Читать книгу Die verrückte Viererbande - Wolfram Hanel - Страница 6

1. Kapitel

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Ich habe den Kopf auf die Pfoten gelegt und blinzle müde in die Sonne. Heute ist mal wieder so ein Tag, an dem nichts los ist auf dem Hof. Gar nichts! Null. Niente. Nada. Es ist dermaßen tote Hose, dass sogar die Fliegen vor Langeweile von der Stallwand fallen! Und das will was heißen. Weil Fliegen nämlich eigentlich nie von der Wand fallen.

Aber ich lüge nicht. Drei liegen schon auf dem Boden und rühren sich nicht mehr. Ich habe mitgezählt! Und ich kann sie gut verstehen. Seit der Bauer vorhin weggefahren ist, ist nichts passiert, außer dass sich der bucklige Kater durch die Hintertür ins Haus geschlichen hat. Was nichts Neues ist, weil er sich immer ins Haus schleicht, sobald der Bauer mal nicht aufpasst. Und es ist auch nichts Neues, dass gleich darauf in der Küche irgendwas laut scheppernd auf den Boden knallt.


Wahrscheinlich ist der Kater wieder mal auf den Küchentisch gesprungen, um die Schüssel mit dem Milchkaffee vom Bauern abzuschlecken, überlege ich. Und dabei hat er mit seinem dicken Angeberschwanz die Thermoskanne vom Tisch gefegt. Aber es ist ja nicht mein Problem, was der Kater da drin anstellt. Interessiert mich nicht. Will ich gar nicht wissen. Der Kater geht mir nämlich schon länger ganz gewaltig auf den Zeiger! Und ich warte nur darauf, dass der Bauer ihn endlich mal erwischt, wenn er bis zu den Ohren in der Milchkaffeeschüssel steckt und so laut schmatzt, dass er noch nicht mal hört, wie die Thermoskanne hinter ihm auf den Boden knallt. Also der Kater steckt mit dem Kopf in der Milchkaffeeschüssel, meine ich, nicht der Bauer! Der steht ja hinter ihm und erwischt ihn gerade.

Aber leider sieht die Wirklichkeit mal wieder ganz anders aus. Leider ist der Kater nämlich nicht doof. Und er schafft es jedes Mal, sich gerade noch rechtzeitig zu verdrücken, bevor der Bauer wieder zurückkommt.

Aber egal, was für ein Chaos der Kater im Haus angerichtet hat – der Bauer schimpft immer nur mit mir! Oder mit Müsli. Selbst wenn die klebrigen Pfotenabdrücke auf dem Fußboden eindeutig zum Kater gehören. Und obwohl jeder Depp genau weiß, dass Hunde ganz bestimmt nicht auf der Fensterbank rumturnen und dabei die Blumentöpfe runterwerfen. Und dass Ponys auch keine toten Mäuse hinter dem Fernseher verstecken. Der Bauer schimpft trotzdem jedes Mal entweder mit mir oder mit Müsli.

Dabei war Müsli erst ein einziges Mal in der Küche, und das auch nur mit dem Kopf! Weil nämlich gerade das Fenster offen war und direkt dahinter die Tüte mit dem Müsli stand. Die dann plötzlich leer war, als der Bauer sie wieder ins Regal räumen wollte. Weshalb Müsli ja auch Müsli heißt! Weil sie hinterher behauptet hat, für eine Tüte Müsli würde sie glatt darauf verzichten, dem Bauern bei jeder Gelegenheit seine Hustenbonbons zu klauen. Obwohl die echt lecker sind! Und richtig schön knacken, wenn man draufbeißt.

Aber im Übrigen würden Müsli und ich auch nie auf die Idee kommen, ausgerechnet die Schüssel mit dem Milchkaffee vom Bauern auszuschlecken. Wir sind doch nicht bescheuert! Ich meine, der Bauer trinkt seinen Milchkaffee immer mit so viel Zucker, dass man hinterher kaum noch die Zähne auseinanderkriegt!

Nur leider kapiert es der Bauer einfach nicht. Und wenn er sich dann wieder mal so aufregt, dass sein Kopf knallrot anläuft und ich und Müsli schon denken, er platzt gleich, dann kommt prompt der bucklige Kater wieder angeschlichen und schnurrt dem Bauern so lange um die Beine, bis der ihn hochnimmt und sagt: „Was würde ich nur ohne dich machen, mein Tigerchen? Komm, wir gehen in die Küche und teilen uns eine schöne Dose Ölsardinen. Ein Sardinchen für mich, ein Sardinchen für mein Dickerchen, eins für mich, eins für dich.“

Vorhin habe ich sogar schon überlegt, ob ich nicht einfach die Tür von außen zuwerfen und einen großen Stein davorschieben soll. Damit der Kater nicht mehr rauskommt und der Bauer endlich mal mitkriegt, wer hier auf dem Hof eigentlich der miese Verräter ist.

Aber dann war es gerade so schön gemütlich in der Sonne! Und ich war einfach zu faul, um extra aufzustehen und einen passenden Stein zu suchen. Deshalb bin ich liegen geblieben und habe nur gedacht, dass das Leben als Hund manchmal echt anstrengend ist. Vor allem wenn man sich auch noch mit einem buckligen Mäusefänger herumärgern muss. Und mit einem Bauern, der nichts auf die Reihe kriegt!

Wobei der Bauer nicht der Einzige ist, der hier nichts auf die Reihe kriegt. Genau vor meiner Schnauze versucht nämlich gerade ein großer, blau schillernder Mistkäfer an einem Grashalm nach oben zu klettern.

Das kann natürlich nicht gut gehen. Der Käfer ist viel zu schwer, und er hat noch nicht mal die Hälfte geschafft, als der Grashalm anfängt, sich zu biegen. Erst nur ein bisschen, dann immer mehr und mehr – und dann verliert der Käfer das Gleichgewicht und stürzt ab. Peng!

Jetzt liegt er auf dem Rücken und strampelt hilflos mit den Beinen. Ich stupse ihn vorsichtig mit der Schnauze an, sodass er herumrollt und seine Beine wieder benutzen kann. Und was macht der Spinner daraufhin? Ich glaube es ja wohl nicht mehr! Der Idiot krabbelt los und klettert schon wieder auf denselben Grashalm! Und natürlich muss ich noch nicht mal bis zehn zählen, bis er wieder unten liegt …

Aber diesmal soll er gefälligst selbst sehen, wie er zurechtkommt. Ich bin ja schließlich kein Mistkäfer-Hütehund.

Ich stehe also auf und strecke mich. Und gähne. Und strecke mich noch mal. Dann mache ich einen Schritt über den Käfer hinweg, um zur Apfelbaumwiese hinüberzulaufen. Aber nach ein paar Metern bleibe ich dann doch stehen und kehre noch mal um. Diesmal nehme ich die Pfote, um dem Käfer auf die Beine zu helfen. Und dann renne ich in großen Sprüngen davon, um nicht sehen zu müssen, wie der Käfer weiter den Idioten spielt.

Müsli steht wie üblich unter einem der alten Apfelbäume und scheuert sich das Fell an dem Stamm. Als ich bei ihr bin, beugt sie den Kopf, und wir reiben die Nasen aneinander. Das machen wir immer so zur Begrüßung. Dann kläffe ich kurz. Und Müsli pustet mir heiße Luft ins Gesicht. Ich ducke mich und knurre. Müsli schüttelt die Mähne und grummelt. Es klingt ein bisschen wie der alte Trecker vom Bauern, der immer hustet und dicke Qualmwolken aus dem Auspuff spuckt, bevor er endlich anspringt.

Aber Müsli ist auch bestimmt schon genauso alt wie der Trecker. Vielleicht sogar noch älter! Sie war schon auf dem Hof, als ich noch so klein war, dass ich über meine eigenen Pfoten gestolpert bin. Trotzdem ist Müsli immer noch ganz schön schnell. Und sie kennt ein paar Tricks, auf die ich immer wieder reinfalle. Obwohl ich eigentlich längst wissen müsste, dass Müsli sich nie an die Spielregeln hält. Und prompt passiert wieder das, was immer passiert …

Als ich jetzt bellend vor ihr im Kreis über die Wiese renne, macht sie plötzlich einen Sprung zur Seite und schneidet mir den Weg ab. Ich stemme alle vier Pfoten gleichzeitig auf den Boden, aber es ist schon zu spät. Müsli streckt ihren Kopf vor und wirft mich einfach um! Und wiehert dabei auch noch fröhlich. Dann galoppiert sie so schnell los, dass ich Mühe habe, ihr zu folgen. Ich hole sie erst rein, als wir schon fast am Zaun sind.

„Erster!“, schnaubt Müsli zufrieden.

„Das gilt nicht“, japse ich. „Du hast gemogelt!“

„Ponys sind schlauer als Hunde.“

„Sind sie nicht.“

„Sind sie doch.“

„Okay“, meine ich und tue so, als würde ich angestrengt überlegen. „Dann sag mir doch mal, was das ist: Es ist kleiner als wir, und es hat nur zwei Beine und glaubt, dass es fliegen kann.“

„Das ist einfach“, kichert Müsli. „Adler natürlich!“

„Genau! Und deshalb stehst du da auch gerade ein bisschen ungünstig im Weg rum …“

Ich habe nämlich längst gesehen, was hinter Müsli los ist. Und jetzt werfe ich mich keine Sekunde zu früh flach auf den Boden. Nur Müsli ist zu langsam!

Die verrückte Viererbande

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