Читать книгу Die blinde Passagierin - Adrian Klahn - Страница 4

Seinerzeit

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1952

Albert und Credo setzten sich an einen Rundtisch im Lokal am Schauspielhaus, welches sich in einer dunklen Gasse am Hinterausgang des Theaters befand. Am Eingang der Bar war ein großes Schild an die Tür genagelt.

„Eintritt in Lederwesten, Bluejeans und unordentlicher Kleidung NICHT GESTATTET!“

Zu den Freunden des gepflegten, blondgelockten Albert zählten renommierte Schauspieler, aber auch etablierte Künstler der Berliner Szene. Ihnen war es wohl geschuldet, dass Albert Alasker sich in diese dunkle Bar verirrte. Auch Politiker gaben sich gern mit ihm ab, mieden das Ambiente doch, da man oft eine zu lockere Zunge pflegte und hier auch Bühnenarbeiter verkehrten. Noch unangenehmer als die jedoch war die Presse, die immer auf der Suche nach einer vernichtenden Story war.

Credos Verlobter nickte rüber, zu dem bekannten Psychiater John Pfeffer, der mit einem Martini-Glas neben einer Wachsfigur von Buddy Holly stand, die wiederum ein Elvis-Mikrofon in der Hand hielt.

Zu Pfeffer schien Albert eine lockere und unklare Beziehung zu haben, die nach außen als Freundschaft deklariert wurde, allerdings oft so wirkte als stünde etwas zwischen ihnen.

Albert Alasker begrüßte seine Bekannten zurückhaltend, wie es sich seiner Meinung nach gehörte. Dennoch strahlte Alasker wie immer Präsenz und Energie aus, die die meisten Menschen als anziehend empfanden, und nur böse Zungen als Aura des Getrieben-Seins beschrieben.

Der renommierte Mediziner gab Credo einen vorsichtigen Kuss auf die Wange, gefolgt von einem charmanten Lächeln. Woraufhin sie ihm einen vielsagenden Blick zuwarf, sich seinem Ärmel zuneigte und lang an ihm roch. Albert aber entgegnete entsetzt:

“Hier?“

Sie bestätigte durch eine leichte Kopfbewegung. Worauf Albert ihre Lust mit einem „dafür könnten wir verhaftet werden“, ausbremste. Als sich die Blicke von ihnen abwendeten flüsterte er ihr ins Ohr.

„Kannst froh sein, dass wir uns in ´ner Kaschemme befinden, Süße und Deine knabenhafte Kleidung nicht auffällt.“

Während sie damit beschäftigt war sich den Schmerz, den seine Worte verursachten, nicht anmerken zu lassen, wendete er sich ab, um mit den Herren am Tisch über seine Arbeit zu sprechen.

Zu ihnen hatten sich zwei modische Mädchen gesellt, die in Albert nur zu gern einen Junggesellen sahen. Die noch jüngere blickte Credo abschätzig an und raunte ihrer Freundin zu.

„Ich frag´ mich, was sie überhaupt zu bieten hat. Ihr graues Gesicht kann´s nicht sein. Was findet ´n Mann mit Namen wie er nur an einer wie der?“

„Er soll ja einer sein, der dabei das Licht ausmacht.“ Antwortete die Ältere flüsternd.

„Vielleicht schämt er sich für seine Lustmuskete.“

„Er schämt sich eher für sie.“

Kicherte die andere.

„Er hat ja eine schon großartige Karriere hinter sich.“

„Und sicher eine noch größere vor sich. Vielleicht macht er eines Tages Politik.“

„Ich bin sicher er ist schon dabei.“

Die Nase rümpfend stierte Credo in ihr Glas bis sie laut sagte. „Tja, oft sieht das Hamsterrad von innen aus wie ´ne Karriereleiter.“

Was die Übrigen in der Runde zum sofortigen Schweigen brachte.

„Vielleicht habe ich nie einen Beruf gelernt. Die einzigen Menschen, die mir was beigebracht haben waren die, die mich geliebt haben. Ich bin nicht klug, aber eins kann ich mit Sicherheit sagen. Ich habe wahrhaftig geliebt. Ich habe mich nie verstellt und vorgetäuscht jemand zu sein der ich nicht bin. Das ist wahrscheinlich mehr als Ihr Schnepfen jemals von Euch behaupten könnt.“

Dass Albert Alaskers Hand, die für einen Mediziner ungewöhnlich kräftig war, in diesem Augenblick ihren Oberschenkel zusammenpresste, ignorierte Credo gekonnt.

Da lenkte das ältere Mädchen kampfbereit ein.

„Dass sie wahrhaftig geliebt hat glaub ich ihr auf´s Wort. Ein Blick auf dieses Kostüm oder wie man die Bluejeans mit dem Obenrum nennt, zeigt eindeutig, an welches Geschlecht sich ihre Liebe richtet.“

„Und wenn schon? Wo ist das Problem?“ schoss Credo zurück, die entsetzten Blicke am Tisch ignorierend und fuhr fort.

„Von Anbeginn der Menschheit existiert Liebe unter Frauen und Männern. Wollt Ihr jetzt darüber richten? Außerdem, was bleibt manchen denn übrig beim Frauenüberschuss in der BRD?“

Als ein Raunen durch die Menge ging. Doch bevor Albert Gelegenheit bekam wütend zu werden, lenkte John Pfeffer ein. „Also bitte, Kinder. Alle hier wissen, dass Fenia mit Albert liiert ist und kein Interesse hat an solchen Dingen.“

“An solchen Dingen?“ Wiederholte Credo. „Der springende Punkt ist doch, dass Leute wie Ihr, Angst vor Frauen und Männern haben, die das gleiche Geschlecht lieben, obwohl es Euch eigentlich kalt lassen dürfte. Außer natürlich Ihr liebäugelt damit das Ufer zu wechseln. Wenn´s nach Euch ginge würden sie vermutlich auch den Demokratischen Frauenbund verbieten.“ „Oh hört, der Demokratische Frauenbund, Gleichberechtigung…, ist das nicht der Verein von denen die keinen abkriegen?!“, lachte die eine.

„Ist lesbische Betätigung nicht gesetzlich verboten?“

wollte die ältere wissen.

Wieder ging ein Raunen durch die Menge. Die jüngere fügte verächtlich hinzu:

„Das musst Du unsere vermännlichte Neunmalkluge hier fragen.“ Wieder ein, „Kinder, bitte!“ von John Pfeffer.

„In Eurer Überheblichkeit und Geringschätzung merkt Ihr dummen Gänse nicht, wie Ihr Euch an der Unterdrückung der Frau beteiligt. Und in all der Aufgesetztheit und dem Stumpfsinn fällt Euch gar nicht auf, dass Ihr ohne männliche Begleitung nicht mal ein Bier in dieser Bar trinken dürftet.“

„Schluss mit dem Blödsinn!“

rief dann Albert Alasker, der nur selten laut wurde und eigentlich immer den Eindruck hinterließ, er wäre die Selbstbeherrschung in Person.

Seitdem es Fenia Credolans Vater nicht mehr gab, gab es nicht viele denen sie vertraute. Die meisten Frauen mochten sie, hatten jedoch zu großen Respekt vor ihren Ehemännern, um in deren Anwesenheit mit Credo zu sprechen. So sprachen sie Credo, die hinter vorgehaltener Hand als Suffragette beschimpft wurde, nur an, wenn sie Einkäufe erledigten oder allein waren, während sich die Gatten in Kitty´s Varieté-Show vergnügten. Albert zollte man Respekt, auch wenn seine Lebensgefährtin sonderbar zu sein schien und niemals Kleider tragen wollte. Von wem aber hätte Credo lernen sollen wie sich eine Frau in diesen Jahren kleidet, hatte der Krieg ihre Mutter doch schon vor Jahren fortgespült und sie nie wieder an die Oberfläche getragen. Ansonsten gab es niemanden der ihr ein adäquates, weibliches Rollenvorbild hätte sein können. Also wäre die einzige Informationsquelle zur Petticoat-Mode der 1950er Jahre ihr Vater gewesen, der auf diesem Gebiet weder über Geschmack verfügte noch ein Mann vieler Worte war. Vielleicht so schweigsam deshalb, weil ihn jedermann nach der Herkunft seiner Frau fragte und er es eines Tages satt hatte Dinge zu erklären, die keinen etwas angingen.

„Pssst, seid doch mal ruhig!“, zischte eine Stimme im Raum und deutete auf einen klobigen Flimmerkasten am Ende des Tresens. Das Schwarz-Weißbild zeigte einen Mann mit Schürze, der aufgeregt gestikulierte.

„Wilmenrod stellt seine neue Kreation vor.“ Begeisterte sich der Barmann unter dem Schriftzug Bohème, dessen Neonröhren sein Gesicht grün ausleuchteten.

Sogleich stimmte er an, woraufhin die Gesellschaft im Raum unisono einstieg.

Don Clemente bittet zu Tisch!“

„Wussten Sie schon das Neueste?“, fragte Pfeffer, der nun einen Arm um die lebensgroße Buddy Holly-Figur gelegt hatte.

„Letzte Woche hat der Wilmenrod sich ein Messer an die Brust gehalten und damit gedroht, es sich hinein zu rammen, wenn nur einer auf der Kruste dieses Planeten existiere, der schwören könne, das Rezept für seine gefüllten Erdbeeren stamme nicht von ihm.“

„Mh, im Grunde ein Mann mit Überzeugungen“, antwortete Albert reserviert. Danach präsentierte der Kerl im Flimmerkasten eine seltsame Kreation. TOAST HAWAII.

„Wo nimmt der verrückte Italiener nur seine Ideen her?“, flüsterte Albert, um seine Begeisterung besser für sich zu behalten.

„Wilmenrod ist kein Italiener“, entgegnete Credo schmunzelnd. „Tatsächlich, Süße? Woher kommt dann bitte das Gericht, das er Pizza nennt? Ist doch wohl italienisch, oder nicht? Ach was weißt ´n du schon. Vom Kochen hast Du doch nie was verstanden.“

Hinter Alberts Rücken warf John Pfeffer einen gütigen Blick zu Credo und flüsterte.

„Wir erfolgsverwöhnten Männer sind zuweilen etwas eigen. Bei mir ist´s meine Frau, die mich mit dem Sammeltick konfrontiert und bei Albert sind es Mädchen, die ihn belehren wollen oder die Nase in seine Arbeit stecken.“

Kaum waren sie zu Hause, da zog Albert seine Verlobte zum Lieblingssessel am Kamin. Wie immer nahm er sich was er brauchte und machte keinen großen Hehl daraus. Eine Cohiba Cigarillo klemmte zwischen seinen Zähnen und während er sie geduldig paffte, entledigte er sie ihrer Kleidung.

„Fick mich schnell!“ sagte sie, da sie wusste, dass er es hören wollte.

Er öffnete lediglich seinen Hosenschlitz, quetschte sein Teil hindurch als er kurzerhand von hinten in sie eindrang.

Jetzt wo Albert auf ihr lag, sie in den Ohrensessel presste, raunte er bei jedem Stoß,

„Du hast mich heute in Verlegenheit gebracht“.

Von hinten umschlang er die Hüfte mit dem linken Arm, nahm die Cohiba zwischen Mittel-, Zeigefinger und Daumen und hielt sie nah neben ihren Lendenwirbel. Da Credo sich kurz wehrte, legte er die Cigarillo in einen Glasaschenbecher auf dem Beistelltisch. Dann packte Albert sie am Hals und stieß weiter zu.

Es war eine Zeit der Enttrümmerung, ein Anflug des Aufschwungs. Einige Familien leisteten sich wieder mehr als nur den Freitagsfisch, während andere, wie Albert und Credo, sogar in der Lage waren, ihre Wohnung neu einzurichten.

An einem Dienstag sah man an der Kreuzung Friedrich-/Ecke Taubenstraße eine Dame mit untertassenförmigem Hut einen Laden betreten, über dem ein Schild hing, mit der Aufschrift:

Seinerzeit

„Bin gleich für sie da“, begrüßte Credo die Kundin, die ihren Hut aus schwarzem Loden und Baumwollsamt selbstverständlich auf eine Kommode aus dem siebzehnten Jahrhundert legte.

„Ein paar schöne Schätzchen haben Sie hier.“ bemerkte sie überspitzt gut gelaunt, zudem mit einem spanischen Akzent. Dann zog sie ihren Lederhandschuh mit den Zähnen aus und fuhr mit der Hand über die Oberfläche eines Sekretärs. Credo war dabei Bücher in ein Regal zu stellen und wendete sich wieder ab. „Sehen Sie sich nur um…“

In das Regal sollten nur auserwählte Werke kommen, deshalb hatte Credo ein paar besonders nostalgische Bücher aus dem Keller des Antiquariats gesammelt. Sie war so sehr beschäftigt damit, auf die Anordnung von Form und Farben zu achten, dass sie ihre Kundschaft von Minute zu Minute vergaß.

„Ein signierter Bogenschützenring. Rícura.“, bemerkte die schlanke Dame laut und abrupt, sodass Credo erschrocken ein Buch fallen ließ.

„Was sagten Sie?“

„In der Vitrine, ein Bogenschützenring? Ein Schätzchen.“

„Ja das ist er. Aus weißer Jade, …so scheint es zumindest.“ „Wie darf ich das verstehen, Chinita?“ hörte die Frau neugierig auf.

„Ich hatte kürzlich einen Experten hier, der Ring ist eine Fälschung und nicht mal ein Drittel von dem wert, was mein Vater dafür bezahlte.“

„So…“, sie tat Credos Aussage mit einem Lächeln ab.

„Solche zinnoberroten Hocker sind wirklich schau, Qing Dynastie?“

„19.Jahrhundert.“

„Sie scheinen einen Faible für chinesische Antiquitäten zu haben, Chinita“, sagte die Frau die vielleicht in den Fünfzigern oder Anfang Sechzigern war, wie Credo schätzte.

„Mein Vater hat mir das Geschäft übergeben. Interessiert sie einer der Hocker? Dieser hier ist handgefertigt aus traditioneller Schnitzarbeit. Wie Sie sehen beugt sich eine schürzenförmige Schulter unter der Sitzfläche hervor, die einer Lotusbordüre gleicht. Das hier am oberen Teil sind Himmelsgeister.“

Während sich die Dame mit der leicht gebräunten Haut und dem seltsamen Dialekt weiter umsah, bemerkte sie beiläufig, „Ihr Vater lässt Sie in diesen Umständen arbeiten, Chinita?“

Alarmiert raunte Credo zurück: „Von welchen Umständen sprechen Sie bitte?“

„Na von den besonderen.“ Flüsterte die Fremde, während sie das R auf eine angenehme Art zu rollen pflegte. Irritiert und ihre Unsicherheit überspielend gab Credo zurück.

„Sie müssen sich täuschen, ich bin keineswegs in besonderen Umständen.“

Und so als würde sie es fast zu sich selbst sagen, fügte sie gekränkt an, „Ihr Mädchen bin ich schon gar nicht…“ Schließlich war Credo alles andere als ein typisches Mädchen der 50er Jahre.

„Ich nehme an, den Preis wollen Sie gar nicht erst wissen?“ „Sprechen Sie spanisch?“, drängte die Fremde auf eine Antwort.“

„Ein wenig.“

Als wäre dem Moment noch kein Gespräch vorangegangen bemerkte die Fremde, die eine Touristin zu sein schien, unter besonderer Betonung des S:

„Interessant, unter all Ihren Kostbarkeiten scheint es nur eine Sache zu geben, die nicht aus China oder Deutschland stammt?“

„Was wollen Sie damit sagen?“

„Der Beistelltisch dort in der Ecke, haben Sie ihm schon mal Beachtung geschenkt?“

„Nein, er stand schon hier als ich den Laden übernommen habe.“

Die Dame zog den mit Ruß beschmierten Tisch etwas hervor und fragte: „Darf ich?“

Zwar gefiel Credo ihre Art nicht, die Dinge einfach in die Hand zu nehmen, dennoch hatte sie das Gefühl, die Frau interessiere sich nicht allein für Antiquitäten und nun trieb sie die Neugier zu erfahren, ob sie etwas anderes im Schilde führte.

“Sie sind ja schon dabei.“

Eine Weile strich sie an den schmutzigen Seitenverstrebungen auf dem Holz entlang und fuhr wiederholt mit dem Daumen über die Kanten, bis Credo mit einem Tuch herbeieilte und einige Aschestellen abwischte.

„Das ist wirklich ein einzigartiges Holz. Kennen Sie den Ursprungsort?“

„Ich glaube es stammt aus Mittelamerika,“ entgegnete sie als sich ihr trübes Gesicht zu einer noch ernsteren Miene verzog. „Mein Vater hat da gelebt.“

Die alte Dame blickte in die verlassenen Augen der Antiquitätenhändlerin und wollte wissen, was ihr Papa so weit entfernt von Deutschland zu tun gehabt habe.

„Ich weiß zwar nicht warum ich Ihnen das erzähle… er war Unterwasser-Holzfäller.“

„Bitte?“, räusperte sich die Dame.

„Es ist gut möglich, dass der Beistelltisch aus dem seltenen Eisenholz der Bäume ist, die dort unten wachsen. Um ehrlich zu sein habe ich noch nie wirklich darüber nachgedacht.“

„Wenn ich darf würde ich gern die Unterseite ansehen, ob er eine Gravur hat oder ein Siegel, verstehen Sie?!“

„Tun Sie sich keinen Zwang an“, gab Credo von der Neugierde der Frau angesteckt zurück und half ihr den Tisch umzudrehen. „Ich kann nichts erkennen“, sagte die Dame mit zusammengekniffenen Augenbrauen, „das heißt aber nicht, dass er nicht wertvoll ist.“

Zu ihrer Profession zurückkehrend bemerkte Credo, „den Wert des Tisches kann ich nur grob schätzen aber der Rohstoff unterscheidet sich deutlich von anderen Hölzern.“

„Oh, ganz sicher. Holz ist das neue Gold, Chinita“, entfuhr es der Dame in einem Singsang ihrem Mund. Credo entgegnete mit einem fragenden Blick, während die Ausländerin wiederholte.

„Ja, ja. Holz ist das neue Gold!“

„Sie scheinen sich gut auszukennen mit Antiquitäten. Bereits als sie reinkamen haben Sie die wertvollsten Gegenstände im Raum bemerkt. Was genau suchen Sie eigentlich?“ Sprachlosigkeit heuchelnd stammelte sie, „…also um ehrlich zu sein wollte ich mich nur mal umsehen und schauen, was uns trotz des erschütternden Krieges für Kostbarkeiten geblieben sind.

Ich hecke nichts aus, kleiner Backfisch. Da zerbrech´ Dir mal nicht Dein hübsches Köpfchen. Versuchen Sie immer das Gute in einer Sache zu sehen.“

„Hübsch, ich? Wissen Sie was ich wirklich nicht leiden kann, …wenn man sich über mich lustig macht! Außerdem waren Sie während des Krieges doch gar nicht hier. Wie lange sind Sie denn schon in Deutschland?“

Als Credo ihr diese Worte entgegenwarf, trat sie einen Schritt aus der Ecke heraus, es knarrte und plötzlich hob sich unter einem Staubwirbel, eine der Holzdielen.

„Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will...“ Entgegnete die Frau während Credo sich bückte und die gelöste Diele fokussierte. Sie zog die Holzleiste ein Stück hinauf und wollte sie wieder angleichen. Da bemerkte sie, dass sich zwischen den darunterliegenden Balken und dem Kies noch etwas Ungewöhnliches befand.

„Was ist das denn? Sieht aus als wäre da eine Spieluhr vergraben.“ Kommentierte die Fremde, als würden Credos Augen nicht das Gleiche sehen.

Geschwind steckte Credo die Hand in das Loch, griff nach dem Gegenstand und zog ihn heraus. Als sie den Staub von der Dose pustete, huschte eine pelzige untertassengroße Spinne über ihren Handrücken, die sie unbeeindruckt wegschlug. Beherzt wischte sie einige Male mit ihrem Ärmel über die Schachtel. Zum Vorschein kam eine Elfenbeindose.

„Schauen Sie, die Ornamente, so was hab´ ich noch nie gesehen“, stellte Credo aufgeregt fest und drehte sich um. Doch die Fremde mit dem großen Hut war verschwunden.

Wer sich dieser Zeilen annimmt, sollte sich im Klaren sein, dass große Verantwortung auf ihm lastet und er sich sehr wahrscheinlich in Gefahr begibt, sollte er die Zeilen bis zum Schluss lesen. Sollte er also nicht der Empfänger dieser Nachricht sein, verbrenne er umgehend dies Papier. Glauben Sie mir, es ist besser für Sie, Ihr Leib und Ihr Leben.

Solltest Du mein liebes Kind allerdings, diesen für Dich bestimmten Brief gefunden haben, so bin ich einerseits froh, dass er der Richtigen in die Hände fällt, andererseits versetzt es mich in tiefe Trauer, da dies bedeutet, dass ich nicht mehr unter Euch weile und ich meinen kleinen Milchrahm allein auf weiter Flur zurücklassen musste. Ich bin untröstlich, dennoch wohlwissend diese Strafe verdient zu haben, wenn ich Dich nun mit diesem Schriftstück einer ebenso großen Gefahr aussetze, wie jener der ich zum Opfer gefallen bin. Allerdings ertrage ich die Vorstellung nicht, dass meine Kleine bis an ihr Ende im Ungewissen über den Verbleib ihres Papas bleiben wird, so wie Du stets im Ungewissen über den Verbleib Deiner Mutter warst. Ich will, dass Du weißt, dass ich Dich nie freiwillig verlasse, denn ich liebe Dich über alles Vorstellbare! Umso mehr schmerzt es mich, Dich in Gefahr zu bringen und Dir solch eine Verantwortung zu überschreiben. Nur bist Du vermutlich der einzige Mensch auf der Erde, dem ich noch trauen kann und die einzige Person, die in der Lage ist dafür zu sorgen, dass La flor de Verdad im Verbogenen bleibt und nicht in die falschen Hände fällt. Seitdem Du in den Kreisen dieses Arztes verkehrst habe ich ein ungutes Gefühl.

Sobald du fündig bist, wirst du verstehen. Sobald Dein letzter Atemzug getan, wirst bei mir sein…

Gott möge mir vergeben, denn ich muss Dich um einen letzten Gefallen bitten. Wenn es Dir möglich ist, finde La flor de Verdad und trage Sorge dafür, dass sie in den nächsten Jahrhunderten nicht gefunden werden kann. Es muss sein. Damit am Ende der Verstand nicht kopfsteht. Da ich Dir zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu sagen vermag, weil ich nicht weiß, ob Du letztendlich Empfänger meiner Nachricht wirst, sei nur so viel gesagt. Sollte es Dir schlecht ergehen, halte ein und erinnere Dich an Platons Höhlengleichnis.

In ewiger Liebe, Papa

Mit glasigen Augen hielt sie den in Sütterlin-Schrift gehaltenen Brief aus der Elfenbeindose vor ihre Nase und atmete tief ein. Sie drehte ihn um und wollte ihn wieder zurücklegen als sie plötzlich eine Unebenheit auf dessen Rückseite bemerkte. Aufgebracht sprang Credo hoch, lief zu ihrem Schreibtisch und sah im Licht der grünen Bänker-Lampe, in schwaches violett getaucht, eine Blume, wie sie sie noch nie zuvor gesehen hatte.

Auf einem dünnen Strang stand ein zylinderförmiger Kelch mit auslaufenden Spitzen zur Seite und inmitten der Blüte erhob sich ein feinstaubiger Stil. Am ehemaligen Schreibtisch ihres Vaters hatte sie ein solch dickes Papier mit derartiger Struktur bisher nicht gesehen. Auch einen Stempel mit dieser Blume hatte es nie gegeben. Es schien als wären unter der Blume eingestanzte Buchstaben vorhanden, oder eher Zahlen. Vielleicht waren es auch Koordinaten. Aber sie waren zu undeutlich und ohne Farbe als dass man hätte irgendwas Brauchbares erkennen können.

Zornig wich sie mit ihrem Blick auf die grüne Bänker-Lampe aus, starrte einige Sekunden in das Licht während ihr eine Träne über die Nase glitt. Einen Moment überlegend fiel ihr ein, wie oft sie ihren lieben Papa Alfons enttäuscht hatte, weil sie stets ihren Dickkopf durchzusetzen versuchte. Schon vor langer Zeit als Vierjährige schnappte sie sich ihren Puppenkoffer mit Rädern und marschierte, fuchsig über die frühen Bettgehzeiten, zur Tür hinaus, um ihrem Elternhaus für immer den Rücken zuzukehren. Um ihr Überleben zu sichern hatte Credo die Taschen gefüllt mit Kaugummis von der Straße, die sie platt walzte, um sie an Kinder zu verkaufen, die draußen Gummihopse spielten, und kam mit ihrem Plan fast einen ganzen Häuserblock weit.

Doch in letzter Sekunde bemerkten ihre Eltern den spontanen Auszug und holten die kleine Credo von der Straße. Diese war zwar selten befahren aber ab und an zischte schon ein wuchtiges Automobil an ihrer Haustür vorbei.

Dann bekam sie lauten Ärger von ihrer Mutter, die als Ausdruck ihres Entsetzens stets mit „Schockschwerenot!“ reagierte. Doch ihr Vater hielt sich zurück, schüttelte nur seinen Kopf mit den Worten, „mein kleiner Milchrahm“. Geschlagen hatte er sie nie.

Zum Ende seines Lebens benahm sich ihr Papa allerdings immer merkwürdiger. Sie liebte ihn über alles, aber er machte seiner Tochter Angst, als er tagelang in schmutzigen Cordhosen vor seiner Hermes Baby saß, obwohl er die Schreibmaschine nicht berührte. Dann sprach er ständig von einem Drachenwurz, manchmal futuristischer Technik wie ultraviolettem Licht, mit dem versteckte Schriften sichtbar werden, von sich wiederholenden Ereignissen, spirituellen Weisheiten und von Dingen wie, dass es nicht mehr allzu lang dauern würde bis die Welt Fernsehgeräte mit Farbe zu Gesicht bekäme und bald jeder davon eines im Haushalt führe.

Sollte der alte Mann auf seine letzten Tage vielleicht verrückt geworden sein?

Es machte sie wütend, dass auch er Credo viel zu früh allein gelassen hatte. Traurig faltete sie den Brief zusammen und legte ihn zurück in die Elfenbeindose. Und während der Wind draußen Zeitungsreste aufwirbelte, versteckte sie die Dose wieder unter der kaputten Diele.

Die Nachbarschaft steckte noch in den Schlafanzügen als sich Credo in den Schwingsattel ihres schwarzen NSU 251 OSL- Motorrads setzte, um zur Markthalle zu fahren. Am Alexanderplatz blitzte ihr Tank mit den verchromten Seitenfeldern auf. Der laute Motor röhrte am Roten Rathaus entlang, wo die Menschen voller Zuversicht und Träume aufblickten, während Konrad Hermann Joseph Adenauer eine Rede hielt.

Das geteerte Aderwerk der Metropole war noch immer erhärtet durch die kühle Novemberluft, weshalb Credo etwas Gas wegnahm als sie mit ihrem aufsteigenden Atem auf die Menge blickte. Sie stoppte ihr Motorrad einen Augenblick und sah nach einem Zeitungsjungen der mit einem Stern in der Hand lauthals umher brüllte.

„Noch immer echauffiert sich Deutschland, über die Hildegard Knef in ihrer skandalösen Rolle als die Sünderin!“

Mit einem Fingerzeig bedeutete sie ihm rüberzukommen, nahm ihre Motorradbrille nicht ab und drückte dem Jungen mit der zerlöcherten Jacke 10 Pfennig in die Hand und hielt mit ihrem Blick bewundernd auf das Titelbild der Zeitung. Sie las noch im Stehen etwa die Hälfte des Artikels über eine …mutige Frau.

Plötzlich trat ein flaues Gefühl in ihren Unterleib und ließ ihre Begeisterung schwinden. Einen kurzen Moment hielt sie inne, überlegte was sie zum Frühstück gegessen hatte und beschloss, dass der Anflug von Übelkeit an den Frühstückseiern lag. Sie stellte ihre Maschine ab, steckte das Nachrichtenblatt in ihre lederne Umhängetasche und lief über die Straße zur Markthalle.

Für gewöhnlich saß Credo, nachdem sie eine Auswahl des überschaubaren Nahrungsangebots getroffen hatte, eine Weile unter dem Fabrikfenster und nahm die vielen Gerüche auf. Doch heute blieb sie nicht lang. Hier, wo Holzkisten mit Gemüseresten und leeren Weinflaschen gelagert wurden, hockte sie in der Ecke, schnallte sich endlich die Brille von der Lederhaube, kreiste kurz ihre Schultern und aß trotz eines schummrigen Magengefühls ihren Kirschenmichel.

Von gegenüber trug sich der warme Duft von gestapeltem Mischbrot und selbstgemachter Marmelade in ihre Nüstern als Credo das dahinterliegende, gusseiserne Eingangstor zur Kenntnis nahm. Für einen Moment beschlich sie das Gefühl beobachtet zu werden. Da fielen ihr zwei Männer auf in schwarzen Ledermänteln, die bei den Gurkenfässern standen. Weder redeten sie mit einander, noch aßen sie etwas oder kauften ein. Ihre kurz geschorenen Köpfe hielten lediglich in Credos Richtung.

Mit einem Mal dachte sie daran, wie es wäre fliegen zu können und ein knappes Déjà-vu, aus ihrem Traum von letzter Nacht, flammte auf.

Warum verfolgten sie Träume, in denen es darum ging jemanden zu schützen. Was suchte ihr Innerstes ihr mitzuteilen und was sollte sie schützen, …vielleicht Albert? Da gab es doch niemanden. Das waren nichts als phantastische Träumereien, in denen sie stark war und Fliegen konnte, Wunschgedanken also.

Nach einem tiefen Seufzer las die Antiquitätenhändlerin den Rest des Artikels in dem wiederholt das Wort Emanzipation der Druckerschwärze entglitt. Einstweilen machte lautstark der Lieferant seinen Gemüsehändler, auf den zentral organisierten Aufbautag aufmerksam und fragte ob er denn heut mitmache bei der Enttrümmerung.

Trotz der Kälte in der Markthalle lief Credo eine Schweißperle über die Stirn und immer wieder hörte sie in sich eine Stimme sagen, Albert. Gereizt vernahm sie ein Kribbeln unter der Haut, ihr Blick wirkte leicht verschwommen, der Unterleib verkrampfte. Ein Husten drängte sich durch ihre Lunge. Wieder schwappte so etwas wie ein inneres Zusprechen in ihre Gedanken…

Dann sprang sie auf, lehnte sich über einen Stapel Weinkisten und entleerte ihren Mageninhalt. Als sie ihren Mund mit dem Handrücken abwischte, den Oberkörper wieder aufrichtend und zum Eingang blickend, waren die Ledermäntel verschwunden. Auch sonst schien sich niemand für sie zu interessieren. Bis ein Mann mit verschmierter Latzhose zu ihr rüber raunte:

„Na wenn ick mit so em zusammen leben müsste, würdig och täglich spucken!“ Fragend blickte sie zu ihm hoch. „Nu tun ´se bloß nee so, als wüssten se nich wat der so anstellt. Sie sind doch die Fruwe vom Alasker, nich´wahr?“

Credo raffte ihr Zeug zusammen, verließ die Markthalle so schnell es ging und lief, die Ärmel hoch krempelnd, zur Menge vor dem Rathaus hinüber.

Trotz der tiefhängenden Wolkendecke und den Eiskristallen an dem Wohnzimmerfenster im ersten Stock der alten Villa, erkannte man eine große, männliche und eine weibliche Silhouette dahinter. Im Hintergrund flackerte Licht und die Zwei unterhielten sich gelassen, so als würden sie nicht erwarten in nächster Zeit von jemandem gestört zu werden. Der Mann streifte der Frau durch das Haar, und für einen kurzen Augenblick wirkte es so als flüsterte er ihr etwas ins Ohr.

Mit einem Schwindelgefühl schloss Credo die Tür des Schuppens in dem sie ihre Maschine untergestellt hatte. Inzwischen zweifelte sie an ihrer eigenen Wahrnehmung. Mit ihren Zähnen befreite sie sich von den Handschuhen und zog sich am hölzernen Schneckengeländer hinauf in die erste Etage.

Als sie ihre Sachen abgelegt hatte und in die Wärme des Wohnzimmers glitt, rückte Albert seinen chestnut-braunen Rollkragen zurecht und kam ihr schnellen Schrittes entgegen. „Ich bin davon ausgegangen, dass Du arbeiten bist?!“ wollte Credo überrascht wissen.

„Ich nehme mir den Samstag mal frei, sollen andere für mich arbeiten.“ antwortete er mit einem überschwänglichen Lächeln. Dann küsste er Credo auf die Wange und sagte in seiner gewohnt charmanten Art: „Hallo Süße“.

Begleitet von einem rohen Beigeschmack ambivalenter Gefühle warf sie einen unsicheren Blick über Alberts Schulter, zu einer eleganten Dame im karmesinroten Petticoat.

„Hillie kam spontan zu Besuch, wir haben gerade davon gesprochen, wie viel Einfluss ihre Arbeit auf die Politik haben könnte.“

Die Dame im Cocktailsessel machte keine Anstalten sich zu erheben, während sie die Flammen des Kamins genoss. Freundlich lächelte sie Credo zu. „Hallo Schätzchen! Schickes Outfit.“

„In letzter Zeit trägt Fenia häufig diese Motorradkleidung. Im Grunde auch nur ein verzweifelter Versuch sich zu emanzipieren. Mein Fall ist es ja nicht aber, wenn sie sich darin wohlfühlt.“ seufzte er gespielt tolerant, während er ihre Mütze vom Kopf zog.

„Albert war schon immer ein Chauvinist“, schob Hillie keck ein, in dem Wissen, dass er ihr sowas durchgehen ließ. „Ne im Ernst, mir gefällt was Du trägst, hat´s ´ne Bedeutung?“ fügte sie an ohne auf eine Antwort zu warten.

Credo war ihr bisher nur wenige Male begegnet. Ihre gemeißelte Haltung und die Selbstbeherrschung faszinierte Credo, machte sie aber auch gleichermaßen nervös. Eine Strähne rutschte Hillie aus ihrer Hochsteckfrisur und ein wenig Wimperntusche war verwischt. Aber auch diese Tatsachen ließen ihren Glanz nicht bröckeln oder sie gewöhnlicher wirken. Sie schob die Strähne mit einer groben Handbewegung wieder hinters Ohr, stand auf und ging am betagten Klavierflügel vorbei auf Credo zu. Im Anschluss daran küsste, die nach süßem Patschuli duftende Schauspielerin, Credo auf die Lippen. Dabei machte sie eine Bemerkung über Credos Armband, das Hillie dennoch keines Blickes würdigte. Hillie stand mit dem Rücken gewandt zu Albert, so konnte er nicht sehen wie ihre liebreizende Miene einer düsteren Härte wich und ihr Blick starr auf der Bürotür, auf der anderen Seite des Raumes lag. Credo wirkte irritiert. Die Situation wurde immer unangenehmer, also ließ sie den Blick nach unten auf Hillies Bein fallen, an dessen Knöchel eine winzige Tätowierung hervorstach. Vielleicht so etwas wie ein Spiralmuster. Normalerweise kannte sie Tätowierungen nur von Seeleuten oder Gefangenen. Bei Hillie allerdings überraschte sie auch das nicht, da sie sich scheinbar selbst für das anmutigste aller Lebewesen hielt. Trotzdem erschien ihr die Frau zunehmend skurriler. Alsdann entschuldigte sich Hillie im Gehen, dass sie spät dran sei, sie aber das nächste Mal mehr Zeit zum Plaudern mitbringen würde.

Nachdem Albert die Wohnungstür geschlossen hatte und Hillie fort war, folgte er Credo in die Küche. Teewasser begann zu köcheln während sie auf die weißmatten Kacheln an der Wand sah.

„Was hat sie hier gewollt?“ erkundigte sie sich vorsichtig. „Was soll die Frage? Das habe ich Dir doch gesagt.“ „Normalerweise arbeitest Du samstags.“

„Und heute tu ich es nicht, wo ist das Problem?“

„Warum so gereizt, ich meine ja nur.“

„Du meinst eine ganze Menge, doch im Grunde sagst Du nichts!“

Nervös wich Credo Alberts durchdringenden Blicken aus und zog einen Zettel aus ihrer Tasche, um die Anspannung zu lockern. „Das wollte ich Dir zeigen. Von meinem Papa.“ Widerwillig, schwer atmend nahm Albert den Brief an sich und überflog ihn.

„…Hillie ist eine wunderschöne Frau.“

„Was soll das Fenia, willst Du mir irgendwas unterstellen?“

„Fühlst Du dich etwa ertappt?“

Affektiert lachend ließ er den Brief ihres Vaters auf den Küchentisch fallen und fügte an.

„Du und Deine lächerliche Eifersucht. Deine unverhohlene Gepflogenheit ständig Deine Haut zur Schau zu stellen. Und dann diese blöde Büchse im Schuppen, sieh Dich doch an!“

Taktvoll entgegnete Credo.

„Man muss sich seines Körpers nicht schämen, Albert.“

„So ein erbärmlicher Kappes kann nur aus Deinem Mund kommen!“

„Das ist im Übrigen ein Zitat von Deiner Hillie.“

Daraufhin winkte er affektiert ab und hielt nicht dagegen.

Sachte setzte Credo an: „Manchmal frag´ ich mich ob Du mich eigentlich…“. Aber Alberts Schweigen durchbrach ihren Satz.

Während sie heißes Wasser in eine Porzellan-Kanne füllte wurde er lauter.

„Das wird mir langsam zu dumm. Du… wirst mir langsam zu dumm!“ Woraufhin sie sich umdrehte und erschrak, weil Albert so nah vor ihr stand, dass sie seinen Atem spüren konnte. Passiv versuchte sie die Teekanne auf die Arbeitsplatte zu stellen, konnte seinem durchdringenden Blick aber nicht ausweichen. So entglitt ihr das heiße Porzellangefäß und zerschellte am Boden, sodass etwas vom kochenden Wasser über seine Hand sprühte. Albert erschrak wie ein kleiner Junge. Er holte aus und schlug ihr mit der flachen Rechten ins Gesicht. Dann hielt er sie mit der linken Hand am Hals fest und drohte.

“Wir sind nicht verheiratet und ich habe, Gott sei Dank, immer noch die Schlüsselgewalt.“

Schon oft hatte er sie verunsichert, aber ihr noch nie so eine Angst gemacht wie heute. Etwas war anders und regelrechte Panik keimte in ihr auf.

Reflexartig zog sie ihr Knie hoch, traf ihn damit direkt zwischen die Beine. Ihr Verlobter ging zu Boden und krümmte sich, zwischen dem zersprungenen Porzellan, vor Schmerz.

„Tut mir leid, das wollte ich nicht!“ rief sie und beugte sich über ihn. Ein paar Mal räusperte er sich, kurz darauf sprang er auf und schleuderte Credo an den Schultern über den Küchentisch, sodass sie ein elektrisches Rührgerät mitriss und mit dem Rücken auf den Kacheln landete. Eine Vase und drei kitschige Flötengläser gingen dabei zu Bruch. Nun sah sie direkt auf seine handgefertigten Lederschuhe und er sie herablassend an, wischte sich sein schönes, lockiges Haar aus dem Gesicht, um sich mit einem Satz abzuwenden:

„Und ich wollte das nicht“.

Noch auf den kalten Fliesen kniend schob sie den Ärmel ihres aschegrauen Winterpullovers nach oben und strich sich mit dem rechten Zeigefinger über eine kleine, runde Brandnarbe auf der Innenseite des linken Unterarms. Dann glitt sie mit der Hand nach unten und umfasste ihr Handgelenk mit dem Lederarmband, welches ihr ihr Vater geschenkt hatte, kurz bevor ihn der Speiseröhrenkrebs dahinraffte. Sie wendete das gebogene Holzplättchen daran und überstreifte die gestanzten Buchstaben, mit ihren Fingerkuppen. Pro Mundi Beneficio.

In den vergangenen fünf Jahren hatte dieser großzügige und erfolgreiche Mann so viel für sie getan. Alberts Vermögen hatte sie zu verdanken, dass sie das Antiquitätengeschäft ihres Vaters behalten durfte. Durch Alberts Unterstützung und seinem Einfluss war es ihr möglich autonomer zu leben als fast jede andere Frau dieser Stadt, zu arbeiten, ohne dass sie verhaftet würde und sie wusste, er allein könnte ihr all das wieder entreißen. Dank seines Einflusses war es möglich, dass die beiden zusammenlebten, ohne nach dem Kuppelei-Paragraphen verhaftet zu werden, weil sie nicht verheiratet waren.

Klar war sie ihm dankbar für die Zeit in der der gutaussehende Junggeselle sie umworben hatte, ihr immer wieder beteuerte wie ernst er es meine, sie raus aus dieser Bar holen wollte in der er sie zum ersten Mal traf, weg vom Tresen und primitiven Kerlen, die trotz Credos kurz geschnittener Haare nur eines mit ihr im Sinn hatten. Während ihre Frauen nebenan im Damensalon verharrten. Dank ihm hatte man die Pfändung des Inventars rückgängig gemacht, dank ihm hatte sie einen Platz, einen Ort an den sie gehörte. Dank ihm war sie nie allein.

Also, was hätte sie ohne ihn?

Plötzlich stach ihr Unterleib erneut, doch sie drängte den Schmerz zurück und war Albert in die Bibliothek gefolgt.

„Es ist mir egal wie Du mich behandelst, ich will nur, dass Du mich liebst.“ murmelte sie, sich den Bauch haltend hinter seinem Ohrensessel, in dem er aus einem schweren Schwenker einen Gin trank. Mit einer Handgeste forderte er Credo auf ihre Hand in seine Linke zu legen. Dann küsste er ihren Handrücken und gab zurück:

“Du weißt, dass ich Dich liebe. Und Du weißt, dass Du mich niemals verlassen darfst“.

Krampfartig spannte ihr Unterleib und Credo spürte wie sich Wärme in ihrem Slip ausbreitete. Als ihr Blick nach unten fiel bemerkte sie, wie sich ihre Blue-Jeans im Schritt rot färbte. Dann rannte sie zur näher gelegenen Gästetoilette und schloss sich im Bad ein. Als sie dort auf dem Toilettenbecken saß begann sich der Boden zu bewegen, bis ein innerer Schmerz ihren Kopf nach unten riss, sodass sich ihr Ober- und Unterkörper zusammenfaltete wie ein Klappmesser. Es war als bekäme sie ihre monatliche Blutung aber es schmerzte wie bei einer starken Diarrhö. Alsdann zwang sie eine brennende Qual zu pressen und es war ihr nicht mehr möglich einen stöhnenden Schrei zu unterdrücken.

Ein Blick in die Toilettenschüssel zeigte überall Blut, Gewebeklumpen, etwas Lebloses platschte hinein, immer noch spürte Credo einen kräftigen Harndrang. Nach einigen Sekunden wurde ihr erneut schwindelig. Tränen schossen über die aufgequollenen Augen, als sie von der Klobrille auf den ungeweichten, grünen Badezimmervorleger fiel und für einige Sekunden das Bewusstsein verlor…

Reglos am Boden liegend schoss Credo, wie ein Blitz, die erste Begegnung mit Hillie durch den Kopf.

Bei einer Cocktailparty von Alberts Mentor, Professor Möh, war Credo ihre aufmüpfige Art aufgefallen.

„Wie, Sie mögen die Amerikaner nich´? Kindchen, wärst´e mal 45 hier gewesen, nich uf m Dorf, da hätt´ste die Ami´s jemocht!“

Nur wenige Menschen wagten es derart mit Credos Verlobten zu reden. Umso erstaunlicher war, dass sich Albert diese Plumpheit gefallen ließ. Dass er nicht widersprach. Sie war eine der Frauen die eine gewisse Wirkung auf Menschen hatte, eine der man nur schwer etwas abschlagen konnte. Auch als sie der versammelten Bourgeoisie erklärte, dass Rauchen der Gesundheit schade lachte keiner, wie sonst, wenn einer mit derart zweifelhaften Theorien um die Ecke kam.

Sie wandte sich zu Credo mit einem verschwörerischen Blick und raunte:

“selber schuld, wenn Ihr die andern mit dem Rochen reich macht! Die fahr´n Mercedes und ihr müsst lofen… Na kann ja jeder selber entscheiden.

Aber ick versteh dit. Ist wie mit der Männerwahl; Meistens wissen wir, dass se unjesund is, aber es schmeckt sooo gut…“

Das Lachen der Lobbyisten spukte noch lang durch Credos Erinnerung.

Nachdem ihre Tränen längst getrocknet waren und sie nicht mehr wusste wie viel Zeit sie auf dem Boden der Gästetoilette verbracht hatte, reinigte sie die WC-Schüssel. Anschließend entriegelte Credo die Tür. Noch immer roch man Hillies Parfüm. In der Wohnung war es still. Albert hatte sie wohl in Eile verlassen und im Eifer vergessen, sein gegenüberliegendes Büro zu versperren. Credo kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass gegen das Hereinbrechen der schonungslosen Realität der vergangenen Stunden nur Ablenkung half, um nicht durchzudrehen.

Wässrig starrte sie also auf die Akten in den Regalen und die Einmach- und Apothekergläser mit Tieren, in einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Ihr Blick schwamm auf Alberts Schreibtisch auf dem sich Papierstapel anhäuften, hinter denen auch eine Ultraviolette-Lampe stand. Unter einem Stapel ragte ein gelbliches Stück Tageszeitung hervor auf das vermutlich Kaffee geschüttet worden war. Dort las sie einen Absatz über die ausländische Monsante-Gruppe und die Stellungnahme zum Vorwurf, dass sie Mediziner unterstützte, die in der Vergangenheit Humanexperimente an Kindern durchführten. Ein gewisser Rasa Jahel, vielleicht eine Art Pressesprecher, rechtfertigte sich damit, dass junge Rinder damals wegen zu hoher Anschaffungskosten außer Frage standen und eine freundliche Genehmigung der Oberärzte ausreichte, um einige wenige Versuche, zum Zwecke des Allgemeinwohls natürlich, ausschließlich an Waisen, auszuführen. Die Experimente geschahen im Sinne des Fortschritts und seien somit ethisch akzeptabel. Hauptsächlich allerdings würden nur Versuche an Sterbenden gemacht. In welcher Funktion der sich äußernde in dem Krankenhaus war ließ er aber unbeantwortet.

Einige Herrschaften posierten über dem Artikel, in weißen Kitteln auf einem Schwarzweiß-Foto, neben ihnen der Ost-Berliner Magistrat und im schlechten Hintergrund und dunklem Leder-Trenchcoat ein weiterer Mann in Zivilkleidung, tief hängender Hut, sodass von seinem Gesicht nur das Kinn auszumachen war. Vermutlich war er der Geldgeber.

Credos Blick wanderte weiter auf einen frischen Din A2 Grundriss auf dem Sekretär, mit dem Titel Exklave Steinstücken und der Anmerkung: Abriegelung an Markierungen durch MAD. Obererste Schweigepflicht.

Nachdem Credo sachte eine Mappe mit der Aufschrift Bauprojekte in die Hand genommen hatte, durchblätterte sie diese und stieß auf eine Art Investorenliste. Wieder tauchte der ungewöhnliche Name auf, Rasa Jahel. Ein Name, den sie am Stammtisch immer wieder in Verbindung mit den reichsten Privatiers der Stadt und den Nazis gehört hatte. Menschen die Albert eigentlich verabscheute.

Warum also hatte er Kontakte zu Menschen die er ablehnte? Und was hatte Albert mit Vorhaben des Militärischen Abschirmdienstes zu tun? Mischte er jetzt auch bei militärischen Angelegenheiten mit?

Wieder kam Credo der unglaublich reale Traum der letzten Nacht in den Sinn. Sie zog den Brief ihres Vaters aus der Tasche, den ihr Gewissen unter den Dielen des Antiquariats unmöglich hätte verstauben lassen können. Nachdem sie das Briefchen entfaltete, blickte sie wie ins Nichts, hielt kurz inne und schaute auf. Dann griff sie zur Fluoreszenzlampe hinter dem Stapel. Sie beleuchtete ihn mit dem ultravioletten Licht. Als das Licht in ihrer Hand über den letzten Absatz geglitten war sprang ihr ein Name und beißend gelbe Zahlen entgegen.

Henrika Bartelz

9.41°N, 82.32°W

„…?“

Der Wind erwischte sie kalt im Nacken. Also drehte sie erschrocken um und sah einen wütenden Albert vor sich. Als das Licht zu Boden fiel schlangen sich seine kräftigen Hände um ihren Hals.

„Süße, entschuldige bitte, ich muss mich missverständlich ausgedrückt haben.“ flüsterte er lächelnd. „Es war Dir wohl nicht klar, dass mein Arbeitszimmer für Dich tabu ist. Solch komplexe Themen bereiten jemanden Deines Bildungsstandes nur Kopfschmerzen.“ Und er drückte fester zu, bis Credo die Luft wegblieb.

Es war eigentlich klar was zu tun war. Ihren rechten Arm von oben herab zwischen seine Arme jagen, unter seinem rechten Arm durch, das Handgelenk greifen, mit links seinen Ellenbogen stabilisieren, die Schulter eindrehen, mit Hebelwirkung und einer Drehbewegung des eigenen Rumpfes, den rechten Arm des Gegners aushebeln, seine Schulter eindrehen um seinen Rippen freizulegen und mit dem Knie in die Nieren stoßen. Anschließende Faustkombination oder Flucht.

Wässrig starrte sie in seine durchdringenden, hübschen, blauen Augen und nicht nur ihr Hals schnürte, auch ihr Innerstes war eingefroren und sie fühlte sich wieder wie ein unmündiges Kind.

„Denkst Du tatsächlich Du würdest auch nur ansatzweise was von dem hier verstehen? Glaubst Du, Du bist dem gewachsen, Süße? Hä? Gib acht, sonst steck ich Dich wieder in das verlauste Loch aus dem ich Dich gezogen habe.“

Unbemerkt ließ sie den zerknüllten Brief ihres Papas in die Hosentasche gleiten.

„Bitte Albert.“ röchelte sie. Einen Moment lang beobachtete er sie trocken, bis sie sagte, „ich habe es verloren!“ und er schließlich seinen Griff löste, um sie fragend anzusehen. Dann lief sie in ihr Zimmer.

Was genau Albert nun tat ließ sich nur vermuten. …Vielleicht kannte sie diesen Mann überhaupt nicht. Vielleicht war es falsch sich immer wieder selbst in die Verantwortung für seine Wutausbrüche zu nehmen, Sie damit zu entschuldigen, dass er einen schweren Tag hatte und sie ihn ständig provozierte, allein damit, dass sie die Wichtigkeit seiner Arbeit nicht einmal ansatzweise erfassen konnte.

Wie würde Hillie mit so einem Mann umgehen? Würde eine berühmte Emanzipierte sich so behandeln lassen? Vielleicht fand sie ja Gefallen an seiner Brutalität oder sie war von ihrer amourösen Welt so geblendet, dass ihr einfach nie der Gedanke kam, Albert hätte eine solche Seite an sich?

Ein wachsames Gehör hatte ihr längst verraten, dass Credos Verlobter nicht zu Hause war. Höchstwahrscheinlich suchte er gerade nach Wärme unter Hillies Bettdecke. Obwohl es unerklärlich schien, dass der Liebesdurst einer vor Selbstbewusstsein strotzenden Größe wie Hillie, allein durch einen verklemmten Albert Alasker, gestillt werden konnte. Noch dazu durch einen der sich ungern nackt zeigte.

Dennoch war es möglich, auch dass er jede Sekunde zurückkehrte.

Noch immer roch man den erkalteten Kamin am Ende des dunklen Wohnzimmers, in dem Credo versteinert stand, ohne dem Impuls einer Handlung nachgehen zu wollen. Ihr Körper wurde beinahe von der Nacht verschluckt. So als würde sie nicht existieren. Und tatsächlich ließ sich täglich nur mit Mühe verdrängen, dass ihre Person deplatziert war. Ganz gleich wo sich Credo in der Vergangenheit aufhielt war sie fortwährend von dem Gefühl umgeben, ein blinder Passagier zu sein, der im Strom des Alltags zwar mit allen anderen durch die verschiedenen Jahreszeiten sickerte, ständig aber befürchtete, dass sein Einschleichen entdeckt werden würde.

Nur als der schwache Mond durch das Fenster fiel, beleuchtete er knapp Credos Silhouette.

Dann dauerte es nur einen Augenaufschlag in dem sie sich vor einer Tür wiederfand und etwas tat, was sie von einem ehemaligen Freund und Nachbarn gelernt hatte. Den Rücken zur Tür gewandt holte sie ihr Bein aus und trat, wie ein Pferd, nach hinten gegen die Scharnierseite der Holztür, so wie es die Polizei in der Realität macht. Nach einem Krachen brach sie aus den Angeln. Credo zog die Strippe der Schreibtischleuchte und entfernte hastig drei Einmachgläser, mit nicht identifizierbarem Inhalt, aus dem Regal. Lange musste sie nicht suchen, denn ihr war nicht entgangen, wie häufig Albert auf das Regal mit den bernsteinfarbenen Gläsern gesehen hatte, als er Credo in seinem Büro beim Herumstöbern ertappte. Erst dachte sie, dass er nervös geworden war, weil er sich schämte für das was sie soeben über ihn rausgefunden hatte. Bis Credo klar wurde, dass ihr Verlobter sich nie für etwas schämte, außer für seinen eigenen Körper oder die Nacktheit anderer. Also griff sie nach dem Regenschirm in der Ecke, kletterte auf den Schreibtisch und setzte diesen unter einer kleinen Metallplatte an, welche im Regal hinter den Gläsern mit einem Vorhängeschloss an der Wand befestigt war. Dann hebelte sie das Metall nach vorne, bis etwas Putz auf die Papiere fiel, das Schloss brach und sich ein Din A4 Blatt großes Loch in der Wand zeigte. Darin lag ein Personalausweis, einige Dokumente denen Credo keine Beachtung schenkte. Und ein Bündel Hundert Mark Scheine. Die man in ihrer Gegend Blaue Fliesen nannte.

Um 03.32 Uhr verließ Credo das Haus. Sie zog den Schal weit über die Nase und raffte den Pelzkragen ihrer Fliegerjacke zusammen, schob den Reißverschluss bis ganz nach oben und ging durch den Garten rüber zum Holzschuppen. Im nebligen Dunst konnte sie das Schloss nicht gleich finden. Und als sie die Tür öffnete ärgerte sie sich über das quietschende Scharnier, dass sie zu einer anderen Zeit sicher nicht so erschrocken hätte. Immer wieder trat Credo den Kickstarter des Motorrads voll durch und flüsterte, „komm´ schon, lass mich jetzt nicht hängen!“ aber der Motor regte sich nicht.

Aber dann machte sie einen Satz von der Maschine nach hinten und stieß einen kurzen Schrei aus, als sie unsanft eine Silhouette im Rahmen entdeckte.

„Hey ganz ruhig, Schätzchen! Hast mich schon vergessen?“

Credo musste sich zusammenreißen, „Hildegard!? Ich bin fast auf Dich los!“

„Mal ganz locker…, kannst mich weiter Hillie nennen.“

„Was zur Hölle machst Du hier draußen? Um die Zeit!“

„Albert und ich haben telefoniert.“

„Hillie, es ist verdammt spät!“

„Er hat mir von Eurem Streit erzählt.“

„Aha, mit seinen Worten?“.

„Er sagt Du hast ihn provoziert“.

„Sag ich doch, mit seinen Worten“, gab Credo kaltschnäuzig wieder.

„Aber es so war es nicht, stimmt´s?“

„Weißt Du was, Hillie, Du kannst ihn haben, er gehört Dir! Werdet glücklich. Hauptsache Ihr lasst mich in Ruhe.“

Doch Hillie bekundete: “Ich will ihn gar nicht haben.“

„Was willst Du dann, scheiße! Und was verdammt nochmal machst Du hier um diese Zeit?“

„Dir helfen. Wo willst´n hin?“

„Dass ich nicht lache, Du und mir helfen? Ich hab´ gehört, dass Du mit den Nazis befreundet bist.“

Grinsend gab Hille zurück. „Über mich wird viel geredet… Hey Kindchen, glaub mir oder lass es bleiben. Weißt Du wo´s hingeht?“

Sie wich Hillies Blicken aus, bis Credos Stimme schwächer wurde. „Ich hab´ keine Ahnung“.

„Ich schon. Ich bring Dich hier weg. Aber Du weißt, Fenia, wenn Du jetzt gehst…, wird er Dir alles nehmen.“

Credo setzte dem nichts entgegen und stieg in Hillies tiefdunklen Borgward Hansa, der im Tage vermutlich bordeaux glänzte. Verkrampft ließ sie sich auf dem ledernen Beifahrersitz nieder und stierte geradeaus.

„Ruh Dich ruhig etwas aus, wenn Dir blümerant zu Mute ist, Schätzchen. Ich bin eine sehr gute Fahrerin.“

„`Ne bescheidene Aussage hätte mich auch überrascht!“

Die blinde Passagierin

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