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Ende August: Abschied

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Adam und Xanthoula Grigoraki hatten alle ihre Ferienwohnungen vermietet. Im Zorbas waren fast den ganzen Tag über Gäste zu sehen. Die meisten kamen aus Deutschland. Das im Mai noch verschlafen wirkende Lentas hatte jetzt Hochsaison. Im Ort machten jetzt auch griechische Familien vom Festland Urlaub. Am Morgen war Dimitrios vorbeigekommen und hatte die Bücher abgeholt. Prager hatte ihn gebeten, einige bei sich unterzustellen, sollte er in das eine oder andere einen Blick werfen wollen, bitte schön, nur zu. Dem Heiligtum des Asklepios konnte ein kundiger Führer nur gut tun. Am Samstag war Prager nach Mires gefahren, um seine letzten Einkäufe für Lentas zu erledigen.

Der Markt war einen Besuch wert. Es brodelte nur so von südländischer Geschäftigkeit. Er hatte sich Kartoffeln, Tomaten und Gurken einpacken lassen. Geschirr, Kleidung, Kitsch und Kunst waren für ihn weniger von Interesse, aber ihm gefiel das quirlige Leben eines einheimischen Marktes, der sich bis auf ein paar Äußerlichkeiten kaum von einem römischen Markt zur Kaiserzeit unterschied. Von einem Straßencafé aus beobachtete er das Treiben der Landleute, die zum Markttag in die Stadt gekommen waren. Ich mache ein Bild, verändere die Schärfe, stelle auf einem Zahlenkranz das Jahr 250 n. Chr. ein und stelle wieder scharf. Der Computer meines Fotoapparates lässt weg und fügt hinzu, was die eingestellte Zeit erforderlich macht. Natürlich müssen die Pick-ups verschwinden, die Menschen tragen keine Hosen, es gibt keine Plastikflaschen, aber sonst...

Prager zog sein graues Buch aus der Tasche und überflog die Eintragungen der letzten Tage. Am Dienstag wollte er nach Rethymnon . Er hatte mit Ingo Diewald von der Cretan International Community telefoniert. Über die CIC hatten sich nützliche Kontakte ergeben. Alle seine Vorträge, Ausflüge und Erkundungen wurden jetzt über diese Organisation vermittelt. Es gab hervorragende Verbindungen zu Reise-unternehmen und ganzen Hotelketten, die ihren Kunden nicht nur Sonne, Strand und gutes Essen anbieten, sondern auch Kretas kulturelles Erbe nahebringen wollten. Seine wissenschaftlichen Vorträge über Kretas römische Zeit waren mittlerweile so nachgefragt, dass Prager jetzt ein deutliches Stoppzeichen geben musste. Er war schließlich kein Animateur, sondern Privatgelehrter. Die konnten ruhig wissen, dass er auf das Geld nicht angewiesen war, aber es war gut, sich hier ein gewisses Renommée verschafft zu haben.

Zu den Mitgliedern der CIC gehörten auch Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater und Immobilien-berater. Mit Stelios Papadakis, einem erfahrenen Immobilienhändler wollte Prager über den Kauf eines Hauses auf der Osthälfte der Insel reden. Für 200 000 € ließ sich auf Kreta schon ein stattliches Haus erwerben. Mit dem Kauf eines Hauses ab einer Kaufsumme von mehr als 250.000 € war eine unbefristete Aufenthalts-genehmigung verbunden. Er musste noch einmal nachfragen, ob es stimmte, dass EU-Bürger jetzt uneingeschränkt Immobilien kaufen konnten. Er benötigte allerdings noch eine griechische Steuernummer, ein Energiezertifikat, eine Legalisierungsbescheinigung, eine Original-baugenehmigung sowie verschiedene Belege vom Finanzamt. Ingo Diewald hatte für ihn schon Kontakte zu Anwalt und Notar aufgenommen, doch die griechische Bürokratie war nicht gerade für ihre Eilfertigkeit bekannt. Für die Monate September und Oktober hatte er eine schöne Ferienwohnung bei Sitia gesucht und gefunden. Vorsichtshalber hatte er eine Wohnung genommen, die auch beheizbar war. Die meisten Hotels schlossen Ende Oktober/Anfang November, dann war die Insel von Touristen weitgehend entleert.

Sitia lag nicht allzu weit von der kleinen Insel Koufonisi entfernt. Die Insel war in antiker Zeit eine wichtige Station für Schwammfischerei und die Verarbeitung von Purpurschnecken aus denen der teure Purpurfarbstoff genommen wurde. Ausgrabungen hatten ein gut erhaltenes Theater und Reste eines öffentlichen Bades ans Tageslicht gebracht. Das Theater wies einmal zwölf Sitzreihen auf und konnte bis zu tausend Menschen aufnehmen. Ein Kuriosum, wenn man bedenkt, dass die Insel heute außer Fels und weißem Sand nichts zu bieten hatte. Nun ja, das war nicht ganz richtig. In der Hauptsaison brachten Ausflugsschiffe täglich von Makry Gialos aus Touristen an die Strände von Koufonisi. Ganz unbelebt war die Insel also zumindest den Sommer über nicht.

Prager bestellte einen zweiten Kaffee. Dieser Kübler bereitete ihm unnötigen Ärger. Walter und Roswitha wollten Anfang Oktober nach Kreta kommen. Diewald hatte ihm Walters Brief zugeschickt. Walter wusste also nicht, wo er sich aufhielt. Prager nahm den Brief aus der Tasche und las ihn noch einmal durch: Sehr geehrter Herr Prager! Ich habe Ihren Artikel über die Purpurschnecken im Internet entdeckt und habe mit großem Interesse gelesen, welche Bedeutung die Farbe Purpur für die römischen Kaiser hatte. Unglaublich, wenn man sich vorstellt, dass beispielsweise für die Tunika eines Herrschers 10.000 Schnecken ihr Leben lassen mussten. Es war nicht zuletzt Ihr kulturgeschichtlicher Beitrag, der mich und meine Frau Roswitha veranlasste, eine Reise nach Kreta zu buchen. Unser Hotel ist in Sitia und von dort ist es ja nicht weit zu der von Ihnen beschriebenen Insel Koufonisi. Ich hoffe, Sie finden es nicht unverschämt, wenn ich nun folgende Bitte an Sie richte: Sehr geehrter Herr Prager, es wäre für mich und meine Frau ein außerordentliches Ereignis, wenn wir an einer Ihrer Führungen teilnehmen dürften. An die Möglichkeit einer privaten Führung auf der Insel Koufonisi wagen wir gar nicht zu denken. Wir sind von Anfang bis Mitte Oktober auf Kreta. Wenn Sie etwas Zeit für Ihre Landsleute vom Kaiserstuhl übrig hätten, bitte ich um Benachrichtigung, gerne auch über die Cretan International Coommunity. Herzliche Grüße, Walter Kübler.

Er könnte das Schreiben ignorieren aber dieser Kübler war nicht zu unterschätzen: Nach außen ein Biedermann aber von Natur aus der geborene Schnüffler.

Die Keule des Herakles

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