Читать книгу BrandFuture - Praktisches Markenwissen für die Marktführer von morgen - Achim Feige - Страница 18
Kapitel 2
Sieben Gebote als grundlegende und zeitlose Gesetze für die Markenführung
ОглавлениеDie Relevanz der modernen Evolutionstheorie für das Führen von Marken ergibt sich aus der memetischen Definition von Marke, die diese als lebendes System versteht. Ähnlich den Genen wollen sich die Informationsträger einer Marke, die Meme, replizieren. Für die entscheidende Frage, welche Meme beziehungsweise Marken sich im hoch kompetitiven Umfeld langfristig behaupten werden, sind die gleichen Erfolgsfaktoren ausschlaggebend wie im Universalprinzip der Evolution: Fitness und Sexiness. Diesem Prinzip sind alle lebenden Existenzformen von der Bakterie bis zur Marke untergeordnet. Grundlegend für die Bedeutung dieser Prinzipien in der Markenführung ist die evolutionäre Markendefinition.
Für den Begriff «Marke» sind unterschiedlichste Definitionen im Umlauf. Unter der Internetadresse markenlexikon.de finden sich zurzeit denn auch rund fünfzig Ansätze zum Thema Marke und Markenführung. Dies erklärt sich teilweise damit, dass Markenführung eine sehr junge und daher noch «unreife» Kommunikationswissenschaft ist, die deshalb noch unter einer babylonischen Sprach- und Begriffsverwirrung leidet, und es im Übrigen in den Kulturund Geisteswissenschaften per se viele Wahrheiten gibt.
Die einen verstehen unter Marke nur das Logo, das Corporate Design und die Werbung. Die anderen sehen Marke als Verdichtung von rationalem und emotionalem Nutzen, der in kreativen Kampagnen ausgedrückt wird. Andere setzen Marke mit Bekanntheit gleich. Doch was helfen 90 Prozent Bekanntheit, wenn Menschen die Marke nicht haben wollen? Dann ist sie bestenfalls eine «OutBrand».
Historisch betrachtet entstand die Marke, um in erster Linie als Vertrauens- und Qualitätsgarant die Distanz zwischen Hersteller und Endkonsument zu überbrücken. Der Marketing-Guru Philip Kotler meint, eine Marke sei etwas Gekennzeichnetes, «ein Name, Begriff, Zeichen, Symbol, eine Gestaltungsform oder eine Kombination aus diesen Bestandteilen zum Zwecke der Kennzeichnung der Produkte oder Dienstleistungen eines Anbieters oder einer Anbietergruppe und zu ihrer Differenzierung gegenüber Konkurrenzangeboten».
Dies ist aber eine nur auf die kommunikative Oberfläche reduzierte Definition, die der Leistung und Substanz einer Marke nicht gerecht wird. In den 1990er-Jahren kam die Theorie der «fraktalen Marken» auf: Danach sind Marken Einheiten, die sich selbstähnlich verschiedensten Nischen anpassen, ohne ihre übergreifende Identität zu verlieren. Das ist meines Erachtens eine gute Definition, die aber auf Grund ihrer Herkunft aus der System- und Chaostheorie keine Anhänger gefunden hat. Vor kurzem hat sich der Begriff «Love-marks» etabliert, der Marken bezeichnet, zu denen eine tiefe emotionale Bindung der Kunden existiert und die von jenen geliebt werden. Das ist zwar wieder ein Versuch der Vereinfachung, der aber zumindest eine Fangemeinde inbesondere in der Werbeindustrie gefunden hat.
Dauerhaft bewährt hat sich die leistungsbasierte Betrachtung von Hans Domizlaff. Domizlaff formulierte bereits 1939 die «22 Gesetze der natürlichen Markenbildung», die unter anderem eine Marke als verdichteten Ausdruck einer spezifischen Spitzenleistung definieren. Diese Sicht rückt in den Vordergrund, dass Marken vor allem durch Einlösung von Leistungsversprechen und nicht nur durch Kommunikation von Botschaften mittels Werbung entstehen. Je besonderer und einzigartiger eine Leistung ist, desto größer ist die Chance, eine erfolgreiche Marke zu entwickeln. Ausgedrückt wird diese besondere Leistung unter anderem durch stilistische Elemente wie zum Beispiel Farbe, Form, Symbole oder die «One Word Equity», das Wort, das für die Marke steht und mit ihr assoziiert wird. So wird die Marke zu einer charaktervollen, einzigartigen Gestalt mit klarem Markenleistungsvorteil. Es bleibt keine kommunikative Hülle oder nur ein «Zeichen» der Unterscheidung.
Diese These wird von der aktuellen Trusted-Brands-Studie 2007 von Readers Digest gestützt, in der 27 000 Europäer nach ihren vertrauenswürdigsten Marken gefragt wurden. Die zwei entscheidenden Kriterien für vertrauenswürdige Marken sind zum Ersten die Produktqualität (73 Prozent), also die Kernleistung der Marke, und zum Zweiten die persönliche Erfahrung (72 Prozent) mit der Marke. Eine Marke wird also nicht nur, aber nur zum geringen Teil durch die Werbung gemacht!
Eine starke Marke hat also immer beides und ist nicht einfach ein Oberflächenzeichen. Eine einzigartige, erfahrbare Markengestalt mit wertvoller Substanz, die hält, was sie verspricht, ist anziehend, attraktiv, begehrenswert und leistet somit das, was man auch heute von Marken erwartet: Ein Kunde zahlt ein Preispremium, kauft häufiger Produkte derselben Marke, hat eine höhere Bindung an sie, identifiziert sich und empfiehlt die Marke in seiner Gruppe weiter. Das sind echte Markenwerttreiber, die man einfach messen kann, um den Markenwert seiner Marke zu kennen.
Negativ formuliert: Kommunikative Marken ohne echtes differenziertes Leistungsversprechen enttäuschen und führen zur Illoyalität, geringem Preispremium, keiner Weiterempfehlung und somit zu zunehmendem Rabattierungszwang als letztem Differenziator – frei nach dem Motto: Ich kann das Gleiche wie die anderen, ich bin aber billiger.
Das ist der Anfang vom Ende der Markenführung. Auch leistungsstarke Marken, die diese aber nicht attraktiv ausdrücken können, ereilt das Schicksal der Austauschbarkeit. Die Kunst liegt in der Verknüpfung von herausragender Leistung und dichtem Ausdruck dessen, um am Markt einen Eindruck zu hinterlassen.
Wenn auch keine Definition Anspruch auf vollständige Wahrheit hat, kann man es in pragmatischer Weise aber sicher wie folgt auf den Punkt bringen: Erfolgreich ist der Ansatz, der sich auch künftig bewähren wird.
Erfolg versprechend ist die leistungsbasierte Betrachtung von Hans Domizlaff in Kombination mit evolutionären Gesichtspunkten, insbesondere der Theorie der Memetik. Dieses evolutionäre Markenverständnis ermöglicht es, die zukünftigen Gestaltungsräume in der Markenführung zu erweitern und diese besser und wirkungsvoller zu nutzen und zu steuern.