Читать книгу Kleine Kunstgeschichte der deutschen Schlösser - Walter Hotz - Страница 7

EINLEITUNG

Оглавление

Unter einem „Schloß“ verstehen wir heute den repräsentativen Wohnbau des Adels und des bürgerlichen Patriziats. Ein Schloß ist etwas anderes als eine Burg. Die Burg zählt jedoch zu seinen Vorfahren. Die Burg war stets in erster Linie ein Wehrbau, das Schloß hingegen ein Wohnbau. Es konnte wehrhaft sein, aber es bedurfte der Befestigung nicht zu seiner Rechtfertigung.

Die erste bewußte Ausformung des Schlosses geschah aus einem neuen Weltverständnis im Zeichen der Renaissance. Ihr Ergebnis war das „feste Schloß“, die zum Schloß umgewandelte Burg. In ihm macht sich eine grundsätzlich andere Auffassung geltend. Im Laufe der Entwicklung gerät die militärische Note völlig in den Hintergrund. Doch tritt, als der Schloßbau längst seine eigenen burgenfernen Formgesetze sich geschaffen hatte, immer wieder einmal die „Festung“, und sei es nur in einzelnen Bauteilen, in Erscheinung. Ganz zu verleugnen war die Herkunft des Schlosses von der Burg nie.

Das „Schloß“ hat jedoch noch eine tiefere Wurzel. Das ist ganz schlicht die menschliche Behausung, wie sie im Rechteckbau des „Hauses“ im deutschen Volks- und Sprachraum und überhaupt im Abendland Gestalt angenommen hatte. Aus dem „Haus“ konnte eine „Burg“ werden – manche Burgen werden so genannt: „hohes Haus“ oder „festes Haus“ sind Synonyma für „Burg“ – oder auch ein „Schloß“. Schon die staufische Dichtung nennt den Palas einer Burg einfach das „hûs“. Das englische Sprichwort „My house is my castle“ kann auch bezüglich der Bauform interpretiert werden. Das Haus ist das eigentliche Anliegen des Schloßbaus, wie es der Turm für die Burg war.

Nun werden freilich schon im späten Mittelalter die meisten deutschen Burgen „Schlösser“ genannt. Die Bezeichnung „Schloß“ hat sich im Volksmunde und auch in der Kartographie bis heute für zahlreiche Anlagen erhalten, die kein schloßartiges Gepräge tragen. Selbst Ruinen, Ringwälle, Burgställe und, im übertragenen Sinne, Felsenpartien werden als „Schlösser“ bezeichnet.

In den romanischen Sprachen und im Englischen sind die Worte „castello“, „château“ oder „castle“ vom lateinischen „castellum“ abgeleitet. Sie bedeuten sowohl „Burg“ als auch „Schloß“, betonen aber gerade die Herkunft vom römischen Wehrbau, die für den eigentlichen Schloßbau nicht mehr gilt. Allerdings spielt der italienische Kastelltypus eine wichtige Rolle für die architektonische Auffassung des Schlosses.

Mit dem Schloß lebt auch eine Bezeichnung wieder auf, die schon in der Burg für das repräsentative Gebäude gebraucht wurde; das Palatium, der Palas, die Pfalz werden nun als der Palast, il palazzo, le palais abermals gebräuchlich. Viele deutsche Stadtschlösser heißen einfach „Palais“. Es ist daran zu erinnern, daß der Ursprung dieses Namens auf dem römischen Hügel Palatin zu suchen ist, wo die Kaiserhäuser der Hauptstadt des Imperium Romanum standen.

Zwei französische Sonderbezeichnungen bedürfen noch einer Erläuterung: das „Manoir“ hat keine Entsprechung im Deutschen; man versteht darunter ein ländliches Kleinschloß. „Hôtel“ ist der Name für die Stadtresidenzen des Adels; er kommt dem deutschen „Hof“ mit der Angabe des Besitzers gleich. Auch die italienische „Villa“ der Renaissance ist ein Landschloß, das in dieser Eigenart im deutschen Kulturgebiet nur vereinzelt begegnet.

Die Zahl der Schlösser im deutschen Volks- und Kulturraum darf (nach Curt Tillmann) auf rund 6600 beziffert werden. Viele davon sind an der Stelle und unter Benutzung von älteren Burganlagen erbaut worden. Es bleiben etwa 3500 Neuschöpfungen.

Die Zeit des Schlösserbaus kann man von etwa 1550 bis zum Ersten Weltkrieg rechnen. Oder, um es mit regierenden Persönlichkeiten zu kennzeichnen: von Karl V. bis zu Franz Joseph oder zu Wilhelm II. Die Stilepochen der Renaissance, des Barocks, des Klassizismus und des Historismus mit all ihren Nuancierungen sind in diesem 11 Generationen umfassenden Zeitraum enthalten. In der Betrachtung der Schlösser werden Glanz und Tragik des habsburgischen Reiches, in dem die Sonne nicht unterging, ebenso sichtbar wie der Konfessionshader und die Verheerungen des 30jährigen Krieges, die Partikularisierung des Duodez, die durch den französischen Zungenschlag barocker Universalkultur gemildert wurde, die Freiheitskriege, die Revolutionen und Restaurationen, die Entdeckung der eigenen Vergangenheit und die Erneuerung des Reiches in Versailles 1871. Viele entscheidende Ereignisse spielten sich dabei in Schlössern ab.

Im Unterschied zu den Burgen, wo wir zwischen gewollten und gewordenen Kunstwerken unterscheiden mußten, ist im Schloßbau immer von Anfang an der schöpferische Wille der Bauherren und Baumeister tätig gewesen. Eine Adelsfamilie des 18. Jahrhunderts, die zahlreiche Schlösser und Kirchen errichten ließ, die Schönborn, bekannte von sich selbst, daß sie der „Bauwurmb“ plage.

Kleine Kunstgeschichte der deutschen Schlösser

Подняться наверх