Читать книгу Das vierte ägyptische Jahr - Abdel Moneim Laban - Страница 5

Der Sensationsjournalist

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Jemand klopfte an die Tür. Bevor Wagdi "Herein!" rufen konnte, betrat ein gut gekleideter Mann mit einem routinierten Lächeln das Zimmer. Er ging auf den Schreibtisch zu und lächelte höflich: "Ich möchte gerne mit Herrn Bekir sprechen."

Natürlich wollte er nicht mit Bekir sprechen, denn der Portier hatte ihm irgendwann mitgeteilt, dass Bekir nicht mehr anzutreffen sei. Außerdem wusste er auch, dass Bekir kurz vor der Pensionierung stand. Er wollte einfach Bekirs Nachfolger kennen lernen, und da war ihm nichts Besseres eingefallen.

"Wie Sie sehen, ist Herr Bekir nicht da."

Der Fremde gab sich damit nicht zufrieden. "Können Sie mir sagen, wo ich ihn erreichen kann?"

Er war besser angezogen als die beamteten Richter und Staatsanwälte, außerdem wirkte er höflicher und intelligenter. Wagdi konnte gleich sehen, dass sein Anzug von der teueren Sorte war. Die Jacke wies eine Mischung aus rötlichem Beige auf, die Krawatte stach gleich durch ihre ausgewogenen Streifen ins Auge, und die Weste gab zu erkennen, dass ihr Träger keine Mühe scheute, um gut auszusehen. Sein Gesicht war so schmal wie sein Körper. Er hätte auch ein Schauspieler oder ein Superreicher sein können. Ein Lächeln hielt er parat, und Wagdi hielt es für übertrieben, dass der Gast die ganze Zeit freundlich war, zu freundlich.

"In welcher Angelegenheit möchten Sie ihn sprechen?"

Der Mann lächelte. "Eigentlich ist es kein Geheimnis. Mein Name ist Azmi Allam. Ich habe vor einigen Tagen einen Artikel verfasst, in dem ich über Herrn Bekir irrtümlicherweise falsche Beschuldigungen aufgestellt habe. Ich wollte mit ihm darüber sprechen."

Wagdi war überrascht. Der bekannte Journalist Azmi Allam! Er las seine Artikel, und deshalb kannte er auch den Beitrag, in dem er, wie gerade gesagt, fälschlicherweise Bekir attackiert hatte. Wagdi konnte damals nichts Verdächtiges daran finden. "Ah, Sie sind Herr Allam! Bitte, nehmen Sie Platz!"

Leider gab es keine zweite Sitzgelegenheit, ein Mangel, der Wagdi nicht aufgefallen war. Hatte er beim ersten Gespräch mit Bekir gestanden? Er konnte sich nicht mehr erinnern. Ihm fiel der Stuhl in der Ecke ein, der als Ablage diente. Unzählige Akten und Ordner verdeckten ihn und machten ihn somit funktionsunfähig. Wagdi entfernte die Dossiers; und obwohl der Stuhl in die Jahre gekommen war, machte er den Eindruck, als ob er nie seiner eigentlichen Bestimmung zugeführt wurde.

„Darauf soll ich mich setzen? Halten Sie das nicht für eine Zumutung?" Wie peinlich, dachte Wagdi.

"Was für eine Schande für das Justizministerium, Stühle, die im Dienste der Gerechtigkeit stehen, einfach verstauben zu lassen", rief Wagdi. Der Journalist reagierte nicht darauf, denn er wusste nicht, wie das gemeint war. Nein, es war nicht seine Art, überschwänglich zu sein, fiel Wagdi ein. Manchmal geschah es doch. Peinlich, peinlich.

Der Staatsanwalt suchte in seiner Verlegenheit nach einem Lappen. Schließlich holte er ein sauberes Taschentuch heraus und fuhr damit über die Sitzfläche. Das Tuch wurde schwarz. Wagdi war wie entwaffnet. "Kommen Sie, wir gehen ins Café gegenüber!"

"O nein, lassen Sie nur, ich möchte Ihre wertvolle Zeit nicht unnötig beanspruchen."

"Das tun Sie nicht, ich wollte sowieso einen Kaffee trinken."

Das stimmte zwar nicht, aber er wollte den misslungenen Empfang wieder wettmachen. Außerdem stand der berühmte und bisweilen auch gefürchtete Journalist Azmi Allam vor ihm, wer hätte sich dessen Wohlwollen nicht einen Kaffee kosten lassen? Die beiden Männer gingen die Treppe hinunter. "Das ist wirklich eine Überraschung", erklärte Wagdi. "Ich habe schon des öfteren Ihre Artikel mit großem Interesse gelesen."

Das war nicht einmal übertrieben. Wagdi bewunderte Allams Attacken gegen, wie er sie nannte, die rückschrittlichen Kräfte in unserem Land. Er wurde ein paar Mal verhaftet, wegen Anstiftung zum Ungehorsam und Aufruf zum Widerstand gegen die Staatsgewalt. Jedes Mal verließ er das Gefängnis 'mit erhobenem Haupt', wie er später schrieb.

"Die Mehrheit Ihrer Kollegen mag meine Artikel nicht."

"Aber Sie schreiben ja nicht nur für meine Kollegen."

"Rechtsanwälte, Richter und Staatsanwälte sind eigentlich die natürlichen Verbündeten eines Journalisten, stattdessen machen gerade diese Leute einem oft das Leben schwer. Da stellt man sich schon die Frage, warum nicht wenigstens die Intellektuellen in diesem Land zusammenarbeiten."

Eine Predigt, von der der Prediger am meisten profitiert, dachte Wagdi. Was sollte er dazu sagen? Zum Glück betraten sie in diesem Augenblick das Café, und er konnte all seine Aufmerksamkeit auf die Suche nach einem geeigneten Platz konzentrieren. Schließlich entdeckte er einen freien Tisch, unmittelbar in der Nähe des Ufers.

"Einige Leute nennen mich einen Sensationsjournalisten. Aber ich kümmere mich wenig darum. Vieles kommt eben nur durch einen Sensationsbericht an die Oberfläche."

Um keine Verlegenheit aufkommen zu lassen, erklärte Wagdi: "Ich habe vergessen, Ihnen zu sagen, dass Herr Bekir bald pensioniert wird."

Azmi tat, als würde er sich erinnern. "Ja richtig, ich glaube, er hat mir das mal erzählt." Er wollte schnell das Thema wechseln. "Ich habe mich schon oft gefragt, warum die Staatsanwaltschaft in all den letzten Jahren kaum Erfolg in der Bekämpfung von Terroristen aufweisen konnte. Können Sie als Experte einen Grund dafür nennen?"

Der Kellner servierte den Kaffee. Das gab Wagdi die Chance, mit der Antwort zu warten. Als sie wieder allein waren, sagte er: "Machen Sie mich dafür verantwortlich?"

Azmi lachte. Vielleicht ist der Neue gesprächiger als Bekir, dachte er.

"Nein, nein! Aber es ist doch komisch, das müssen Sie zugeben. Der Minister wird auf offener Straße ermordet, vor immerhin eineinhalb Monaten, und Staatsanwaltschaft und Polizei kommen zu keinem Ergebnis. So ist es immer, denken Sie bloß an die Mordserie der letzten Jahre."

Wagdi nahm einen Schluck Kaffee. "Sie haben Recht, leider", stimmte er resigniert zu.

Azmi wollte nicht locker lassen. "Haben Sie eine Erklärung dafür?"

Wagdi fühlte sich bedrängt. "Als Staatsanwalt bin ich verpflichtet, meine Aufgabe zu tun. Dass wir ab und zu mal scheitern, das gehört zum Geschäft", sagte er und lächelte milde dabei.

Am liebsten hätte Azmi gesagt, dass es nicht um "ab und zu" ging, sondern um ein Scheitern auf der ganzen Linie. Aber da er ahnte, wie verletzend das wirken musste, hielt er sich zurück. Er hoffte, in der Zusammenarbeit mit Wagdi mehr Erfolg zu haben als bei dessen Vorgänger. Bekir war ein abweisender und zurückhaltender Mensch gewesen. "Ich habe eine Vermutung, warum bisher kein einziger Mord aufgeklärt wurde, auch wenn sie verrückt klingt. Es wäre doch vorstellbar, dass ein Staatsanwalt durchaus einem Mörder auf die Spur kommt, nur wird dieser Mörder von einer höheren Stelle protegiert. Meinen Sie, dass eine solche höhere Stelle Interesse an der Aufklärung dieses Mordes hätte?"

Wagdi fragte sich, worauf Azmi Allam hinaus wollte. Durfte er als Staatsanwalt sich überhaupt mit einem Journalisten treffen und über seine Arbeit sprechen?

"Was genau meinen Sie mit ‘höhere Stelle’?"

Azmi tat so, als überraschte ihn die Frage. "Wie gesagt, das ist eine Vermutung, nicht mehr und nicht weniger", betonte er. Solange er den neuen Staatsanwalt nicht besser kannte, dachte er nicht daran, sich festzulegen. Natürlich hatte er eine genaue Vorstellung von dem, was er zunächst nur laut vermutet hatte. Sollte er etwa alle Gedanken und Ideen gleich preisgeben?

"Sie haben einmal in einem Artikel von der Spaltung in der Regierung geschrieben. Ist es das, was Sie meinen?"

Azmi war irritiert. Der Mann, ein ganz normaler Staatsanwalt, war tatsächlich ein gründlicher Leser seiner Artikel. Er tat, als hätte er nicht verstanden. "Wie Sie wissen, habe ich mehr als einen Artikel geschrieben. Welchen meinen Sie?"

Wagdi empfand diese Befragung als unangenehm; im Innern verfluchte er ihn. "Ich meine den Artikel, in dem Sie darauf hinweisen, dass die Regierung und die Armee in zwei Parteien gespalten sind. Die eine unterstützt die Progressiven, die andere die Reaktionären. Die erste arbeitet im Untergrund und betreibt eine subversive Arbeit, um die Regierung und die Engländer zu verunsichern. Dazu gehört auch, dass man Unruhe stiftet." Er kam sich wie ein braver Schüler vor, der das, was man ihm vorgetragen hat, wiederkaut.

Azmi fühlte sich ertappt. Ja, es war ein Fehler gewesen, den Artikel unüberlegt und spontan zu schreiben und zu veröffentlichen. Dafür hat er zwei Wochen im Gefängnis gesessen wegen Beleidigung der Staatsanwaltschaft. Er hätte es nicht tun sollen. Wie oft hatte er das schon bereut! Er hatte sich und seine Taktik viel zu früh verraten und damit möglicherweise mehrere Gegner vorgewarnt. "Wissen Sie, ich war damals jung und unerfahren. Heute sehe ich alles etwas anders. Wenn Sie meine letzten Artikel gelesen haben, wird Ihnen das klar." In der Tat war er immer noch davon überzeugt, dass in der Regierung etliche reaktionäre Minister saßen, die mit Hilfe einiger Offiziere einen reaktionären Putsch planten. Beweise hatte er nicht, aber er würde sie schon beschaffen.

"Was verstehen Sie unter reaktionär und progressiv?", wollte Wagdi wissen.

Mit dieser Frage hatte Azmi nicht gerechnet. "So direkt kann ich Ihnen das nicht auf Anhieb beantworten", sagte er entschuldigend. Er kam nicht dazu, in Ruhe zu überlegen und präzise zu antworten.

"Wenn ich Sie richtig verstanden habe, vermuten Sie, dass einige höhere Stellen diese Morde vertuschen", stellte Wagdi fest.

"Nageln Sie mich nicht fest. Wenn Sie mir einen anderen Grund nennen können, warum diese Morde nicht aufgeklärt worden sind, nehme ich alles zurück", verteidigte sich Azmi.

Wagdi merkte, dass dieses Katz-und-Maus-Spiel nichts bringen würde. Er war an Azmis These interessiert, möglicherweise hatte er damit sogar Recht. Aber warum wollte er sich nicht genauer äußern? Vielleicht wollte Azmi ihn auch nur ausfragen. Wenn ja, was wollte er von ihm wissen? Er schaute demonstrativ auf seine Uhr.

Prompt erklärte Azmi: "Ich hoffe, ich habe Sie nicht unnötig von Ihrer Arbeit abgehalten!"

Wagdi wehrte höflich ab: "O nein, es war mir ein Vergnügen, mich mit Ihnen zu unterhalten!"

Azmi stand auf und wollte sich verabschieden.

"Bis zum Gerichtsgebäude haben wir den gleichen Weg", sagte Wagdi. Wenn er ehrlich war, machte es ihn stolz, sich mit dem berühmten Journalisten getroffen zu haben. Das musste er unbedingt Wedad, seiner Verlobten, schreiben. "Stell Dir vor, liebe Wedad, mit wem ich unlängst gesprochen habe. Du wirst es nicht erraten, aber es war ..."

Wagdi machte sich auf den Weg zum Polizeirevier. Den Besuch dort hatte er sich schon lange vorgenommen, weiß der Teufel, was alles dazwischen gekommen war. Er nahm den Weg durch die Stadt, obwohl er lieber am Nilufer entlang gegangen wäre. Aber er wollte Azmi Allam nicht ein zweites Mal begegnen, der sein Auto in unmittelbarer Nähe des Gerichts geparkt hatte.

So ging er durch den Suk. Überall Gemüsehändler, Obsthändler, ein Krämerladen, noch ein Krämerladen, ein Laden, dessen Inhaber sich darauf spezialisiert hatte, Tarabiesch (Mehrzahl von Tarbousch) zu bügeln, indem er diese Kopfbedeckung zwischen zwei vorgewärmte Messingzylinder presste. An der Ecke stand ein Friseursalon mit nicht gerade landsüblichen riesigen Spiegeln. Dienstmädchen, Diener, Gefolgsleute und Hausfrauen gingen mit ihren Einkaufskörben und tätigten Einkäufe für sich oder für ihre Herrschaft. Wie immer um diese Zeit war der Markt voll. Er fiel den Leuten besonders auf, weil er zu den wenigen gehörte, die europäisch gekleidet waren.

In dem Polizeirevier traf er Helmi Ayyas. "Wo ist Herr Wassan?"

Ayyas lächelte verlegen und sagte: "Er ist jetzt selten in der Station. Wie Sie wissen, befasst er sich nur noch mit seiner Pensionierung."

Wagdi holte tief Luft. "Können Sie mir sagen, wo er die Protokolle über die Befragung der Prostituierten aufbewahrt hat?"

Ayyas fragte naiv: "Welcher Prostituierten?"

"Der Prostituierten, die damals von den Attentätern berichtet hat. Sie waren doch dabei!"

Plötzlich konnte Ayyas sich erinnern. "Ach ja, entschuldigen Sie, ich wusste nicht, welche Prostituierte Sie meinen. Wir bearbeiten im Augenblick mehrere Fälle, in die Prostituierte verwickelt sind. Nein, ich weiß nicht, wo er die Protokolle aufbewahrt."

Wagdi war bereit, Entschlossenheit zu demonstrieren. "Es wäre eigentlich Ihre Pflicht, sich mit dieser Angelegenheit zu befassen!" Noch bevor Ayyas dazu kam, etwas zu erwidern, ordnete Wagdi an: "Sorgen Sie dafür, dass die Frau am nächsten Donnerstag um elf Uhr auf dem Amtsgericht erscheint!" Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er den Raum. „Wir im Orient haben uns allzu sehr an die Alleinherrschaft gewöhnt“, stand einmal in einem von Allams Artikeln. Polizei und Armee standen immer auf der Seite der Machthaber. Woher soll nun Besserung herkommen, beklagte sich der Journalist. Da meinte der Staatsanwalt, endlich Flagge zeigen zu müssen. Die Staatsanwaltschaft geht vor der Polizei. Recht vor Gewalt. Doch nach einer Weile kam er sich lächerlich vor.

Als Azmi zu seinem Auto kam, hatten sich etliche Kinder um den alten Austin versammelt. Ein Junge fuhr mit dem Zeigefinger über die Hochglanz-Karosserie. Vielleicht war er der einzige Mensch in der Stadt, der ein Auto fuhr. So ein Ding kostete schließlich eine Menge Geld. Ich habe zwar mein Studium in Frankreich nicht beendet, sinnierte er vor sich hin, aber ich verdiene mehr Geld in diesem Land als jeder Akademiker. Ist das nichts? Scheich Allawi fiel ihm ein. Dieses Schwein, fluchte er in Gedanken. Scheich Allawi, dieser Fettwanst, war es, der ihn in aller Öffentlichkeit diskreditiert hatte. Na sicher, er hatte einen Fehler gemacht, als er nach der Rückkehr aus Frankreich verkündet hatte, an der Sorbonne einen Abschluss in Literatur und Geschichte absolviert zu haben. Er war sich sicher gewesen, dass seine kleine Schummelei nicht auffliegen würde. Aber Scheich Allawi war ihm auf die Schliche gekommen. Wer hatte ihm geholfen? Irgendwelche Gegner? Sicher, die hatte er, sogar zur Genüge, und natürlich konnte es sein, dass sie Scheich Allawi die entsprechende Information zugespielt hatten. Er hatte Allawi nicht verschont, warum sollte Allawi ihn verschonen? Eine einzige Lüge, und dieser Allawi, der sein ganzes Leben einzig und allein auf Lügen aufbaute, schlug zu. Alles, was Scheich Allawi bislang geschrieben oder gesagt hatte, bestand aus Lügen. Aber noch war nicht aller Tage Abend, er würde diesen Allawi in großem Stil als einen gemeinen und widerlichen Lügner entlarven. Aber wie?

Jedes Mal regte er sich auf, wenn er an diesen Kerl dachte. Ich darf keinen Fehler machen, sagte er sich. Ich muss meine Gesundheit schonen, mich nicht aufregen und vor allem keine Komplexe gegenüber den sogenannten Studierten haben. Ich habe jede Menge Bücher gelesen, ausreichend jedenfalls, um gleich zwei Studien zu bestreiten. Und wenn ich keines abgeschlossen habe, na und? Ist das ein Grund, sich zu schämen? Ach ja, leider ist es das, tief im Innern schäme ich mich. Aber äußerlich merkt mir das keiner an, weil es nicht auffällt, dass ich kein Studierter bin. Es war ihm ein Leichtes, solch einen Abschluss zu erzielen. 'Warum habe ich es nicht getan?', fragte er sich oft. Wir Orientalen sind auf Scheitern vorprogrammiert, meinte er. Scheitern und Versagen ist bei uns ein Naturzustand, weil wir unsere Welt in das Jenseitige versetzt haben. Sogar ich, der meint, dieses Spiel durchschaut zu haben, funktioniere nach diesem Muster. Eigentlich bin ich ein Versager, dem es schwer fällt, es zuzugeben, gestand er halbherzig.

Plötzlich musste er an Tahiya denken, die berühmteste Tänzerin des Landes. Sie war verliebt in ihn, richtig verknallt. Sie tat alles für ihn. Seinetwegen ging sie sogar mit John Keppler ins Bett.

John Keppler, der eigentlich Osama Subhi hieß, ließ überall erkennen, dass er die meiste Zeit seines Lebens in Europa verbracht hatte. Sein Vater war Ägypter, seine Mutter Deutsche. Mal war er Ägypter, mal Deutscher, ganz wie es ihm gefiel. John verbrachte die ersten zwanzig Jahre abwechselnd in Kairo und in Stuttgart, der Heimatstadt seiner Mutter. Nach dem Abitur hatte er sich an der Technischen Hochschule Stuttgart immatrikuliert; sein Vater wollte aus ihm einen Ingenieur machen. Aber nach nur einem Semester war John für etliche Jahre verschwunden. Ich habe mit Maschinenbau nichts am Hut. Mein Vater hat mich so erzogen, als würde ich für immer in Ägypten leben.

"Von dir kann ich mit Fug und Recht Kadavergehorsam verlangen", betonte sein Vater dauernd, "immerhin bist du mein Sohn und bist dazu verpflichtet." Manchmal konnte er seinen Vater nicht verstehen. Es war nie anders.

"Warum soll ich etwas studieren, das mir keinen Spaß macht?", argumentierte er.

"Das Leben besteht nicht nur aus lauter Spaß. Glaubst du mein Beruf bereitet mir nur Lust und Freude", entgegnete ihm sein Vater.

Seine Mutter war ewig bemüht, zwischen ihm und seinem Vater zu vermitteln. Ohne Erfolg.

"Du hast den Jungen total verwöhnt. Er ist nichts anderes als ein Weichei geworden", warf sein Vater seiner Mutter vor.

Niemand wusste, dass er beim Lehrregiment Brandenburg eine Spezialausbildung erhalten hatte. In den Jahren, in denen er verschwunden war, wussten seine Freunde nicht, wo er sich aufgehalten hatte. Seine Eltern waren davon überzeugt, dass der Junge emsig an der Technischen Hochschule Stuttgart studierte, um später am Aufbau Ägyptens teilzunehmen, so gaben sie in ihrem Freundeskreis bekannt. Beim Lehrregiment Brandenburg meinte er den Beruf fürs Leben gefunden zu haben. Dort war Admiral Canaris auf ihn aufmerksam geworden.

Als Keppler gebeten wurde, am Tirpitzufer zu erscheinen, wollte er nicht enttäuschen.

"Der Bericht ist gut", erklärte Canaris. "Ich habe ihn mit großem Interesse gelesen und festgestellt, dass mir die Sache mit der Türkei nicht aus dem Kopf geht."

Keppler war froh, dass der Admiral auf seine Idee einging. Er wollte etwas sagen, da kam ihm Canaris zuvor: "Allerdings muss ich Sie enttäuschen. Für militärische Überlegungen bin ich nicht zuständig", gab der Admiral zu verstehen.

"Sie sind mein Vorgesetzter", sagte Keppler, "an wen soll ich mich wenden, wenn nicht an Sie?"

"Ich habe deswegen mit einem hohen Offizier gesprochen, in dessen Bereich diese Frage geklärt werden soll. Sie werden bald von ihm hören."

Damit war das Gespräch zu Ende gegangen. Er hätte stundenlang mit dem Admiral sprechen können. Dieser Wunsch ging nie in Erfüllung.

"Herr Admiral, im Nahen Osten träumen die Menschen davon, die deutschen Truppen als Befreier feiern zu dürfen. General Raschid Ali el-Gailani im Irak und General Asis el-Masri in Ägypten genießen höchstes Ansehen sowohl bei der Bevölkerung als auch bei der Armee. Diese Leute sind unsere Verbündeten. Sie könnten die britischen Streitkräfte in endlose militärische Auseinandersetzungen verwickeln, so dass es den deutschen Truppen leicht gemacht wurde, dieses Gebiet zu erobern. Die britische Armee ist ohne das iranische Öl und ohne den Suezkanal aufgeschmissen. Sie kennen auch die Berichte, die davon ausgehen, dass die arabische Halbinsel auf Öl schwimmt. Damit könnte sich die Wehrmacht ihre Überlegenheit den Alliierten gegenüber für Jahrhunderte sichern."

So stellte sich Keppler seine Aufklärungsarbeit dem Admiral gegenüber vor. Leider kam es nicht dazu, bedauerte er.

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Eberhard und Gertrud saßen mit Tochter Luise am Tisch und schauten sich eine Landkarte des Mittelmeers an. "Die Frage ist", stellte Luise fest, "wie wir von Marseille nach Australien kommen."

"Ein Patient von mir ist ein hohes Tier bei der hiesigen Polizei. Er schlug vor, dass wir versuchen sollten, über Spanien nach Portugal zu kommen", sagte Eberhard.

"Franco ist ein großer Verehrer des Führers", stellte Gertrud fest, "also können wir Spanien vergessen."

"So ist das nicht", widersprach Eberhard, "wir gehen nach Spanien als deutsche Touristen oder als Bewunderer von General Franco. Aber dieser Weg wäre beschwerlicher. Es bleibt nur die Route übers Mittelmeer, auch wenn sie nicht ganz ungefährlich ist", meinte er. Im gleichen Moment merkte er, wie unvorsichtig er wieder gewesen war. Gertrud verfügte über die unglückselige Gabe, alles schwärzer zu malen, als es in Wirklichkeit war.

Hastig setzte er nach: "Andererseits kann es so schlimm auch nicht sein, denn immerhin fahren Handelsschiffe ins östliche Mittelmeer", wollte er so etwas wie Optimismus verbreiten.

"Und woher weißt du das?", rief Gertrud.

"Der Polizeikommandant hat es mir bestätigt. Er hat mir sogar in Aussicht gestellt, uns bei der Suche nach einem geeigneten Schiff behilflich zu sein." Eberhard beobachtete unauffällig, wie seine Worte auf Gertrud wirkten. Ganz zufrieden war er nicht mit dem Ergebnis. Nun hieß es nur noch, sich in Geduld zu üben, bis ein geeignetes Schiff gefunden war. Eberhard dachte wieder mit Sorge, wie viel Geld die Bemühungen des Polizeikommandanten kosten würden. In Wirklichkeit war Eberhard von der Route nach Ägypten nicht überzeugt. Seinen Zweifel über die ägyptische Route wollte er in Gertruds Anwesenheit nicht erörtern. Luise wusste das und hielt sich an Vaters Anweisung: „Wenn es düster und hoffnungslos ist, möchtest du bitte diese Gedanken vor deiner Mutter niemals äußern.“

Luise hielt sich strikt daran.

Wenn die Mutter sich nachmittags für eine Weile hinlegte, holten beide die schlimmsten Gedanken aus ihrem Verlies.

„Was ist so gefährlich an der Route nach Ägypten?“

Für Eberhard war die Sache ganz klar. Die Strecke von Frankreich über den Suezkanal bis Australien war ein Gebiet, das in britischer Hand lag. Eine Kasernierung der Familie wegen ihrer deutschen Herkunft wäre nicht ausgeschlossen. Luises Einwand, dass die jüdische Herkunft der Mutter etwas wäre, was gegen die Kasernierung spräche, ließ er nicht gelten.

„Für die Briten könnte der Pass gefälscht sein“, widersprach er.

Die Route über Portugal wäre auf jeden Fall die sicherste, betonte Eberhard. Franco und Mussolini sitzen bereits an der Spitze ihrer Länder. Es wird nicht lange dauern, bis sich die Türkei an sie anschließt. Immerhin waren die Türken unsere Verbündete während des letzten Kriegs. Alles deute darauf, dass das Mittelmeer über kurz oder lang in die Hände von Adolf fällt.

„Und da säßen wir richtig in der Tinte“, betonte Eberhard.

Luise war davon überzeugt, dass ihr Vater Recht hatte. Furcht und Angst vermehrten sich so, dass sie Mühe hatte, sie zu verstecken. Ja, sie hatte auch Horror davor, ihr Haar eines Tages ausreißen zu wollen. Sie dachte an ihre Mutter, deren Haar nur fleckenweise ihren Kopf bedeckte. Alles Bitten und Flehen von Eberhard und Luise erwies sich als wirkungslos. Luise hatte sogar den Verdacht, dass möglicherweise all diese Predigten die Mutter an ihre Pflicht erinnerten, ihren Kopf zu verstümmeln.

„Haben wir überhaupt Geld genug, diese Reise zu finanzieren?“

Eberhard sah sich wieder genötigt, sich eine Notlüge einfallen zu lassen.

„Die Reise schon, aber die Bestechungsgelder sind nicht zu unterschätzen.“

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Eines Nachts klopfte es heftig an John Kepplers Wohnungstür. Zuerst glaubte er, geträumt zu haben. Als das Klopfen sich wiederholte und immer heftiger wurde, stand er auf. Vor der Tür wartete ein Soldat, dessen Gesicht durch einen Stahlhelm und zusätzlich durch einen dunklen Streifen versehen war. Sogar das spärliche Licht, das auf sein Gesicht fiel, verlieh ihm etwas Unheimliches. Er zeigte seinen Ausweis und erklärte barsch: "Folgen Sie mir!" Keppler hatte noch den Schlafanzug an. "Ich muss mich erst anziehen", protestierte er. Der Soldat betrat die Wohnung, zeigte eine gleichgültige Miene und begab sich zur Tür zurück, wo er demonstrativ wartete. Keppler überlegte schnell, was er anziehen sollte. Er zog leichtfüßig eine Hose, ein Hemd und eine Jacke an. Alles sportlich. Dann schnappte er seinen Reisekoffer und eilte zum wartenden Soldaten. Sie gingen die Treppe hinunter, der Soldat mit wuchtigen Schritten und Keppler mit geübten.

Unten gelandet wies der Soldat auf ein Motorrad mit Beiwagen hin.

Der Fahrer fuhr eine Strecke, die Keppler nicht bekannt war.

„Wohin fahren wir?", fragte er mit leicht zitternder Stimme.

"Ich bin nicht befugt, irgendwelche Fragen zu beantworten." Der Fahrer gab Gas.

Keppler hatte schon oft von Verschleppungen gehört, die mitten in der Nacht stattfanden. Vielleicht stimmte etwas nicht mit dem Bericht, den er für die Abwehr verfasst hatte. Ein paar Sachen hatte er verschwiegen, die Geschichte mit dem Engländer zum Beispiel, den er in Beirut getroffen hatte und der ihn für den Intelligence Service anwerben wollte. Möglicherweise hätte er diese Episode erwähnen müssen. Warum hatte er es bloß nicht getan? Oder aber, auch das könnte sein, es hatte jemand verraten, dass er kein reiner Arier war. So ein Unsinn, dachte er. Meine Mutter ist eine Deutsche, aus Stuttgart. Mein Vater ist ein geachteter Mann, immerhin ist er Richter am Obersten Gerichtshof Ägyptens. Ich fühle mich als Deutscher, und die meiste Zeit meines Lebens habe ich in Deutschland verbracht. Gut und schön, aber ob man das als Argument für eine verminderte Ariergesinnung akzeptieren würde?

Er schaute den Mann von der Seite an und stellte fest, dass er wie der Bote aussah, der ihm einen Albtraum servierte. Ein fleischiges und speckiges Gesicht, das vielleicht nie das Lachen kennengelernt hatte. Welche Arbeit muss ein Lächeln leisten, um diese Grimmigkeit im Gesicht wegzuzaubern?

Ein Gesicht wie aus einem Stück Schinken hergestellt, in das man Augen, Nase und Ohren eingezwängt hat. John Keppler würde womöglich angelastet, ein versteckter britischer Spion zu sein. Außerdem haben seine Eltern gegen die Reinheit der Rasse verstoßen. Obendrein hat er seine Rassenunreinheit verschwiegen. Er hat oft von Hinrichtungen gehört, die mitten in der Nacht stattfanden. Hätte er bloß sein Maschinenbaustudium nie aufgegeben. Hätte er bloß den Rat seines weisen Vater befolgt. Nun war alles zu spät.

Keppler hasste diese Beiwagen, weil sie auf jedes Schlagloch empfindlich reagierten, wobei die meisten Fahrer, das konnte er aus eigener Erfahrung bezeugen, rücksichtslos waren. Sie saßen einfach fest im Sattel, und Keppler fühlte sich total verschaukelt, weil dieses verdammte Ding dauernd schrecklich rüttelte. So ein Beiwagen könnte sich sehr schnell und sehr leicht selbständig machen. Es schüttelte und rüttelte. Rücksichtslos jagte der Fahrer durch die dunkle Nacht, und Keppler, obwohl er das Nachtleben der Stadt kannte, wusste nicht, welche Teil von Berlin dieser Fahrer durcheilte. Wie ein Bote des Todes eilte er durch finstere Nacht, erinnerte er sich an eine Beschreibung in einem Roman. Ihm war es dabei nicht poetisch zumute.

Nun ja, immerhin bin ich ein Mitarbeiter von Admiral Canaris und kann darauf bestehen, mit dem Admiral sprechen zu dürfen. Im Lehrregiment Brandenburg kamen die Teilnehmer aus aller Herren Länder. Nicht alle waren Arier. Warum muss mir das passieren? Vielleicht hatte die Abwehr Nachforschungen angestellt und herausgefunden, dass ich bei einer Prostituierten in Istanbul mit meiner Stellung angegeben habe? Natürlich war das idiotisch gewesen, er hätte sich eben nicht sinnlos betrinken dürfen.

Schnell fiel ihm ein, er sollte um sein Leben rennen. An den Kurven ließ der Fahrer von Gaspedal ab und bremste. Das wäre die Chance. Einfach aus dem Beiwagen springen und laufen. Lauf um dein Leben, John Keppler. Das wäre nun meine einzige Chance, dachte er. So schnell würde das Speckgesicht nicht laufen können.

Sein Magen meuterte. Ausgerechnet in jenem Augenblick zog ein Schmerz quer durch seine Gedärme. Leise versuchte er, sich dieser Gase zu entledigen. Nein, es waren nicht nur Gase. Sein Magen krümmte und wendete sich vor Schmerzen.

"Liebe Kameraden, wenn ihr mich unbedingt hinrichten müsst, so bitte ich innig darum, lasst mich bitte nicht in die Hose machen." Er wollte den Fahrer bitten: "Halten Sie bitte hier, ich muss."

Mehr als eine Stunde brauchte der Fahrer vom Grunewald bis zu einer Kaserne. Vielleicht werde ich eingebunkert, dann hingerichtet, dachte Keppler mit Entsetzen. Sterben mit einem Bauch voller Kot. Magenschmerzen bis zur Ewigkeit.

"Ich muss aufs Klo, dringend", bat Keppler.

"Ich verstehe nichts", rief der Kerl.

"Ich muss scheißen, dringend", schrie Keppler aus vollem Hals.

"Wir sind hier nicht im Kindergarten, beherrsche dich, Mann", brüllte das Speckgesicht.

"Das habe ich die ganze Zeit gemacht, wo ist hier ein Klo?"

Der Fahrer zeigte auf ein Gebäude. John Keppler meinte, in seinem ganzen Leben war er nicht so glücklich wie in jenem Augenblick. Wie dankbar war er dem Speckgesicht. Jetzt könnte er getrost sterben. Diese Sekunden voller Glückseligkeit. Diese Geräusche hörten sich für seine Ohren, wie die schönste und erhabenste Musik der Welt. So ein Augenblick ist geiler als tausend Orgasmen, stellte er mit Erleichterung fest. Erleichtert und befreit verließ er die Kabine.

Der Fahrer ging voran, wurde einige Male angehalten und musste sich ausweisen. Dann betraten sie ein Gebäude, gingen durch lange Korridore, die sich durch schwaches Licht zu erkennen gaben, und schließlich flüsterte sein Begleiter einem diensthabenden Offizier etwas ins Ohr. Der Fahrer trat ab, und Keppler folgte dem Offizier bis zu einer Tür am Ende eines Korridors. Der Wachsoldat salutierte zackig, und der Offizier verschwand hinter der Tür. Nach einer Weile bat ihn der Offizier einzutreten.

"Wenn ich sterben muss, so werde ich als Soldat sterben wollen. Es ist zwar tragisch, in jungen Jahren zu sterben, aber ich werde nicht der Erste sein, dem es passiert, ich werde auch nicht der Letzte sein, dem ...."

Hinter einem Schreibtisch saß der Generaloberst, jener Soldat, den Keppler am meisten bewundert hatte. Keppler grüßte militärisch und aus Überzeugung. Was für eine Überraschung, was für eine Erleichterung. Generaloberst Rommel lächelte ihn an, zeigte auf einen Sessel und lud ihn ein: "Nehmen Sie Platz, Leutnant Keppler!" Keppler gehörte zu den jungen Offizieren, die Canaris Meinung waren, dass Rommel alle soldatischen Tugenden verkörpere. Ja, es war immer sein Traum, für diesen Menschen zu arbeiten. Er schaute Rommel verstohlen an, als er sich hinsetzte.

"Sie haben gute Arbeit geleistet", sagte der Generaloberst. "Ihr Bericht ist sorgfältig ausgearbeitet. Solche Leute wie Sie können wir gut gebrauchen." Er mochte den schwäbischen Akzent des Generalobersts. Wir sind beide Schwaben, hätte er vor lauter Begeisterung am liebsten gerufen.

"Ich habe in den letzten Tagen", fuhr der Generaloberst fort, "mit Experten des Auswärtigen Amtes gesprochen. Sie haben noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben, dass die Türkei an unserer Seite in den Krieg ziehen wird. Aber diese Hoffnung können Sie genauso gut begraben."

"Die Menschen im Nahen Osten setzen große Hoffnung auf Deutschland. Für sie ist das die einzige Macht, die sie vom Joch der Engländer und Franzosen befreien kann", sagte Keppler enthusiastisch.

"Eine militärische Aktion hat nur Sinn, wenn die Logistik stimmt. Das heißt mit anderen Worten, wir können nicht davon ausgehen, dass die Türkei in den Krieg ziehen wird. Also Keppler, wir müssen uns auf die eigene Stärke besinnen", erläuterte der Generaloberst.

"General Al-Gailani hat mir zugesichert, dass die Armeen in Irak, Iran, Syrien und Ägypten auf der Seite der Deutschen stehen. Der Schah von Persien ist ein leidenschaftlicher Verehrer des Führers. Wir könnten mit kleinen Einheiten ein Wunder vollbringen. Denken Sie an Lawrence von Arabien!"

"Lawrence hatte seine Landsleute im Rücken. Die englische Armee saß am Suezkanal. Wie Sie sehen, war die Situation damals vollkommen anders."

Keppler war nicht bereit, vorschnell aufzugeben. "In diesem Gebiet sind drei Weltreligionen entstanden. Die Menschen sind begeisterungsfähig. Alle geschichtlichen Umwälzungen, die dort stattgefunden haben, wurden von einer kleinen Minderheit getragen, weil die Menschen immer noch an Wunder glaubten. Wer die Menschen in diesem Gebiet kennt, weiß das. Persönlich kenne ich General Asis El-Masry in Ägypten und General Al-Gailani im Irak. Auf diese Leute können Sie sich verlassen, Herr Generaloberst!"

"Es ist nicht so leicht, wie Sie es sich vorstellen, Leutnant Keppler", sagte der Generaloberst. "Aber Ihr Denkansatz ist bemerkenswert!"

Für seine ägyptischen Freunde blieb Keppler lange Zeit verschwunden; niemand wusste, wo er sich aufhielt. Azmi Allam beneidete ihn um seine Biographie. Wie gern hätte er einen ausländischen Vater oder eine ausländische Mutter gehabt, mehr noch, wenn’s nach ihm ginge, hätten auch beide Elternteile Ausländer sein können. Die Franzosen, Engländer, Griechen, Armenier, Italiener, sogar die Libanesen, die in Kairo, Alexandrien, Port-Said oder Ismailiyya lebten, waren für ihn wie Fenster, die ihm den Blick aufs europäische Leben gewährten. Was die Armenier oder Libanesen betraf, so versuchten sie sogar, europäischer als die Europäer zu sein. Bücher, Klavier, Violine, Gateau, Bach und Beethoven waren europäische Attribute. Man schmückte sich mit Titeln von Luther und Rousseau und konnte von Parfüm und Nagellack nicht genug bekommen. "Ich will meine Gedichte mit Lippenstift schreiben!", hatte Azmi einmal in einem Artikel gejubelt.

"Taugenichtse, die besser Weiber und Huren hätten werden sollen!", schimpfte Scheich Allawi. "Erdreisten sich, ihre Meinung als einzig maßgebliche auszugeben. Das beste Beispiel ist dieses Miststück, das den Namen Azmi Allam trägt. Diese Schwuchtel macht keinen Hehl daraus, dass er Europa über alles bewundert. Er nennt Montesquieu, Marx, Luther, Calvin und Adam Smith moderne Propheten. Steht etwa im Alten oder Neuen Testament mit nur einem einzigen Wort geschrieben, dass diese Häretiker und Gottlosen Propheten sind? Zugegeben, Azmi Allam ist ein Kopte. Sollen von mir aus die Kopten lesen, was er schreibt. Das bleibt ihnen überlassen. Aber warum sollen wahre Gläubige diesen Unsinn zu lesen bekommen? Schluss damit! Es ist höchste Zeit, dass die Regierung diesem gottlosen Journalisten Schreibverbot erteilt!"

"Ich halt es nicht mehr aus! Luther hatte es nicht halb so schwer mit dem Papst wie ich mit diesem Allawi! Niemand und nichts hasse ich mehr als diesen Kerl!", schimpfte Azmi Allam, als er bei Tahiya war.

"Warum regst du dich so auf?", fragte sie.

"Die Mehrheit in diesem Land besteht aus Analphabeten. Der Rest ist halbgebildet. Und dieser Scharlatan nutzt diese Situation schamlos aus. Alle Idioten und Halbidioten laufen ihm natürlich hinterher. Und da soll ich mich nicht aufregen!"

Tahiya blieb gelassen. "Kannst du etwas daran ändern?"

Angesichts von so wenig Anteilnahme konnte sich Azmi nicht genug wundern. Er wusste, dass sie bemüht war, ihn zu beschwichtigen. Aber das half ihm nicht, eher ärgerte er sich noch mehr. "Wenn wir schon nicht gleicher Meinung sind, dann tu mir bitte den Gefallen und liefere mir so viel Informationen über diesen Kerl, wie du nur kannst", bat er.

"Wie denn? Ich geh doch mit dem nicht ins Bett!", wehrte sie heftig ab.

"Das brauchst du auch nicht", versuchte er sie zu beruhigen. Was er allzu gern gewusst hätte, war, warum John Keppler sich regelmäßig mit Scheich Allawi traf, wenn er sich in Kairo aufhielt. Tahiya hatte ihm außerdem berichtet, dass in der letzten Zeit ein Offizier der ägyptischen Armee anwesend gewesen sei. Die drei trafen sich in Allawis Haus.

"Gib dir Mühe und find heraus, worum es da geht", bettelte Azmi, wohl wissend, dass Tahiya alles tat, nur um ihm zu gefallen. Sie wollte, dass er sie heirate. Aber Azmi hatte es noch immer geschafft, sich diesem Wunsch zu verschließen.

"Tahiya, für mich kommt heiraten nicht in Frage. Mir geht es wie den Staatsanwälten und Richtern, die in Askour arbeiten. Sie sind ihres Lebens nicht sicher, weil sie zu viele Feinde haben. Willst du als junge Witwe vier oder fünf Kinder allein erziehen?"

Gewiss, das war nicht der wahre Grund, der gegen eine Heirat sprach. Er würde nie eine Tänzerin heiraten, so berühmt sie auch sein mochte.

Instinktiv spürte Tahiya das. "Ich bin aus gutem Haus!", belehrte sie ihn immer wieder. "Mein Vater war ein angesehener Kaufmann, aber Inflation und Krieg haben unsere ganze Familie aus der Bahn geworfen."

Tänzerin oder nicht, er wollte überhaupt nicht heiraten. Er hatte geschworen, das Elend der Welt nicht durch unnötigen Kindersegen zu vermehren.

"Du bist ein kluger Mensch, Azmi", hatte Keppler einst gesagt. "Die meisten intelligenten Menschen, die ich kenne, wollen nicht heiraten. Sieh dich um, nur die Dummen vermehren sich! Wie soll das nur enden!"

"Warum gehst du nicht mit gutem Beispiel voran?", konterte Azmi.

"Ich bin ein schwer geprüfter Mensch. Ich hatte einen Tyrannen als Vater und eine zauderhafte Mutter. Das ist eine giftige Mischung für die eigenen Kinder. Denn du darfst nicht vergessen, dass die Großeltern die Enkelkinder erziehen. Ich werde meine Kinder so erziehen, wie meine Eltern mich erzogen haben. Nein Allam, ein John Keppler reicht vollkommen aus. Wir brauchen nicht das Elend der Welt ins Unermessliche zu übertreiben."

John Keppler war ein gut aussehender Mann, ein fescher Kerl. Selbst Tahiya schwärmte von seiner Ausstrahlung. Wenn sie knapp andeutete, wie es mit ihm im Bett war, konnte Azmi seine Neugier kaum bändigen. "Erzähl ruhig mehr!"

"Was findest du da so interessant?"

"Ach, nichts Besonderes. Aber du beschreibst alles ein bisschen mager."

"Ich habe dir die Geschichte schon mindestens viermal erzählt!"

"Aber es war immer dasselbe! Ich will genau wissen, wie er es gemacht hat."

"Wie schon? Wie jeder andere. Da gibt’s nichts Außergewöhnliches."

Tahiya wusste aus Erfahrung, wie eifersüchtig er war.

Azmi fuhr mit seinem kleinen Austin nach Askour. Während er den Wagen entlang des Scharquawiyya Kanal steuerte, sah er von weitem ein Schild. Bei näherer Betrachtung konnte er lesen:

Dr. Karim Ackawi

Arzt

Absolvent der Universität Hamburg

Deutschland

Er hielt den Wagen an. Sollte er ihn nicht vielleicht doch einmal aufsuchen? Er hatte es sich schon so lange vorgenommen, aber nie getan. Wieso nicht? Vielleicht weil der Kanal dazwischen lag? Über die Brücke fahren, einfach hingehen und sagen: "Hallo, hier bin ich. Ich habe festgestellt, dass ich zur gleichen Zeit wie Sie in Europa war. Ich war auch öfters in Deutschland, in Hamburg sogar eine ganze Woche."

Wild entschlossen fuhr er über die Brücke, hielt neben dem Gebäude an und betrat die Praxis. Sie war überfüllt. Bauern, kleine Kinder, Frauen, arme Leute, und sie alle saßen oder lagen auf dem Boden, weil alle Stühle besetzt waren. Es roch nach Krankheit, Desinfektionsmittel und Elend. Plötzlich kam er sich fehl am Platz vor. Er fühlte sich am Elend dieser Welt schuldig. Auf leisen Sohlen schlich er hinaus.

Eines Tages stand Tahiya vor Scheich Mutwallis Haus. Er öffnete die Tür. "Was wünschst du?"

Tahiya lächelte ihn an: "Darf ich eintreten?"

Sie durfte. Scheich Mutwalli bat sie, Platz zu nehmen. "Leg die Milaja ab!", forderte er sie auf. Tahiya befreite sich von dem schwarzen Tuch, das ihren Körper umhüllte, und legte es beiseite. Schamhaft senkte sie den Blick.

"Was hast du auf dem Herzen?"

Sie schaute kurz auf. "Ich bin seit drei Jahren verheiratet und habe noch immer keine Kinder."

"Wer hat dich zu mir geschickt?"

Tahiya wusste nicht gleich, was sie antworten sollte. Auf alle möglichen Eventualitäten hatte sie sich vorbereitet, aber nicht auf diese Frage.

"Eine Freundin hat von dir gesprochen", meinte sie zögernd.

Der Mann biss sich auf die Unterlippe. "Deine Freundin hat Unsinn erzählt." Er schwieg.

"Sie hat mir gar nichts erzählt. Sie hat nur gesagt, du könntest mir helfen", erklärte sie hastig.

Scheich Mutwalli wurde zornig. "Wenn du meinst, du könntest mich für dumm ..."

Noch bevor er den Satz zu Ende sprechen konnte, rief Tahiya: "Verzeih mir, Scheich Mutwalli! Sie hat mir gar nichts erzählt, bitte tu mir kein Unrecht an!"

Mutwalli ging es nicht so sehr um Lügen oder Nichtlügen, sondern er wollte um jeden Preis vermeiden, dass sein Ruf durch unnötiges Gerede in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Frauen selbst hatten Interesse daran, dass von seiner Hilfe niemand erfuhr. Die eine oder andere Frau redete wohl darüber, das war nicht zu vermeiden. Die Mehrheit der Frauen aber bewahrte sein Geheimnis, und zwar aus ureigenem Interesse. Schweigend sah er die Frau an. Sie hatte ein hübsches, ovales Gesicht und war ein wenig füllig. Genau nach seinem Geschmack. Sie wirkte verschüchtert, blickte unterwürfig zu Boden.

"Du willst also ein Kind haben."

Sie nickte.

"Ich kann dir kein Kind versprechen. Ich werde aber alles tun, damit dein Wunsch in Erfüllung geht. Du musst mir allerdings etwas zusichern."

Sie schaute ihn an. Was für Augen, dachte Mutwalli. Ihre Lippen, die Nase und die Augenbrauen standen miteinander in einer Harmonie, die diesen Augen etwas Rätselhaftes verlieh. Mutwalli sah ihr noch einmal in die Augen und wusste, dass er solchen Frauen ausgeliefert war.

"Du musst mir versprechen, niemals darüber zu sprechen. Alles, was wir vereinbaren, bleibt unser Geheimnis. Bist du damit einverstanden?"

Tahiya nickte heftig.

"In Ordnung", sagte er, "überleg es dir trotzdem gut. Und wenn du meinst, du bist dazu imstande, dann komm in einer Woche wieder!"

Sie hüllte sich in die Milaja und ging.

Scheich Mutwalli war zweiundvierzig Jahre alt. Mit seiner großen und kräftigen Statur machte er einen stattlichen Eindruck. Ein kurzer Bart umrandete sein Gesicht, und die kleinen flinken Augen verrieten die tätige Unruhe, die ihn beherrschte. Die Leute nannten ihn "Abu Dakn", "Vater des Barts". Scheich Mutwalli hatte mehr als zehn Jahre als Volksschullehrer in Mansoura gearbeitet. Dann wurde er entlassen, weil die Schulbehörde ihm vorwarf, Turanschahs Lehre unter den Schülern verbreitet zu haben. Außerdem war ihm nachgewiesen worden, dass er nicht, wie angegeben, in Assiut geboren war, sondern in Askour. Er hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er seinen Schülern die wahre Lehre vermitteln wollte. Allerdings verstanden ihn die Kinder nicht und wandten sich mit bestimmten Fragen an ihre Eltern. Die Eltern wiederum waren besorgt und alarmierten die Schulbehörde. Das alles geschah, bevor Minister Gaafer die Turanschahis als gleichberechtigte Bürger anerkannte.

Mit dreiunddreißig Jahren wurde Mutwalli arbeitslos. In Askour fand er keine Stellung. So reiste er durch die großen und kleinen Städte des Landes. Nil aufwärts, Nil abwärts. Er arbeitete als Privatlehrer, Landarbeiter, Angestellter in einem Kontor und als Verkäufer in einem Lebensmittelgeschäft. In all diesen Berufen betrachtete er sich als Versager. Eines Tages, das war in Suez, nahm er an einer Zirkusvorstellung teil. Am Ende der Vorstellung erfuhr er, dass der Zirkus einige Arbeiter brauchte. Er meldete sich und zog von da an mit den Schaustellern durch das Land. Seine Aufgabe war es, bei Aufstellung und Abbau des Zirkuszeltes mitzuhelfen. Die Arbeit machte ihm keinen Spaß. Aber der Kontakt mit den Akrobaten und Artisten ließ ihn diese Tätigkeit leichter ertragen.

In Ismailiyya, einer Stadt am Suezkanal, fiel er beim Errichten des Hauptmastes aus etwa vier Metern Höhe auf den Boden. Ein herbeigerufener Arzt stellte den Totenschein aus. Das war am 16. August 1933, ein heißer Tag, und an eben diesem Tag sollte die Beerdigung stattfinden. Seine vermeintliche Leiche lag auf dem Waschtisch. Der Leichenwäscher goss einen Eimer kalten Wassers über Mutwallis Körper, und da richtete der sich plötzlich auf. Der Leichenwäscher schrie um Hilfe und ergriff die Flucht. Im Nu sprach sich diese "Auferstehung" herum; für die Leute war ein Wunder geschehen. Die "Az-Zaman" druckte ein Interview mit ihm. Für drei Wochen war er sehr berühmt. Viele Leute kamen in den Zirkus, nur um ihn zu sehen. "Abu-Dakn, der zweite Lazarus!", hieß es überall. "Ich bin vom Tode auferstanden!", lautete eine Schlagzeile in "Az-Zaman".

Damals hielt sich Azmi in Paris auf. Später, als er für die "Az-Zaman" arbeitete, las er das Interview mit Mutwalli. Zidan hatte ihn darauf aufmerksam gemacht. Zidan schrieb unter der Rubrik Nachrichten aus der Provinz, und Azmi Allam unterhielt sich mit ihm des öfteren in der Redaktion.

"Mutwalli ist ein Heiliger, ein Kenner sowohl des Diesseits als auch des Jenseits. Es heißt, dass er sich während seines Todes mit Turanschah traf, der ihm Macht über die Lebendigen verlieh."

Azmi wollte wissen, über welche Kraft Mutwalli verfügte. "Er kann die Krankheit ins Reich des Todes bannen. Nach der Lehre von Turanschah besteht der Körper aus Teilen des Todes und Teilen des Lebens. An sich gehört die Krankheit zum Reich des Todes, aber sie versucht, den Menschen in Beschlag zu nehmen, um ihn dem Reich des Todes anzuvertrauen. Mutwalli gelingt es, den Menschen aus den Krallen des Todes zu befreien, indem er ihn von der Krankheit heilt."

Zidan schrieb einen Artikel in Az-Zaman. Dieser Artikel beruhte auf einem Interview, das er mit Mutwalli führte. Die Geschichte um seinen Unfall, während er beim Zirkus gearbeitet hatte, erhielt einen Nachtrag. Während er sich im Jenseits aufhielt, vertraute ihm Turanschah das Geheimnis der Welt an. Alle Ereignisse, die von da an folgen werden, hatte ihm Turanschah vorausgesagt. Mutwalli durfte darüber nicht reden.

„Wenn ich das, was mir Turanschah prophezeit hatte, verlautbaren würde, werden Säuglinge und alle Kinder dieser Welt innerhalb des Bruchteils einer Sekunde in Greise verwandelt. Sie schießen in die Höhe, erhalten einen krummen Rücken, ihr Haar wird weiß oder sie bekommen einen kahlen Kopf. Bevor der Tag zu Ende geht, wird kein Mensch lebendig auf der Erde kriechen. Mutter Erde wird mit Leichen bedeckt sein, und keiner wird dieses Geschehen auch nur für den Bruchteil einer Sekunde miterleben.“

Az-Zaman musste die Ausgabe einundzwanzig Mal verlegen. Sogar Menschen, die weder lesen noch schreiben konnten, kauften die Zeitung in der Hoffnung, ein Lesekundiger würde ihnen die Geheimnisse jenes Interviews offenbaren.

Die Zentralregierung verhängte einen Druckstop, trotzdem wurde die Zeitung außerhalb des Zeitungsgebäudes weiterhin verlegt. Schmuggler mit Hilfe von Fischkuttern und Kamelkarawanen sorgten dafür, dass die benachbarten Länder mit der Auflage der Az-Zaman versorgt werden. Ein Exemplar kostete bis zum Zwölffache seines ursprünglichen Preises. Polizei und Armee der benachbarten Länder gaben sich Mühe, den Strom der geschmuggelten Zeitung zu stoppen. Das Ganze scheiterte daran, dass die beauftragten Kräfte das Angebot, sich am Gewinn zu beteiligen, nicht ablehnen konnten.

Die ganze Menschheit ist verrückt, dachte Azmi. Seitdem ich das weiß, seitdem ich davon überzeugt bin, kann ich in jeder beliebigen Gesellschaft leben, ohne allzu sehr zu leiden. Was Zidan über Mutwallis Heilkraft erzählte, bestätigte ihn in seiner Meinung. Auch die Geschichte, dass Turanschah ihn zu sich berufen habe, fand er zwar ulkig, aber viele Zeitgenossen glaubten daran. Sogar die gebildeten Stände jener, denen er im Alltag begegnete. Verrückter ging es nicht mehr.

Allawi, Zidan, Mutwalli bis hin zu Hitler und Stalin sind handfeste Beweise dafür, dass die Menschen für die Sklaverei geboren sind. Verrückte, die danach trachten, geknechtet und versklavt zu werden. Auch Bildung befreit nicht. Dieser Kerl hat ein akademisches Studium absolviert, trotzdem glaubt er an Dinge, die total jenseits aller Vernunft sind. Allawi nennt sich auch einen Vollblutakademiker. Was hat ihm die angebliche Bildung geholfen? Was für ein Irrtum, zu meinen, Bildung könnte die Welt verändern, grübelte er.

"Ich weiß, dass Sie an solche Dinge nicht glauben", erklärte Zidan. "Sie sollten mal mit den Leuten reden, die er von allen möglichen Krankheiten geheilt hat!" Leise fügte er hinzu: "Ich gehöre auch zu den Menschen, die das Wunder seiner Heilkraft am eigenen Leib erfahren haben."

Bloß von deinem Schwachsinn hat er dich nicht geheilt, dachte Azmi. Er hätte es gern ausgesprochen, aber er wollte sich beherrschen.

"Sie nehmen mich nicht ernst?", protestierte Zidan.

Azmi fühlte sich bemüßigt, eine Entschuldigung zu finden. "Nein, nein", beteuerte er, "vielleicht sollte ich auch Mutwalli einmal aufsuchen."

Zidan ging sofort darauf ein. "Das kann ich Ihnen nur empfehlen. Lesen Sie das Interview, das er damals "Az-Zaman" gegeben hat. Da steht einiges drin, was Sie interessieren könnte."

In diesem Moment war in Azmis Kopf die Idee entstanden, Tahiya zu Mutwalli zu schicken. Azmi ging ins Archiv, um sich die Ausgabe mit dem Interview herauszusuchen. "Turanschah hat mich aus dem Reich der Toten geholt", verkündete Mutwalli darin.

Die Turanschah-Bewegung hatte Azmi nie sonderlich interessiert. Erst als im Land Gerüchte laut wurden, dass die Turanschahis mit den Deutschen in Verbindung stünden und den „Führer“ als Befreier ansähen, begann Azmi, sich Gedanken über die Bewegung zu machen. Sie schien ihm ein weiteres Indiz dafür zu bieten, dass seine Theorie von der unabänderlichen, ausweglosen Verrücktheit der Menschen stimmte. Mehr wollte er nicht. Wie hatte er in einem seiner Artikel geschrieben? "Trotz Reformation, trotz Aufklärung, trotz Humanismus, trotz Parlamentarismus, trotz allem anderen, das uns die Jahrhunderte beschert haben, sind die Menschen Gefangene ihrer ursprünglichen Ohnmacht geblieben."

Und ich? Er geriet ins Grübeln. Ich bin genauso schwachsinnig wie meine Zeitgenossen. Ich glaube noch immer an den Sozialismus, und das in einer Zeit, in der alle nur noch vom Übermenschen träumen und faseln. Aber ist nicht der Sozialismus die wahre Rettung von allen gesellschaftlichen Krankheiten? Erst wenn wir die Gleichheit aller Menschen erreichen, schreiten wir einer lichten Zukunft, einer heilen Welt entgegen. Die Verstaatlichung von schönen Frauen, das wäre was, spottete er in Gedanken. Sie, die wahren Reichtümer dieser Erde, vermarktet in Form einer Aktiengesellschaft. Mit Renditeausschüttung. Leider vergeht Schönheit zu schnell in dieser grausamen Welt. Aber bis dahin verwelken wir auch, aber sie wächst überall auch wieder heran. Also gibt’s neue Aktien und neue Hoffnung.

Er dachte an Tahiya. Sie war eine dieser schönen Frauen. Einige Journalisten beneideten ihn um sie. Na und, habe ich sie nicht verdient? Für ägyptische Frauen war sie groß. Ihr Gesicht, an dem Generationen von Griechen, Römern, Ägyptern und sonstigen Völkern gearbeitet hatten, wurde durch einen ebenso hübschen Hals zur Schau getragen. Sie zog sich so an, dass jeder ahnte, dass dieser Körper außergewöhnlich war. Nur wenige waren auserwählt, sie auszuziehen und zu erfahren, wie ein Körper alle Gaben der Natur in sich vereinigen kann. Wenn sie tanzte, waren die Zuschauer bezaubert. Sie wurden still und applaudierten, um zu nur zeigen, dass sie ihrer Macht nicht völlig ausgeliefert waren. Sie waren alle von ihr hingerissen, auch Azmi.

Nach dem Sturz veränderte sich Mutwallis Leben. Wodurch? Das hätte er nicht sagen können, jedenfalls nicht präzise. Er empfand neue Lebenslust. Seine Begierde war scheinbar nicht mehr zu bändigen. Er entdeckte die Frauen von Neuem. Die Artisten schliefen bis zur Mittagsstunde. Die Frauen kümmerten sich um Wäsche und Kinder, aber meistens kümmerten sie sich um Mutwalli. Er traf eine strenge Auslese. Die Frau des Zirkusdirektors gefiel ihm von jeher, nur hatte es ihm bisher an Mut gefehlt, sie anzusprechen. Die zweite Frau war mit einem Artisten verheiratet. Vor seinem Unfall hatte er nicht gewagt, weder die eine noch die andere auch nur anzusehen. Nach dem Ereignis war er wie verwandelt, und nicht nur er, sondern die Frauen auch.

Selbst das Licht gewann plötzlich neue Dimensionen. In jedem Moment erfuhr er es anders. Licht war etwas Kompliziertes und Einfaches zugleich. Das Licht durchflutete alle Wesen und alle Gegenstände, es verwandelte und durchdrang sie. Die Blätter der Blumen und Rosen und der Bäume waren ursprünglich Licht, das sich im Grün der Bäume verewigte. Dasselbe Licht hat seine Sinne, er wusste nicht wie, berauscht. Die ganze Welt bestand auf einmal aus nichts anderem als aus unendlichen, kleinsten Partikeln, die Helligkeit auf ihren Rücken trugen. Seine Bewegungen wurden langsamer, bedächtiger. Manchmal blieb sein Blick an einem Gegenstand haften, sei es ein Teppichmuster oder Ornament, eine Pflanze oder eine Holzmaserung, und nicht lange, und das Objekt begann zu leben. Alle Gegenstände unterlagen einer solchen Verwandlung. Alles, was gerade noch in Ruhe verharrt hatte, sehnte sich nach Bewegung, nach Leben.

Verzierungen krümmten sich, Linien und Striche streckten sich. Was gerade war, bog sich, wurde zur Kurve. Und die Kurve wandelte sich zur Ellipse, die Ellipse zum Kreis, der Kreis zur Kugel, die Kugel explodierte. Unzählige Formen von Licht, Schatten und Farben schwirrten vor seinen Augen.

Er kletterte auf den Mast. Die Perspektive war trügerisch. Von oben, der Spitze des Zeltmastes aus betrachtet, waren die Menschen mit dem Erdzentrum verbunden. Ein Akrobat versuchte, sich einer Tänzerin anzunähern, während sie Wäsche zum Trocknen aufhängte. Offenbar war es nicht das erste Mal, denn sie war willig und erwiderte seine Annäherungsversuche, indem sie mit dem Aufhängen der Wäsche aufhörte und mit dem Aufknöpfen seines Hosenschlitzes begann.

Er klammerte sich an die Spitze des Mastes, der hin und her schwang, und da verlor er anscheinend das Gleichgewicht. Die Schreie der Frau, die kurz davor Schreie der Lust waren, verwandelten sich in Hilferufe, dann verstummten sie. Regungslos lag er da. Ein Stück von Mutter Erde. Alles ruhte in sich, alles war unendlich still. Keinerlei Regung. Der Egel verspeist die Schlange. Alles ruht.

Mutwalli entdeckte die Macht der Frauen. Aber er entdeckte auch die Wirkung, die er auf Frauen ausübte. Einer, der aus dem Tod auferstanden war, musste ja wohl Verbindung zum Jenseits haben, musste das Geheimnis von Leben und Tod kennen. So entdeckten seine Mitmenschen seine Heilkraft. Das Schreiben von Talismanen, Handauflegen, Augenkontakte, Dämonenaustreibung und Geisterbeschwörung, Wahrsagen und erotische Ausstrahlung gegen alle bösen Kräfte dieser Welt. Die Menschen strömten ihm zu. Seine Patienten erhoben ihn zu einem Heiligen.

Einmal wurde er zu einer kranken Frau gerufen. Sie lag im Bett, an dem Mutter und Schwester standen. "Schick sie weg", flüsterte sie ihm ins Ohr. Als die beiden Frauen gegangen waren, nahm sie seine Hand, legte sie erst auf die Stirn, dann auf die Brust, umklammerte mit beiden Händen seine Finger und ließ sie den Bauch entlang hinunter gleiten.

Mutwalli bestand darauf, dass jede Frau, mit der er zu tun hatte, ihm ein kleines Büschel ihrer Haare schenkte. Die meisten Frauen machten aber Gebrauch von der modernen Technik unter dem Aufwand der Hygiene. Trotzdem hielten viele Frauen ihr Versprechen und brachten ihm, sobald das Haar nachgewachsen war, das ersehnte Büschel. Am liebsten schnitt Mutwalli selbst das Haar ab. Er zwirbelte es zusammen, ließ die Frau es halten, bündelte es mit einem Faden und schnitt es mit einer kleinen Schere ab. Im Verlauf der Zeit verfügte er über eine Sammlung von mehr als dreihundert Mustern. Er bewahrte sie in einem Beutel, den er um den Hals trug. Immer wieder verspürte er den Wunsch, daran zu schnüffeln. Besonders schlimm war es, wenn der Blitz wieder durch seinen Kopf zuckte. Dann griff er zum Beutel und hielt ihn sich schnell an die Nase. Es wirkte wie ein Wunder. Der Geflimmer vor seinen Augen wurde weniger grell, schoss nicht gleißend in die Höhe und erlosch schließlich.

Er sammelte noch etwas, jenes Teilchen nämlich, das bei der Beschneidung der Mädchen übrigblieb. Woche für Woche brachte ihm die Hebamme die amputierten Klitorides. Er ließ sie in einem Nebenraum trocknen, fädelte sie auf und schuf auf diese Weise einen Rosenkranz menschlichen Fleisches. Wenn er der Ruhe und inneren Einkehr bedurfte, zog er den Beutel heraus, den er um den Hals unterm Hemd trug, und schnüffelte daran. Die Mischung der dort aufbewahrten Schamhaare und halbwegs trockenen Kitzler ergab einen anregenden Duft, der ihn an die Gesichter mancher Frauen erinnerte. Sie boten ihm eine üppige Weide aus lichtscheuen Haaren an, die reiche Ernte versprach.

Mutwalli behielt ein Geheimnis für sich, das er niemandem verraten hatte. Während der Zeit, in der er als tot galt, wanderte er wahrhaftig durch das Reich der Toten, der berühmten und großen Toten, und dort empfing ihn der Beherrscher des Totenreiches, Turanschah. "Ich ließ dich zu mir kommen, weil von allen Lebendigen keiner würdig war, mich von Angesicht zu Angesicht zu erblicken. Höre, Mutwalli, die berühmten Toten weilen nicht nur im Jenseits, wie alle deine Zeitgenossen meinen. Sie leben noch und mischen sich unters Volk, und nur du hast die Gabe erworben, sie zu erkennen. Sie kommen zu mir, wenn ich sie zu mir rufe. Sie werden sich an dich wenden und werden dich nach dem Weg zu mir fragen. Führe sie zu mir!"

Kurz danach Mutwalli konnte nicht sagen, wann das geschah, erschien eine riesige Galeone, geführt von Christopher Columbus, und Christopher wollte wissen, wie er zu Turanschahs Schrein kommen könnte. Mutwalli fragte, wie er es überhaupt geschafft hatte, mit diesem gigantischen Pott durch den dünnen Nilwasserarm zu fahren. Christopher herrschte ihn an, er möge seine Frage beantworten und sagen, wo Turanschahs Grab lag und zwar schnell. Das Schiff schob eine Wasserwelle durch das Nilufer, links und rechts vom Bug spaltete sich das Wasser.

"Wie ist es dir von allen Menschen gelungen, mit so einem Riesenschiff zu Turanschah zu finden?", fragte Mutwalli.

Christopher nahm Mutwalli bei der Hand und führte ihn zum Schiff. "Dieser Mannschaft ist es zu verdanken, dass ich es zu Turanschah geschafft habe", sagte Christopher. Er zeigte dabei auf Sklaven, die im Bauch des Schiffs an den Rudern saßen. Jeder von ihnen trug ein Tafel um den Hals, worauf sein Name Stand. Mutwalli las die Namen.

Thomas Morus, Platon, Joachim de Fiori, Karl Marx, Nietzsche, Calvin, Assisi und viele, viele andere, deren Namen er nicht lesen konnte, weil sie ihm durch die Dunkelheit im Bauch des Schiffs fern vorkamen. Mutwalli, der nie eine fremde Sprache in seinem Leben gesprochen hatte, konnte alle Sprachen dieser Welt plötzlich verstehen. Diese Ruderer waren aneinander gekettet. Christopher stolzierte voran, wobei die Sklavenhalter die Gefangenen an der Kette führten. Mutwalli wunderte sich, dass dieses Heer von Sklaven Platz im Bauch des Schiffes gefunden hatte.

"Diese Menschen sind die größten Denker und Philosophen, die die Welt kannte. Wieso agieren sie bei dir als Sklaven?", wollte Mutwalli wissen.

"Wenn ich dir das erklären würde, wirst du es nicht verstehen. Ich kann dir nur verraten: Turanschah kam zu mir, als ich siebzehn Jahre alt war und befahl mir: 'Christopher, geh westwärts und entdecke das neue Land für mich.' So folgte ich auch seinem Rat."

Auf einem goldenen Thron saß Turanschah mit einem weißen Gewand gekleidet und hielt einen Stab aus reinem Gold in der rechten Hand. Die Großen dieser Welt saßen ihm zu Füßen. Mutwalli spürte, wie ihn Angst und Furcht in Beschlag nahmen. Er verkroch sich in eine Ecke.

Christopher trat vor Turanschah, machte eine Verbeugung und bat den Herrn aller Größen und Berühmtheiten, ihm den Weg nach Indien zu weisen.

Ein Ruderer mit dem Namen Marx rief entsetzt, der Herr möge ihm den Weg nicht verraten, denn dieser Weg wäre das Ende aller Utopien. Ein anderer, dessen Namen Morus war, protestierte, dass seine linguistische Schöpfung falsch gebraucht wurde. Ein schmächtiger Seemann namens Calvin, ein Schweizer mit finsterem Blick, schaute in die Menge, bis sie alle ruhig wurden. Dann erzählte er von den goldenen Löffeln und Gabeln, mit denen die Auserkorenen speisen werden, wobei die Verdammten dazu dienen müssten, die Auserwählten in das Himmelreich zu erheben. "Eine Verunglimpfung des Schöpfers ist das! Eine ungeheuere Blasphemie, denn Gottes Kinder sind alle gleich", ermahnte einer, der wie ein Prediger aussah. Er saß weit weg von Mutwalli, er konnte trotzdem seinen Namen lesen. Franz von Assisi hieß er. Daraufhin wurde es wieder laut im Saal. Turanschah schlug zweimal mit seinem Stab auf den Boden, dann wurde es wieder ruhig.

"Alle, die hier anwesend sind, und alle, die noch nicht geboren sind, tragen dazu bei, dass mein Reich sich über die ganze Welt ausdehnen wird. Unter ihnen wird es Leute geben, die mich bekämpfen. Diese sind meine liebsten Kinder, denn ihre Behauptungen werden sich schnell als Lügen erweisen. Mein Volk wird sich nicht irren, es wird auch nicht vom rechten Weg abweichen", so sprach Turanschah. Dann wachte Mutwalli auf.

Mutwalli kannte niemanden, dem er seinen Traum offenbaren konnte. Er schrieb all diese Namen, so gut er sich daran erinnern konnte, auf. Marx, Calvin und Platon waren tatsächlich große Denker, wovon kluge Bücher zu berichten wussten. Zidan wusste das auch. Warum hatte ich mich früher nicht mit diesen Menschen befasst, bemitleidete Mutwalli sich. Gern hätte er diesen Traum noch einmal erlebt. Obwohl Turanschah ihm mit allen Herrlichkeiten dieser Welt erschienen war, konnte er sich an sein Gesicht nicht erinnern. Wenn er jemandem von diesem Traum erzählen würde, würden die Menschen an seinem Verstand zweifeln. An Turanschahs Offenbarung dachte er immer wieder. "Wisse, Mutwalli", so sprach Turan zu ihm, "alle Menschen kommen als Turanschahis zur Welt, nur durch ihre heidnischen Eltern werden sie vom rechten Weg abgehalten. Geh und verkünde es in meinem Namen."

Er selbst, Mutwalli, hat diese Wahrheit vergessen. Ja, diese Offenbarung steht auf der ersten Seite der Offenbarungen des Herrn des Dies- und des Jenseits. "Niemand erhält das Recht auf Leben im Diesseits, ohne zu bekennen, dass er Turanschahi ist", heißt es dort. Mit dieser Aussage haben die Turanschahis die Wut und die Ablehnung aller anderen Religionsgemeinschaften geerntet. Es war ja auch kein Wunder, dass sie zum Dasein einer Geheimsekte verdonnert wurden. Mutwalli wusste, wie alle anderen Turanschahis, dass die Zahl derjenigen, die sich offen zu Turanschah bekennen, weit geringer ist als die Zahl derjenigen, die sich heimlich zu ihm bekennen. Eines Tages werden sie ihre volle Identität bekannt machen. Und alle Menschen dieser Welt werden plötzlich zugeben, dass sie von jeher treue Turanschah-Anhänger waren.

Als er sich damals zum Volksschullehrer ausbilden ließ, verdankte er diese Ausbildung einem Zufall. Der Seminarleiter erkrankte, und alle Ärzte konnten ihm nicht helfen. Nur Mutwalli befreite ihn von seinen Schmerzen. Als Belohnung dafür nahm er ihn in das Seminar auf, obwohl sein Schulzeugnis nicht ausreichte, diese Ausbildung zu machen. Als besonders begabter Student wurde er auf Empfehlung des Seminarleiters eingestuft. Mutwalli enttäuschte nicht. Er schloss die Ausbildung mit Auszeichnung ab. Damals war Mutwalli unbekannt, und von seiner Heiligkeit war noch keine Rede. Nur der Seminarleiter hatte das geahnt.

Sein Ruf als Heiler eilte ihm voraus. Wohin er auch kam, wollten die Leute von seiner Heilkunst profitieren. Er ließ sich in Askour nieder. Viele Menschen suchten ihn auf: Kranke und Gesunde, Frauen und Männer, Kinder und Greise. Sein neuer Beruf brachte ihm nicht nur finanzielle Unabhängigkeit, sondern auch das Privileg, über seine Zeit frei verfügen zu können. Endlich konnte er sich einen alten Wunsch erfüllen, sich mit Turanschah zu beschäftigen. Ein Gelübde, das er sich selbst auferlegte, alles für Turanschah zu tun, damit er ihm wieder im Traum erscheinen mag. Das war die Zeit, in der er Sausan, Zidans Frau, begegnet war. Ihretwegen wurde sein Interesse an Turanschah noch brennender. Mutwalli beschwor Turanschah, ihm genügend Macht zu verleihen, um sich Sausans bemächtigen zu können. Er kaufte alle Bücher, die über Turanschah geschrieben worden und erhältlich waren.

Zidan Afifi besaß eine große Sammlung. Darunter waren mehrere Exemplare, die älter als hundert Jahre waren. Einige Bücher waren sogar handgeschrieben; Angaben über das Entstehungsjahr ließen sich nicht finden. Zidan meinte, dass sie über zweihundert Jahre alt sein müssten. Ein Buch, verfasst von einem Schuldirektor namens Bugdadi, war im Jahr 1851 erschienen. Der Verfasser prophezeite, dass keine hundert Jahre vergehen würden, und Turanschahs Buch wäre wiedergefunden. Keine hundert Jahre werden vergehen, und die ganze Welt wird Turanschah als ihren Herrn anerkennen, hieß es weiter. Alle Menschen werden sich darauf besinnen, dass sie als Turanschahis geboren waren.

Zidan hatte dieses Buch 1939 zum ersten Mal gelesen. In zwölf Jahren müsste also die Prophezeiung in Erfüllung gehen. Turanschahs Auferstehung sollte mit dem Auffinden des verloren gegangenen Buches einhergehen, aber weit und breit fanden sich weder für das eine noch für das andere irgendwelche Anzeichen. Das Buch blieb nach wie vor verschollen. Mutwalli hatte schon des Öfteren mit Zidan über den Verbleib der Schrift gesprochen. Sie waren sich einig, dass der Meister in diesem Werk das Geheimnis der Welt offenbart hatte. Tage- und nächtelang saßen sie zusammen, tranken Tee und stöberten in Büchern, die von Turanschahs Geheimnis handelten. Mutwalli fuhr sogar in die benachbarten Städte, um in den verschiedenen Buchhandlungen möglicherweise noch unbekannte Bücher zu entdecken.

Bei ihrer ersten Begegnung hatte es für Zidan ein einschneidendes Erlebnis gegeben. Seit langem litt er unter unerträglichen Kopfschmerzen. Mutwalli verschrieb ihm einen Talisman und legte ihm die Hand auf die Stirn. Plötzlich rief Zidan: "Mir geht es wesentlich besser!" Dieses Gewicht, das auf seinem Kopf lastete, löste sich langsam auf. Mutwalli gab ihm seine ungetrübte Sicht wieder. Klar, frei von Schmerzen, frei von Druck war plötzlich sein Kopf geworden.

Eigentlich gab es nichts, was die beiden verband, mehr noch, anfangs mochte Mutwalli ihn überhaupt nicht. Zidan war etwas dicklich, hatte einen kleinen Bauch, und sein Schnurrbart schien falsch platziert zu sein. Wenn er wollte, hätte er besser, ja richtig gut aussehen können. Aber irgendetwas in ihm stemmte sich dagegen. Vielleicht lag es an seinem rundlichen Kopf, der an den einer Katze erinnerte. Sein Bart und sein Schnurrbart gaben sich redliche Mühe, dieses Bild zu perfektionieren. Mit Erfolg.

Schon lange schwebte ihm vor, ein Buch über Turanschah zu schreiben. Nur ließ ihm seine Arbeit in der Schule zu wenig Zeit dafür. Der sehr reiche Kaufmann Slim Afifi wollte ihn nicht finanziell unterstützen, weil er gegen seine Willen als Lehrer arbeitete, anstatt das Geschäft seines Vaters zu übernehmen. Trotz aller Schwierigkeiten arbeitete Zidan unermüdlich in seiner Freizeit an dem Manuskript. Aber ach, nach drei Jahren harter Arbeit lagen nicht mehr als dreißig Seiten vor, und die strotzten auch noch von Wiederholungen.

Schon früh hatte er begonnen, für die Zeitung "Al-Ahram" als Korrespondent zu arbeiten. "Nachrichten aus der Provinz" lautete die Rubrik, und er war stolz darauf. Er berichtete über Ereignisse in Askour oder Umgebung. Brandstiftung, Kindesentführung, Mord aus Rache: kleine Meldungen, die ihm wenig Befriedigung verschafften. "Unser Korrespondent aus Askour berichtet, dass ...", hieß es meistens. Nur selten wurde sein Name genannt, etwa wenn es hieß: "Unser Korrespondent aus Askour, Zidan Afifi, hat uns den folgenden Bericht geschickt ..." So spärlich die Ausbeute auch war, es sollten alle Verwandten und Bekannten davon erfahren. Einen nach dem anderen suchte er auf, jedem wurde der neueste Bericht gezeigt, gar vorgelesen, und ob die Leute wollten oder nicht, es gab kein Entkommen.

Zidan hatte sich nicht mehr und nicht weniger vorgenommen, als ein Standardwerk über Turanschah zu schreiben. Ein Werk, das alle Menschen von der Wahrhaftigkeit dieser Religion überzeugen sollte. Doch woher so viel Zeit nehmen? Sein Vater verlangte, dass er das Geschäft übernehmen sollte. "Solange du als Lehrer arbeitest, kannst du von mir keine Unterstützung erwarten!"

Aber Kaufmann wollte er nicht werden. Kaufen und verkaufen und um jeden Milliem feilschen, das war nichts für einen wie ihn, der von der großen Idee beseelt war, dass sich Turanschahs Wiederauferstehung bis zum Jahr 1950 vollziehen würde. Siebenhundert Jahre nach seinem dreifachen Tod würde er wiederauferstehen. So stand es in Bugdadis Buch, das im Jahr 1851 erschienen war. "Bis dahin“, hieß es, "werden viele Köpfe rollen. Die Gewaltigen und Herrschenden werden vor Turanschahs Erscheinen mit Heulen und Zähneknirschen zittern. Sein Blut, das einst floss, wird durch das Blut der Gewaltigen gesühnt."

"Ist nicht Gaafers Ermordung ein Zeichen dafür, dass Bugdadi Recht hat?", fragte Zidan.

"Bugdadi hat vorausgesehen, was jetzt geschieht. Denk bloß an die vielen Richter, Staatssekretäre und Polizeikommandanten, die bisher ihr Leben gelassen haben", pflichtete ihm Mutwalli bei.

Zidan schlug eine andere Stelle auf und las: "Turanschah wird erst dann auferstehen, wenn Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Grausamkeit ihren Höhepunkt erreicht haben. Es werden Festungen des Unglaubens in die Schlucht stürzen, die Gemächer der Abtrünnigen werden brennend vom Himmel fallen. Ihre Türme werden in Staub verwandelt werden. Merkt ihr, die ihr dieses Buch lest: 'Alle Menschen werden eines Tages erfahren, dass sie ihr Leben einzig mir verdanken. Durch den Glauben an mich haben sie sich ein Leben auf Erden erkauft, daher wird meine Strafe blind sein. Sie wird sowohl die Schuldigen als auch die Unschuldigen treffen. Nur die wenigsten meiner Anhänger wissen warum. Ich allein verwalte meine Wahrheit. Glaubt und wartet."

Beide schwiegen, Zidan, weil er ergriffen war, und Mutwalli, weil er sich von Zidan gelangweilt fühlte. Diese Langweile vereitelte jede Neigung zur Ergriffenheit, weil Mutwalli plötzlich an Sausan dachte. Irgendwie meinte er, ihre Schritte gehört zu haben. Es war keine Einbildung. Wenn Sausan bloß erschiene und Tee brächte! Tee mit viel Zucker, der unzählige Berührungspunkte mit ihren Fingern aufwies, da sie die Zuckerwürfel Stück für Stück in den heißen Tee förderte.

"Kann es noch mehr Ungerechtigkeit geben, als in unserer Heimat wie Fremde behandelt zu werden?"

Mutwalli wusste nicht, was er antworten sollte. Dieser Scheißkerl versucht mir immer zu imponieren, wenn er bloß wüsste, wie stumpfsinnig er gerade wirkt, dachte Mutwalli.

"Turanschah wird mit Hellas Heer und Roms Schwadronen erscheinen. Er wird mit den Horden der Barbaren die Gewaltigen von ihren Stühlen stürzen und die Mühseligen und Beladenen zu den Herren dieser Welt ernennen", las Zidan weiter.

Zidan war sicher, dass diese Prophezeiung stattfinden würde. Vielleicht war er auserkoren, diese Wiederauferstehung vorzubereiten? Er sollte einen Artikel schreiben: "Widerlegung einiger Thesen über Turanschahs Lehre". Genau, so könnte der Titel lauten. Er begann laut zu überlegen, und Mutwalli musste notgedrungen zuhören. Zidans Enthusiasmus konnte er nicht verstehen. Eigentlich ging ihm der Kerl auf die Nerven. Jedes Mal, wenn Zidan sprach, fürchtete er, dass dessen Wortschwall einen Anfall von Wut bei ihm auslösen könnte. Am liebsten hätte er sich mit beiden Händen die Ohren zugehalten, stattdessen rief er nur: "Bitte, nicht so laut!" Dabei hatte Zidan gar nicht laut gesprochen, nur enthusiastisch. Mutwalli wollte lauschen, ob Sausan sich doch in der Wohnung aufhielt. Ihre seidenen Schritte über den Flur wirkten wie Balsam auf sein rastloses und pochendes Herz.

Eines Tages hatte Zidans Vater, Slim Afifi, Mutwalli zu sich gebeten. Sein Sohn würde wieder unter starken Kopfschmerzen leiden.

"Und warum kommt er nicht zu mir?"

"Er kann nicht, er liegt im Bett."

Als Mutwalli hinging, öffnete ihm Sausan die Tür. Er hatte sie noch nie zu Gesicht bekommen. Mutwalli hätte schwören können, niemals zuvor eine hübschere Frau gesehen zu haben, und das, obwohl er bisher, wie er glaubte, nur mit schönen Frauen zu tun hatte. Plötzlich erschien ihm Zidan in einem ganz anderen Licht. Dieser Mann war als einziger Mensch dafür auserkoren, eine solche Schönheit zu besitzen. Nur er durfte sich an sie schmiegen, nur er durfte ihre Kostbarkeiten genießen. Sein bis dahin sich in Grenzen haltendes Interesse für Turanschah war von nun an voll entfacht. Er kaufte noch mehr Bücher, las noch mehr über den Meister, diskutierte eifrig mit Zidan, schenkte ihm sogar dann und wann eine Schrift, die er doppelt erwarb. Zidan wurde durch Sausan aufgewertet, auch erträglicher, blieb aber nach wie vor nichts anders als Mittel zum Zweck. Eine Brücke, die zu Sausans Rosengarten führen sollte.

Zidan hingegen mochte Mutwalli. In seiner Anwesenheit fühlte er sich geborgen. Nie überfielen ihn Kopfschmerzen, wenn Mutwalli in der Nähe war. Manchmal dachte er, dass jeder Augenblick, den er nicht mit Mutwalli verbrachte, verlorene Zeit sei.

Zidan lag im Bett. Kleine Schweißtropfen bedeckten seine Stirn. Er hatte Fieber. Seine Augen waren halb geöffnet.

Mutwalli ging in den Korridor und rief: "Darf ich etwas Wasser haben?"

"Wenn Sie Durst haben, mache ich Ihnen Tee", hörte er eine Frauenstimme. Sicherlich war es Sausan, dachte er. Sie wirkte schüchtern, als sie den Korridor betrat.

"O nein, ich habe keinen Durst. Ich wollte Zidan die Stirn abwischen. Er hat hohes Fieber, fürchte ich."

Sie ging in die Küche. Anhand der Geräusche konnte er sich vorstellen, was sie gerade tat. Ihr Schatten oder eher eine schwache, wundersame Veränderung des Lichts, eilte ihr voraus. Wenn er ihr für einen kurzen Augenblick nochmals begegnen durfte, musste er sie auf Vorrat anschauen. Sattsehen. Die Hoffnung schlug fehl. Hastig gab sie ihm Schüssel und Handtuch, und schon war sie verschwunden. Hatte sie sich als erste abgewendet oder er? War sie als erste gegangen oder er? Alles war blitzschnell abgelaufen, zu schnell für sein Gedächtnis.

Mutwalli ließ sich Zeit. Wieder und wieder trocknete er Zidans Stirn. Am liebsten würde er ihm in die dumme Fresse hauen. Er würde ihn hundertmal im Nil ertränken, würde ihn aus einer Anhöhe in die Schlucht stürzen. Dieser kranke Mensch versperrte ihm den Weg zum Glück.

Schließlich erhob er sich. Auf dem Weg ins Wohnzimmer sah er im Korridor plötzlich Sausan. Sie wirkte verlegen, vielleicht sogar wie ertappt? Er ging auf sie zu, und nach ein paar Schritten standen sie sich gegenüber. Endlich wollte er etwas wagen, nur was? Sie schauten sich in die Augen, doch schon im nächsten Moment senkte sie beschämt den Blick und wollte davonlaufen.

"Bleib!", rief Mutwalli leise.

Sie blieb.

"Ich werde dir einen Talisman schreiben, hast du irgendwelche besonderen Wünsche?"

Vielleicht hat das Luder einiges über mich gehört, vermutete Mutwalli. Vielleicht weiß sie, was sie erwartet. So schlimm kann das nicht sein, was über ihn getuschelt wird. Der impotente Friseur hatte ihm einmal anvertraut, er habe gehört hat, dass die Askouris meinten, als Turanschah Mutwalli zu sich gerufen hatte, habe er ihn mit einer zusätzlichen Kraft ausgestattet, um die Zahl der Turanschis zu vermehren. "Warum gibst du mir nicht einen Teil deiner Kraft, Mutwalli", flehte ihn der Friseur an. Vielleicht sonnt sich Sausan heimlich in solchen Erwartungen, hoffte Mutwalli.

Schon seit fünf Jahren warteten Sausan und Zidan vergeblich auf ein Kind. Sausans Vater, Hassan Wassan, wurde ungeduldig. Auch ihre Schwiegereltern, Daulat und Slim Afifi, waren zutiefst beunruhigt. Ihrer Meinung nach konnte nur noch Scheich Mutwalli helfen.

Hassan Wassan war strikt dagegen, den Scheich aufzusuchen. "Wenn jemand wie ich fast fünfunddreißig Jahre bei der Polizei gearbeitet hat, weiß er, dass Leute wie Abu Dakn große Gauner sind", belehrte Hassan seinen Schwiegersohn.

Zidan wurde wütend: "Wie kannst du solch einen Mann verunglimpfen? Mutwalli ist ein phantasiebegabter Mensch. Er sieht vieles, was wir nicht sehen!"

Hassan fand Spaß daran, seinen Schwiegersohn zu hänseln. "Du hast vollkommen Recht, denn was er sieht, sind Geister und Gespenster!" Hassan gluckste vor Lachen, konnte sich kaum bremsen.

Zidan schaute ihn zornig an. Eigentlich hatte er seinem Schwiegervater von einem Artikel erzählen wollen, aber davon sah er ab. Er verabscheute ihn geradezu in diesem Moment. Es handelte sich um einen Artikel von Azmi Allam, in dem es hieß: "Staatsanwaltschaft, Richter und Polizei haben die einmalige Chance bekommen, nachzuweisen, dass sie mit den Mördern keine gemeinsame Sache machten. Irgendwann müssen doch die Bemühungen der Gerichtsorgane Früchte tragen. Wie lange sollen wir denn warten? Wer soll alles in diesem Land noch ermordet werden, damit wir uns des Ernstes der Lage bewusst werden?"

Der gleiche Artikel lag auf dem Tisch des Staatsanwalts. Bekir sah nachdenklich aus. Wagdi fand es komisch, dass sie beide noch standen. Schließlich setzte sich Bekir auf den einzigen Stuhl. Wagdi blieb stehen.

"In allen bisherigen Untersuchungen suchten Staatsanwaltschaft und Richter die Mörder in Askour. Bloß kann ich mich nicht daran erinnern, dass jemals ein Mörder aus Askour kam."

Seltsam, dachte Wagdi, warum erzählt er mir das erst jetzt? Je mehr ihm bewusst wurde, wie aufgeregt er war, desto stärker bemühte er sich, gelassen zu erscheinen. "Woher kamen sie denn?", fragte er vorsichtig.

"Das werde ich Ihnen sagen, hören Sie gut zu! Wussten Sie, dass die Zahl der Askouris, die außerhalb des Orts wohnen, bei weitem größer ist als diejenige, die in Askour und der unmittelbaren Umgebung leben?" Irgendwann hatte Wagdi davon gehört, aber was wollte Bekir damit sagen? "Ach was, das glaube ich nicht", wehrte er ab, um den alten Mann zu provozieren.

"Das hat mit Glauben oder Nichtglauben nichts zu tun. Es ist so: Von jeher wanderten die Askouri aus der Stadt aus, präziser gesagt, viele Turanschah-Anhänger wanderten aus. In anderen Gegenden konnten sie sich unbehelligt als Kaufleute, Handwerker, Ärzte oder Ingenieure betätigen, aber ihre Kinder erzogen sie als treue Turanschahis. Aus dieser Armee treuer Anhänger rekrutieren sich die schlimmsten Terroristen des Landes", erläuterte Bekir.

"Aber warum wanderten sie aus?" Wagdi ahnte, dass Bekir ihn für unglaublich naiv halten würde. Doch der war so in seinen Gedankengang vertieft, dass er unbeirrt weiterredete.

"Weil es ein Gelübde gibt: Wer in Askour lebt, verpflichtet sich, arm zu bleiben. Einst hatte der Heilige Franz sie aufgesucht und ihnen die Armut gepredigt. Kennen Sie den Heiligen Franz von Assisi?" Bekir wartete nicht auf Wagdis Antwort, sondern fuhr noch im gleichen Atemzug fort: "Solange sie Reichtum anstreben, wird Turanschah nicht wieder auferstehen. Wer reich sein will, muss Askour verlassen. Wussten Sie, dass es unter den Reichsten des Landes viele versteckte Askouris gibt?"

Immer diese Vorurteile gegen Minderheiten, dachte Wagdi. "Wollen Sie damit behaupten, dass die Mehrheit der Reichen Askouris sind?"

"Die Mehrheit? Warum nicht? Aber die Askouris, die außerhalb des Orts wohnen, sind wesentlich reicher als alle, die in Askour leben. Die reichen Askouris verüben die Attentate, deswegen sind sie und ihre Komplizen unauffindbar. Ich will damit sagen, dass es keinen Zweck hat, die Täter hier zu suchen. Das ist eine Erkenntnis, die Generationen vor uns gewonnen hatten, und jede Generation von Staatsanwälten und Richtern entdeckt diese Wahrheit für sich neu."

"Aber welchen Sinn haben diese Attentate?"

"Eine Herrschaft der Angst zu errichten! Angst ist die stärkste Macht der Welt, und orientalische Herrscher sind geradezu die Erfinder von Angst." Bekir schaute ihm bedeutungsvoll in die Augen, für Wagdis Geschmack etwas zu theatralisch. Gut, er hatte einen gewissen Eindruck auf ihn gemacht, da sollte man ihm dieses Erfolgserlebnis gönnen, dachte Wagdi. Nur was hatte das alles mit der Ermordung des Innenministers zu tun?

Bekir blätterte in einem Ordner, als suchte er etwas Bestimmtes. "Haben Sie die Anmerkung gelesen?"

Was soll ich noch alles in so kurzer Zeit gelesen haben? Überhaupt interessiert mich das Ganze nicht. Es war der größte Fehler meines Lebens, mich auf die Angelegenheit eingelassen zu haben. Dennoch hütete er sich, seine Unzufriedenheit auch nur mit einem Wort anzudeuten.

Bekir fuhr ruhig und besonnen wie immer fort: "Bei meiner langjährigen Arbeit bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass die Attentate außerhalb von Askour geplant werden. Wer dahinter steckt, ist vorerst ein Rätsel."

"Ich befürchte", sagte Wagdi vorsichtig, "dass wir an die Untersuchung herangehen müssen, als wäre dieses Attentat der erste Mordfall in der Geschichte Askours. Auf bisherige Erfahrungen können wir uns nicht berufen."

Da er von Bekir nicht unterbrochen werden wollte, fuhr er hastig fort: "Die Spurensicherung war in jeder Hinsicht mangelhaft. Alle Beweisstücke wurden entfernt. Ich habe den Polizeioffizier gefragt, warum er die leeren Konservendosen entfernt hat, und was sagt er? Sie seien für die weitere Untersuchung ohne Bedeutung! Stellen Sie sich das vor! Und das ist der Beamte, der für die gesamte Spurensicherung verantwortlich ist."

Wagdi verschwieg, dass er einen zweiten Brief erhalten hatte. Kein Zweifel, es handelte sich bei beiden Briefen um denselben Absender. Etwa drei Wochen nach dem ersten Brief hatte er den zweiten in seinem Dienstzimmer gefunden. "Anhand der Reifenspuren im Lehm", stand da, "kann man das Auto der Täter bestimmen!" Wagdi wollte Bekir wegen des Briefs fragen, aber im letzten Augenblick verließ ihn der Mut. Ob Bekir vielleicht ähnliche Briefe erhalten hatte?

Jemand klopfte an die Tür, Bekir und Wagdi schauten sich an. Eine Frau betrat den Raum. Bevor die beiden sich von der Überraschung erholt hatten, sagte sie: "Sie haben mich bestellt, eigentlich sollte ich gestern kommen, aber ich hatte keine Zeit."

Wagdi schaute Bekir an, und Bekir tat umgekehrt dasselbe. Sie waren beide ratlos, und keiner wusste, wer von den beiden gemeint war.

Ihr ovales Gesicht war stark geschminkt. Die schwarze Augenumrandung -Kuhl -verlieh ihren Augen einen lasziven Ausdruck. Der Rock war eng. Ihre Bluse geizte nicht mit den Reizen, die sie angeblich zu verbergen bemüht war. Wagdi könnte schwören, er würde seine gesamte Zukunft aufopfern, um mit ihr die größte Dummheit seines Lebens zu begehen. Der Staatsanwalt erinnerte sich. Sie war die Prostituierte, die mit den Attentätern die Nacht vor der Ermordung des Ministers verbracht hatte. Wagdi wollte sie per Namen vorstellen. Er suchte vergeblich in seinem Gedächtnis nach ihm. Namenlos stand dieses hübsche Wesen vor ihm. Um Missverständnisse seitens Bekirs zu vermeiden, erklärte er: "Sie ist die einzige Person, die uns Informationen über die Täter geben kann." Wagdi schaute Bekir dabei bedeutungsvoll an.

"Ach ja, jetzt weiß ich, worum es sich handelt", sagte Bekir und stand auf.

Wagdi bot ihr den einzigen Stuhl an, der durch Bekirs erzwungene Großzügigkeit frei wurde. Sie zögerte nicht lange und setzte sich.

Mit den Worten: "Ich komme nächste Woche wieder", verabschiedete sich Bekir.

Wagdi war verunsichert. Er räusperte sich, versuchte, mittels einer gesetzten Miene seriöser auszusehen, wobei er insgeheim hoffte, die Frau würde ihm seine Unsicherheit nicht anmerken. Er war froh, dass es nur einen Stuhl gab, denn aus diesem Grund konnte er auf und ab gehen und seine Unruhe überspielen. "Erzählen Sie mal, wie sie den beiden begegnet sind."

Ungeduldig fragte die Frau: "Wieviele Male soll ich das wiederholen? Ich bin dreimal auf dem Polizeirevier gewesen, jedes Mal wurden mir dieselben Fragen gestellt, und jedes Mal habe ich dieselben Antworten gegeben. Vielleicht wird Sie interessieren, dass die Polizeibeamten in ihrem Verhör von mir wissen wollten, wie ich es mit zwei Männern gleichzeitig getrieben habe. Wollen Sie das etwa auch wissen?"

Der Staatsanwalt hatte nicht mit dieser Reaktion gerechnet. Am liebsten hätte er gerufen: "Ja, ich will es. Erzählen Sie mal, wie Sie mit zwei Männern gleichzeitig ... haben. Ich will es wissen."

"Ich bitte Sie, auf meine Frage äußerst sachlich zu antworten", gab er ihr zu verstehen. Überzeugend klang seine Stimme nicht, fürchtete er.

"Ich wollte nur sagen, dass alle meine Aussagen im Protokoll stehen", sagte sie und lächelte ihn bedeutungsvoll an.

Wagdi hatte tatsächlich vergessen, dass es zwei oder drei Protokolle gab.

Trotzdem sagte er: "Beschränken Sie sich darauf, meine Fragen zu beantworten. Glauben Sie etwa, ich bräuchte Anweisungen von Ihnen, wie ich meine Arbeit handhaben sollte?“

Der leicht ironische Ton schien ihr zu gefallen. Sie lächelte sanft, was ihn zusätzlich verunsicherte. Ihr Gesicht war ebenmäßig; Augenbrauen und Stirnpartie, Augen und Nase und schließlich die üppigen Lippen setzten einen reizvollen Kontrast zur schmalen Nase.

"Ich kenne die Protokolle", sagte er, „Worauf es mir jetzt ankommt, ist, warum die Männer auf die Idee gekommen sind, Sie zu kontaktieren?"

Wieder lächelte sie. Insgeheim beschlich ihn die Angst, sie nehme ihn nicht ernst.

"Das ist ganz einfach, ich habe einen guten Ruf", erklärte sie von oben herab.

Vielleicht hätte er Bekir bitten sollen, bei der Befragung dabei zu sein; möglicherweise war er dieser Frau nicht gewachsen. "Hören Sie mir mal gut zu! Ich habe Ihnen eine ernsthafte Frage gestellt und erwarte von Ihnen, dass Sie mir ernsthaft antworten", sagte er und versuchte, besonders streng zu erscheinen.

"Ich weiß durchaus, was ernsthaft ist und was nicht, und deshalb habe ich mit vollem Ernst geantwortet. Jawohl, ich habe einen guten Ruf. Ich habe nur Stammkunden und zwar einflussreiche. Sie kommen aus den besten Kreisen Mansouras und Demiattas. Sogar in Kairo warten Kunden auf mich."

Herausfordernd sah sie ihn an, um die Wirkung ihrer Worte zu erkunden. Nicht nur herausfordernd sah sie ihn an, sondern auch einladend. Ja, er musste sich gestehen, dass er ihr keineswegs gewachsen war. Wieder gab er sich Mühe, besonders ernsthaft zu erscheinen.

"Wollen Sie damit etwa sagen, dass diese Verbrecher zu Ihren Stammkunden gehören?"

"Nein, zufällig gehören die beiden nicht zu meinen Stammkunden."

"Würden Sie die beiden wiedererkennen?"

"Ich glaube nicht. Ich habe zwar mit ihnen eine Nacht verbracht, aber es war dunkel."

"Aber morgens war es doch hell?!"

"Das stimmt, bloß die beiden waren nicht mehr da."

"Haben Sie nicht bemerkt, dass sie weggingen?"

Die Frau lehnte sich mit einem Ruck zurück; ihre Brüste hüpften, als hätten sie sich für einen kurzen Augenblick selbständig gemacht.

"Mann, was erwarten Sie? Ich war völlig ramponiert! Zwei junge Männer, unerfahren, weil sie wahrscheinlich vorher noch nie mit einer Frau geschlafen haben, und das die ganze Nacht!"

Das waren genau die Worte, die seine Phantasie entfachten. Er hatte das Gefühl, ihr hilflos ausgeliefert zu sein. Um seine Unsicherheit zu kompensieren, warf er ein: "Und wieso sind Sie nicht nach Hause gegangen?"

Kaum hatte Wagdi die Frage gestellt, betrat Helmi Ayyas das Zimmer.

Er ging direkt zu Wagdi und flüsterte ihm ins Ohr: "Herr Bekir war bei mir und bat mich, bei der Vernehmung anwesend zu sein, damit die Frau später nicht auf die Idee kommt, etwas Falsches zu behaupten."

Das hat mir noch gefehlt, stöhnte Wagdi leise. Dieser Bekir und dieser Ayyas haben nichts anderes im Kopf, als mich zu bevormunden. Er hätte vor Wut platzen können, hätte um sich schlagen, hätte die beiden auf der Stelle erschießen können. Stattdessen bedankte er sich leise bei dem Offizier.

Ayyas stellte sich ans Fenster, und Wagdi nahm wieder seinen Rundgang auf. Er merkte, wie die Frau ihre Haltung änderte. Sie saß nicht mehr locker, sondern angespannt. Auf ihrem Gesicht war das leichte Grinsen und damit der Anflug von Laszivität nicht mehr zu bemerken. Sie wirkte auf einmal eher verkrampft. Wagdi fiel ein, dass er nicht einmal nach ihrem Namen gefragt hatte. "Wie war noch Ihr Name?" fragte er verlegen.

"Steht auch im Protokoll", erwiderte sie gelassen.

"Wenn dir der Herr Staatsanwalt eine Frage stellt, hast du zu antworten und jede Frechheit zu unterlassen, du Hurentochter!" brüllte Ayyas.

"Ich habe die Frage beantwortet", sagte sie knapp und zornig.

"Also los, sag dem Herrn Staatsanwalt ganz brav, wie du heißt!" Ayyas bewegte sich mit drohender Miene auf sie zu. Sie wurde ernst, und als wollte sie Würde demonstrieren, spitzte sie pikiert die Lippen und erklärte betont deutlich: "Ich heiße Sannuba."

Das ungute Gefühl, das Wagdi bei Ayyas’ Erscheinen befallen hatte, verstärkte sich. Die Atmosphäre behagte ihm nicht. Die Polizei scheut eben keine Mühe, jede Aussicht auf die Klärung eines Falles zu vermasseln, sinnierte er leicht ironisch. Er hätte sie nur allzu gern gefragt, was sie unter "einflussreichen Freunden" verstand und wer diese waren. Nur wie sollte er die Fragen so formulieren, dass sie nicht bockig wird und Ayyas Einmischung provoziert. Wer von den Herrschaften ließ sich mit einer Hure ein? Was für Praktiken bevorzugten sie? Er fühlte sich von Ayyas beobachtet. Trotzdem wagte er einen Anfang.

"Sind Ihnen die Namen der Attentäter bekannt?", fragte er vorsichtig.

"Herr Staatsanwalt", unterbrach ihn Ayyas, "Sie gehen viel zu sachte mit dieser Person um. Sie ist eine stadtbekannte Hure, Sie können sie ruhig duzen!"

"Ich möchte Sie bitten, sich zurückzuhalten", wehrte Wagdi entschieden ab.

Allmählich wurde ihm klar, dass die Vernehmung, wurde sie in dieser Weise weitergeführt, nichts bringen würde.

"Es ist nicht üblich, die Kunden nach ihren Namen zu fragen", erläuterte die Frau kühl und sachlich.

Während er auf und ab ging, schaute er sie gründlich an, das Gesicht, den Hals, die Haare, das Kleid. Er musste zugeben, dass diese Erotik, die sie zuvor ausgestrahlt hatte, verschwunden war, seit Ayyas den Wachhund spielte. Wäre er ihr auf der Straße begegnet, käme er nicht auf die Idee, dass sie eine Dirne sei. Verzweifelt überlegte er, wie es mit der Vernehmung weitergehen sollte. Einmal schaute er ihre Taille an, ihre Brüste, ihr Haar. Alles verstohlen, weil dieser Scheißkerl auf der Lauer saß. Er musste feststellen, dass ihm die weibliche Anatomie fremd war. Niemand hat ihm das Geheimnis der Frauen verraten. Seine ersten Versuche, dieses Geheimnis zu lüften, waren zwar vielversprechend, scheiterten aber wohl an mangelnder Risikobereitschaft seinerseits.

Schließlich sagte er: "Für heute machen wir Schluss, halten Sie sich aber für weitere Vernehmungen bereit."

Sie öffnete die Handtasche, holte eine Visitenkarte hervor und überreichte sie ihm mit einer theatralischen Handbewegung. Sieh mal an, dachte er, so etwas habe ich nicht. Nur die Herren Staatssekretäre schmückten sich mit Visitenkarten und hielten sie für Requisiten der Macht.

"Unter dieser Adresse können Sie mich immer erreichen", sagte sie und lächelte. Eine Aufforderung lag darin, und er war sich fast sicher, dass sie dieses Lächeln ganz bewusst und dosiert einsetzte.

Ayyas verließ seinen Platz am Fenster. Er pflanzte sich vor Wagdi auf, als wartete er auf eine Anweisung.

"Mir ist aufgefallen, dass es bei der Spurensicherung Versäumnisse gab", erklärte Wagdi.

"Wie soll ich das verstehen?", fragte Ayyas naiv.

Ah, das Ablenkungsmanöver hatte geklappt. Er wollte sich auf keinen Fall von diesem Ayyas nachträglich einen Kommentar zu dieser Vernehmung anhören. "Wissen Sie, welches Motorrad die Attentäter benutzten?"

Ayyas dachte kurz nach, dann sagte er: "Sannuba wusste nicht, was für ein Motorrad es war!"

Wagdi wurde sarkastisch: "Wer wurde mit der Spurensicherung beauftragt, Sie oder Sannuba?"

Verunsichert stammelte Ayyas: "Ich weiß nicht, worauf Sie hinaus wollen!"

"Ich möchte nicht verhehlen, dass ich beim Studieren der Protokolle den Eindruck gewonnen habe, dass die Polizei und nicht die Staatsanwaltschaft, ich wiederhole, die Polizei und nicht die Staatsanwaltschaft durch ihre laschen Methoden jede Aufklärung des Attentats vereitelt hat." Wagdi fand Gefallen daran, Ayyas Verunsicherung zu schüren. "Kommen Sie, ich werde Ihnen etwas zeigen!"

Sie verließen das Gerichtsgebäude. Ayyas konnte sich nicht vorstellen, was der Staatsanwalt von ihm wollte. Für eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her, ein Zustand, den Ayyas als so unangenehm empfand, dass er ihn so schnell wie möglich aufheben wollte. "Könnten Sie mir wenigstens sagen, wohin wir gehen?"

Wagdi tat so, als hätte er nicht gehört, stattdessen fragte er seinerseits: "Können Sie mir sagen, wie lange der Minister tot ist?"

Ayyas überlegte eine Weile, dann sagte er: "Ein paar Monate."

Unzufrieden, aber doch um Höflichkeit bemüht, knurrte Wagdi: "Etwas genauer bitte. Wie lange ist es her, dass der Minister erschossen wurde?"

Wieder zögerte Ayyas. "So an die drei Monate", erwiderte er.

"Und fünf Tage!", insistierte Wagdi besserwisserisch. Sie gingen am Café vorbei, das zu dieser Zeit gut besucht war. Da saßen Leute, die Tee und Kaffee tranken und durchblicken ließen, dass sie glücklich waren. Ein Mann ließ ein schallendes Lachen ohne sichtlichen Grund ertönen. Es war kurz nach zwölf, und der Staatsanwalt und der Offizier spürten den Hunger, der sich pünktlich um diese Zeit bemerkbar machte. Wieder herrschte Schweigen. Jeder tat, als wäre er in Gedanken mit etwas anderem beschäftigt. Zwei Pferdewagen standen im Fluss, und die beiden Kutscher schöpften mit Eimern, die früher als Behälter für Öl oder Schafskäse dienten, Wasser. Die Kutscher warfen die Eimer in den Fluss, dann hievten sie sie mit Hilfe eines Seils nach oben und gossen den Inhalt in einen eisernen Behälter auf dem Wagen. Es gab in Askour noch keine Wasserleitung. Nur wenige Meter von den Pferdewagen entfernt spülten Mädchen Geschirr. Ein anderes Mädchen war mit dem Waschen von Kleidern beschäftigt. Sie schlug ein Kleidungsstück nach dem anderen auf einen Stein, der im Laufe der Zeit weiß wurde. Sie drückte und presste es. Einige Kinder spielten abwechselnd im Wasser und am Ufer. In der Nähe der Mädchen sang eine Kinderstimme:

Disteln, o Disteln, sagt mir warum:

Asisa liebt Hussain,

er schert sich nicht drum.

Disteln, o Disteln, sagt mir warum:

Verliebt sie auf dem Stuhle saß,

er schlägt sie mit dem Honigfass.

Ayyas hatte die Befürchtung, der Staatsanwalt würde sich über ihn bei Hassan Wassan beschweren. Aber hatte er denn wirklich etwas falsch gemacht? Was konnte man ihm vorwerfen? Wogegen sollte er sich verteidigen?

"Drei Monate und fünf Tage sind vergangen, seit der Minister erschossen wurde. Können Sie mir sagen, was Sie bisher bei Ihren Untersuchungen erreicht haben?" fragte Wagdi.

"Ich habe getan, was möglich war", verteidigte sich Ayyas.

"Und was war möglich?", wollte Wagdi wissen.

"Die Protokolle liegen Ihnen doch vor!" erwiderte Ayyas.

"Ich werde Ihnen zeigen, dass Ihre Arbeit eher der eines Laien als der eines Polizeioffiziers entspricht."

Sie erreichten die alte Ruine. Wagdi hatte sich drei Tage zuvor vergewissert, dass die Abdrücke des Motorradreifens noch zu sehen waren. Der dicke und fette Lehm bewahrte die Abdrücke in einer Präzision, die die Profilspur klar erkennen ließ. "Sehen Sie diese Spuren?" fragte Wagdi.

"Natürlich sehe ich sie!"

"In keinem Protokoll werden diese Spuren auch nur mit einem Wort erwähnt. Haben Sie eine Erklärung dafür?"

Ayyas war sichtlich verlegen.

"Die Abdrücke zeigen, dass die Reifen relativ neu sind, und das in einer Zeit, in der Reifen wegen des Krieges geradezu Mangelware sind. Also ist der Kreis derer, die ein Motorrad mit neuen Reifen fahren, sehr klein. Ihre Aufgabe wäre es gewesen, keine Mühe zu scheuen, um den Besitzer festzustellen."

Ayyas schwieg verstört, und Wagdi bemerkte, wie winzige Schweißperlen seine Stirn bedeckten.

"Sie muten mir also zu, so viele tausende Motorräder im ganzen Land zu prüfen. Dazu habe ich nicht die Macht", protestierte der Offizier. Recht hat er eigentlich, überlegte der Staatsanwalt.

Als Wagdi am nächsten Tag sein Dienstzimmer betreten wollte, lag wiederum ein Brief auf dem Boden. Im tiefsten Innern hatte er nichts anderes erwartet. Ohne lange nach dem Brieföffner zu suchen, riss er den Umschlag auf. Ein kleiner Zettel lag drin, und auf dem stand nur eine Frage: "Wer ist Arosi?"

Wagdi starrte auf den Zettel. Höchstwahrscheinlich war er mit derselben Schreibmaschine geschrieben worden, dachte er. Es war nun schon der dritte Brief innerhalb von wenigen Wochen. Hatte es irgendjemand darauf abgesehen, ihn zu verunsichern? Der Verfasser des Briefs musste über die Ereignisse, die sich in dieser Region abspielten, informiert sein. Wer kam in Frage? Bekir vielleicht? Hassan Wassan? Azmi Allam? Gestern hatte er das Gerichtsgebäude gegen zwölf Uhr verlassen, und heute fand er kurz nach neun diesen Brief. Der Schreiber musste ihn in der Zwischenzeit unter die Tür geschoben haben. Wer machte sich die Mühe, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten?

Wer konnte mit Sicherheit wissen, dass er, Wagdi, sich nicht im Zimmer aufhielt? Es gab nicht viele Personen, die in Frage kamen; der Kreis der Verdächtigen war also relativ klein. Vielleicht doch Bekir? Wer wusste sonst, wann er, Wagdi, den Dienstraum verließ?

Immer wieder las er die eine Frage: "Wer ist Arosi?" Wer schreibt so etwas? Warum tauchte dieser Name plötzlich auf? Offenbar wusste der Briefschreiber mehr als er, vielleicht mehr als Polizei und Staatsanwaltschaft zusammen. Arosi, Arosi, der Name ließ ihm keine Ruhe. Was wussten die anderen über diesen Arosi? Der zahnlose Bürgermeister Jaquot Ackawi, der dicke Polizeioffizier Hassan Wassan? Der Bürgermeister hatte auf das Protokoll verwiesen, eine nochmalige Befragung hielten alle für überflüssig. Und er, Wagdi, hatte sich mit dieser Art Kooperation begnügt. Würden sie ihn freiwillig über Arosi aufklären? Auf freundschaftliche Zusammenarbeit konnte er nicht hoffen, also musste er die anderen überlisten. Aber wie?

Er schaute aus dem Fenster. Ach, wie er den Mann am Ruder beneidete, der in aller Seelenruhe das Boot durch das Wasser steuerte. Ein Schiffer sein, frei von Sorgen, ohne Ehrgeiz, ohne zermürbenden Alltag. Die Justiz war eine fragwürdige Angelegenheit, mehr als fragwürdig. Das Bestreben nach Gerechtigkeit erwies sich als eine hoch riskante und zermürbende Angelegenheit.

Er zog den Stuhl ans Fenster und setzte sich so, dass er den Fluss sehen konnte. Er schrieb die Namen aller jener Personen auf, die er noch vernehmen wollte, und überlegte, wie er vorgehen sollte. Hassan Wassan, Dr. Karim Ackawi, Jaquot Ackawi, den Kutscher Mahrus, die Reihenfolge half ihm, den Überblick zu behalten und sich die Mühe zu ersparen, ständig Bekirs Schrift entziffern zu müssen.

Am nächsten Tag ging er zum Polizeirevier und fragte nach Hassan Wassan. Der Offizier saß hinter seinem Schreibtisch. Dossiers, Mappen, Akten, Briefe, lose und gebündelt, lagen auf dem Tisch. "Ich muss aufräumen! Wie Sie sehen, muss ich meinen Tisch aufräumen", erklärte er mit einer müden Fröhlichkeit.

"Sie hatten davon gesprochen", sagte Wagdi, bemüht, höflich zu bleiben.

"Nun ja, es ist auch nicht wichtig, dass ein alter Beamter in Pension geht", meinte Hassan beschwichtigend. Eigentlich fühlte er sich gestört. Er war gerade beim Lesen von Briefen, die er vor mehr als fünfunddreißig Jahren erhalten hatte. Liebesbriefe von Frau Sara Hutchison, die er seit mindestens zwanzig Jahren suchte. Im untersten Fach hatte er sie entdeckt, in die Ecke geschoben von Mappen, Dossiers, Akten und Staub von mehr als zwanzig Jahren.

Sara Hutchison, die Frau seines Gönners und Ausbilders Herrn Brian Hutchison. Eine Schönheit in jener Zeit, als das Jahrhundert drei oder vier Jahre jung war. Sara war fünf oder sechs Jahre älter als er. Ach, Sara, seufzte er im Innern, was würde ich dafür geben, wenn ich wüsste, wo du dich jetzt aufhältst. Sara, dich noch einmal im Alter zu sehen! Vielleicht war Sara schon tot und lag einen Meter fünfzig unter der Erdoberfläche. Das Skelett befreite sich von den Spuren jener Tage und von den Ereignissen, die den beiden in Knochen und Mark gingen. Das Fleisch, das für jene Emotionen glühte, war womöglich verschwunden und mit ihm die Erinnerung an jene Zeit, die Sara und Hassan damals für unvergänglich hielten. Ja, Hassan merkte in den letzten Jahren, wie anfällig er wurde für Tränen, die so gern über seine Wangen rollen wollten.

In diesem Augenblick trat der Staatsanwalt ein, und Hassan Wassan fühlte sich in seiner nostalgischen Glückseligkeit von der Banalität des Alltags schmerzlich verletzt. Er hätte dem Polizisten im Vorzimmer sagen sollen, dass er nicht gestört werden wollte. Auch nicht vom Staatsanwalt.

"Wie Sie wissen, soll ich Staatsanwalt Bekirs Untersuchung abschließen. Deswegen suche ich Sie heute auf", begann Wagdi.

"Zu dem Fall ist alles gesagt worden. Was wollen Sie noch wissen?", unterbrach Hassan ihn barsch.

Wagdi war überrascht von dem rüden Ton. Musste er sich zusätzlich auf unangenehme Überraschungen gefasst machen?

"Es ist unnötig zu sagen, dass jeder Mensch seine eigene Sicht hat. Nachdem ich Bekirs Akten studiert habe, ergeben sich für mich durchaus noch einige Fragen."

War das vielleicht zu unterwürfig? Er war schließlich der Staatsanwalt, und Hassan Wassan war ihm immerhin unterstellt. Nun ja, wenn dieser Mann es nicht anders haben will, muss ich mich auf meine Weise durchsetzen.

"Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht helfen, auch wenn ich es wollte. Alle Akten, die den Fall betreffen, liegen bereits bei der Staatsanwaltschaft in Mansoura."

Wagdi spürte genau, dass Hassan Wassan ihn loswerden wollte. "Aber Sie sind doch als Leiter der polizeilichen Aktionen über alles informiert?", warf er vorsichtig ein.

"Das ist richtig. Aber einige Ereignisse liegen mehrere Jahre zurück!"

Wagdi war nicht bereit aufzugeben. "Die Ermordung des Innenministers liegt nur einige Monate zurück. Sie wissen genau, was ich meine." Trotz aller Strenge im Ton schien der Mann unbeeindruckt zu sein. "Mir ist aufgefallen", fuhr er fort, "dass die Sicherheitspolizisten, die den Minister begleitet haben, zur Zeit des Attentats nicht vor Ort waren. Können Sie mir sagen, wo sie sich zu jener Zeit aufgehalten haben?"

Hassan Wassan war bemüht, nicht die Beherrschung zu verlieren. "Möglicherweise entging Ihrer Aufmerksamkeit, dass der Herr Minister sich nicht gern mit Sicherheitsbeamten zeigte. Kurz bevor er zum Bürgermeister ging, entließ er die Polizisten, damit sie irgendwo Mittag essen konnten."

Für einen Moment war Wagdi sprachlos. Er wollte keinesfalls aufgeben. "Wissen Sie, wo die Polizisten damals gegessen haben?"

Wassan blieb gefasst. "Gehört es zu meiner Aufgabe zu wissen, wo Polizisten ihr Mittagessen einnehmen?", fragte er betont ruhig.

Wagdi stand kurz vor einem Wutausbruch, aber er wollte sich nicht lächerlich machen.

"Ich gehe davon aus, dass die Untersuchungen zu diesem Mordfall abgeschlossen sind. Abgesehen davon habe ich mich, auch als Pensionist, an meine Schweigepflicht zu halten."

"Aber nicht dem Staatsanwalt gegenüber, und noch sind Sie im Dienst!", sagte Wagdi entschlossen. In diesem Moment war er sogar bereit, das Risiko einer offenen Auseinandersetzung auf sich zu nehmen. Doch Hassan Wassan wiegelte ab mit den Worten: "Ich bin bereit, über alles zu reden! Aber Sie sehen doch selbst, dass ich im Augenblick vollauf beschäftigt bin."

Wagdi verließ Hassans Büro und machte sich auf den Weg zum Gerichtsgebäude.

Ich muss davon ausgehen, sagte er sich, dass mir keiner helfen wird. Sein Groll auf Bekir wuchs zusehends, und er malte sich aus, was er ihm entgegenschleudern würde. "Mit dieser Schrift", würde er erklären, "verstoßen Sie gegen die einfachsten Regeln der Zusammenarbeit. Ich lasse mir das nicht länger gefallen. Entweder fassen Sie die bisherigen Ergebnisse in einer lesbaren Schrift ab, oder ich wende mich an den Obersten Richter. Gegebenenfalls an das Justizministerium."

Er stutzte, wer konnte ihm glaubhaft versichern, dass Bekir nicht zur Verschwörergemeinde gehört?

"Sie, Herr Wassan", setzte er seinen imaginären Dialog fort, "sind verpflichtet, sich der Staatsanwaltschaft zur Verfügung zu stellen. Gleichgültig, ob Sie pensioniert sind oder nicht. Nach dem Gesetz sind Sie mir untergeordnet!" Er fühlte sich erschöpft, und da er wusste, dass er noch viel Kraft brauchen würde, nahm er sich vor, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

Die Bäume säumten in zartem Grün das Flussufer. Die Sonne gab sich Mühe, die Farben der Akazien in besseres Licht zu stellen. Akazien. Wundersame orangefarbene Blüten mischten sich zwischen die Zweige. Als Kind hatte er dieses Farbenspiel von Grün und Orange bewundert, wenn er stundenlang auf einem Baum saß und die verschiedenen Schattierungen von Licht und Farben betrachtete. Damals, als sie in Camp de Cäsar wohnten, lebte seine Mutter noch. Er saß auf dem Baum und wartete, bis sein Vater heimkehrte. Schon von weitem konnte er ihn an seinem Basthut und den ölverschmierten Schlotterhosen erkennen. Alle Menschen nannten seinen Vater Chawaga. Das Wort bedeutete "Ausländer". Es war eine respektvolle Anrede für alle, die in diesem für sie fremden Land gestrandet waren. Hier, in Ägypten, dachte keiner daran, seine Heimat auch nur für eine Sekunde zu verlassen, deshalb hegten die Leute auch so große Achtung für jene, die einen solchen Schritt gewagt hatten. Außerdem waren Ausländer oft die Herren des Landes.

Wie oft würde er noch an den wunderschönen Akazien vorbeigehen und das Spiel zwischen Licht und Schatten, Grün und Orange nicht bemerken! Der Alltag lastet auf einem, versperrt den Weg zu den Schönheiten der Natur. O ja, verschwenderisch bringt die Natur die Anmut dieser Welt hervor. Wagdi lächelte verstohlen und halb ironisch.

Einige Schiffe legten an, und die Lastenträger gingen daran, die Schiffe zu entladen. Auf anderen Schiffen war man bereits mit der neuen Ladung beschäftigt, Getreide und Reissäcke, tönerne Wassertöpfe, Zuckerrohr, Baumwollballen. Der Schweiß lief den Arbeitern übers Gesicht. Ein Mann schleuderte Körner in die Luft und übertrug dem Wind auf diese Weise die Aufgabe, Spreu von Weizen zu trennen. Was mochten das für Körner sein? Getreide, Sesam, Samen von Klee oder weißen Bohnen? Wagdi konnte es nicht erkennen. Sein Vater hatte früher, wenn auch nur für kurze Zeit, mit Zuckerrohr und Getreide gehandelt. Damals hatte er erst ein paar Monate in Ägypten gelebt. Irgendjemand musste ihm erzählt haben, dass man in Hefna reich werden könne, und vielleicht hatte Georg Amalrikian deshalb den Entschluss gefasst, seinem noch ungeborenen Sohn den Namen dieser Stadt zu geben.

Ein anderer Mann rüttelte und schüttelte ein Sieb. Wagdi machte einen Bogen, um nicht den Staub ins Gesicht zu bekommen. Kleine schwarze Steine lagen auf dem Boden, und nicht weit entfernt türmten sich kurze Halme zu einem kleinen Haufen.

Eine Frage ging ihm nicht aus dem Kopf: Wer ist Arosi? Irgendjemand beobachtet mich, überlegte er. Und was hatte es mit dem Briefschreiber auf sich? Will jemand meine Aufmerksamkeit in eine andere Richtung lenken? Will man mich irreführen? Wer treibt sein Spiel mit mir? Ich muss vorsichtig sein, ich darf keine Fehler machen. Bekir fiel ihm wieder ein. Vielleicht wusste er von vornherein Bescheid und hat deshalb alles unleserlich geschrieben.

In seinem Dienstzimmer fand Wagdi das Fenster offen, wahrscheinlich schon seit Tagen. Eine dünne Staubschicht überzog die Akten, die Dossiers, die Blätter, die lose auf dem Tisch lagen. Bisweilen erschien ein Mann zum Putzen, aber durch ihn wurde der Staub lediglich anders verteilt. Warme, feuchte Luft drang vom Fenster herein. Er versuchte es zu schließen, vergeblich, die Scharniere waren hoffnungslos verrostet.

Er ging hinunter und fragte den Hausmeister, wer für Reparaturen zuständig sei. "Niemand", lautete die Antwort.

"Aber in meinem Zimmer schließen die Fenster nicht", erklärte Wagdi.

"Viele Fenster im Haus gehen weder auf noch zu. Einige Türen lassen sich nicht einmal abschließen. Trotzdem hat sich bisher niemand beschwert", meinte der Portier geduldig.

"Ich habe Geheimakten in meinem Zimmer. Sie könnten durch das Fenster entwendet werden", wandte Wagdi ein.

"Sie können einen Reparaturantrag stellen und ihn an das Amtsgericht in Mansoura weiterleiten."

"Ich bitte Sie, das ist eine einfache Reparatur!", protestierte Wagdi.

"Es ist trotzdem üblich, dass das Amtsgericht solche Anträge genehmigt. Das müssen Sie als Staatsanwalt doch wissen!"

Musste er sich das gefallen lassen? O nein, er sollte den Mann in seine Schranken weisen. "Was für einen Ton erlauben Sie sich!", müsste er schreien, und: "Wissen Sie nicht, mit wem Sie sprechen? Hüten Sie sich, jemals wieder in diesem Ton mit mir zu reden!" Ja, das müsste er sagen, nur tat er es nicht. Dabei wusste er sehr genau, dass er sich von niemandem, weder von Hassan Wassan noch von diesem Zidan noch von diesem Portier solche Unverschämtheiten gefallen lassen sollte. Bedrückt stieg er die Treppe wieder hinauf.

Er setzte sich an den Tisch, um seiner Braut einen Brief zu schreiben. Für diesen Zweck trug er in seiner Aktentasche extra feines Papier mit sich herum. Manchmal nutzte er sogar die Fahrt im Zug und berichtete ihr von seinen Eindrücken.

"Liebe Wedad!", schrieb er schwungvoll in seinem Büro sitzend.

In diesem Augenblick glitt auf dem Fluss ein Schiff vorbei. Es war mit tönernen Wasserbehältern beladen. Die birnenförmigen Gefäße türmten sich pyramidenförmig auf, waren auf sonderbare Weise ineinander verschlungen, genauer gesagt verkeilt. Eine Öffnung war jeweils von mehreren Böden umgeben und ein Boden dann wieder von mehreren Öffnungen. An der einen Seite der stumpfen Pyramide waren die Öffnungen rund, auf der anderen Seite oval. Die Geometrie folgte dem Gesetz von Licht und Schatten.

Als das Schiff aus seinem Blickfeld zu entschwinden drohte, erhob er sich und beobachtete, wie es mit geblähtem Segel gen Norden weiter trieb. Er kehrte zum Schreibtisch zurück.

"Liebe Wedad!" Und weiter? Was sollte er schreiben?

Ein kleines Boot, dessen Segel leicht im Wind flatterte, trieb scheinbar ziellos umher. Der Mann am Ruder war er alt oder jung? Warum saß er allein im Boot? Es klopfte. Ein Polizist trat ein und übergab ihm ein Schreiben.

"Dr. Karim Ackawi", las er, "der Sohn des Bürgermeisters, ist seit drei Tagen verschwunden. Niemand weiß, wo er sich aufhält. Wir nehmen an, dass er entführt wurde." Die Unterschrift lautete: Helmi Ayyas, Stationsoffizier

Wagdi schaute auf. "Ich war doch eben im Polizeirevier. Warum hat mir keiner etwas davon erzählt?"

"Wir haben es gerade jetzt erfahren", erwiderte der Polizist verlegen.

Das vierte ägyptische Jahr

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