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»Unternehmerische« Arbeitskraft, ungleiche Entwicklungschancen

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Mit der Neuordnung und Marktanbindung des Arbeitsverhältnisses ändern die Erwartungen an die Arbeitskraft. Wurden noch bis vor wenigen Jahrzehnten vor allem berufliche Perfektion, Zuverlässigkeit, Loyalität und die vorbehaltlose Umsetzung betrieblicher Anweisungen erwartet (und im besten Fall mit sicherer Beschäftigung honoriert), so sind inzwischen Fähigkeiten der Selbstorganisation, Initiative, Problemlösefähigkeit und Kundenorientierung stärker gefragt. Auf solche Ressourcen hat der Betrieb nicht ohne Weiteres Zugriff, sie müssen vom arbeitenden Subjekt in eigener Initiative gepflegt, mobilisiert und in den Dienst der beruflichen Aufgabe gestellt werden. Um dies zu erreichen, setzt die Personalführung immaterielle Anreize und andere »Motivationshilfen« ein.

Es findet somit eine kognitive und affektive Subjektivierung der Arbeitsleistung (Moldaschl 2003; Rau 2005) statt, die im Konzept der unternehmerischen Arbeitskraft ihren Ausdruck findet (Voß 2001; Schöni 2000). Diese ist zur Leitfigur des Managements geworden und passt zum flexibilisierten Arbeitsverhältnis.[2] Die unternehmerische Arbeitskraft steht für die erfolgreiche Kombination zweier Aspekte von Subjektivierung: der Selbstunterwerfung im Arbeitsprozess und der erfolgreichen Nutzung individueller Leistungspotenziale am Arbeitsmarkt. Die unternehmerische Arbeitskraft nutzt beides. Sie stellt ihr Leistungsvermögen dem Arbeit- oder Auftraggeber befristet zur Verfügung; dieser erhält so Zugriff auf hoch entwickelte Leistungsressourcen; sie sucht danach ein nächstes Arbeitsumfeld, erweitert ihr »Portfolio« und steigert ihren Marktwert.

In der Figur der unternehmerischen Arbeitskraft findet die »Subjektivierung« der Arbeitstätigkeit ihren verdichteten Ausdruck, was sich in den Qualifizierungsperspektiven niederschlägt. Qualifizierung wird zum persönlichen Anliegen, zur individuellen »Investition« und Selbstkapitalisierung (Wrana 2006, 9f.), die sich am Arbeitsmarkt in Einkommenszuwachs und Laufbahnschritten auszahlt – sich zuweilen aber auch als Fehlinvestition erweist. Ganz im Sinne dieser Subjektivierung richten viele Firmen ihre Personalpolitik explizit darauf aus, die »Arbeitsmarktfähigkeit« der Angestellten zu fördern; diese sollen im Gegenzug auf die Forderung nach Beschäftigungssicherheit verzichten. Studien zeigen indessen, dass weniger qualifizierte Personalgruppen von wirksamen Förderungsmaßnahmen sehr oft ausgeschlossen werden (Raeder & Grote 2003; 2007).

Da Beschäftigte mit Qualifikation, Leistungsfähigkeit, Gesundheit, sozialer und materieller Absicherung sehr unterschiedlich »ausgestattet« sind, verfügen sie über ungleiche Spielräume für Qualifizierungsaktivitäten: Hoch Qualifizierte, die frühzeitig gelernt haben, ihre Bildungsbiografie zu planen und ihr Portfolio zu bewirtschaften, suchen gezielt flexible Arbeitsverhältnisse und nutzen Entwicklungschancen, insbesondere wenn sie sich sozial und familiär nicht verpflichtet sehen. Weniger Qualifizierte verbleiben dagegen oft in konventionellen Arbeitsverhältnissen, für die geringe Qualifizierungschancen, betrieblich verordnete Flexibilisierung, Leistungsverdichtung und Entlassungsrisiken typisch sind. Der daraus erwachsende Druck ist umso höher, je größer die soziale und familiäre Verpflichtung dieser Personen ist.

Die ungleiche Verteilung beruflicher Entwicklungschancen und Ressourcen bildet sich in der Nachfrage nach berufsorientierter Weiterbildung ab. Wer in der Lage ist, seine Laufbahn zu optimieren, beansprucht Angebote des oberen Preissegments, die individualisiertes Lernen, gute Vernetzungsmöglichkeiten und prestigeträchtige Zertifikate bieten. Wer dagegen von Erwerbsrisiken bedroht oder arbeitslos ist, durchläuft mit größerer Wahrscheinlichkeit zugewiesene arbeitsmarktbezogene Maßnahmen (Nachholbildung, Bewerbungstrainings) oder bemüht sich um die Validierung nichtformaler Kompetenzen. Anbieterstrategien, Angebotsstrukturen und Finanzierungsmechanismen der Weiterbildungsbranche bestimmen darüber, mit welchen Angeboten die Nachfrage gedeckt wird (vgl. Kapitel 2).

Bildungswertschöpfung

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