Читать книгу Dein Kuss schmeckt nach Tränen, schöne Laura - A. F. Morland - Страница 6
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Оглавление„Ben! He, Ben Härtling, warte!“
Ben, der den roten Kleinwagen aufschloss, der seiner Zwillingsschwester Dana und ihm gehörte, drehte sich nach dem Mädchen um, das ihn soeben gerufen hatte.
Sie war hübsch und dunkelhaarig, hatte sanfte braune Augen und ein bezauberndes Lächeln. „Bylle“, sagte der achtzehnjährige Sohn des Klinikchefs Dr. Sören Härtling überrascht.
Sibylle „Bylle“ Klingmann ging mit ihm zwar in dieselbe Schule, aber nicht in dieselbe Stufe. Sie blieb vor ihm stehen, trug blau weiß gestreifte Bermudas und ein blaues T-Shirt mit dem Aufdruck 'Do You Think I’m Sexy?'
„Hi“, sagte sie betont lässig.
„Hi“, gab Ben abwartend zurück. Warum war Bylle ihm nachgelaufen?
„Wie geht es deiner Schwester?“, wollte sie nun wissen.
„Dana?“
Sibylle lachte. „Hast du noch eine Schwester?“
„Ja“, nickte Ben. „Josee.“
„Ach so“, sagte Sibylle Klingmann. „Wie alt ist Josee?“
„Zehn.“
Sibylle schmunzelte. „Ein Nachzügler.“
„Ja“, gab Ben zurück und er fragte sich noch einmal, was das Mädchen von ihm wollte. Er fand sie sehr nett und er hatte sich schon mal überlegt, ob er sie fragen sollte, ob sie mit ihm ins Kino gehen würde. Warum hatte er es eigentlich nicht getan? Ach ja, sie war, als er sich einen Ruck gegeben hatte, auf dem Schulhof mit Herbert Martens aufgetaucht. Hand in Hand. Damit war für Ben die Angelegenheit natürlich erledigt gewesen.
„Ich meine Dana“, sagte Sibylle Klingmann.
„Sie bellt noch' wie Zerberus, der Höllenhund und Josee auch.“
„ Kann dein Vater ihnen denn nicht helfen?“, fragte Sibylle. „Er ist doch Arzt.“
„Meine Mutter ist ebenfalls Ärztin“, sagte Ben Härtling.
„Noch besser.“
„Aber sie können beide nicht hexen“, meinte Ben. „So eine Erkältung dauert eben ihre Zeit.“
Sibylle lachte vergnügt. „Dann stimmt es also: Wenn man zum Arzt geht, dauert ein Schnupfen eine Woche. Geht man nicht zum Arzt, dauert er sieben Tage.“
„So ungefähr.“
Sibylle zeigte auf das kleine, nicht mehr ganz neue rote Auto, das Dana und Ben zum achtzehnten Geburtstag bekommen hatten. „Niedlicher Wagen. Wie bist du damit zufrieden?“
„Er läuft klaglos und verbraucht wenig Sprit.“
„Nimmst du mich ein Stück mit?“, fragte Sibylle.
„Wohin willst du?“
„Du brauchst meinetwegen keinen Umweg zu machen“, erklärte Sibylle. „Fahr einfach nach Hause und lass mich zwei Kreuzungen davor aussteigen.“
„Okay. Steig ein.“
Sie setzten sich in den Wagen und Ben hoffte, dass der Motor gleich beim ersten Startversuch ansprang. Er wollte mit dem Auto schließlich einen guten Eindruck auf Sibylle machen. In letzter Zeit hatte es hin und wieder Startprobleme gegeben. Entweder waren die Zündkerzen verrußt oder es befand sich Feuchtigkeit im Verteilerkopf, weil dieser vielleicht nicht mehr ganz dicht war. Oder die Zündung gehörte geringfügig nachgestellt. Kleinere Reparaturen nahm Ben an dem Wagen selbst vor. Erstens, um Geld zu sparen und zweitens, weil es ihm Spaß machte, das kleine Gefährt in Schuss zu halten.
In letzter Zeit hatte er aber zu viel für die Schule pauken müssen und daher keine Zeit gehabt, den Wagen auf Vordermann zu bringen.
Er baute sicherheitshalber vor, indem er sagte: „Derzeit tut er sich hin und wieder mit dem Anspringen ein bisschen schwer. Ich muss das in den nächsten Tagen mal beheben.“
Sibylle sah ihn beeindruckt an. „Du?“
Er grinste. „Wieso erstaunt dich das so sehr?“
„Verstehst du denn was davon?“
„Bei den älteren Fahrzeugen kennt man sich, wenn man ein Bastler ist, relativ bald aus“, erklärte Ben. „Die haben keine allzu komplizierte Technik. Die Autos der neuen Generation verfügen jedoch schon über sehr viel Elektronik. Da wird’s schwierig.“ Er drehte den Schlüssel im Zündschloss und der Motor sprang sofort an.
„Ist doch alles in Ordnung“, lachte Sibylle Klingmann. „Ich befürchtete schon, anschieben zu müssen.“ „Ich hätte dich doch nicht anschieben lassen!“ Bens Erwiderung klang beinahe entrüstet.
Sibylle schenkte ihm ein warmes inniges Lächeln. „Und da heißt es immer, es gibt keine Kavaliere mehr.“ Ben fuhr los. „Hoffentlich erklärt mir Herbert Martens morgen nicht den Krieg.“
Um Sibylles Mund erschien ganz kurz ein harter Ausdruck. „Warum sollte er?“
„Na ja, du sitzt in meinem Auto...“ „ Ich kann fahren, mit wem ich will“, erklärte Sibylle Klingmann trotzig. „Außerdem: Du nimmst mich ein Stück mit, was ist da schon groß dabei?“
Ben wiegte den Kopf. „Manche Leute könnten etwas hineingeheimnissen.“
„Mich kümmert das doofe Gerede anderer nicht. Dich etwa?“
„Nein“, antwortete Ben Härtling, „mich auch nicht.“
Sibylle schwieg kurz und schaute zum Seitenfenster hinaus. Schließlich sagte sie: „Im übrigen ist es aus mit Herbert.“
„Aus?“ Ben war überrascht und erfreut zugleich.
„Wir treffen uns nicht mehr.“ „Hast du ihm den Laufpass gegeben?“, fragte Ben. Ein Radfahrer wollte auf dem Radweg das Tempo des Kleinwagens mithalten, schaffte es aber nur auf ein paar hundert Meter, dann musste er nachlassen.
„Er hat mich sitzenlassen“, erzählte Sibylle Klingmann, ohne die geringste Verlegenheit.
„Er dich?“, fragte Ben verblüfft. „Ist er denn total bescheuert? Ein Mädchen wie dich lässt man doch nicht...“
Sie legte ihm sanft die Hand auf den Arm. Er zuckte wie elektrisiert zusammen. „Lieb, dass du das sagst, Ben, aber du brauchst mich nicht zu trösten. Es hat überhaupt nicht weh getan. Ich wollte ohnedies Schluss machen. Herbert ist mir lediglich zuvorgekommen.“
„Und nun...?“ Bens Herz schlug ein wenig schneller. Er begann, sich Hoffnungen zu machen.
Sibylle hob die Schultern. „Ich genieße meine wiedergewonnene Freiheit.“
Ben musste auf den etwas dichter gewordenen Verkehr achten, deshalb konnte er das dunkelhaarige Mädchen im Moment nicht ansehen. „Hör mal, Bylle, ich...“
„Ich muss dir etwas anvertrauen, Ben“, fiel Sibylle ihm ins Wort.
„Was denn?“
„Weißt du, was ein Postillon d’amour ist?“, fragte Sibylle Klingmann.
„Klar.“
„Als so etwas sitze ich hier neben dir“, erklärte Sibylle.
„Du?“ Ben warf ihr kurz einen verblüfften Blick zu. „Als Postillon? Wessen Bote bist du?“
„Amandas“, antwortete Sibylle. „Sie ist meine beste Freundin, wie du vielleicht weißt.“ Amanda Femesberger war die bildhübsche Tochter eines bekannten Sektfabrikanten. Sie hätte jeden Jungen in der Schule haben können, deshalb konnte Ben nicht verstehen, dass sie sich ausgerechnet ihn ausgesucht hatte. Er hielt sich für nichts Besonderes.
„Ist Amanda denn nicht mehr mit Rigo Wolf zusammen?“, fragte er.
Sibylle Klingmann lachte leise. „Du bist nicht auf dem laufenden, mein Freund. Die Sache mit Rigobert Wolf gehört der Vergangenheit an, ist bereits Geschichte.“
„Liebe Güte“, stieß Ben verwirrt hervor, „was ist denn auf einmal los?“
Sibylle zuckte die Achseln. „Alte Freundschaften gehen zu Ende, neue beginnen.“
„Was will Amanda von mir?“
„Dreimal darfst du raten.“
„Wie kommt sie auf mich? Ich meine...“
„Du gefällst ihr schon lange“, behauptete Sibylle Klingmann. „Ruf sie doch mal an. Am besten gleich heute. Ihre Nummer steht im Telefonbuch.“ Sie tastete nach dem Türöffner, als wollte sie während der Fahrt aussteigen. „So, damit ist meine Mission erfüllt. War nett, mit dir zu plaudern. Lass mich bitte dort vorne raus.“
Völlig verstört kam Ben der Aufforderung nach. Er hatte gedacht, demnächst eventuell mal mit Sibylle ausgehen zu können, doch die schien von Jungs fürs erste die Nase voll zu haben, aber ihre beste Freundin war an ihm interessiert. Nie im Leben hätte er mit einer solchen Entwicklung gerechnet. Er hatte immer gemeint, Amanda Femesberger wäre für ihn unerreichbar. Wie man sich doch irren konnte!
Ben merkte gar nicht, dass Sibylle bereits ausgestiegen war, so verwirrt war er. „Viel Glück“, sagte sie und warf die Tür zu.
Viel Glück? Wie? Was? Wo?Bei wem? Ach so, ja, bei Amanda. „Danke“, gab er geistesabwesend zurück. Hinter ihm plärrte eine Hupe. Das brachte ihn in die Realität zurück. „Ja, ja!“, rief er ärgerlich. „Ich fahr’ ja schon. Warum hast du’s denn so furchtbar eilig?“ Er winkte Sibylle. „Ciao, Bylle. Wir sehen uns morgen in der Schule.“
Die Hupe ertönte wieder Ben musste Gas geben.