Читать книгу Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis - Walter G. Pfaus - Страница 36

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Das Hotelzimmer war total verqualmt. Die beiden Männer, die sich am Schachbrett gegenüber saßen, wechselten kein Wort. Ihren Gesichtern war die tiefe Konzentration anzusehen, die das Spiel ihnen abnötigte. Ein dritter Mann lehnte am Türrahmen, gähnte und war sichtlich gelangweilt. Hinter ihm befand sich der kleine Vorraum der Suite.

Der Mann zuckte zusammen, als es klopfte. Die Männer am Schachbrett hoben die Köpfe. Sie blickten einander an, dann sahen sie auf den hochgewachsenen, schwarzhaarigen Endzwanziger, der an der Tür lehnte. Der warf einen Blick auf seine Uhr.

„Das könnte Martinez sein“, sagte er.

„Der klopft nicht“, sagte einer der Männer am Schachbrett. Er hatte glatt zurückgekämmtes, dunkles Haar und ein sehr scharfes, von einer Hakennase geprägtes Profil. Er war schätzungsweise 40.

Sein Gegenüber war klein, massiv und bullig. Er hatte einen kurzen Hals und ein rundes, glattrasiertes Gesicht mit hervorquellenden Augen. Sein rostbraunes Haar war stark gekräuselt. Er war um die 35.

„Sieh nach, wer es ist!“, sagte der Mann mit der Hakennase.

Sein Gegenüber musterte die Figuren auf dem Brett.

„Remis“, sagte er. „Okay?“

„Okay“, sagte der Hakennasige, legte mit einer Hand die Figuren um und stand auf.

Der Endzwanziger durchquerte das Vorzimmer und öffnete die Tür.

„Sie wünschen?“, fragte er.

„Ich bin Mike Finch“, sagte der Mann, der im Korridor stand. „Ich möchte Señor Saccato sprechen“, sagte er.

„Kommen Sie herein!“, meinte der Endzwanziger und schloss die Tür hinter Finch. Der durchquerte den Vorraum und betrat das große Zimmer. Er blinzelte ein wenig, als er die Rauchschwaden mit seinen Blicken zu durchdringen versuchte.

„Ich bin Juan Saccato“, stellte der Mann mit der Hakennase sich vor. Er wies in die Runde und begann mit seinem Schachpartner. „Das sind meine Freunde. Señor Cachez.“ Die Hand wanderte zu dem Endzwanziger, der schon wieder am Rahmen des Durchgangs lehnte. „Señor Barradon.“

„Erfreut“, sagte Mike Finch. „Darf ich mich setzen?“ Er ging auf einen Sessel zu und ließ sich hineinfallen, ohne die Erlaubnis des Gastgebers abzuwarten.

Saccato lächelte.

„Ihr Besuch zu so ungewöhnlicher Stunde hat gewiss triftige Gründe, Mister Finch“, sagte er. „Wir sind gespannt, zu erfahren, was sich dahinter verbirgt.“

„Sie wissen sehr gut, warum ich hier bin“, erklärte Mike Finch und zündete sich eine Zigarette an.

Saccato hob erstaunt die Augenbrauen. Sie waren pechschwarz und machten den Eindruck, als seien sie getuscht.

„Sie sprechen in Rätseln, mein Lieber.“ Er wandte sich an die beiden anderen Männer. „Oder kapiert ihr, was er meint?“

Die Männer schüttelten die Köpfe. Sie starrten Mike Finch an, aber der kümmerte sich nicht um sie, er machte einen erstaunlich entspannten, selbstsicheren Eindruck.

„Es ist wegen meines Geldes“, sagte er. „Ich möchte es wiederhaben.“

„Ich bin sicher, dass Sie sich in der Adresse geirrt haben, Señor“, sagte Saccato. „Wir sind für Ihre Sorgen nicht zuständig.“

„Ehe ich weiterspreche, sollte ich feststellen, dass ich schriftlich hinterlegt habe, was ich weiß und wo ich mich befinde. Sollte mir also etwas zustoßen, wird euch Galgenvögeln der Strom abgedreht. Es ist besser, ihr arrangiert euch mit mir. Ich stelle keine großen Ansprüche, aber ich will das Geld zurückhaben ... bis auf den letzten Cent. Es waren immerhin achtzigtausend Dollar.“

„Sie fangen an, mich zu amüsieren“, meinte Saccato und produzierte ein Lächeln, das seine Worte zu bestätigen schien, aber der harte, metallische Glanz in seinen dunklen Augen strafte das Gesagte Lügen.

„Ihnen wird das Lachen gleich vergehen“, sagte Mike Finch.

„Wir sind Flüchtlinge. Wir warten sehnsüchtig auf die Rückkehr in unser Heimatland“, sagte Saccato. „In der Zwischenzeit bemühen wir uns, die Gesetze des Landes zu respektieren, das uns aufgenommen hat. Ist es nicht so, Gentlemen?“, wandte er sich an die beiden anderen.

Die verwehrten ihm diesmal ein zustimmendes Kopfnicken. Sie starrten den Besucher an, aber der schien gar nicht zu bemerken, wie sehr er zur Klimaverschlechterung in der Suite beigetragen hatte. Er sprach ausschließlich mit Saccato, in dem er offenbar den Boss der Gruppe sah.

„Ich könnte Sie hochgehen lassen“, sagte er mit sanfter Stimme, „aber ich sehe ein, dass es klüger ist, sich an gewisse Spielregeln zu halten. Ich will Ihnen ja gar nicht ins Handwerk pfuschen, aber Sie sollten mir auch meine kleine Beute lassen. Es ist der größte Happen Geld, den ich mir jemals schnappen konnte. Für Sie ist er nur ’n Klacks.“

„Sie scheinen zu glauben, dass wir Millionäre sind“, spottete Saccato.

„Genau das sind Sie“, stellte Mike Finch fest. „Ich weiß es von Charly.“

„Wer ist Charly?“

„Charly Leggins. Der Bursche, den Sie auf dem Gewissen haben“, sagte Mike Finch.

„Ich habe Mühe, Ihnen zu folgen“, erklärte Saccato.

„Sie haben auch Virginia hochgehen lassen“, sagte Finch. „Virginia Leggins.“

„Das sind Leute aus Miami Beach“, sagte Barradon. „Ich habe da was im Radio gehört.“

„Okay, aber was, um Himmels willen, haben wir mit der Sache zu tun?“, wollte Saccato von Mike Finch wissen. Der inhalierte genüsslich. Er schien die Situation zu genießen.

„Sehen Sie“, sagte er langsam, „ich bin der Mann, der die Benzinbomben herstellte. Sie werden jetzt sagen, dass ich alles versaut habe und ein Stümper bin. Vielleicht haben Sie sogar recht damit, aber wichtiger ist in diesem Zusammenhang der Hinweis, dass Charlys Auftrag mich stutzig machte. Er wollte nicht mit den Namen seiner Auftraggeber herausrücken, aber er hatte plötzlich Geld, er warf mit dem Mistzeug nur so um sich. Natürlich wurde ich neugierig. Ich wollte wissen, wer so großzügig ist, dass Charly Leggins, mein alter Freund, sich auf einmal als halber Millionär fühlen konnte. Dabei kam ich Ihnen auf die Schliche.“

Die drei Männer schwiegen. Sie sahen den Sprecher an, ohne weitere Anmerkungen zu machen.

„Aus Gründen, die ich nicht kenne, legten Sie Wert darauf, dass Ihr Quartier im Kenwood Plaza im Flammen aufgeht“, sagte Mike Finch. „Es wird mir ewig unverständlich bleiben, warum Sie den Job nicht selbst besorgten ... aber vermutlich ging das nicht, weil Sie zur fraglichen Zeit nicht im Hotel zu sein wünschten, deshalb mussten Sie den Auftrag einem Mann geben, von dem Sie erwarteten, dass er damit fertig wird. Sie hörten sich ein bisschen um und erfuhren, dass Charly Leggins, Miami Beach, ein Ganove ist, der vor nichts zurückschreckt. Sie setzten sich mit ihm in Verbindung und sagten ihm, was Sie beabsichtigen. Sie gaben ihm einen Batzen Geld und er leitete alles Notwendige in die Wege. Als dieser Kasten in Flammen aufgehen sollte, waren Sie nicht im Haus ... für alle Fälle hatten Sie für die fragliche Zeit ein Alibi, stimmt’s?“

Saccato befeuchtete sich die Lippen mit der Zungenspitze, dann sagte er: „Sie entwickeln in der Tat eine erstaunliche Theorie, Mister Finch.“

„Sie, Saccato, haben mit Charly verhandelt. Sie waren es, der ihm den Auftrag gab - und Sie töteten ihn, nachdem er versagt hatte.“

„Das war ein bisschen anders, mein Freund“, sagte Saccato mit erstaunlich sanfter Stimme. Mit den beiden anderen Männern ging in diesem Moment eine Wandlung vor, ohne dass sie äußerlich erkennbar wurde. Sie lag vor allem im Klima, im Atmosphärischen. Auch Mike Finch spürte, dass das Gespräch eine dramatische Wende nahm. Er fühlte die Gefahr, die sich damit verband, aber er war entschlossen, ihr zu trotzen. Wenn er die Nerven nicht verlor, hatte er gute Chancen, dieses Hasardspiel zu gewinnen.

„Ich bin gern bereit, mir Ihre Version des Geschehens anzuhören“, spottete Mike Finch und legte ein Bein über das andere. Während er das tat, blies er Saccato, der ihm gegenüber Platz genommen hatte, den Rauch geradewegs ins Gesicht, aber infolge der Distanz, die zwischen ihnen lag, erreichten die blaugrauen Schwaden nicht ihr Ziel.

Saccato lächelte.

„Wir sind, wie Sie wissen, Exil-Kubaner. Wir sind keine Abenteurer und wissen, dass sich das Schweinebucht-Abenteuer nicht wiederholen lässt. Wir glauben jedoch, dass sich auf der Insel eine Opposition durchsetzen könnte - immer vorausgesetzt, sie erhält die finanziellen Mittel, die für eine wirkungsvolle Arbeit unerlässlich sind. Meine Freunde und ich haben es uns zur Aufgabe gemacht, diese Mittel zu beschaffen. Es geht dabei um Millionen. Eines Tages entdeckten wir, dass das schöne Geld, das wir für eine gute Sache auftreiben, zu einem nicht geringen Teil in den Taschen derjenigen verschwindet, die sich als gute Patrioten aufspielten. Ist es nicht so, Freunde?“, wandte er sich an die beiden Männer. Cachez und Barradon nickten. „In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass wir mit Hilfe von Mister Myers, dem Hoteldetektiv, eine kleine, schlagkräftige Truppe aufbauten, die dem Ziele dient, uns unangreifbar zu machen und, last but not least, die hohen Bargeldbeträge zu sichern, die ständig durch unsere Hände gehen.“

Mike Finch drückte seine Zigarette in einem Ascher aus.

„Mich interessiert nur mein Geld“, sagte er.

„Es ist nicht Ihr Geld, mein Lieber“, meinte Saccato. „Das ist es niemals gewesen. Sie haben es Leggins abgenommen. Und der hat es sich widerrechtlich angeeignet. So gesehen haben wir uns nur unser Eigentum zurückgeholt.“

„Ja, so gesehen haben Sie natürlich recht“, höhnte Mike Finch, „aber Sie vergessen, dass ich die Zusammenhänge durchschaue, die wichtigsten jedenfalls, und dass ich Sie alle miteinander hochgehen lassen kann, wenn Sie nicht zahlen.“

„Sie haben mich unterbrochen“, sagte Saccato gelassen. „Wie gesagt, wir entdeckten, dass große Teile des für gute Zwecke gedachten Geldes in Kanäle flossen, die sich nicht an patriotischen Zielen orientierten, sondern ausschließlich an privatem Eigennutz. Es war für uns eine Lehrstunde, aus der wir Konsequenzen zogen. Wir fanden, dass das Geld ebensogut unserem Wohlbefinden dienen könnte - der Sicherung unserer Zukunft.“

Mike Finch beugte sich nach vorn. „Und?“

„Wir zeigten uns weiterhin als Meister der Geldbeschaffung“, erwiderte Saccato. „Unsere Landsleute und auch andere, die unsere Arbeit unterstützen, lassen große Geldmengen in unsere Kassen fließen. Seit einiger Zeit sind wir entschlossen, sie für uns zu behalten.“

„Widerrechtlich, versteht sich“, sagte Mike Finch.

„Genau. Aber wären Sie wohl imstande, einem solchen Millionenköder zu widerstehen?“, fragte Saccato.

„Was mich angeht, so bin ich schon zufrieden, wenn ich meine Achtzigtausend zurückbekomme“, meinte Finch.

„Sie werden einen Schuss in den Kopf kassieren, mein Lieber. Blei statt Gold. Was halten Sie von diesem Alternativvorschlag?“

Mike Finch zuckte zusammen. Er wandte den Kopf, weil er an der Tür eine Bewegung wahrgenommen hatte. Barradon hielt plötzlich eine großkalibrige Pistole in der Hand und war damit beschäftigt, einen Schalldämpfer auf die Mündung zu schrauben.

„Lassen Sie diesen Quatsch!“, stieß Finch hervor, der plötzlich aufhörte, sich als Herr der Situation zu fühlen. „Ich sagte Ihnen schon, dass ich schriftlich hinterlegt habe, wo ich bin und was Sie auf dem Kerbholz haben. Wenn mir etwas zustößt, können Sie sich begraben lassen.“

„Ich bin richtig froh, dass Sie gekommen sind“, meinte Saccato. „Merkwürdigerweise erleichtert es mich, über Dinge zu sprechen, die im Grunde unausgesprochen bleiben sollten. Aber so ist der Mensch. Er muss hin und wieder Luft ablassen. Ich tue es Ihnen gegenüber, weil Sie keine Chance erhalten werden, die Ihnen genannten Informationen weiterzuleiten. Sie werden diese Räume nicht lebend verlassen, Finch.“

„Sie bluffen!“

„Denken Sie einmal nach! Ich kann es mir nicht leisten, Sie ziehen zu lassen. Oh, die Achtzigtausend wären natürlich ein Klacks für uns, wie Sie es ausdrückten, aber darum geht es nicht. Sie wissen, dass bei uns mehr zu holen ist, sehr viel mehr. Sie würden früher oder später versuchen, uns anzuzapfen. Abgesehen davon wäre es idiotisch von uns, einen Mann zu schonen, der weiß, wer für die Morde an den beiden Leggins verantwortlich zeichnet. Übrigens irren Sie, wenn Sie glauben, dass die beiden sterben mussten, weil Charly so miserabel arbeitete und unfähig war, unseren Auftrag zu erfüllen. Er hat uns bestohlen. Um dreihunderttausend Dollar. Wir sind zu spät dahintergekommen. Er hat das Geld aus meinem Zimmer entwendet. Wie finden Sie das?“

„Es ist Ihre Schuld, nehme ich an. So viel Geld lässt nur ein Dummkopf im Zimmer herumliegen.“

„Wir nehmen Bares ein, und wir geben es bar weiter - so war es jedenfalls bis vor kurzem“, sagte Saccato. „Konspirative Geldbeträge laufen nur selten über Bankkonten. Das war ja einer der Gründe, die uns dazu brachten, Myers eine einträgliche Nebenarbeit zu beschaffen.“

„Sie schweifen ab. Was ist aus dem Geld geworden?“, fragte Mike Finch.

„Aus den Dreihunderttausend? Etwa ein Drittel hat er aus Sicherheitsgründen Ihnen zur Aufbewahrung überlassen“, sagte Saccato. „Nicht in bar, versteht sich, sondern in einem Paket, über dessen Inhalt er Ihnen irgendetwas vorschwindelte - oder sollte er Ihnen gesagt haben, was es enthält?“

„Nein“, knurrte Finch. „Soweit hat er mir nicht vertraut. Er sprach von wichtigen Papieren, das war alles. Tatsächlich öffnete ich das Paket erst, nachdem ich gehört hatte, was ihm zugestoßen ist.“

„Was hätten wir denn tun sollen? Wir haben uns immerhin zweihunderttausend zurückgeholt. Betrüblicherweise wusste Virginia Leggins über uns Bescheid. Sie hat das wohl von Charly erfahren. Jedenfalls versuchte sie uns zu erpressen, so dass wir uns gezwungen sahen, sie aus dem Verkehr zu ziehen. Inzwischen hatten wir auch erfahren, dass Sie Charlys einziger Freund waren, und wir hielten es für eine gute Idee, uns an Sie zu wenden. Dabei kassierten wir weitere Achtzigtausend ab. Da Sie durch Charly wussten, für wen er arbeitete, kamen Sie her, um sich das Geld zurückzuholen. Sie spielten und spielen den starken Mann, aber der sind Sie nicht, dafür habe ich eine Nase. Sie sind ein kleiner Ganove, der seine Karten überreizt hat.“

„Was ist mit Myers?“, krächzte Mike Finch. Das Schicksal des Hoteldetektivs war ihm völlig gleichgültig. Ihm kam es jetzt nur darauf an, Zeit zu gewinnen, und dafür war jedes Thema recht.

„Oh, Myers“, seufzte Saccato. „Ein guter Mann. Wir haben keine Ahnung, wo er sich aufhält. Allerdings spricht vieles dafür, dass er nicht so ehrenwert ist, wie wir glaubten. Meine beiden Freunde hier sind jedenfalls der Meinung, dass er mit unserer Kasse durchgebrannt ist ... mit fast drei Millionen Dollar.“

„Oh, Mann!“, hauchte Finch.

„Ich verfolge noch eine andere Spur“, sagte Saccato, „aber es würde zu weit führen, Ihnen das auseinanderzusetzen.“ Er wandte sich an Barradon. „Tut mir leid, mein Junge ... aber ich muss dich jetzt bitten, an die Arbeit zu gehen.“

Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis

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