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Trennung der Ethik von sittlichen Grundlagen

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Es ist ein interessanter Prozess, der mit der Ablösung der Ethik von sittlichen Grundlagen zu tun hat. Die Ethik kann sich gegen bestimmte sittliche Grundlagen wenden. Indem sie zum Beispiel die Menschenrechte verteidigt. Indem sie den Anspruch der Menschenrechte gegen unmenschliche, in diesem Fall wirklich verwerfliche Praktiken vertritt.

Ich persönlich glaube, dass auch die „Todesstrafe“, die in vielen Gesellschaften ebenfalls eine sittliche Tatsache ist, weil diese Gesellschaften glauben, es sei richtig, dass, wenn jemand ein Leben genommen hat, ihm auch das seine genommen wird. Auch da kann man sich fragen, ob das nicht eine ethisch fragwürdige, sittliche Tatsache ist. Darf denn ein Straftäter nur deshalb auch getötet werden, weil er getötet hat?

Ich persönlich bin der Ansicht dass die Menschenwürde auch den Übeltäter schützt. Auch derjenige, der zurecht im Gefängnis sitzt, der verurteilt wurde, hat eine Würde, die gewahrt werden muss.

Ich glaube, dass selbst die Tötung dessen, der getötet hat, zumindest ethisch fragwürdig ist, weil der „Würdeanspruch“ dem „Tötungsverlangen“ der Justiz oder einer Gesellschaft entgegensteht.

Sie sehen, es gibt sittliche Tatsachen, die ethisch umstritten sind, obwohl diese sittlichen Tatsachen unabgeleitet sind, obwohl sie zum Teil große Anerkennung finden. Dennoch ist die Ethik aufgerufen, sich gegen diese sittlichen Tatsachen auszusprechen.

Natürlich wird das unmittelbar nichts bewirken. Es wird also etwa keine Änderung der Rechtsverhältnisse in diesen Gesellschaften geben, aber es gibt ein Bewusstsein, das sogar weltweiten Charakter annehmen kann, wie am Beispiel der Frauenbeschneidung. Da hat dieses Bewusstsein schon weltweite Verbreitung gefunden. Ein weltweites Bewusstsein, das darin besteht, diese Praxis als unmenschlich und nicht bewahrenswert zu verurteilen.

Die Ethik kann auch dazu beitragen, dass solche Grundlagen oder sittlichen Tatsachen, die nicht zurechtfertigen sind, weil ihre Konsequenzen schlecht sind – nicht weil sie unabgeleitet sind, sondern weil die Konsequenzen schlecht sind – in Frage gestellt werden. Die Ethik hat in diesem Sinne auch eine Aufklärungspflicht, eine Kritikpflicht; die sie in diesem Fall unbedingt wahrnehmen sollte.

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