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Herr van Wyttenbach hatte sich, während die beiden Alten noch in Sehweite waren, mit einer förmlichen Verbeugung von Gertrud verabschiedet, als sie verschwanden, blieb er an der Salonthür stehn, warf das schöngekräuselte Haar zurück und lächelte das Mädchen zärtlich an. Die Stimme ein wenig dämpfend, doch nur so, daß sie noch Wohllaut behielt, fragte er, indem er die Lippen spitzte.

»Also ich hab’ Ihnen etwas Freude gemacht, meine süße Gertrud?«

Sie nickte liebevoll. »Die Blumen – und ihre Sprache! Ach, ich bin so glücklich!«

»Sind Sie glücklich, Gertrud?«

»Ich kann Ihnen so nicht sagen,« antwortete sie, »wie ich glücklich bin! – ›Und immer ging sie fort‹ . . . Ich muß Ihnen noch einen Traum erzählen —«

Sie sollte aber ihren Traum heute nicht zum zweitenmal los werden. Arthur legte plötzlich einen Finger auf die Lippen und deutete mit dem Kopf hinter sich nach der Thür. Nun hörte sie auch Schritte dort, und Brinks verschleierte Stimme. Es wollte offenbar jemand kommen, man sprach hin und her. Arthur zuckte entsagend die Achseln, Gertrud, die siebzehnjährige, stampfte auf die Erde; sie fühlte, wie sie diesen Jemand haßte.

Richtig, dachte sie, da kommt das Ungetüm! Die Salonthür ging auf, eine lange Gestalt, ebenso lang wie Wyttenbach, ebenso schwarz gekleidet, erschien auf der Schwelle. Es war ein junger Mann mit blassem Gesicht, mit sehr ernsten Zügen, den weichen schwarzen Hut hielt er in der Hand. Den kenn’ ich ja, dachte Gertrud, die ihn mit herzlichem Widerwillen ansah, da er sie so störte. Zu ihrem Erstaunen zitterten ihm die Lippen eine Weile, ehe er mit etwas unsicherer Stimme zu sprechen anfing. »Entschuldigen Sie, Fräulein Rutenberg —!«

»Ach ja, wir kennen uns,« sagte sie nun gutmütig, seine Aufregung entwaffnete sie. »Herr von Hiller, nicht wahr —«

Der junge Mann lächelte, im ersten Augenblick etwas schmerzlich, aber schnell gefaßt. »Sie verwechseln mich mit einem andern, mein Fräulein,« sagte er schlicht. »Waldeck ist mein Name.«

»O!« stieß sie erschrocken aus. »Verzeihen Sie! – Ja, ja, nun seh’ ich —«

»Was ist da zu verzeihen,« unterbrach er sie, »Sie haben mich ja nur ein paarmal gesehn. Ich wollte mir erlauben, Ihren Herrn Vater – wohl etwas spät – in einer besonderen Sache – — Aber ich höre eben, hier ist heute Ball. Ihr Herr Vater wird also nicht mehr zu sprechen sein, vielleicht könnt’ ich morgen —«

Gertrud schüttelte den Kopf. »Ach nein! Wenn Sie hier etwas warten wollten – er zieht sich an, aber er ist bald wieder da. Mit seiner Toilette« – sie lächelte ermutigend – »dauert es nicht lange! Ich werd’ ihm sagen lassen, nicht wahr, daß Sie auf ihn warten . . .«

Na, dachte sie, während sie sprach, ich bin doch freundlich genug gegen das Ungetüm!

»Zu gütig, mein Fräulein,« erwiderte der andre mit seiner sonderbar gepreßten Stimme, die das Mädchen so weich und liebenswürdig gemacht hatte.

»Aber jetzt entschuldigen Sie mich,« fiel sie ein, mit einem Blick auf ihr Hauskleid, »ich muß nun endlich fort, ’s ist die höchste Zeit! – Wenn Sie Waldeck heißen – ach Gott, wie konnt’ ich, dann sind die Herren ja alte Freunde, nicht wahr?«

Wyttenbach nickte: »Schulfreunde, jawohl.«

»Ich lasse Sie also allein – Sie können ja von alten, alten Zeiten miteinander sprechen.« – Ueber ihren Strauß hinweg warf sie rasch noch einen zärtlichen Blick auf Arthur, ganz verstohlen, wie sie dachten; er war aber doch nicht verstohlen genug, denn der Herr Waldeck fing ihn auf. »Auf Wiedersehn!« rief sie, »bald!« – Mit anderer Stimme und einer ihrer gelernten leichten Verbeugungen wandte sie sich dann zu dem andern »Adieu, Herr – — Waldeck

Sie errötete nachträglich, daß sie ihn »Hiller« genannt hatte, und lächelte und huschte hinaus.

Waldeck sah ihr nach. Seine starken, dunkelblonden Brauen zogen sich zusammen, als dächte er an den heimlichen Blick mit dem sie Arthur eben angestrahlt hatte. Er zuckte, als ihm nun Arthur eine Hand auf die Schulter legte; er schien merkwürdig erregt zu sein. »Nun, Waldeck?« sagte Arthur. »So düster?«

»So heiter?« fragte Waldeck zurück.

»Das ist ’ne komische Frage. Warum sollt’ ich nicht heiter sein? Wenn irgend ein Mensch dazu Ursache hat, so hab’ ich – —«

Er unterbrach sich, nach einem neuen Blick auf den alten Schulfreund, mit dem er als Junge so manchen lustigen Streich ausgeführt hatte. Gutmütig, wie er im Grunde doch war, legte er ihm wieder eine Hand auf den Arm:

»Uebrigens, wenn ich dir mit etwas nützlich sein kann, so disponier’ über mich. Du siehst so aus, alter Junge, wie wenn du Sorgen hättest, – brauchst du vielleicht ›Kies‹? oder ›Schotter‹, wie der Oesterreicher sagt? Ich hab’ im Augenblick ›heidenmäßig viel Geld‹!«

Offenbar wider Willen lächelnd, sah Waldeck den jungen Krösus freundlich an. »Ein guter Kerl bist du doch!«

»Daran hast du hoffentlich nie gezweifelt,« warf Wyttenbach hin. »Also – brauchst du Geld?«

»Gott sei Dank, nein. Weder das, noch sonst was! – Es geht dir also gut.«

»O ja,« sagte Wyttenbach, die kleinen Augen vor Vergnügen noch kleiner machend. »O ja, mehr als gut! – Ich werde jetzt solid. Ich werde jetzt un homme sérieux

»Schon? – Dann bist du ja mit vierzig ein Greis!«

Wyttenbach lächelte überlegen, sein braunes Schnurrbärtchen in die Länge ziehend. »O, ich werd’ es schon verstehen, mein Junge, mich jung zu erhalten! – Von allem etwas, weißt du, und von nichts zu viel: Arbeit, Ruhe, gutes Leben, zuweilen eine Reise zur Auffrischung, ein viertel Jahr auf dem Lande, denn meine entschiedene Absicht ist, Großgrundbesitzer zu werden. Das gehört jetzt mit dazu, und mit Recht! Das giebt dir festen Boden unter den Füßen, giebt dir eine gesunde Existenz, eine solide Weltanschauung, Ansehen und Einfluß. Später laß’ ich mich dann in den Reichstag wählen —«

»Und dein Großgrundbesitz,« fragte Waldeck, »wer verwaltet den?«

»Ich selbst, wer denn sonst? Eine Thätigkeit muß der Mensch haben, natürlich, das ist der kategorische Imperativ des Lebens . . . Ich studiere jetzt erst eine Weile Landwirtschaft und Nationalökonomie, dann mach’ ich noch eine kleine Reise um die Erde – das gehört mit dazu —«

»Und dann heiratest du,« ergänzte Waldeck, mit einem unwillkürlichen Blick auf die Thür, durch die vorhin das junge Mädchen hinausging.

»Wahrscheinlich!« sagte Wyttenbach lächelnd.

»Und heut’ – wirst du hier tanzen.«

»Naja!« – Wyttenbach lächelte wieder, aber matt, resigniert. »Ich bin ja noch in dem Alter, wo man herumhopsen muß. Und überhaupt – eine Zeit lang muß ich die Kindereien noch mitmachen. Obgleich ich eigentlich, kann ich dir sagen, mit all diesen Jugendeseleien ziemlich fertig bin —«

»Bist wohl schon sehr blasiert?« fragte Waldeck, nach einem neuen düsteren Blick auf die Thür.

»Die Sachen verlieren ja natürlich mit der Zeit ihre Reize! Indessen, wenn man noch jung ist —«

Waldeck unterbrach ihn wieder, mit einem etwas unsicheren Anlauf. »Und – durch was für einen Glücksfall willst du das alles erreichen, wenn man fragen darf?« Wyttenbach trat einen Schritt zurück, sein glattes, hübsches Gesicht verzog sich: »das möcht’st du wohl wissen,« sagte er vergnügt. »Das ist mein Geheimnis. – Adieu!«

Er ging zur Salonthür.

»Adieu!« rief ihm Waldeck nach.

Mit der blasierten Grazie eines Prinzen öffnete Wyttenbach die Thür und stieß sie vor sich her.

Das Kind

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