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Die Bar hatte den wohlklingenden Namen „Salome“ und gehörte einem Mann, der ein nicht ganz astreines Leben hinter sich hatte: Lorne Rogers. Früher war er die Brutalität und Rücksichtslosigkeit in Person gewesen.

Sein Name hatte in der New Yorker Unterwelt einen gewissen Klang gehabt. Er war mit fast allen Bossen auf Du und Du gewesen, und sie konnten ihn jederzeit um einen Gefallen bitten.

Einbruch, Raub und viele Gewaltdelikte gingen auf sein Konto. Gute Anwälte boxten ihn aber immer wieder geschickt aus der Klemme. Zeugen wurden eingeschüchtert, so dass sie vor Gericht umfielen, und so blieb es Lorne Rogers all die Jahre erspart, die Gastfreundschaft des Staates in Anspruch nehmen zu müssen.

Als er auf die Vierzig zuging, wurde er etwas ruhiger. Bestimmt kam das auch daher, dass ihn eines Tages ein Konkurrent abzuservieren versuchte – und es beinahe geschafft hätte.

Sechs Wochen lang lag er in der Intensivstation und rang mit dem Tod. Er sagte der Polizei nicht, wer auf ihn geschossen hatte, obwohl er es genau wusste.

Da es ein offenes Geheimnis war, dass Bodo Biggs die Schüsse abgefeuert hatte, wollte die Polizei dafür sorgen, dass der Mann nicht „zufällig“ zu Schaden kam.

Als die Cops ihn abholen wollten, sprang er aus dem Fenster. So lautete die offizielle Version. Die inoffizielle wusste zu berichten, dass Bodo Biggs aus dem Fenster geworfen worden war.

Kein Selbstmörder schreit so markerschütternd, wie es Biggs getan hatte, als er in die Tiefe fiel. Als das geschah, lag Lorne Rogers immer noch im Krankenhaus, und es war unmöglich, ihm einen Mordauftrag anzuhängen.

Nach dem Krankenhausaufenthalt zog sich Rogers für ein Jahr aufs Land zurück. Er mietete am Fuße der Catskills eine Farm und lebte da friedlich mit seinen engsten Freunden.

Zwölf Monate später sah ihn New York wieder, und die Nachricht machte die Runde, dass er nicht mehr derselbe wäre. Vor dem Auge des Gesetzes brach er alle Brücken zu Verbrecherorganisationen ab. Jeder, der es hören wollte, erfuhr von ihm, dass er die Absicht hatte, ein neues Leben zu beginnen.

Niemand wollte so recht glauben, dass sich Lorne Rogers unter dem Mäntelchen der Seriosität, das er sich umgehängt hatte, wohlfühlte, aber von krummen Touren kam keinem mehr etwas zu Ohren.

Lebte Rogers von nun an tatsächlich sauber? Oder war er nur noch vorsichtiger geworden? Rogers kaufte sich im Herzen von Manhattan eine Bar.

Geld besaß er genug, und so ließ er sie nach seinen Vorstellungen umbauen und gab ihr den Namen „Salome“. Als Gast war jeder willkommen, der bezahlen konnte.

Rogers verpflichtete gute Künstler, die bei ihm auftraten und für Stimmung sorgten, und er bewies ein Händchen fürs Geschäft, wodurch es ihm gelang, sich mit seiner Bar in New Yorks Nachtleben sehr rasch zu etablieren.

Heute, zehn Jahre später, war Rogers’ Lokal so etwas wie eine Institution, an der Bount Reiniger nicht vorbeigehen konnte, denn Lorne Rogers erzielte beachtliche Umsätze.

Wenn die Schutzgeldgangster verrückt genug waren, hatten sie sich auch an ihn gewandt, um ihn zur Kasse zu bitten. Vielleicht waren es Newcomer, die nicht wussten, dass mit Rogers immer noch nicht gut Kirschen essen war.

Wer ihn sich zum Feind machte, tanzte auf einem Vulkan und spielte garantiert mit dem Leben, wenngleich Lorne Rogers das niemals zugegeben hätte. Die harte Welle von einst passte nicht mehr zu seinem heutigen Image, das er so sehr pflegte.

Die Bar war gut besucht. Bount Reiniger betrat das Lokal, und Musik aus den Fünfzigerjahren begrüßte ihn. Auf einer Bühne standen fünf farbige Sänger, die die Platters imitierten. Soeben sangen sie den Welthit „Only you“, und wenn man nicht hinsah, konnte man meinen, Lorne Rogers hätte tatsächlich diese legendäre Gesangsformation ins „Salome“ geholt.

Bount steuerte auf die eiförmige Theke zu. Er enterte einen Hocker, befolgte Toby Rogers Rat und bestellte sich einen Orangenjuice. Der Mixer, schick gekleidet, in weißem Jackett mit korrekt sitzender Fliege, musterte ihn kurz und schien zu wissen, wen er vor sich hatte.

Auch Bount Reiniger kam das Gesicht des Mannes bekannt vor. Er kramte in seinen Erinnerungen und sagte schmunzelnd: „Wie geht’s, Langfinger-John?“

Der Bursche zuckte zusammen, als hätte ihm Bount eine Ohrfeige gegeben. Sein Blick wieselte unruhig über die Gesichter der Gäste. Zum Glück hatte die Anrede niemand gehört.

„Ist es dir peinlich, wenn ich dich mit deinem Spitznamen anrede?“, fragte Bount.

Langfinger-John räusperte sich verlegen. „Nun ja, eine große Freude machen Sie mir damit nicht gerade.“

„Kann ich verstehen. Wie heißt du denn jetzt?“

„Für Sie – nur John.“

Bount grinste. „Aus alter Kameradschaft.“

„So ist es.“

„Siehst prächtig aus, John“, sagte Bount Reiniger anerkennend. „Ist aus dir auch ein anderer Mensch geworden?“

„Ich hatte es satt, immer mit der Angst zu leben, erwischt zu werden.“

„Lorne Rogers scheint einen großartigen Einfluss auf dich auszuüben.“

„Er gab mir ’ne Chance, und ich hab’ sie genützt.“

„Das war das Vernünftigste, was du tun konntest“, sagte Bount lobend. „Ist Rogers hier? Ich möchte mit ihm reden.“

„Augenblick“, sagte Langfinger-John und begab sich zum Haustelefon. Bount erinnerte sich noch sehr gut an die Zeit, als dieser Bursche alles mitgehen ließ, was ihm unter die Augen kam.

Der Detektiv hatte dem einstigen Ganoven insgesamt dreimal zu einer Haftstrafe verholfen. Das war mindestens neun Jahre her, und Langfinger-John schien ihm das nicht mehr krummzunehmen.

Wer ein Verbrechen verübt, muss damit rechnen, erwischt zu werden, wobei es ziemlich nebensächlich ist, ob von der Polizei oder einem rührigen Privatdetektiv.

„Mister Rogers erwartet Sie“, sagte John.

„Vielen Dank“, sagte Bount. Er wies auf seinen Drink. „Behalt ihn im Auge, damit ihn kein anderer kippt. Ich muss sparen.“

Langfinger-John wies in die Richtung, in die Bount gehen sollte. Bount Reiniger kam an einem beachtlichen Dekolleté vorbei, und das Mädchen, dem es gehörte, machte ihm schöne Augen.

Er seufzte und dachte: Tut mir leid, keine Zeit. Dienst ist Dienst und das da … na ja.

An der Tür stand zwar „Büro“, aber man gelangte nicht sofort zu Lorne Rogers. Der ehemalige Verbrecher wusste aus Erfahrung, dass viele Menschen schlecht sind, deshalb hatte er eine Sicherheitszone eingerichtet.

Es war ein kleiner Raum mit drei Sesseln, die um einen niedrigen Tisch gruppiert standen. Zwei Sessel waren besetzt. Das änderte sich jedoch, sobald Bount Reiniger die Tür öffnete, da flitzten die beiden Kerle nämlich hoch.

Es hatte den Anschein, als wär’s nur ein Mann, der sich neben einem Spiegel erheben würde, denn die zwei Knaben sahen völlig gleich aus. Bount wusste, wen er vor sich hatte: die Czukor-Zwillinge.

Einer hieß Ivan, der andere Ferenc. Welcher von beiden wer war, wussten wahrscheinlich nur sie selbst. Man nannte sie die Ungarn, die Magyaren, die Bulldozer. Die Behörden waren davon überzeugt, dass sie einigen Dreck am Stecken hatten, doch bisher hatte es noch niemand geschafft, ihnen das nachzuweisen, und vor dem Gesetz ist man so lange unschuldig, bis einem die Schuld bewiesen wurde.

Bount war der Ansicht, dass sich Lorne Rogers keinen guten Dienst damit erwies, die beiden als Bodyguards zu beschäftigen. Das waren gleich zwei Schmutzflecken auf der weißen Weste des ehemaligen Gangsters.

Die Zwillinge machten kein Hehl daraus, dass sie etwas gegen Bount hatten. Er nahm ihnen das nicht übel, konnte ihre Abneigung verstehen. Als Ferenc oder Ivan die Nase rümpfte, fragte Bount grinsend: „Was ist? Hat mich mein Deodorant im Stich gelassen?“

„Tragen Sie eine Kanone?“, wollte Ivan oder Ferenc wissen.

„Ist ja klar. Muss ich wohl, solange Typen wie ihr in dieser Stadt frei herumlaufen.“

Es blitzte in den Augen der Zwillinge auf. „Her mit der Waffe“, verlangte einer der beiden.

„Keine Sorge, ich bin nicht hier, um eurem Boss mein Monogramm in den Bauch zu schießen.“

„Wir lassen niemand mit ’ner Waffe zu ihm.“

„In meinem Fall werdet ihr eine Ausnahme machen.“

„Garantiert nicht“, knurrte entweder Ivan oder Ferenc.

„Freunde, euch fehlt der Überblick. Ihr müsst allmählich zu unterscheiden lernen, wem man trauen kann und wem nicht. Ich bin nicht einer jener halbseidenen Ganoven, mit denen euer Boss für gewöhnlich verkehrt. Nachdem das klargestellt ist, solltet ihr den Weg freigeben. Ich hab’ wirklich keine Zeit, mich noch länger mit euch zu unterhalten.“

Die Zwillinge nahmen eine drohende Haltung an. Bount Reiniger war nicht gewillt, sich von diesen Knaben die Automatic abnehmen zu lassen.

Natürlich würde er sie in Lorne Rogers’ Büro nicht brauchen, aber es ging ihm hier ums Prinzip. Es widerstrebte ihm, sich solchen Kerlen unterzuordnen.

„Seien Sie vernünftig, Reiniger. Geben Sie uns Ihren Ballermann.“ Bount entschied sich dafür, dass das Ferenc zu ihm gesagt hatte. Der Koloss streckte die Pranke verlangend aus.

„Na schön“, sagte Bount Reiniger und zog die Waffe aus dem Leder. Aber er drückte sie dem Ungarn nicht in die Hand, sondern in den Bauch. Ferenc stöhnte vor Wut und Überraschung.

„Verdammt, Reiniger, das kann für Sie gefährlich werden!“, sagte Ivan.

„Merkt euch eines: Man kann noch so groß und stark sein, mit ’ner Kugel im Pelz schrumpft man auf null Komma nichts zusammen. Setzt euch!“

Die Bulldozer hatten keine Wahl. Sie mussten gehorchen. Sobald sie Platz genommen hatten, trat Bount Reiniger durch die nächste Tür in Lorne Rogers’ Allerheiligstes.

Obwohl erst fünfzig, hatte Rogers kein Haar mehr auf dem Kopf. Er saß an einem großformatigen Schreibtisch, trug einen schwarzen Smoking, und ein Glas Whisky stand vor ihm.

Als er die Automatic in Bounts Hand sah, runzelte er irritiert die Stirn. Der Detektiv steckte die Waffe weg. „Ich wollte Sie nicht erschrecken, Mister Rogers. Vielleicht sollten Sie sich mal die Mühe machen, Ihren beiden Gorillas zu erklären, dass man nicht alle Menschen über denselben Kamm scheren kann. Sie verlangten, dass ich Ihnen nackt gegenübertrete.“

Rogers erhob sich. „Ich bitte, vergessen Sie’s, Mister Reiniger. Ivan und Ferenc sind zwar hervorragende Wachhunde, aber in ihrem Schädel haben sie Stroh.“

Rogers kam um seinen Schreibtisch herum. Er war nicht sehr groß. Einladend wies er auf eine lederne Sitzgruppe und forderte Bount auf, Platz zu nehmen.

„Darf ich Ihnen etwas anbieten?“, fragte er ausgesucht höflich. Bount musste zugeben, dass der ehemalige Gangster seine neue Rolle hervorragend beherrschte. Wer Lorne Rogers’ Vergangenheit nicht kannte, hätte ihn tatsächlich für einen Gentleman halten können. Ein freundlicher Mensch mit guten Manieren, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte. Brauchte er auch nicht. Wenn er wollte, dass jemandem die Knochen gebrochen wurden, konnte er die Czukor-Zwillinge schicken.

„Ich hab’ noch einen Juice auf dem Tresen stehen“, erwiderte Bount Reiniger.

Rogers lächelte. „Sind Sie unter die Antialkoholiker gegangen?“

„Ich befinde mich zur Zeit auf einer Sightseeingtour durch die New Yorker Bars und möchte einen klaren Kopf behalten“, sagte Bount.

„Immer nur Juice, ist das nicht langweilig?“

„Es ist vor allem gesund“, sagte Bount. „Sie können sich denken, dass ich nicht hier bin, um mir die Farbe Ihrer Augen anzusehen.“

Rogers faltete die Hände, als wollte er beten. Jetzt sah er ein wenig scheinheilig aus. „Was führt Sie zu mir, Mister Reiniger?“

„Sie sind, wie ich weiß, der Besitzer einer gutgehenden Bar.“

„Gott sei Dank“, sagte Rogers und lachte.

„Hat schon jemand versucht, Ihnen Schutzgeld abzupressen?“

Rogers sah Bount Reiniger erstaunt an. „Läuft so etwas etwa zur Zeit in der Stadt?“

Bount war der Meinung, dass Lorne Rogers etwas zu dick auftrug. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieser Mann keine Ahnung hatte, was um ihn herum passierte.

„Gangster haben sich darauf spezialisiert, von Barbesitzern, die mit ihren Umsätzen zufrieden sein können, Schutzzoll zu erheben“, sagte Bount. „Ich denke, sie können Ihr Lokal unmöglich übersehen.“

Rogers schüttelte den Kopf. „An mich ist bis jetzt noch keiner herangetreten.“

„Meinen Sie, man hat vor Ihnen zu viel Respekt?“

„Keine Ahnung. Wie viele Barbesitzer werden denn schon erpresst?“

„Da bin ich im Moment leider noch überfragt“, sagte Bount. „Sicher weiß ich nur, dass Jay Pepper auf der Liste der Gangster stand. Er bat mich, ihm zu helfen. Jetzt ist er tot. Er wurde in seinem Apartment ermordet. Kannten Sie Pepper?“

„Ich war mal in seiner Bar“, sagte Rogers ernst. „Die Kerle greifen verdammt hart durch, was?“

„Was würden Sie tun, wenn sich die Gangster an Sie wenden würden, Mister Rogers? Würden Sie die Polizei einschalten?“

Lorne Rogers lächelte, aber dieses Lächeln erreichte nicht seine Augen. „Ich denke, ich würde versuchen, mit diesem Problem allein fertigzuwerden.“

„Das wäre nicht der richtige Weg“, sagte Bount.

„Darüber kann man verschiedener Ansicht sein, Mister Reiniger. Ihnen kann ich nichts vormachen. Sie kennen meine Vergangenheit. Diese Gangster kennen sie bestimmt auch, deshalb werden sie mich in Ruhe lassen. Wenn ich Schwierigkeiten zu meistern hatte, brauchte ich noch nie die Hilfe der Polizei, und so werde ich es auch weiterhin halten. Ich bin davon überzeugt, dass von mir niemand Schutzgeld verlangen wird. Sollte es aber doch dazu kommen, werde ich die Angelegenheit auf meine Weise regeln.“

„Selbstjustiz? Ist das nicht verboten? Und sind Sie nicht bestrebt, seit zehn Jahren nichts Verbotenes mehr zu tun?“, fragte Bount lächelnd.

„Es wird nicht nötig sein, dass ich etwas gegen diese Leute unternehme“, behauptete Rogers zuversichtlich.

„Bestimmt wird Sie meine Frage befremden, ich stelle sie aber trotzdem: Wären Sie bereit, mich in diesem Fall zu unterstützen?“

Rogers schaute Bount Reiniger an, als wäre er der Meinung, dieser habe soeben den Verstand verloren. „Was ich vorhin über die Polizei sagte, gilt selbstverständlich auch für Sie, Mister Reiniger“, antwortete er unumwunden. „Ich halte sehr viel von guten Sprüchen, und einer davon lautet: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Folglich wird es zwischen uns beiden zu keiner Zusammenarbeit kommen. Vielleicht habe ich meine Vergangenheit doch noch nicht so ganz überwunden. Ich fühle mich in Gesellschaft von Polizisten und Privatdetektiven immer noch nicht sehr wohl.“

„Kann es daran liegen, dass Ihr Gewissen immer noch nicht ganz rein ist?“,

Rogers nahm diesen Stachel, den ihm Bount Reiniger ins Fleisch gedrückt hatte, mit erstaunlicher Gelassenheit hin. Völlig emotionslos sagte er: „Ich denke, Sie sollten jetzt gehen, Mister Reiniger. Wir haben einander nichts mehr zu sagen.“

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