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Vorwort

Jede Einführung steht im Kampf einerseits mit Bergen an Literatur und andererseits mit einem begrenzten Umfang. Wenn es dann noch um Ethik geht und dabei um eine konfessionelle Ethik in der Zeit des Pluralismus, wird die Gefahr eines Hin und Her zwischen Scylla und Charybdis noch größer. Um nicht zerrieben zu werden, ist deshalb von vornherein eine Begrenzung nötig, die den Aufbau dieses Buches bestimmt.

Nach einer kurzen Charakterisierung aktueller anderer Einführungen in die Ethik und der Klärung von Grundbegriffen im ersten Teil geht es um das generelle Problem einer theologischen Ethik im Pluralismus. Sie hat nicht mehr das Deutungsmonopol für menschliches Verhalten, sondern muss sich mit anderen Begründungsformen auseinander setzen. Dies hat zur Folge, dass sie auf eine rational nachvollziehbare Weise argumentieren muss, wenn sie im ethischen Diskurs wahrgenommen werden will.

Diese Feststellung führt zum zweiten Teil und zur Frage nach den Argumentationsweisen evangelischer Ethik, auf die die theologische Ethik hier reduziert wird. Mit Luther, Calvin und Schleiermacher stelle ich drei wesentliche und historisch wirksame Ansätze vor, die ich um sieben weitere aus dem zwanzigsten Jahrhundert ergänze. Es wird deutlich, dass evangelische Ethik zwischen den Polen von Universalismus, Traditionalismus und Partikularismus steht, aber über das persönliche Selbstverständnis der Menschen in der Lage ist, deren Handeln nicht als heteronom bestimmt zu begreifen. Damit steht sie in der grundsätzlichen Möglichkeit, sich am allgemeinen ethischen Diskurs beteiligen zu können, ohne sich den Vorwurf der Redundanz oder Destruktivität einzuhandeln. Mit dem ersten ist gemeint, dass eine theologische Ethik ohnehin nichts anderes als allgemeine Ethik sagt und deshalb letztlich überflüssig ist. Mit dem zweiten ist die theologisch häufige Argumentationsweise kritisiert, alles Tun auf Gebote Gottes zurückzuführen und damit eine vernünftige ethische Diskussion zu zerstören, die zugleich andere Positionen disqualifiziert, die nicht von ihren Voraussetzungen ausgehen.

Dagegen möchte ich darlegen, dass eine evangelische Ethik einerseits einen eigenen Beitrag zur ethischen Diskussion leistet und sich andererseits einer allgemeinen Ethik vermitteln kann. Im dritten Teil entwickle ich dazu den Ansatz einer evangelischen Ethik anhand der theologischen Grundbegriffe Liebe, Freiheit und Gerechtigkeit. Liebe ist das grundlegende von Gott ausgehende Geschehen der Rechtfertigung der Menschen, die dadurch Freiheit erhalten und ihr Leben im Raum der Kultur gestalten können. Das ermöglicht ihnen, die eigenen Lebensverhältnisse in Gerechtigkeit zu ordnen. Wegen des grundsätzlichen Bezuges evangelischer Ethik auf biblische Aussagen habe ich den Sachverhalt der drei theologischen Begriffe exegetisch entwickelt. Diese konfrontiere ich mit nicht-metaphysisch argumentierenden Ansätzen philosophischer Ethik, um einen größtmöglichen Adressatenkreis von Ethik-Interessierten zu erreichen, denen es um ein rational nachvollziehbares Handeln geht. Auf diese Weise kann dann die allgemeine Nachvollziehbarkeit evangelischer Ethik deutlicher werden.

Aufgrund der aufgezeigten Anknüpfungspunkte zeigt sich die Anschlussfähigkeit evangelischer Ethik an die heutige philosophisch-ethische Debatte, die hier als Beispiel für die Beachtung der Weltwirklichkeit gilt. Dieses Ergebnis überprüfe ich am Sachverhalt der Wirtschaftsethik, um zugleich die Aufeinanderbeziehung von Individual- und Sozialethik deutlich zu machen, was in der abschließenden Zusammenfassung an den Begriffen von Norm und Spontaneität geschieht. Als Ergebnis kann dann die Bedeutung evangelischer Ethik für die Achtung des Anderen gesehen werden, gleich, ob es sich dabei um andere Menschen oder die Umwelt handelt. Auch wenn die evangelische Ethik an eine partikulare Gruppe adressiert ist, so hat sie damit doch einen universalen Erstreckungshorizont. Dieses festzuhalten bedeutet, dass diese Ethik Hüterin einer allgemeinen Humanität sein kann.

Fragen der materialen Ethik, bei denen Handlungsstrategien im Anschluss an die Bildung des ethischen Urteils entworfen werden, bedingen eine ausführliche Darlegung der jeweiligen Problemkonstellationen, wenn nicht oberflächlich oder letztlich doch wieder gesetzlich argumentiert werden soll. Da sie den Rahmen dieser Einführung sehr erweiterten, müssen sie hier unberücksichtigt bleiben.

Die durchgehend nummerierte Bibliographie, deren übernommene Ziffer als erste im Nachweis eines Zitates die jeweilige Literatur und als zweite die zitierte Seite bezeichnet, führt – bei aller notwendigen Beschränkung – wesentliche Werke aus der neueren evangelischen Ethik auf und nennt bei der Sekundärliteratur vor allem grundlegende und weitere Literatur erschließende Werke.

Abschließend möchte ich Karin Buß für die viele Geduld bei der Erstellung des Manuskripts herzlich danken. Die Gespräche und die gemeinsame Arbeit an diesem Thema mit Dr. Barbara Müller waren für diese Einführung entscheidend; deshalb möchte ich ihr dieses Buch zueignen.

Juli 2000

W. E. Müller

Evangelische Ethik

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