Читать книгу Die letzte Rechnung zahlt der Mörder… Berlin 1968 Kriminalroman Band 39 - A. F. Morland - Страница 10

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Es hatte mal eine Zeit gegeben, da war Karl Wischnewsky nicht ganz sauber gewesen. Damals nannte er sich Karl Dru und war Mitglied einer Rockband, die heiße Rhythmen in schummerigen Kaschemmen verkaufte. Und nicht nur das.

Amanda, die Sängerin der Gruppe, warf hin und wieder auch ihren Körper auf den Markt, und Karl Dru, ihr Freund, verscherbelte Joints und harte Drogen.

Es war ein Leben voller Irrtümer, das wusste Wischnewsky heute. Amanda lebte nicht mehr, sie war mit einem Kerl weggegangen, dem niemand angesehen hatte, dass er ein gemeingefährlicher Mensch war. Er hatte sie bei sich zu Hause gequält, bis ihr Herz nicht mehr mitmachte. Eine Stunde später wurde er von einem Polizisten erschossen, weil er sich einer Routineüberprüfung widersetzte und den Beamten mit einem Messer attackierte.

Damals stieg Karl Dru aus, er zog einen Schlussstrich unter sein bisheriges Leben und schaffte die Umkehr. Es wäre ihm nicht gelungen, wenn er nicht sämtliche Brücken hinter sich abgebrochen hätte. Was ihm seine einstigen Freunde natürlich übelnahmen. Sie versuchten ihn zu zwingen, weiterzudealen, aber der Schuss ging nach hinten los, denn Wischnewsky leistete es sich, einen Mann namens Bernd Schuster zu engagieren, und dieser regelte die Angelegenheit in seinem Sinn. Dass Bernd Schuster dabei einen ganzen Rauschgiftring hochgehen ließ, war nur eine Randerscheinung.

Seither fühlte sich Karl Wischnewsky dem Detektiv zu Dank verpflichtet, und er hatte noch nie nein gesagt, wenn ihn Bernd um einen Gefallen gebeten hatte. Was Bernd Schuster für ihn getan hatte, war ihm heute noch jeden Freundschaftsdienst wert.

Er arbeitete nicht mehr als Musiker, wunderte sich, dass er die nächtelangen Auftritte in den verrauchten Lokalen ohne gesundheitlichen Schaden überstanden hatte, und jobbte nun bei einer Autowaschstraße. Das Trinkgeld war okay, die Arbeitszeit geregelt, die Arbeit angenehm. Er spritzte die Fahrzeuge, bevor sie in den Waschtunnel fuhren, mit einem scharfen Wasserstrahl ab, shampoonierte die Radzierkappen und Kennzeichen, fuhr mit seinem Handbesen über die Scheinwerfer und Stoßstangen, schob Teleskopantennen zusammen und drückte die Außenspiegel an die Fahrzeuge, damit die Rotorbürsten sie nicht abbrechen konnten.

Na schön, vielleicht war das nicht gerade die richtige Arbeit für einen Künstler, aber Wischnewsky sah sich nicht mehr als solchen. Er hatte seine Gitarre seit zwei Jahren nicht mehr angefasst. Seine Finger waren fürs Musizieren bestimmt schon so steif wie die eines Anfängers.

Wischnewsky, mit einem Haar wie Struwwelpeter, pfiff vergnügt ein Lied, während er einen dreckigen Opel umtanzte und all die Handgriffe erledigte, die ihm in Fleisch und Blut übergegangen waren. Das Trinkgeld, das er dafür bekam, brachte ihn zum Strahlen.

„Vielen Dank!“, rief er erfreut aus. „Möge der Herr Ihnen Ihre Großzügigkeit noch recht lange erhalten. Kommen Sie auch bald wieder!“

Der nächste Wagen war ein silbergrauer Mercedes, 450 SEL. Wischnewsky umrundete das Fahrzeug, ohne einen Blick auf den Fahrer zu werfen. Als er sich um die Scheinwerfer kümmerte, brüllte ihm die Hupe so laut ins Ohr, dass er einen Meter zurücksprang und wütend schrie: „Mann, haben Sie noch ein paar so Superscherze auf Lager? Über so was kann ich mich glatt kaputtlachen ... Bernd! Bernd Schuster! Ich krieg’ die Tür nicht zu!“, rief er dann begeistert aus.

Bernd Schuster streckte grinsend den Kopf zum Seitenfenster heraus.

„Alles vergeben und vergessen, Karl?“

„Wie könnte ich meinem besten Freund jemals böse sein?“

„Wie geht es deinem Ohr?“

„Es singt noch ein bisschen. Eine verdammt grelle Hupe haben Sie, das muss ich schon sagen.“ Wischnewsky sah, dass Bernd nicht allein war. „Möchten Sie, dass ich Ihnen Ihr Gesicht shampooniere?“, fragte er.

„Ich habe mich heute schon gewaschen“, erwiderte Bernd.

„Dann schließen Sie kurz das Fenster.“

Als Bernd Schuster wenig später bezahlte, riss Karl Wischnewsky die Augen auf.

„Mann, fällt Weihnachten und Ostern dieses Jahr auf einen Tag? Ich nehme von Ihnen doch keine so hohen Summen an, Bernd.“

„Steck’s ein und halt den Mund!“, sagte Bernd.

„Dafür kriegt man ja schon fast ’n Eigenheim.“

„Du wirst dir das Geld verdienen“, sagte Bernd.

„Das ist natürlich etwas Anderes.“

„Ich muss mit dir reden, Karl. Ich brauche deine Hilfe.“

„Ich sorge dafür, dass mich hier jemand vertritt und warte an der Tunnelausfahrt auf Sie.“

„Wunderbar“, sagte Bernd Schuster. Er ließ den Mercedes in den Tunnel rollen, das Förderband griff zu und transportierte den Wagen durch die Waschstraße. Dröhnend zogen die Bürsten über das Fahrzeug, Heißwachs wurde aufgesprüht, ein brüllender Orkan trocknete das Auto, und als Bernd den Tunnel verließ, hob Karl Wischnewsky grinsend die Hand und zeigte das Victory-Zeichen.

„He, Bernd, Ihr Wagen sieht aus wie neu.“

„Irgendwann war er das auch mal. Steig ein, Karl!“

„Mann, für eine Spazierfahrt reicht meine Zeit aber nicht.“

„Ich möchte nur, dass du dich zu uns setzt“, sagte Bernd. Wischnewsky setzte sich in den Fond, und Bernd machte ihn mit Ludwig Körner bekannt. „Heute kannst du mal beweisen, was für ein guter Freund du wirklich bist“, meinte Bernd anschließend.

Struwwelpeter wies auf Körner.

„Der Mann hat Schwierigkeiten.“

„Erraten“, bestätigte Bernd. „Wie bist du so schnell darauf gekommen?“

„Er trägt seinen Kummer im Gesicht“, bemerkte Wischnewsky. „Wie kann ich helfen?“

Bernd erzählte ihm von Körners Problem. Wischnewsky pfiff durch die Zähne.

„An der Sache sind ja 'ne ganze Menge Haare.“

„Du kannst ablehnen, wenn dir das Risiko zu groß erscheint.“

„Wissen Sie nicht, dass ich für Sie durchs Feuer gehe?“

„Hast du noch die große Wohnung?“

„Da ich pünktlich die Miete berappe und nach zweiundzwanzig Uhr keinen Krach mehr mache, darf ich da wohl noch eine Weile wohnen“, antwortete Wischnewsky grinsend. Er wandte sich an Körner. „Eigentlich sind es zwei Wohnungen. Das heißt, es gibt zwei Eingänge. Der Mieter vor mir scheint bei der Armee gewesen zu sein. Er lieh sich kurz mal einen Panzer, walzte eine Wand nieder und machte so aus zwei mittelgroßen Wohnungen eine große. Wofür ich ihm dankbar sein werde, solange ich da wohne.“

„Könntest du einen Untermieter bei dir aufnehmen?“, fragte Bernd.

„Für wie lange?“

„Auf unbestimmte Zeit; du hast ja gehört, was gefällig ist. Ich weiß nicht, wie schnell ich das erledigen kann.“

„Ich würde gern die Miete übernehmen, bin aber im Augenblick nicht flüssig“, sagte Körner.

„Ging es nicht jedem von uns schon mal so?“, erwiderte Wischnewsky. „Sie können bleiben, so lange Sie wollen. Ich bin sicher, wir werden uns verstehen, und Sie werden sich bei mir wohlfühlen.“

„Dann steigt mal aus, ihr beiden!“, sagte Bernd zufrieden.

Körner und Wischnewsky verließen das Fahrzeug. Bernd winkte seinen Klienten zu sich.

„Ist noch was, Herr Schuster?“

„Strecken Sie vorläufig Ihre Nasenspitze nicht aus Wischnewskys Wohnung! Sie werden es nicht glauben, aber Karl ist ein hervorragender Koch. Er wird Sie mit seinen Künsten verwöhnen. Es wird Ihnen bei ihm besser schmecken als im feinsten Berliner Restaurant. Das wäre das eine, und nun geben Sie mir die Adresse Ihrer Verwandten. Ich denke, es kann nicht schaden, wenn ich auch Katja in Sicherheit bringe.“ Körner nannte Namen und Anschrift der Leute. „Dann will ich sehen, wie ich die Situation für Sie am schnellsten entschärfen kann“, meinte Bernd Schuster. „Sie bleiben auf jeden Fall so lange in Ihrem Versteck, bis die Entwarnung kommt.“

„Danke, Herr Schuster“, sagte Körner ernst.

„Wofür?“, fragte Bernd schmunzelnd. „Ich hab’ ja noch gar nichts getan.“

Die letzte Rechnung zahlt der Mörder… Berlin 1968 Kriminalroman Band 39

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