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Geist und Essenz

Untersuchen wir das Wort „Geist“ (mind). Es ist natürlich ein gewöhnliches Wort, und wir benutzen es oft in unserer Arbeit. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist „Geist“ ein ungenauer Ausdruck; nicht jeder gebraucht ihn auf dieselbe Weise. Es gibt kulturelle Unterschiede: Wenn wir es in diesem Land benutzen, bedeutet es nicht dasselbe wie das, was zum Beispiel die Tibeter meinen, wenn sie „Geist“ sagen. Was wir im Westen „Herz“ nennen, nennen Menschen im fernen Osten „Geist“. Wir stoßen darauf, daß die Worte „Geist“ und „Herz“ eine Beziehung haben, die nicht immer klar ist. Es gibt Menschen, die das Wort „Geist“ gebrauchen, aber „Herz“ meinen und umgekehrt. Wenn ihr Bücher lest oder Vorträge über „Geist“ hört, dann geht ihr immer von einer bestimmten Bedeutung aus, die vielleicht die ist, die der Sprecher oder Autor meint, oder auch nicht; es ist also ganz natürlich, daß ihr verwirrt seid. Untersuchen wir die Bedeutung von „Geist“ und beginnen wir mit der verbreitetsten und oberflächlichsten Bedeutung. Dann kommen wir zu den tieferen Aspekten der Bedeutung von Geist (mind).

Die Vorstellung, die am verbreitetsten ist, ist die, daß „Geist“ aus euren Gedanken und dem Denkapparat besteht und mit eurem Gehirn zu tun hat. Allgemein gesprochen, beziehen sich Menschen, wenn sie das Wort „Geist“ gebrauchen, in unserer Kultur auf Gedanken und Bilder – Dinge, die ihnen durch den Kopf, durch ihre Denkprozesse gehen. Gewöhnlich geht man davon aus, daß der Denkapparat gemeint ist oder der Prozeß des Denkens oder die Gedanken selbst.

Aber sogar in dieser Kultur ist diese Bedeutung nicht allgemein anerkannt. In der psychologischen Literatur ist dies nicht die Bedeutung des Wortes „Geist“. Freud zum Beispiel meinte nicht nur eure Gedanken, wenn er das Wort „Geist“ verwendete. Freud benutzte „Geist“ nicht nur für Gedanken, sondern schloß Eindrücke, Gefühle, Emotionen, Sinneswahrnehmungen mit ein. Von all diesen Eindrücken wird angenommen, daß sie den Inhalt des „Geistes“ ausmachen. Außerdem postulierte Freud natürlich eine Ebene von „Geist“, die er das „Unbewußte“ nannte.

Der eher technische Gebrauch des Wortes „Geist“ in dieser Kultur ist der, daß es sich auf den Inhalt von Erfahrung als ganzen bezieht. Alle Eindrücke werden „Geist“ genannt. Eine weitere Unterscheidung kann man zwischen diesem Inhalt und dem „Gefäß“ oder Apparat machen, der mit diesen Dingen zu tun hat. Entweder der Inhalt selbst oder das Gefäß oder die Instanz, die den Inhalt wahrnimmt, wird demnach unter „Geist“ verstanden. Diese Unterscheidung wird in der psychologischen Literatur nicht allgemein gemacht. Wenn da unterschieden wird, dann zwischen dem physischen Nervensystem und den Gedanken selbst. Wenn ihr davon ausgeht, daß „Geist“ sich nur auf die mentalen Prozesse bezieht, dann ist der Apparat das physische Nervensystem, das Gehirn. Wenn man der Auffassung ist, daß „Geist“ sich auf alle Eindrücke und Erfahrungen bezieht, dann gehört zum Apparat der ganze Körper mit der Betonung auf dem ganzen Nervensystem, das Rückenmark, die Ganglien und das Gehirn sind eingeschlossen. Wir haben also jetzt zwei Begriffe, für die das Wort „Geist“ steht. Natürlich sprechen einige Philosophen über den Geist jenseits des Gehirns oder Nervensystems. Sie postulieren die Existenz eines „Geistes“, der durch das Gehirn wirkt, wenn sie von dem „kleinen Geist“ sprechen oder einem „Geist“, der durch das ganze Nervensystem, den ganzen menschlichen Körper oder das „Soma“ wirkt, den sie den „großen Geist“ nennen. „Geist“ wird dann nicht als etwas Bestimmtes, Abgegrenztes gesehen, sondern eher als eine Art Kraft oder Wirkkraft. In diesen Formulierungen ist nicht sehr klar, was diese Kraft ist.

Das führt zu Fragen, die die Natur des „Geistes“ betreffen. Was ist der „Geist“, der unabhängig vom Gehirn und vom Nervensystem ist? Gibt es eine Wirkkraft der Prozesse? Gibt es da eine Kraft?

Innerhalb dieser Kultur und im Westen im allgemeinen gibt es außerhalb akademischer Kreise und der Hirnforschung wenig Interesse an der Erforschung dieser Frage. Eine Ausnahme ist die religiöse oder philosophische Idee des Logos, die wir hier nicht diskutieren werden; der Logos ist ein metaphysischer Begriff und hier wollen wir nahe an der Erfahrung bleiben. Im östlichen Denken bedeutet „Geist“ mehr als das Mentale, mehr als die Gedanken; „Geist“ bezieht sich auf den ganzen Apparat, den ganzen Prozeß, die Gesamtheit der Eindrücke. Der ganze Inhalt von Erfahrung wird „Geist“ genannt. Ferner versucht man, die Natur des Geistes zu verstehen: Existieren diese Eindrücke an sich und aus sich selbst oder geschehen sie an etwas oder in etwas? Sind diese Eindrücke Teil eines physiologischen oder elektrochemischen Prozesses, der im Nervensystem stattfindet? Woher kommen diese Gedanken, Gefühle und Sinneswahrnehmungen? Besonders im buddhistischen Denken finden wir einen ernsten Versuch, die Natur des Geistes, seine wirkliche innere Natur zu verstehen.

Im Westen haben Psychologen Modelle von dem formuliert, was sie die „mentale Struktur“ oder den „psychischen Apparat“ nennen, um die Struktur des Geistes zu beschreiben. Nach einer dieser Formulierungen gibt es eine Struktur, die sich von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter entwickelt und die „Struktur des Geistes“ wird. Im allgemeinen wird nicht diskutiert, ob es getrennt oder jenseits davon, daneben oder über dem noch etwas gibt.

In vielen Traditionen des Ostens finden wir, daß sie nicht Struktur betrachten, wenn sie den Geist, den „großen Geist“, verstehen wollen. Sie versuchen zu verstehen, ob es jenseits von Struktur einen Geist gibt. Oder ist Struktur die Struktur von etwas anderem? Existiert er irgendwo, von irgend etwas hervorgebracht? Diese Richtung der Untersuchung hat viele meditative Systeme hervorgebracht, die den Geist zu verstehen und alle diese Prozesse und Eindrücke zu beachten versuchen. Sie wollen wissen, ob das alles ist oder ob es noch etwas anderes gibt. Was geschieht, wenn der Geist still wird? Wenn die Aktivität aufhört, was bleibt dann übrig? Es wird berichtet, daß man nichts findet, wenn man durch diese Untersuchung wirklich bis zu ihrem logischen Ende hindurch geht. Wenn alle Gedanken, Sinneswahrnehmungen und Gefühle aufhören und der ganze Inhalt der Erfahrung nicht mehr da ist, findet man keinen Denker, keine Erfahrung, keinen Behälter und keinen Apparat. Man findet nichts. Dies nennt man dann die „Natur des Geistes“. Im östlichen Denken herrscht allgemeine Übereinstimmung darüber, daß die Natur des Geistes die Leere ist, eine vollkommene Abwesenheit von allem. Nach diesem Modell kommen die Gedanken nicht von irgendwo, und sie gehen nicht irgendwohin; sie kommen aus Nichts und gehen zurück in Nichts. Der Geist ist letztlich eine riesige, grenzenlose, unbegrenzte Leere. Diese Leere ist selbst nichts Existentes, etwas, was als „Leere“ bezeichnet wird.

Die Natur des Geistes wird als ein Raum gesehen, aber sogar die Vorstellung des Raumes muß transzendiert werden, um seine Natur in ihrer Tiefe zu verstehen. Solange Raum da ist, ist jemand da, der etwas erfährt und es Raum nennt. Zur vollkommenen Erfahrung der Natur des Geistes gehört aber vollkommene Offenheit oder ein vollkommenes Nichts. Wenn man wirklich die Natur des Geistes erfährt, dann ist da äußerste Stille ohne einen Beobachter, der irgend etwas beobachtete, ohne eine Erfahrung, einen Gedanken oder irgendeine Bezeichnung. Wer immer die Erfahrung machte, wäre nur einer dieser Inhalte, nur ein Gedanke oder ein Gefühl oder eine Konstellation von Gedanken oder Gefühlen. Man findet weiter nichts, man findet nicht einmal Raum; es wird Raum geben, aber niemanden, der ihn finden könnte. Dies wird manchmal der „Grund der Existenz“ genannt. Aus dieser Perspektive nimmt man dann an, daß Geist alles ist und der Grund für alles. Alles ist der Geist, weil der Geist in seiner absolutesten Natur als Nichts bekannt ist, als die Abwesenheit von allem, und das wird als der Grund für alles gesehen.

Nichts existiert ohne dieses Nichts. Alles, was existiert, braucht eine gewisse Art Raum, um darin existieren zu können. Es ist also nicht nur der Grund aller Erfahrung, es ist der Grund von allem. Es wird als die „Grundnatur von Realität“ angesehen, als die tiefste Natur der Realität. Wenn alles ruhig wird, ist letztlich nichts da. Es ist nicht so, daß jemand schaut und nichts finden kann; in diesem Prozeß des Schauens beginnt man, nach sich selbst zu suchen, und findet sich nicht. Und schließlich ist nichts da. Das bedeutet nicht, daß der physische Körper nicht existiert. Es ist einfach kein Seiendes da, das diese Eindrücke produziert, wahrnimmt oder organisiert, nur Eindrücke selbst. Es sind einfach nur diese Eindrücke da, die kommen und gehen; sie kommen von nirgendwo und gehen nirgendwohin. Und dann können alle Eindrücke aufhören und vollkommene Leere enthüllen. Dies hält man für die grundlegendste Natur der Realität, den Grund aller Existenz. Wir nennen diesen Grund hier „Raum“, weil diese Erfahrung eher wie Raum ist. Es ist üblich, Raum auch mit Inhalt zu erfahren; dann wird Raum nicht vollkommen erfahren. Aber wenn ihr euch erlaubt, zu der Quelle von allem vorzudringen, werdet ihr zu einem Nichts oder Raum gelangen. Das Nichts kann so umfassend sein, daß da auch die Abwesenheit des Bewußtseins von Nichts ist. Wenn Bewußtsein des Nichts da ist, dann ist immer noch jemand da, der untersuchen kann, jemand der fragen kann: „Was ist das?“ Wenn ihr in eurer Untersuchung noch weiter geht, verschwindet auch das, und dann ist wirklich nichts da. Dieses „Nichts als ein Raum“ geht also so tief, daß es nach einer Weile das Bewußtsein von sich selbst auslöscht.

Weil unser normales Bewußtsein etwas nur in der Form erfahren kann, daß jemand etwas anderes erfährt, können wir nichts erfahren, ohne daß es verändert, abgeschwächt, eingeschränkt wird, weil unsere gewöhnliche Bewußtheit (awareness) sehr beschränkt und begrenzt ist. Ihre Tendenz ist Beschränkung, Begrenzung, Spezialisierung, Bezeichnung und Konzeptualisierung. Die einzige Art und Weise, wie wir vollkommenes Nichts erfahren können, besteht darin, daß das gewöhnliche Bewußtsein aufhört. Wenn es aufgehört hat, erfährt man es als seine Abwesenheit, und seine Abwesenheit erfährt man als die Abwesenheit von allem. Es wird nicht nur als die Abwesenheit von allem gesehen, sondern auch als die Abwesenheit der Abwesenheit von allem.

Diese Erfahrung wird „Aufhören“ oder „Auslöschung“ genannt: vollkommener Tod. Es ist das, was man gewöhnlich für den Tod hält. Genau so ist der Tod. Man muß nicht physisch sterben, um ihn zu erfahren. Das bedeutet nicht notwendigerweise, daß man diese Art Tod erfährt, wenn man physisch stirbt. Es ist das völlige Aufhören und die Abwesenheit von allem. Wie ich schon sagte, ist diese Erfahrung zum Teil notwendig, weil die Persönlichkeit ihr eigenes Bewußtsein hat, das verschwinden muß. Wenn es aufgehört hat, ist es jedoch möglich, daß ein anderes Bewußtsein da ist, um den ganzen, grenzenlosen, unbegrenzten Raum so zu erfahren, wie er ist. Es besteht die Notwendigkeit, daß ein vollkommenes, grenzenloses unbegrenztes Bewußtsein Nichts erfährt. Mit eurem eigenen Bewußtsein könnt ihr wirkliche Unbegrenztheit, wirkliche Grenzenlosigkeit nicht erfahren. In der Erfahrung der wirklichen, unbegrenzten, ganzen Unendlichkeit des Nichts ist euer Bewußtsein selbst unbegrenzt, grenzenlos und unendlich; das heißt, es ist nicht individuell, nicht eingeschränkt und nicht getrennt von dem, was erfahren wird. Wenn sich diese Art Unbewußtes manifestiert, ist es das, was man „kosmisches Bewußtsein“ oder „universelles Bewußtsein“ oder „ursprünglicher Geist“ nennt.

Wir sehen hier also eine andere Bedeutung von Geist, nämlich „reines Bewußtsein“. Hier gibt es Wahrnehmung, aber es ist keine Wahrnehmung von etwas, sondern die Wahrnehmungsfähigkeit selbst. An diesem Punkt gehen wir in den Geist, nicht in seiner Bedeutung von Raum, sondern von Wahrnehmung, Bewußtsein. Wir sehen, daß wir immer dieses Bewußtsein haben. Jeder Mensch und jedes Lebewesen hat dieses Bewußtsein. In unserer Alltagserfahrung gibt es immer ein Bewußtsein von etwas; wir kennen niemals das Bewußtsein an sich. Es gibt immer nur ein Bewußtsein von dem Teppich, von meinem Fuß, von meinem Geist. Bewußtsein und der Inhalt des Bewußtseins sind niemals getrennt. Bewußtsein wird immer als der Inhalt des Bewußtseins verstanden, weil wir mit unserem begrenzten Bewußtsein so funktionieren. Wir sehen nie Bewußtsein an sich, in seiner Reinheit.

Bewußtsein in seiner Reinheit sehen heißt das erfahren, was man „universelles Bewußtsein“ nennt, heißt den Geist als reines Bewußtsein erfahren. Wenn man den Geist als Bewußtsein erfährt, ist es auch Wissen, das Element des Wissens an sich. Entweder muß das individuelle Bewußtsein den Prozeß des Sterbens des Ego durchmachen und dann, wie beschrieben, als universelles Bewußtsein wiedergeboren werden, oder individuelles Bewußtsein muß sich ausdehnen, um universelles Bewußtsein zu werden. Es ist eher so, als erführe Raum den Raum, als daß jemand Raum erführe, und dieser ist grenzenlos. Es ist schwer zu beschreiben, was „universelles Bewußtsein“ oder was der „Geist als Bewußtsein“ bedeutet, weil es bzw. er keine Gedanken enthält. Sobald es Gedanken gibt, trennt einen der Inhalt von dem Bewußtsein. Es gibt keine Gedanken; euer Kopf fühlt sich ausgedehnt an, euer Bewußtsein breitet sich unendlich aus. Es hat keine Grenzen und keine Mitte. Es gibt hier keinen Jemand, der etwas betrachtet, was da ist. Das Schauen ist überall. Alles ist Bewußtsein, das als ein Universum von Bewußtsein existiert – unbegrenzt und unendlich.

Man kann nicht verstehen, was universelles Bewußtsein ist, ohne es zu erfahren, weil es die gewöhnliche Ebene von Verstehen auslöscht. Das Verstehen des universellen Bewußtseins ist genau die Auslöschung von Getrenntheit, von jeder Trennung bei der Wahrnehmung, einschließlich der Gedanken über Bewußtsein. Es gibt kein Bewußtsein von irgend etwas im besonderen. Das ist für die meisten von uns eine fremde Erfahrung, weil wir Bewußtsein nur als „Bewußtsein von etwas“ kennen. In der reinen Erfahrung von Bewußtsein gibt es keine Erfahrung von Körper oder Gedanken; es gibt keine Erfahrung, niemanden, der erfährt, kein Selbst. Daher stammt die buddhistische Vorstellung der Selbst-losigkeit. Die Buddhisten sagen, daß es letztlich kein Selbst gibt, weil man in diesem Aspekt, im universellen Bewußtsein, kein Selbst erfahren kann. Jede Begrenzung auf Seiendes (entity-ness) hält einen davon ab, diese Weite, die die Auslöschung der Getrenntheit, die Auslöschung von Unterscheiden ist, zu erfahren. Da ist vollkommene Nichtdifferenziertheit. Da gibt es keine Getrenntheit, keine zwei und keinen Gedanken von Einssein.

Gewöhnliches individuelles Bewußtsein basiert in Wirklichkeit auf diesem nichtdifferenzierten Bewußtsein. Wir benutzen es dauernd, aber wir schränken es ein. Dieses Element von Bewußtsein, das oft als ein blauer Raum oder als ein blaues Licht erfahren wird, das ursprünglichste Element von Wissen an sich, wird auch „Ursprung von Bewußtsein“ genannt, „Ursprung von Wissen“; ohne es gibt es kein Bewußtsein oder Wissen. Näher kann Erfahrung dem Sehen von Wissen, wie es ist, nicht kommen. Dieses ursprüngliche Bewußtsein wird von Hindus und manchen Buddhisten für die Natur des Geistes gehalten. Dies ist dann ein Konzept von der Natur des Geistes: Man denkt ihn sich als Bewußtsein, als eine Fähigkeit, die Natur selbst oder Substanz des Wissens. Ohne diese kann es kein Wissen, kein Bewußtsein, keine Wahrnehmung geben. In dem Prozeß, in dem wir mit unserem Ich identifiziert werden, trennen wir uns jedoch mit unserem Ich, und dann kennen wir dieses nichtdifferenzierte Bewußtsein nie, sondern gebrauchen es einfach. Wenn wir uns erlauben können, den Griff des Ich, unserer Individualität, zu lockern, können wir ein Gefühl von diesem Bewußtsein im alltäglichen Leben haben. Die Unterscheidung und Differenzierung wird dann ohne die rigide Abgetrenntheit der Persönlichkeit wiederkehren.

Auf dieser Stufe der Entfaltung begegnen wir einem anderen Aspekt von Essenz, der manchmal für die Natur des Geistes gehalten wird: Das ist das klar unterscheidende Bewußtsein, oder das Sehen der Dinge, wie sie sind. Wir brauchen dieses klare Bewußtsein, um in der Welt zu funktionieren. Allein mit der Ebene des kosmischen Bewußtseins können wir nicht leben; wenn nichts da ist als „nicht zwei“, kann man nicht einmal gehen oder irgendeine andere normale menschliche Tätigkeit ausüben. Aber die Wahrnehmung des kosmischen Bewußtseins kann eure Erfahrung befreien, um die Grundqualität von Nichtgetrenntheit in eure Erfahrung zu integrieren.

Diese Entwicklung wird „unterscheidendes, spiegelähnliches Bewußtsein“ genannt. Jeder und alles wird gesehen, wie es ist. Dies ist der Bereich des Geistes, in dem man sieht, daß Leere Form und Form Leere ist. Euer Geist ist geräumig und leer, euer Bewußtsein ist entspannt, so daß alles so gesehen wird, wie es ist. Der ganze Inhalt von Erfahrung wird genauso gesehen, wie er ist, ohne einen Wunsch, zu manipulieren oder zu etikettieren oder Dinge dem Unbewußten entsprechend zu bewerten. Dies wird also als klarer Geist erfahren, ein Gefühl von Klarheit und Genauigkeit. Formen sind genau sie selbst, Gedanken sind einfach Gedanken, Gefühle entstehen ohne Eindruck oder Reaktion, die Dinge werden ohne den subjektiven Filter gesehen. Hier sieht man die Dinge ohne die Vergangenheit, als vollkommen frisch und neu. Kosmisches Bewußtsein ist ursprünglicher als dieses Qualität. Kosmisches Bewußtsein ist Wissen an sich, die Fähigkeit, bewußt zu sein. Im spiegelähnlichen Bewußtsein besteht die grundlegende Fähigkeit für Bewußtsein darin, einfach und ohne Entstellung zu reflektieren, was da ist.

Ursprüngliches Bewußtsein, das nichtdifferenzierte Wissen an sich, ist die Freiheit, die nötig ist, damit man irgendeinen Zustand des Geistes in seiner ausgedehntesten Form erfahren kann. Es ist das Element von Ausdehnung in Universalität hinein. Zum Beispiel erfährt jemand vielleicht einen klaren Geist, aber wenn man nichtdifferenziertes Bewußtsein nicht erfahren kann, dann ist der Geist einfach auf Klarheit im Kopf beschränkt. Wenn kosmisches Bewußtsein erfahren wurde, dann ist der Geist ausgedehnt, und das reine Bewußtsein ist in den klaren Geist integriert, so daß er als reine Klarheit, reine Transparenz, unbegrenzt und ohne Mitte erfahren wird. Dieser grenzenlose und klare Geist wird manchmal als die Leere selbst oder als das Bewußtsein angesehen, das die Leere wahrnimmt, da es genau das ist, was nötig ist, damit man die Leere ganz erfahren kann. Um also die Beziehung des Geistes zum Kosmos zu verstehen, müssen wir erst die Natur des Geistes verstehen, die wir „Raum“ nennen. Raum kann nicht ganz gewußt werden, bevor das Gefühl eines abgetrennten mentalen Bewußtseins eliminiert ist. Wenn man als eine getrennte Person, als ein Individuum vollkommen in die Universalität des kosmischen Bewußtseins versunken ist, dann erfährt man das Spiegelbewußtsein, die Klarheit, die Leere vollkommen und grenzenlos. Im letzten Kapitel sprachen wir von „reinem Bewußtsein“, als wir die Fähigkeit für Versenkung diskutierten, und von „Spiegelbewußtsein“, als wir den erwachten Zustand diskutierten.

Die Leere ist auf folgende Weise erfahren und beschrieben worden: als Raum, als blaues Bewußtsein und als klarer Geist. Als klarer Geist ist sie dann vollständige transparente Klarheit, die sich aller Dinge so bewußt ist, wie sie sind, nicht als ein undifferenziertes Medium, das kosmisches Bewußtsein ist, sondern als alles, was existiert, wie es ist. Es existiert als diese durchscheinende Helligkeit. Alles kommt zurück, nachdem es ausgelöscht worden ist, und die Leere wird von nichts berührt oder eliminiert, auch nicht von Gedanken oder Gefühlen oder einem Gefühl von abgetrennter Existenz. Alles ist Teil dieser Leere. Alles wird als Form gesehen, und jede Existenz, die sich von etwas anderem unterscheidet, ist nur eine Form. Die Form ist einfach ein Aspekt der Natur des ursprünglichen Bewußtseins, wie die Transparenz, die Leere. Dies ist der erwachte Geist; der Zen-Buddhismus nennt dieses Erwachen „Raum ohne Mitte, ohne Zentrum“, „Natur des Geistes“. Leere wird nicht von einem abgetrennten Individuum wahrgenommen, Leere wird von universeller Klarheit wahrgenommen.

Der wache, klare Geist kann schlafen gehen und dabei doch bewußt bleiben. Er hat seine Nacht neben seinem Tag; sein Tag ist Wachsein, sein Schlaf ist Frieden. Er bleibt die Natur des Geistes, nicht als Wachheit, die Leere wahrnimmt, sondern als Frieden, universeller, unbegrenzter, schwarzer Frieden, der Leere wahrnimmt. Verschiedene Systeme betonen eine dieser drei Beschreibungen: das ursprüngliche nichtdifferenzierte Bewußtsein, den erwachten Zustand des Geistes, der auch universell ist, oder den friedvollen Zustand des Geistes, der in Ruhe, in vollkommenem Frieden ist. Die Natur des Geistes kann dann als blauer, als durchsichtiger oder als schwarzer Aspekt von Bewußtsein erfahren werden. Jeden einzelnen dieser Aspekte kann man als einen Zustand der Natur des Geistes ansehen. Und weiter können wir sagen, daß die Natur des Geistes vollkommene Leere ist. Wir können vollkommene Leere als nichtdifferenziertes Bewußtsein, als durchscheinendes Leuchten oder als den Nachthimmel erfahren. Da ist immer ein subtiles Bewußtsein, das Leere wahrnimmt. Das subtile Bewußtsein kann von eurem eigenen persönlichen Bewußtsein eingeschränkt werden, so daß ihr es nicht seht, wie es ist, oder es kann vollkommen ausgedehnt werden.

Wir haben das Verständnis von „Geist“ untersucht: von der Auffassung als Gedanken und Denken über den größeren Geist, der aus allen Eindrücken besteht, bis zur Natur dieses Geistes als ein Ganzes als Leere und vollkommene Leere; über die Stufen universellen Bewußtseins und den erwachten Geist bis zum friedvollen Geist. Der nichtdifferenzierte Geist wird gewöhnlich, aber nicht ausschließlich vom Hinduismus betont. Der friedvolle Geist wird gewöhnlich, aber nicht ausschließlich vom Islam betont. Die Tradition des Islam betont den schwarzen Frieden. Das Zentrum der Kaaba, an das Gebete gerichtet werden, ist ein schwarzer Stein, ein schwarzer Block Frieden. Das Wort Islam ist von salaam abgeleitet, was „Frieden“ bedeutet. Mohammeds Fahne war schwarz.

Das Verständnis des Geistes als Leere und diese Grundarten von Bewußtsein, das ursprüngliche, das erwachte und das friedvolle, sind nicht metaphysisch oder auch nur von metaphysischem Interesse. Ohne dieses Verständnis gibt es für Menschen keine Freiheit, keine Freiheit in irgendeiner Erfahrung. Es liegt an dem Mangel an diesem Verständnis, daß es Leiden gibt. Der Geist muß vollkommen verstanden werden, wenn es eine Erleichterung oder Freiheit oder Frieden geben soll. Man wird ausgelöscht, dann wacht man auf und dann ist Frieden.

Wie ich früher sagte, besteht zwischen dem, was im Osten „Geist“ genannt wird, und dem, was wir hier „Herz“ nennen, eine Beziehung. Es gibt eine Beziehung zwischen Geist und Herz. Das ursprüngliche Bewußtsein, die erwachte durchscheinende Helligkeit und die friedvolle Stille des Geistes sind Formen des Bewußtseins, die auch Aspekte von Essenz sind, und Essenz ist das Herz des Geistes. Wenn das Wort „Herz“ im Osten gebraucht wird, bedeutet es „Essenz“, die tiefste Natur von etwas, das Herz von etwas, wie im Ausdruck „das Herz einer Sache“. Die Natur des Geistes ist Leere, und das subtile Bewußtsein, das diese Leere wahrnimmt, ist das Herz des Geistes. Aber diese Beziehung des Herzens zum Geist ist sogar noch komplexer. Es gibt auch den Geist des Herzens, das Bewußtsein des Herzens, das Wissen des Herzens, die Neugier des Herzens und die Empfindsamkeit des Herzens. Das Herz wird als das empfindsame Organ, das wissende Organ gesehen. Es ist bewußt und nimmt wahr. Das Herz wird manchmal „Geist“ genannt, weil das Herz die Quelle des Herzens des Geistes ist. So könnte man auch sagen, daß der Geist der Geist des Herzens ist. Aber die Einheit geht noch tiefer als der Geist des Herzens oder das Herz des Geistes. Sie sind dasselbe. Auf der Ebene, auf der man den Geist als ein subtiles Bewußtsein versteht, als ein Aspekt von Essenz, gibt es kein Herz und keinen Geist, da gibt es nur eins. Das Verstehen des Geistes wird als ein einziges Bewußtsein erfahren, ohne Trennung seiner Zentren, seiner Mitte. Dinge als den klaren Geist zu sehen rührt vom Betrachten der Dinge als Geist her, und die Dinge als den klaren Nektar zu sehen, leitet sich vom Betrachten der Dinge als Herz ab; aber es ist dieselbe Substanz. Als Geist genommen, sehen wir ihn als Bewußtheit, als Licht, als Bewußtsein. Als Herz genommen, sehen wir ihn als Liebe oder Freude. Der erwachte Geist ist klare Freude, wenn er im physischen Herzen erfahren wird. Wenn Freiheit entsteht, erfährt man die Erfüllung im Herzen. Was im Kopf oder Geist ist, ist dasselbe, was im Herzen ist, und fühlt sich wie klares Licht oder nahrhafter Nektar an und ist dasselbe Bewußtsein.

Was wir „Liebe“ nennen, ist dasselbe wie Bewußtsein, aber es wird eher im Herzen als im Geist erfahren, eher in der Brust als im Kopf. Es ist auch dasselbe wie der Wille, den man im Bauch erfährt. Essentielle Präsenz im Geist wird oft als ein Diamant gefühlt und im Herzen oft als eine Perle erfahren. Es ist dasselbe Bewußtsein – von einer objektiven, klaren bewußten Ebene oder von einer persönlichen, Herz-Ebene gesehen. Wenn es auf einer universellen, objektiven Ebene wahrgenommen wird, wird es als diamantenes Bewußtsein gesehen. Im Herzen wird es persönliche Präsenz, die unschätzbare Perle (pearl beyond price), und als Bewußtsein wird man es eher als Liebe sehen.

Hier erkennen wir dann, daß es eine tiefere Verbindung zwischen Geist und Herz jenseits der Persönlichkeit gibt; in Wirklichkeit sind sie eins. Ihr könnt klaren Nektar oder einen klaren Diamanten erfahren oder blauen Nektar oder einen blauen Diamanten oder goldenen Nektar oder einen goldenen Diamanten und so weiter. Die Diamantform wird als Bewußtsein oder Klarheit erfahren. Die Perle im Herzen erfährt man als wahre persönliche bewußte Präsenz. Ihr könnt beide zur gleichen Zeit erfahren, da sie eins sind; in verschiedenen Traditionen werden jedoch verschiedene Perspektiven betont. Im Fernen Osten betonen die spirituellen Systeme die Betrachtung der Dinge aus der Perspektive des Kopfes, vom Bewußtsein her und das Ergebnis ist Erleuchtung. In den theistischen Traditionen des Mittleren Ostens wird die Perspektive des Herzens betont, so daß es mehr als eine Liebesbeziehung gesehen wird. Es ist aber dasselbe.

Bislang haben wir einige der Vorstellungen von „Geist“ untersucht. Wir haben den Geist als Gedanken und als Eindrücke der Erfahrung betrachtet; wir haben die Natur des Geistes als Leere und die essentiellen Aspekte betrachtet, die sich aus diesem Raum im Geist, im Herzen und im Willen entfalten. Die natürliche Bewegung dieses Verstehens geht in die Richtung des Einswerdens.

Wir können die Einheit der Einheiten dadurch sehen, daß wir das Geheimnis des Hu verstehen. Einheit heißt Hu auf arabisch. Wir verstehen also die vollständige Einheit, wenn wir Hu verstehen. Wenn wir der Entfaltung unseres Verstehens und unserer Erfahrung folgen, können wir eine Bewegung auf Einswerdung hin bemerken. Woher kommt das? Gibt es eine Kraft, die uns zur Einheit hin treibt? Gibt es eine noch tiefere Natur des Geistes, die wir bisher nicht geahnt haben? Es gibt das, was Raum schafft. Das ist Hu, das ist der Grund des Grundes, die Quelle des Grundes. Die größte Einheit muß sein, was das Nichts und die Dinghaftigkeit, Nicht-Sein und Sein, Raum und Schöpfung, Nicht-Existenz und Existenz einschließt. Das ist Hu.

Gibt es eine Wirkkraft der Einheit? Gibt es das, was sich nur auf Einheit zubewegen kann, das nicht nur das Wesen des Geistes und des Herzens sondern das Wesen von allem ist? Da gibt es keinen Geist und kein Herz, keinen Willen, nichts als dies. Wir haben die Bewegung des Geistes, des Bewußtseins des Geistes und seine Verbindung mit dem Herzen gesehen – und daß sie eine Substanz sind. Wir sehen wirklich den Geist als eine Art diamantklares expansives Bewußtsein und das Herz eher als strömende Flüsse und Nektare. Da ist Differenzierung, aber wir sehen in Wirklichkeit eine Bewegung zur Einswerdung hin. Unsere tiefste, wahrste, innerste Natur ist die Einheit, die vollkommene Einswerdung ohne eine Unterscheidung oder Differenzierung, und diese tiefste, innerste Natur muß sich als die transformierende Kraft manifestieren. Dies ist das, was „Elixier des Geistes“ oder „Elixier der Erleuchtung“ genannt wird. Es enthüllt sich in der Form – welcher auch immer – die ihr braucht, um über Einheit zu lernen. Wenn ihr am Geist interessiert seid, wird es sich als Geist enthüllen. Wenn ihr eher herzorientiert seid, wird es sich als Herz enthüllen. Wenn ihr handlungsorientiert seid, wird es sich als Wille enthüllen. Es liebt euch so sehr, daß es bereit ist, weniger als es selbst zu sein, damit ihr von ihm und über es erfahren könnt.

Diese Kraft der Vereinigung vereint also dadurch, daß sie eure Erfahrung, eure Wahrnehmung, euer Bewußtsein, eure Liebe transformiert. Sie ist ein kontinuierlicher Prozeß der Transformation und Verwandlung zur Einheit hin. Wir haben über sie bisher als „innere Erfahrung“ gesprochen. Diese Erfahrung von Vereinigung spiegelt sich jedoch in eurem ganzen Leben: in euren Beziehungen, in eurer Arbeit, in euren Werten, in allen Bereichen eures Lebens. Mit der Zeit vereint sie das Innere und das Äußere: Handeln, Gedanken und Gefühl.

Es gibt in euch eine Kraft, die Kraft der Vereinigung, die ein Elixier ist, die in jedem Menschen präsent ist, und ohne die es kein Leben gibt. Diese Kraft ist selbst reine Intelligenz und alles ist ein Resultat dieser Intelligenz. Sie schließt sogar Unwissenheit und Leiden ein, was das Ergebnis von Unwissenheit ist. Diese primäre erste Ursache, diese primäre Intelligenz, die jedes menschliche Wesen besitzt, ist selbst die Hoffnung auf Vereinigung und die Kraft der Vereinigung. Sie ist das, was durch den Prozeß der Vereinigung hindurchgeht und zu dem Endergebnis der Vereinigung, zur Einheit führt. Sie schließt Differenzierung und die Bewegung auf Differenzierung zu ein, weil das Teil einer größeren Bewegung auf Vereinigung zu ist. Jedes Lebewesen besitzt eine gewisse Intelligenz, eine Intelligenz, die reine Brillanz ist. Sie ist nicht länger eine differenzierte Farbe; sie ist die Brillanz aller Farben. Sie ist nicht länger eine differenzierte Qualität; sie ist die Brillanz aller Qualitäten. Alle Qualitäten, alle Aspekte, alle Dinge werden strahlend, leuchtend, brillant – werden ihre wahrste Natur, Brillanz selbst. Es ist Licht über Licht.

Die innerste Natur von allem, was existiert, ist diese Quelle und Kraft, die Einheit bewirkt. Ohne sie wären wir keine Menschen; wir würden nicht leben. Sie ist die innerste Natur unseres Seins; und sie ist nicht etwas Unklares, Vages, sondern etwas wirklich Substantielles. Ihr seid euch ihrer vielleicht nicht bewußt, aber ohne sie könnt ihr dies nicht lesen oder mich jetzt nicht verstehen. Ihr könnt sie wahrnehmen. Es ist erstaunlich, daß die Kraft der Vereinigung dasselbe ist wie die Kraft zur Transformation, daß Transformation die Transformation auf Vereinigung zu ist. Sie ist wunderbar und geheimnisvoll. Zuerst enthüllt sie sich in Erfahrungen des Herzens oder des Geistes, in denen Facetten, Qualitäten oder Aspekte offenbar werden. Sie erlaubt euch, euch selbst als Mitgefühl, Liebe oder Klarheit zu sehen, aber sie zeigt euch das dadurch, daß sie ist. Hu wird durch die Brillanz das, was ihr seid. Ihr erfahrt, was ihr in dem Moment seid. Wenn das, was ihr braucht, Erleuchtung ist, wird sie klares Licht. Sie lehrt zuerst durch Vereinen, dadurch daß sie eure Erfahrungen auf mehr Einheit hin lenkt. Mit der Zeit wird sie zu der inneren Erfahrung führen, in der sie sich als die bewirkende Kraft von Transformation selbst, als das Elixier, manifestiert. Man nennt sie auch „Stein der Weisen“ und „Wasser des Lebens“.

In dem Moment, in dem eure Persönlichkeit dieser innersten Natur zu funktionieren erlaubt, beginnt sie sich zu entfalten, indem sie euch durch und durch transformiert – auch den Impuls, eure Probleme und Themen durchzuarbeiten. Sie transformiert euch, indem sie euch eine Facette nach der anderen zeigt. Ihr müßt euch einfach nur die Erfahrung erlauben und hinschauen. Sie ist die Kraft, die Transformation in Richtung Vereinigung bewegt.

Was meinen wir mit: „Sie ist schließlich die Vereinigung“? Ich meine, daß sie, während sie sich vor euren Augen transformiert, auch eure Persönlichkeit immer mehr transformiert, so daß ihr sie anpassen und zulassen könnt, während sie von einer essentiellen Qualität zur nächsten fortschreitet, durch die ganze Bandbreite menschlicher Entfaltung hindurch, bis sie sich schließlich selbst manifestiert. Sie besteht aus allen Qualitäten der Erfüllung des Geistes, des Herzens und des Willens und mehr. Sie wird manchmal „Vater“ genannt, in dem Sinn, daß sie der Aufseher, der Schirm oder die Quelle aller Aspekte, der Allbeschützer, der Allwissende ist. Und sie ist nicht länger Licht oder Liebe oder Substanz oder Raum oder Existenz – es gibt für sie keine Analogie in der physischen Wirklichkeit. In der physischen Wirklichkeit sehen wir nur Differenzierung. Wir sehen Qualitäten nur in ihrer differenzierten Form. Wir können Grün sehen, das Mitgefühl und Lebendigkeit darstellt. Wir können Rot sehen, das Energie und Stärke repräsentiert. Wir können klaren Raum sehen, der Klarheit darstellt. Wir können Gelb sehen, das Freude repräsentiert, und Gold als Wahrheit. Auf jeden Fall können wir weiter sehen, daß jede Farbe, wenn sie sehr glänzend wird, Leuchtkraft hat; sogar Schwarz hat Leuchtkraft. Raum selbst kann Leuchtkraft haben. Stellt euch vor, daß alle diese Qualitäten noch mehr leuchten, bis nur noch Leuchten da ist. Das Elixier der Erleuchtung ist das Leuchten selbst. Es ist nicht die Leuchtkraft von etwas, das Leuchten selbst ist die Quelle von allem. Gewöhnlich halten wir Leuchten oder Brillanz für eine Qualität von etwas, für eine Intensität einer Farbe oder Qualität. Man nimmt sie gewöhnlich nicht als selbstexistierend wahr. Aber im essentiellen Bereich ist sie selbstexistierend, und sie ist die Quelle aller Qualitäten als die eingeborene Synthese von ihnen allen.

Die Einheit von allem ist also vollkommenes Strahlen, vollkommene Ausdehnung, vollkommenes Selbst-Sein. In ihrem freien Ausdruck ist sie endlich reine blendende Brillanz, so blendend, daß man ausgelöscht wird. Diese Brillanz kann als eine Klarheit und Intelligenz, als eine explodierende Intelligenz erfahren werden, die alle Dunkelheit und Unwissenheit zerschmettert. Sie ist zugleich reine Liebe, äußerst zart und weich, und im selben Augenblick der stärkste und mächtigste Wille. Sie besteht nicht aus drei verschiedenen Dingen, die zusammengesetzt sind, sondern sie ist ganz eins, die Brillanz der Aspekte von Essenz, die Quelle und innere Natur jedes Lebenwesens und alles Geschaffenen.

Aus dieser Perspektive kann es nur Einheit geben. Wenn ihr sie von außen betrachtet, seht ihr sie, bevor ihr das kosmische Bewußtsein erlangt, als Brillanz in diesem oder jenem. Wenn die Trennung aber aufgehoben ist, dann seid ihr sie, dann gibt es nichts anderes. Dann ist das einfach die ganze Existenz, und das ist die Brillanz von Hu. Wenn sie im Kopf ist, ist man trunken von funkelnder Brillanz. Vollkommen trunken und vollkommen wach. Euer Herz kann nur singen, kann nur von der Leichtigkeit vollkommener Freude verzückt sein. Die Freude liegt im Preisen von Ihm. Wenn die Brillanz euch zu der Einheit bringt, die der Anfang von allem ist, dann merkt ihr, daß sie von Anfang an immer als ihr selbst, als eure tiefste Natur, da war. Auch wenn ihr euch aus der Perspektive der Evolution anschaut, auch als die Amöbe, ist eure innerste Natur Hu. Sie hat euch nicht nur transformiert, damit ihr sie kennt, sie hat euch auch geschaffen, damit ihr sie kennt. Sie hat euch so geschaffen, damit ihr ihr Lob singt. Sie liegt jenseits von Erfahrung und Nicht-Erfahrung. Es geht nicht mehr um Beobachter und Beobachtete. Es gibt nur Tanzen; das Universum als Ganzes, einschließlich seiner tiefsten Folter ist Tanzen. Diese Gedanken können sie nicht erreichen; sie zerschmettert Gedanken. Persönlichkeit ist zerschmettert. Leute werfen einen Blick auf sie und werden ohnmächtig, verschwinden. Diese innerste Natur sieht sich selbst nicht als innerste Natur. Sie ist das „Ganze“ und das „Alles“. Sie ist die Tatsache, die immer in uns da ist, die der Same in uns ist, uns auf sich zubewegt. Der Geist wird nicht ruhen, bis er sie kennt; das Herz sehnt sich danach, und seine Bewegung ist wahrer Wille. Es muß Einheit in euch geben, die sich auf Einheit zubewegt. Es kann keine Erfahrung von Einheit geben, wenn sie nicht schon da ist. Deshalb wird die vereinigende Wirkkraft „Same der Erleuchtung“ genannt. Jeder hat ihn. Wenn ihr ihn wirken laßt, wird er mit der Zeit diese vollkommene Einheit bringen.

Die Sufis benutzen die Bezeichnung Hu nicht genau im Sinne der Brillanz, sondern meinen das Absolute, den letzten Grund und die letzte Natur, die Leere, bevor sie als Leere oder Raum begrifflich gefaßt wird. Wir können also genauer sagen, daß das letzte Hu wirklich jenseits von Farbe und Bewußtsein liegt. Das Absolute ist die Einheit vor der Manifestation, während die Brillanz die manifeste Einheit ist. Wir können sagen, daß die erste Manifestation des Absoluten die Brillanz ist, die innere Intelligenz. Das Letzte ist so geheimnisvoll, daß wir nur eine Brillanz, ein Strahlen wahrnehmen können, wenn wir uns ihm nähern. Diese reine Brillanz ist die erste Intelligenz, die Einheit, aus der Differenzierung entsteht. Sie ist der Anfang.

Essentielle Befreiung

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