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Tag 2

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Die zentrale Rolle des Handys

Wie schon angedeutet zeichnet sich Ihre derzeitige Lebenssituation durch einen schleichenden Rollentausch aus: anstelle des geliebten Managers ist in letzter Zeit allzu oft Ihr Handy gerutscht.

Raffi tückisch gaukelt es Ihnen die Anwesenheit des Geliebten vor, Sie hören seine Stimme und dank unserer -–insbesonderer unserer weiblichen – Vernetzungsfähigkeiten der aktiven Hirnbereiche fühlen wir mit dieser Stimme geradezu seine körperliche Nähe, nehmen den Duft seines Aftershaves wahr. Er scheint wirklich präsent. Drückt unser Zeigefinger dann nach beendetem Gespräch auf das verhasste rote Telefonsymbol ist es nicht nur, als wäre unser Liebster gerade durch die Tür gegangen – nein, à la Harry Potter ist er sozusagen in Bruchteilen von Sekunden disappariert. Wir konnten nicht mal hinter her winken.

Das Handy in der Handtasche, in der Hosentasche (die ist immer ein bisschen eng dafür), das Handy auf dem Küchentisch, auf der Badablage, neben dem Klo. Und dann natürlich im Bett. Auf dem Nachtisch, aber durchaus auch auf dem Kopfkissen unseres weil ja abwesenden Managers.


Wir wollen uns an dieser Stelle nicht bedauern, wie dieser Lightfaden ohnehin alles andere ist, als ein solidarisches Bräute-Tränen-Auffangbecken. Nein, ganz und gar nicht. Es geht nur um die Bewusstwerdung: das Handy bringt uns unseren Manager nicht näher, es stellt noch nicht mal eine Verbindung her, sondern im Grunde seines Wesens verfestigt es die Entfernung. Wir akzeptieren den elektronischen Manager. Wir akzeptieren, einen Geliebten in der Größe einer Damen-Zigarettenschachtel zu haben. Wir akzeptieren, auf dem Klo Liebesbeteuerungen aus zu sprechen und wir akzeptieren unsere allzeitige Verfügbarkeit für den rettenden Klingelton. Dass er natürlich nicht rettet, ahnen wir ja bereits.


Mit anderen Worten: schmeißt das Handy in den Mülleimer! Wer davor zurückzuckt, weil es ja auch Vorteile hat, wenn der Wagen mal durch ein Loch im Benzintank (wo das nur immer her kommt) liegen bleibt oder ein perverser Einbrecher plötzlich nachts vor einem steht (statistisch gesehen Wahrscheinlichkeit gegen Null, aber was ist mit dem „gegen...“?) also wer sein Handy um seiner selbst willen liebt und es deswegen nicht dem Müllschlucker überlassen will, der muss lernen, es liegen zu lassen. Ab zu stellen. Man kann damit phasenweise beginnen. Minutenweise, schließlich das Dasein ohne Handy auf eine halbe Stunde, auf eine Stunde ausdehnen. Irgendwann werden Sie, wenn Sie es geschafft haben, die Gedanken auf die Dinge Ihres Leben minus dem Handy zu richten, verwundert fest stellen: wo ist denn mein Handy? Und das ist dann bereits der erste Erfolg. Für fortgeschrittene Ex-Manager-Bräute bietet es sich an (nachdem Sie es geschafft haben, ohne Handy aufs Klo zu gehen oder zu duschen) mal einen ganzen Abend aus zu gehen, ob mit einer Freundin oder alleine ins Kino: lassen Sie das Handy zu Hause. Sie haben doch eine Mailbox: Es geht ja nichts verloren: Auch der Anruf Ihres Managers nicht! Das Handy ist nur dann irgendwann wieder das, was es ursprünglich mal war: ein Kommunikationsmittel der zweiten Linie. In der ersten wären da zu nennen: die eigenen Stimmbänder, die Mittelohrknöchelchen, und vor allem nicht zu vergessen: die Arme, Beine, Brust, Körper, Haut. (da tauchen spontan Ideen für das Handy der Zukunft auf...ich hoffe inständig, es kommt nicht dazu!).


An diesem zweiten Tag der neuen Ära liegt das ganze Heil im Verzicht auf das Handy. Wem das aus irgendeinem Grund noch schwer fällt, dem sei folgender Tip gegeben: legen Sie ein Foto Ihres Managers und das Handy nebeneinander auf den Tisch. Und nun wählen Sie. Ganz ernsthaft: Sie müssen sich entscheiden. Bleiben Sie beim Handy, können Sie Ihren Manager anstelle des Handys in den Müllschlucker stecken. Oder zumindest symbolhaft sein Foto.

Erst, wenn Sie diese Loslösung von der Selbsttäuschung, zu der Ihr Handy Sie verführt hat, bewältigt haben, macht es Sinn, zum dritten Tag der neuen Ära über zu gehen. Lassen Sie sich Zeit, seien Sie gründlich, huschen Sie über diesen Punkt nicht hinweg: jede Schludrigkeit rächt sich am Gesamtergebnis.


Erinnerungen


Nachdem ich also wusste, es geht um den elften Finger, der mir fehlt, begab ich mich auf die Suche. Ich vermute, Ihnen drängt sich jetzt vor allem eine Lösung auf, die irgendwie mit dem Unterschied zwischen kleinen Jungs und kleinen Mädchen zusammenhängt. Dafür habe ich eine Weile gebraucht. Um dann fest zu stellen: darum geht es nicht.

Eigentlich habe ich schon als ganz kleines Kind geahnt, sozusagen unterbewusst gewusst, dass es um viel mehr geht als umso etwas Lapidares wie Penisneid (den ich nie empfunden habe, und schon frage ich mich, ob mir da nicht vielleicht schon wieder etwas fehlt?). Mir war klar: dieser elfte Finger, wenn ich ihn denn nun irgendwo auftreiben könnte (ich bin einmal tatsächlich im Alter von etwa sechs Jahren auf eigene Faust zum Röntgenarzt gegangen um meine Hände untersuchen zu lassen. Mit tränenerstickter Stimme hielt ich ihm kraftlos meine kleinen Hände entgegen und nuschelte irgendwas von „elfter Finger“. Bei ihm kam nur “Helfen-Finger“ an . Bei der Besprechung der Röntgenbilder war der anfangs recht nette Arzt sehr ungehalten, als sich herausstellte, dass ich gar nicht gestürzt war, sondern die Existenz eines elften Fingers, oder besser noch eines elften und eines zwölften nachweisen wollte. Ich konnte von Glück sagen, dass ihm das Ganze so peinlich war, dass er schon aus Selbstschutz meine Eltern nicht von diesem Vorfall informierte.), dieser überzählige Finger war für mich der Schlüssel zum Herzen meiner Mutter. Ich war sicher, ihr Blick würde von einer Sekunde zur anderen von Skepsis in überschwengliche Zärtlichkeit umschwenken, sobald ich ihr freudestrahlend mitteilen konnte: Mami, sieh her, du hattest recht: ich habe ihn, den elften Finger deiner Träume!

Ich habe es immer wieder mal versucht, mit angeklebten Würstchen neben meinem kleinen Finger, die aber leider am dritten Tag entsetzlich anfingen zu stinken, ich habe Zählungen an meinen Händen durchgeführt, die immer auf elf endeten und meine Mutter zum Beweis des Gegenteils aufgefordert, ich habe nach der Sache mit dem Würstchen einen Hühnerknochen genommen und behauptet, ich müsse mehr essen, an meinen elften Finger sei kein Gramm Fett ranzukriegen.

In der Pubertät (neben der kurzen Beschäftigung mit dem Penisneid) begann ich, die Sache zu analysieren und zu abstrahieren: der fehlende Finger stand für Unvollkommenheit, soweit stand für mich fest. Diese Unvollkommenheit beschädigte die Liebe meiner Mutter zu mir, ihre einzigen Tochter. Ich bin sozusagen für sie das Trauma ihrer unvollkommenen Reinkarnation. Meine Lebensaufgabe besteht also in Vervollkommnung. Ich muss an mir arbeiten, um heil zu werden. Mit beginnendem Sexleben hatte ich kurzfristig eine Neigung zu einfachen Lösungen, wie diese Vollkommenheit aussehen könnte. Aber der skeptische Blick meiner Mutter blieb. Und bei Ende jeder gescheiterten Beziehung schien sich in das Gesicht des jeweiligen Ex-Lovers derselbe Blick ein zu schleichen. Mir war klar: ich hatte mich getäuscht. So einfach war das Problem nicht zu lösen.

Zu meinem zwanzigsten Geburtstag schenkte mir mein Vater ein Handy. Klein, schmal, feminin elegant und in metallic-rosa. Es traf mich wie der Blitz.

Also alles in Allem. Nichts Außergewöhnliches.

Lightfaden für Managerbräute

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