Читать книгу Die Taucherin - Aino Trosell - Страница 3
ОглавлениеDiese Geschichte handelt von Angst. Angst vor dem Wasser. Angst vor dem Unbekannten. Angst vor der Tiefe und davor, daß es immer dunkler wird, je tiefer man kommt. Daß der Druck steigt und die Lebenschancen sinken, wenn man den Griff lockert und es einfach geschehen läßt. Wenn man sich preisgibt.
Und ich träume – ich träume, eins zu sein mit meinem Element. Es ist dunkel, und ich treibe vorwärts durch das Unbekannte, kann nicht stoppen. Habe keine Kontrolle.
Plötzlich strahlt ein Scheinwerfer auf, und ich sehe den Meeresboden, ich bewege mich über den Schlick dahin, während der Ton meinen Körper mit seiner Riesenfaust knetet. Wie in einem Schraubstock stecke ich hoffnungslos fest. In meinem Traum. Der Griff dieser Faust – ich kann ihm nicht entkommen.
Eine Pipeline taucht im trüben Wasser auf. Es ist tief, woher weiß ich das? Es muß der Ton sein und das so ganz andere Element. Und weil es dunkel ist. Ich bin gezwungen, Licht mit nach unten zu nehmen.
Der Ton preßt das Wissen in meinen Körper, immer tiefer hinein in meinen Körper.
Und die Pipeline mündet in ein Bohrloch, von dem Rohre über den kargen lehmigen Boden wegführen, andere Rohre tauchen auf und verschwinden allesamt in Dunkelheit, in Finsternis. Stahlschlangen, unbiegsam und unbeweglich, ringeln sich über den welligen Boden, über einzelne Stahlbrücken, über Risse und Spalten, so als gäbe es die Härte des Stahls nicht.
Ein riesiges Fundament?! Beton. Wer bin ich? Wohin geht es? Der Lichtkegel sucht sich aufwärts, immer weiter aufwärts. Wie lange? Wie weit noch? Der Druck verändert sich, ich fühle es an dem Griff der Riesenfaust.
Licht? Ja, Licht, von oben jetzt. Ein graues Dämmerlicht, in dem Fische ruhig vorbeischwimmen.
Eine gewaltige Ankerkette. Der Griff der Tonfaust verändert sich. Ein Dach über mir? Was hindert das Licht? Kein Dach ... die Unterseite eines Schiffes!
Die Schrauben bewegen sich gemächlich, drehen sich gegeneinander, um das Schiff an Ort und Stelle zu halten.
Die Tonfaust löst erleichternd ihren Griff, und ich stoße an die Oberfläche.
Wirklichkeit! Richtige Töne, das Klatschen der Wellen und Möwengeschrei.
Ich liege auf dem sprühenden Wasser. Ich sehe die Schiffswand, die Spanten drücken gegen die Außenhaut. Biegen sich wie Rippen, ich sehe es aus meiner Fischperspektive, und nicht weit entfernt die große Bohrinsel auf ihren Betonfundamenten, die, ich weiß es jetzt, tief, unsagbar tief unter den Meeresspiegel reichen, bis dorthin, wo nur Druck, Dunkelheit und Angst existieren. Meine Antiweit.
Und die Sonne strahlt, die Möwen schreien, und der Himmel ist blau. Ich lebe – Gott, ich danke dir.
Unter mir lauert das Unbekannte.
Diese Geschichte handelt von Angst. Meiner Angst. Von mir. Ich kann mit diesem Wortungeheuer spielen, ohne seinen giftigen Biß zu spüren; ich erzähle, und ich habe Angst. Doch in der Welt, die ich schildere, wird dieses Wort nicht benutzt. Niemals!
Angst ist ein Nichts unter der Oberfläche.
Angst ist wasserlöslich, wird aufgelöst.
Angst verbindet sich mit dem Element selbst. Wird ein Teil von ihm.
Hat keinen eigenen Namen.
Keinen Namen.