Читать книгу Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis - Walter G. Pfaus - Страница 32

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Lieutenant Holm bewegte die Kinnladen verdrossen auf einem Chewinggum. Die hellen Augen wirkten naiver und unschuldiger denn je und bildeten einen merkwürdigen Kontrast zu der makabren Szene, die sie betrachteten.

Holm schritt um den ausgebrannten Wagen herum. Die Feuerwehr hatte gerade die letzten Glutnester erstickt. Die Leiche der jungen Frau befand sich noch auf dem Fahrersitz, beziehungsweise auf dem ausgeglühten Metall, das von ihm übrig geblieben war.

„Ein Komplott“, sagte Holm düster. „Das Ende einer Familie. Oder sollte ich sagen das Ende einer Ehe?“

„Sie ist im herkömmlichen Sinn wohl kaum eine gewesen“, bemerkte Bount.

Holm spuckte den Kaugummi aus.

„Mann, was hatten Sie für'n Schwein“, sagte er.

Bount zuckte mit der Schulter. Er war dem Tod von der Schippe gesprungen, wie es so schön hieß. Erlebnisse dieser Art waren ihm nicht fremd, sie gehörten zu seinem Beruf, warfen aber gleichzeitig die quälende Frage auf, wann wohl einmal die Stunde kommen würde, wo die Dinge weniger glimpflich ausgingen.

„Als Sie aufkreuzten, war Missis Leggins dabei den Wagen zu waschen, richtig?“, murmelte Holm.

„Ja. Ich habe keine Ahnung, ob sie auch das Wageninnere gesäubert hat, aber ich gehe davon aus, dass das geschehen ist, dass die Fahrertür mindestens einmal geöffnet und geschlossen wurde. Da dabei nichts passierte, darf unterstellt werden, dass der Bombenleger aktiv wurde, als Virginia Leggins und ich im Wohnzimmer des Hauses saßen.“

„Ich halte es für wahrscheinlicher, dass der Sprengsatz mit der Wagenzündung verbunden war“, meinte Holm. „Wenn das zutrifft, können Sie die Türtheorie streichen, dann hatte sie auf die Explosion keinen Einfluss.“

„Virginia muss den Wagen vor die Garage gefahren haben“, meinte Bount.

„Er kann die ganze Nacht auf seinem Platz gestanden haben. Nicht jeder Fahrzeughalter hat Lust, seinen Schlitten immer in die Garage zu stellen.“

„Kennen Sie Mike Finch?“

Holm blitzte Bount an, grübelnde Unruhe im Blick.

„Was ist mit ihm?“

„Virginia erwähnte den Burschen, als ich wissen wollte, wer Charlys Freunde waren.“

„Oh, Mann! Dieser Finch ist ein Alpdruck für meine Kollegen. Macht immer wieder trouble. Ein geborener Krachschläger. Solche Leute gibt’s. Ist stolz auf seine Muskeln und erprobt sie an jedem, der ihm dafür geeignet erscheint. Dabei ist er, wie ich meine, in Wahrheit ein Feigling. Er schlägt nur dann zu, wenn er sich seiner Überlegenheit gewiss ist.“

„Das tun doch die meisten von uns“, sagte Bount. „Wo finde ich dieses Prachtexemplar?“

„Versprechen Sie sich nicht zu viel von einem Gespräch mit ihm“, warnte Holm. „Selbst wenn er etwas weiß und bereit sein sollte, zu plaudern, wird er es nur gegen Bares tun - und davon wird er mehr haben wollen, als zu verantworten ist.“

„Wo wohnt er?“

„Ich trage seine Adresse nicht in meinem Kopf herum, weiß aber zufällig, wie er zu erreichen ist. Am Ende des Lagonda Drives gibt es ein großes Haus, einen alten, mindestens zehnstöckigen Kasten, der aus den zwanziger Jahren stammt und aus gelbem Backstein erbaut ist. Die Wohnungen sind nur zur Hälfte belegt - gegen den Willen des Besitzers. Das Haus steht vor dem Abbruch, aber aus Gründen, die vor allem technischer Natur zu sein scheinen, hat sich die Ausführung des Plans verzögert. Das Haus ist belegt von Leuten, die keine Miete zahlen wollen oder können, mit Pennern, Alkoholikern und Süchtigen. Die Polizei führt regelmäßig Razzien durch, um die Leute zu vertreiben, aber die kehren in aller Gelassenheit in ihre Quartiere zurück, sobald die Beamten verschwunden sind. Mike Finch lebt dort, soviel ich weiß. Er ist ein Slumtyp, wie er selber sagt. Ich glaube nicht, dass das stimmt. Ihm gefällt es nur, dass er dort als King gefeiert wird. Unter den Bewohnern ist er der Größte.“

„Wovon lebt er?“

„Das müssen Sie ihn schon selbst fragen. Glücksspiel, Diebstahl, Rauschgifthandel, nehme ich an.“

„Mit so was war Leggins befreundet?“

„Ich kann verstehen, dass Sie das erstaunt. Hier sieht es sehr bürgerlich aus, mehr noch, in Haus und Garten zeigt sich der Wohlstand. Er wurde vor allem von Virginia aufgebaut. nehme ich an. Charly wäre fähig gewesen, wie Mike zu leben.“

„Ich habe mich in den Garagen umgesehen“, sagte Bount. „Nichts spricht dafür, dass die Benzinbomben hier hergestellt wurden.“

„Vielleicht gibt es im Haus einen Hobbykeller“, meinte der Lieutenant. „Ich rufe das Kenwood Plaza an, wenn ich etwas finden sollte, das für Ihre Arbeit von Belang ist.“

Ein Taxi brachte Bount zum Lagonda Drive. Das Haus am Ende der Straße war nicht zu übersehen. Neben einem Hotelneubau, von dem es durch eine hohe Mauer getrennt wurde, nahm es sich schäbig und verkommen aus. Direkt neben dem Eingang standen ein paar abgewrackte Fahrzeuge, die von Kindern als Spielgerät benutzt wurden. Bount nahm einen Halbwüchsigen zur Seite, drückte ihm einen Dollar in die Hand und fragte: „Wo finde ich Mike? Du weißt schon, Finch, den rothaarigen Iren.“

„Der ist ausgezogen.“

„Wann?“

„Schon vor ’ner Woche. Sie finden ihn in der Brownsville Lane. Die Nummer des Hauses kenne ich nicht, aber es ist hellgrün gestrichen und liegt einer Gulf Tankstelle genau gegenüber. Eine noble Bude, Mister.“

„Ist er plötzlich zu Geld gekommen?“

Der Junge grinste.

„Das muss wohl so sein, Mister.“

„Danke“, sagte Bount.

Zwanzig Minuten später kletterte er von dem Haus, das der Junge ihm beschrieben hatte, aus dem Taxi und entlohnte den Fahrer. Der Junge hatte nicht übertrieben. Dem vierstöckigen, terrassenförmig gebauten Haus, mit seinen riesigen Balkonen und großen Fensterflächen war anzusehen, dass seine Bewohner den Luxus liebten.

Finchs brandneu wirkendes Namensschild am Klingelbrett wies aus, dass der Gesuchte in der dritten Etage wohnte. In der Lounge gab es einen Rezeptionsschreibtisch, aber er war nicht besetzt. Der Lift brachte Bount nach oben.

Finchs Wohnungstür stand offen. Vor ihr lag ein himmelblauer Hartschalenkoffer. Es war zu hören, dass der Mann, der das Apartment bewohnte, dabei war, weitere Gepäckstücke aus den Räumen zu holen.

Bount betrat die Diele.

Im Rahmen einer offenen Tür tauchte ein Mann auf, der in jeder Hand eine Reisetasche trug. Der Mann war groß, muskulös und rothaarig.

„Mister Finch?“, fragte Bount.

„Wer zum Teufel, sind Sie?“, murmelte der Mann und stellte die Reisetaschen ab.

„Reiniger, Privatdetektiv. Ich hätte gern ein paar Fragen an Sie gerichtet.“

„Ich habe keine Zeit.“

„Ich halte Sie nicht lange auf“, sagte Bount. Ihm entging nicht die Nervosität des Rothaarigen.

„Okay“, sagte Finch nach kurzem Zögern. „Drei Minuten.“ Er holte den Koffer zurück in die Diele, schloss die Tür und legte die Sicherungskette ein.

„Angst?“, fragte Bount.

Finch zuckte herum.

„Vor wem sollte ich wohl Angst haben?“

„Das frage ich Sie.“

Finch betrat das Wohnzimmer. Bount folgte ihm. Der Raum war ziemlich unpersönlich möbliert. Auf Tischen und Sesseln lagen Zeitungen, leere Flaschen und Bierdosen, sowie Kleidungsstücke herum. Finch schien die Unordnung nicht zu stören. Er warf sich in eine Couchecke, streckte die Beine aus, schob die Daumen unter den breiten Ledergürtel seiner leichten, olivgrünen Hose und starrte Bount in die Augen.

„Fassen Sie sich kurz!“

„Warum die plötzliche Flucht?“, fragte Bount.

„Flucht? Sie machen wohl Witze! Ist es verboten, eine Reise anzutreten?“

Bount lächelte. „Haben Sie schon ein Ziel?“

„Das habe ich. Nur liegt es nicht in meiner Absicht, mit Ihnen darüber zu reden.“

„Schade“, sagte Bount. „Vielleicht könnte ich Ihnen helfen.“

„Sie machen Witze. Ich brauche keine Hilfe. Schon gar nicht von einem Fremden. Kann ich mal Ihren Ausweis sehen?“

„Aber ja“, sagte Bount und überließ Finch seine Lizenzkarte. Finch betrachtete sie genau.

„Ein Mann aus New York“, murmelte er und blickte Bount an. „Ein Schnüffler. Ich komme da nicht mit. Was, zum Teufel, ist an mir denn so interessant, dass jemand aus New York anreist und mich einer Befragung für würdig hält?“

Bount ließ sich auf der Armlehne eines Sessels nieder.

„Es geht um die Leggins. Sie wissen sicherlich, dass es Charly erwischt hat, Ihren Freund, aber möglicherweise ist es neu für Sie, dass auch Virginia dran glauben musste.“

„Virginia?“, echote Finch. Seine Stimme klang heiser, und in seine braunen Augen trat ein Ausdruck, den Bount nicht zu definieren vermochte, der aber sicherlich auch Elemente von Angst enthielt.

„Ja. Als sie in ihren Honda kletterte und die Zündung betätigte, explodierte der Schlitten. Ich war dabei, als es passierte, konnte ihr aber nicht helfen. Sie muss sofort tot gewesen sein.“

„Oh, Gott“, murmelte Finch. Er wurde von einem jähen Zittern überfallen, hatte sich aber sofort wieder in der Gewalt.

„Wer war es?“, fragte Bount ruhig.

Finch zuckte zusammen.

„Warum fragen Sie mich? Ich habe mit der Sache nichts zu tun, verdammt noch mal! Virginia ist ein Miststück gewesen, der weine ich keine Träne nach, aber Charly war ein Kumpel, mit dem sich reden ließ ...“

„Wann haben Sie das letzte Mal mit ihm gesprochen?“

„Lassen Sie mich nachdenken. Das war vor zwei Tagen.“

„Hier in Miami Beach?“

„Ja.“

„Zu diesem Zeitpunkt wohnte er schon im Kenwood Plaza vom Palm Beach.“

„Tatsächlich? Davon hat er kein Wort gesagt.“

„Wie erklären Sie sich sein Verhalten? Er ist in dem Hotel unter dem Namen Burns abgestiegen, obwohl er hier, nur siebzig Meilen von dem Hotel entfernt, ein gemütliches Heim besaß. Vieles spricht dafür, dass er das Hotel in Brand zu stecken versuchte. Jedenfalls war er bemüht, die Sprinklerzentrale lahmzulegen und damit die Löscharbeiten zu erschweren. Mir ist klar, dass er dies nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf fremden Befehl hin tat. Für wen war er tätig?“

„Das hätten Sie Virginia fragen sollen. Die wird es gewusst haben“, meinte Finch.

„Sie behauptete, so gut wie nichts von seinen Aktivitäten erfahren zu haben.“

„Das haben Sie ihr abgekauft?“, höhnte Finch. „Mann, sind Sie naiv! Virginia konnte lügen wie gedruckt.“

„Können Sie das auch?“

„Wenn's sein muss, bin ich darin nicht schlecht“, meinte Finch und stand auf. „So, jetzt muss ich gehen. Ich bin in Eile.“

„Ich muss wissen, wie und wo ich Sie erreichen kann.“

„Ich werde mich hüten, Sie davon in Kenntnis zu setzen. Ich brauche Ruhe.“

„So plötzlich? Es gibt in Ihrem Leben ein paar sehr auffällige Veränderungen, die eine Erklärung verlangen. Bis vor kurzem wohnten Sie in einem Haus, das verteufelte Ähnlichkeit mit einer Ruine hat, aber seit einer Woche können Sie sich eine Bleibe leisten, die zur Luxusklasse gehört. Ein ebenso jäher, wie bemerkenswerter Wechsel. Mich würde interessieren, wie er zustande gekommen ist.“

„Ich bin umgezogen, das ist alles. Verdammt, ich hatte es einfach satt, täglich von Pennern belästigt und angepumpt zu werden. Ich bin bestohlen worden. In der alten Bruchbude gab es keinen Strom.“

„Sie sind plötzlich zu Geld gekommen“, sagte Bount. „Wann und wie ist das geschehen?“

Finch trat auf Bount zu, stieß ihm den ausgestreckten Zeigefinger gegen die Brust und sagte: „Jetzt reicht's. Ich bin Ihnen gegenüber zu keinerlei Auskünften verpflichtet. Ich hasse Schnüffler. Ich hasse jeden, der mit mir Ball zu spielen versucht. Schreiben Sie sich das hinter die Ohren!“ „Wenn es stimmt, dass Sie Charlys Freund waren, sollte Ihnen daran gelegen sein, dass sein Tod aufgeklärt und gesühnt wird“, sagte Bount.

„Ich weiß nicht, ob ich Charlys Freund war, ich weiß nicht, ob es in diesem verdammten Land noch wirkliche Freundschaft gibt“, meinte Finch, „aber ich weiß, dass ich nichts tun werde, um Sie bei Ihrer Arbeit zu unterstützen. Ich sage Ihnen gern den Grund. Ich will nicht enden wie Charly und wie Virginia. Ich will leben. Kapiert?“

„Das war deutlich“, sagte Bount. „Ihren Worten ist zu entnehmen, dass Sie mit Charly gemeinsame Sache gemacht haben und wissen, wer ihn tötete.“

„Was heißt hier gemeinsame Sache? Was wollen Sie damit ausdrücken?“, schnaubte Finch.

„Sie sind zu Geld gekommen, als Charly den Kenwood-Auftrag erhielt“, sagte Bount. „Wofür hat man Sie bezahlt? Für das Herstellen der Benzinbomben? Haben Sie Angst, für deren Versagen geradestehen zu müssen?“

„Wovon reden Sie überhaupt?“

„Immer noch vom Tod der Leggins, und immer noch von dem, was Sie zur Flucht bewegt.“

„Sie halten mich auf.“

„Keineswegs. Sagen Sie mir, an wen ich mich wenden muss, um den Fall klären zu können, und wir können die Unterhaltung als beendet betrachten.“

„Ich habe nichts zu sagen. Ihnen schon gar nicht!“

„Dann sagen Sie es der Polizei.“

„Mit Bullen rede ich nicht.“

„Das könnte Ihnen eines Tages noch leidtun“, meinte Bount.

„Gehen Sie mir aus dem Weg, oder ich ziehe andere Saiten auf!“

Bount lächelte, obwohl er wusste, dass er die gespannte Stimmung damit anheizte. Er hatte ein Gespür für das, was auf ihn zukam, und glaubte zu wissen, dass die Eskalation des Gesprächs mit einer Prügelei enden würde. Er hasste diese Art der Auseinandersetzungen, aber es gab nun mal Leute, die erst dann zur Vernunft kamen, wenn ihnen klargemacht worden war, dass sie ihrem Gegner eindeutig unterlegen waren.

Finch gab Bount einen Stoß, ging an ihm vorbei und marschierte in die Diele. Dort bückte er sich nach den beiden Reisetaschen und hob sie auf.

„Wenn Sie wollen, können Sie es sich hier bequem machen“, höhnte er. „Die Miete für das nächste Vierteljahr ist bezahlt. Im Voraus.“ Er machte kehrt und verließ die Wohnung. Die Tür ließ er offen. Der blaue Hartschalenkoffer blieb in der Diele zurück. Bount bückte sich danach und versuchte ihn zu öffnen, aber der Koffer war abgeschlossen. Bount fischte das kleine Lederetui aus seiner Hosentasche. Der Mini-Werkzeugset enthielt ein paar sehr nützliche Instrumente zur Überwindung von Schlössern und ähnlichen Widerständen. Bount machte nur ungern davon Gebrauch, da ihre Benutzung rechtliche Probleme aufwarf, aber es gab Situationen, wo er ihre Anwendung für zulässig hielt.

Die Schlösser sprangen auf. Bount öffnete den Kofferdeckel. Das wüste Durcheinander von Wäsche und Kleidung, das ihm entgegenquoll, war nicht überraschend und passte zu Mike Finchs Mangel an Ordnungssinn. Bount verzog das Gesicht, als er einige der Kleidungsstücke beiseite schob. Dann stieß er einen Pfiff aus. Unter der Textilschicht befand sich gebündeltes Papier. Es waren Dollarscheine, größtenteils Zwanziger und Fünfziger.

Bount war so verblüfft von der Geldmenge, dass er den Schatten nicht bemerkt, der plötzlich über ihn fiel. Als Bount hochblickte, war es schon zu spät. Irgendetwas kam auf ihn zu und traf ihn am Kopf. Bount stemmte sich gegen den Schmerz, er wehrte sich gegen die Schwäche, die sich damit verband, aber das erwies sich als nutzlos. Er kippte zur Seite und verlor das Bewusstsein.

Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis

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