gefahren, die sie nicht kannten, vor denen aber Nathan und Maia wortreich gewarnt hatten. Die blaue Kugel brachte im Wechsel Hitze am Tage und Kälte in der Nacht

Lilly war es nach wie vor untersagt, zu fliegen. Und Maia hatte ihnen beiden eingeschärft, dieses eine Mal zu gehorchen.

„Wenn Elsabe und Magalie ein Einsehen haben sollen“, hatte sie erklärt, “muss ich ihnen sagen können, dass du dich“, sie sah Lilly ernst an, „meinen Anweisungen gefügt hast.“

Die Furcht hatte ihnen in den letzten Stunden die Kehle zugeschnürt, als die Phosphorkugel mit ihrem kalten Licht plötzlich verschwunden war. Das wenige Licht, das sie gespendet hatte, war einer wirklich pechschwarzen undurchdringlichen Finsternis gewichen.

Leises Tapsen und andere Geräusche, die sie nicht einordnen konnten. hatten Oskar und Lilly erschreckt.

Sie glaubten auch hier das Stöhnen und Ächzen der Seelendiebe zu hören.

Wenn Oskar alleine gewesen wäre, hätte er längst fliegend die Flucht ergriffen. Aber er wusste, wenn Lilly noch einmal ungehorsam wäre, würden die Hexen ihr das nicht verzeihen. Also harrte er zitternd und vor Angst schlotternd an ihrer Seite aus. Unsichtbar zu werden gelang ihm vor Aufregung nicht. Lilly hingegen verschwand von Zeit zu Zeit, wie das ihre Art war. Er fühlte sich sehr allein, wenn sie nicht mehr zu sehen war.

Und jetzt war diese Silbersichel am Himmel erschienen und verscheuchte die Dunkelheit. Erleichtert atmete Oskar auf, um gleich darauf wie am Spieß zu schreien.

Direkt vor ihm war ein rundes weißbärtiges Gesicht aufgetaucht. Er hörte ungestümes Schnuppern und fühlte das Kitzeln von Barthaaren an seiner Nasenspitze.

„Geh weg, du böses Biest!“

Lilly schob sich zwischen den Glitter und die feuchte Nase des Nebelpanthers. Das riesige Katzentier wandte sich um und verschwand mit arrogant erhobenem Schwanz im Wald, der sich dunkel und geheimnisvoll vor ihnen auftat.

„Kommt mit.“ Er sah kurz über die Schulter zu ihnen zurück und folgte einem unsichtbaren Pfad, ohne sich noch einmal zu versichern, ob Lilly und Oskar ihm wirklich folgten.

Es war dunkler jetzt. Das Licht der silbernen Sichel erreichte durch das dichte Blattwerk den Boden kaum. Nur hin und wieder blitzte vor ihnen das fast weiße Fell des Panthers auf.

Dann war der Panther nicht mehr zu sehen.

Der Lärm, mit dem das hohe Eisentor sich öffnete, war ohrenbetäubend. Rostige Stangen kreischten in ihren Scharnieren.

„Was ist das?“

Lilly berührte Oskars Hand, der sie dankbar fest umschloss.

Ihre Wärme gab ihm gleich mehr Sicherheit und nahm ihm ein wenig von seiner Angst.

„Da seid ihr ja endlich, wir dachten schon, ihr kommt niemals an.“

Mit einem Krachen schloss sich das Tor hinter ihnen. Gleichzeitig glommen kleine gelbe Flämmchen auf, die den Weg säumten.

„Folgt dem Licht.“

Wieder die Stimme aus dem Nichts.

Ein Licht nach dem anderen schoss hoch und lockte sie weiter, während die Flammen hinter Oskar und Lilly wieder erloschen.

Langsam wurde der Himmel heller und im aufschimmernden Morgenlicht nahmen die kalkweißen Mauern vor ihnen einen rosafarbenen Ton an. Ganz langsam öffnete sich ein Spalt in der scheinbar festgefügten Steinwand. Er wurde gerade so groß, dass Oskar und Lilly hindurch schlüpfen konnten. Das ebenfalls weiße flache Gebäude dahinter zog sich endlos hin. Es flimmernde wie eine Fata Morgana, schien zu schweben.

Hier herrschte noch morgendliche Stille. Kein Laut war zu hören. Selbst die körperlose Stimme war verstummt. Wieder öffnete sich lautlos ein Durchgang. Diesmal führte er Lilly und Oskar in den langgezogenen Bau hinein. Niemand war zu sehen.

Sie kamen zu einer geöffneten hölzernen Tür. Oskars Augen weiteten sich.

Ein Bett mit einem schützenden Baldachin. Oskar war entzückt, ließ Lillys Hand los, warf sich auf die weichen Kissen und schlief sofort ein.

„So sind sie, die Männer, selbst wenn sie noch kleine Männer sind.“

Die Fee, deren Stimme Lilly sofort wiedererkannte, klang belustigt. Es war die Stimme aus dem Nichts, die ihnen empfohlen hatte, dem Licht zu folgen.

Aber jetzt konnte die kleine Hexe die Stimme nicht nur hören, sondern auch sehen, zu wem sie gehörte.

Kurze helle Haare standen dem weiblichen Wesen vor Lilly wild vom Kopf ab. Die fein geschnittene, leicht nach unten gebogene Nase gab ihm etwas Eulenhaftes.

Der durchdringende Blick aus runden hellen Augen steigerte diesen Eindruck noch.

„Maia hat uns hierher geschickt. Es war eine lange Reise. Oskar ist müde und er ist, mit Rücksicht auf mich, gelaufen. Er hätte auch fliegen können. Aber mir ist das noch verboten.“

„Ich weiß. Du bist Lilly. Mein Name ist Atena.“

Atenas Stimme war sanft und tief. „Du bist hier in der Residenz der alten Herrscher. Cybill ist hier aufgewachsen. Hier hat sie ihre Kindheit und Jugend mit Maia verbracht. Manchmal kommt sie noch hierher.“

„Aber dies ist die Schattenwelt“, gähnte Lilly.

Immer wieder fielen ihr die Augen zu. Sie hörte die Antwort der Fee nicht mehr. Bevor sie endgültig den Kampf gegen die Müdigkeit verlor und neben Oskar in die Kissen sank, glaubte sie zu sehen, wie eine weiß gefiederte Eule die Flügel ausbreitete und völlig lautlos davon flog.

Faith und Richard

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