Читать книгу My Little Pony - Daring Do und die Blume der Ewigkeit - A.K. Yearling - Страница 6
Kapitel 1
ОглавлениеDie großartigste Abendgesellschaft des Landes
Unzählige angeregte Unterhaltungen schwirrten gleichzeitig durch den Ballsaal, aber nur eine war Daring Do wichtig. Und sie nahm daran nicht teil ... noch nicht. Das würde sich ändern, wenn sie es bis zum Tisch des Direktoriums geschafft hatte. Daring wollte nicht, dass der ganze Abend umsonst war. Die aufwendige Frisur, das verblüffend bequeme Paillettenkleid und die fürchterliche Tortur, sich über Stunden mit Ponys, von denen sie so gut wie nichts wusste (was ihr übrigens auch völlig gleichgültig war), unterhalten zu müssen – das alles hatte ein Ziel.
Heute war die Nacht, in der Daring Do die Wahrheit über die Blume der Ewigkeit herausfinden würde, ob sie tatsächlich in der Lage war, einem Pony eine unermessliche, sagenumwobene Fähigkeit zu verleihen – Unsterblichkeit. Soweit sie wusste, war das lediglich ein Mythos wie so viele andere, denen sie im Laufe ihrer Karriere begegnet war. Aber diesmal beschlich Daring Do ein intensives Gefühl, und diese innere Stimme wollte sie nicht zum Schweigen bringen.
Der Abend war eine vornehme Veranstaltung. Fünfzig massive Tische waren im Raum verteilt. An jedem war auf blütenweißen, gestärkten Tischtüchern für zehn Gäste gedeckt. Herrliche Gestecke aus Jasmin, Lavendel und Regenbogenhibiskus thronten in der Tischmitte und erfüllten die Luft mit duftender Frische, die alle Ponys genossen. An jedem Platz der sich glücklich schätzenden Gäste lagen vergoldete Gegenstände, frische Blütenblätter und ein exklusives Geschenk. Es war ein winziger Schokoladen-Trüffel in Form einer Rose und daneben eine echte langstielige Blume, die eine Karte mit dem Namen des Gastes barg.
Frau Daring Do – Ehrengast der Botanischen Gesellschaft Equestrias. Die kunstfertige Handschrift zeichnete sich durch zahlreiche Bögen und Schnörkel aus, wie die Efeuranken, die den Musikpavillon zierten. Blinkende weiße Lichterketten hingen überall von der Decke herunter wie die Äste einer Trauerweide. Gesellschaftsponys, die diese Art von Wohltätigkeitsveranstaltungen regelmäßig besuchten, schätzten hintersinnige Details wie diese. Diese Ponys kauften sich teure Eintrittskarten, takelten sich auf und tanzten die ganze Nacht durch, alles im Namen dieses oder jenes wohltätigen Zweckes. Für eine Party kam jeder Vorwand recht.
Eine junge Stute, die diamantbesetzte Hufbänder trug, trabte an Darings Tisch vorbei. „Um was geht es heute Abend noch einmal?“, fragte sie ihre Freundin, die ihren hellblauen Lidschatten mithilfe eines Taschenspiegels kontrollierte.
„Irgendwas mit Rettung von Blumen“, antwortete die Freundin. „Ich liebe Blumen, du sicher auch, oder?“, fügte sie noch hinzu, bevor das Paar davongaloppierte, um mehr Make-up aufzutragen und weitere schwammige Wohlgefälligkeitsaussagen über die Veranstaltung vom Stapel zu lassen.
Bläschen platzten auf Darings Zunge, während sie einen Schluck aus ihrer Schaum-Apfelsaft-Flöte nahm. Die Stute tat so, als hörte sie General Sparks zu, der über seine Sammlung seltener Horavianischer Stücke laberte, dabei war sie eigentlich zu beschäftigt, den Raum abzusuchen, als sich mit Münzkunde zu beschäftigen. Das Meer aus Taft, Tüll und Smokings behinderte ihr Ziel: Gelehrte ausfindig zu machen, die etwas zu der Sache wussten, von der sie geradezu besessen war.
Laut der einzigen botanischen Zeitschrift der Gesellschaft, Flora und Fohlna, sollte sie nach zwei besonderen Mitgliedern Ausschau halten. Sie hießen Ranke und Farn und hatten unlängst einen Aufsatz mit dem Titel „Griff nach der Ewigkeit. Der Mythos der Blume der Ewigkeit“ veröffentlicht. Daring hatte sich vor der Veranstaltung eine Kopie der Gästeliste besorgt, um sichergehen zu können, dass die beiden auch anwesend sein würden.
„Heiliger Strohhalm!“, gluckste Sparks amüsiert. „Wie wäre es mit etwas Anschauungsmaterial, damit Sie eine Ahnung davon bekommen, was ich Ihnen erzähle?“ Der General holte seine Brieftasche heraus und schaute die Fotos darin durch. „Ah ja! Hier sehen Sie eines meiner Lieblingsstücke ... die großartige silberne Zwei-Heller-Münze aus der Morgen-Ära, etwa 796 Jahre vor Celestia ...“ Er rückte sein Monokel zurecht und lächelte Daring an. „Eine Schönheit, nicht wahr?“ Sein gezwirbelter weißer Schnurrbart wippte bei jedem seiner Worte.
„Wow, so etwas habe ich noch nie zu Gesicht bekommen ...“, erwiderte die Abenteurerin mit einem höflichen Nicken und gezwungenem Lächeln. Darings Aufmerksamkeit richtete sich nicht auf das Pony vor ihrer Nase. Wo waren die beiden Ponys mit dem geheimen Wissen, das sie so verzweifelt zu erlangen suchte? Der einzige Grund, warum sie an dieser lächerlich übertriebenen Benefizgala für die Botanische Gesellschaft Equestrias teilnahm, war, sie auszukundschaften.
Am Dessert-Buffet erspähte Daring ein hellgraues Pony mit dunkelvioletter Mähne, das im Gespräch mit einem Hengst war, der einer der Gelehrten sein konnte. Aber der Typ drehte sich nicht um.
„Möchten Sie vielleicht noch ein Glas Apfelsaft, gnädige Frau?“, fragte ein weiß behandschuhter Kellner im schwarzen Frack mit Fliege und der Flasche in der Hufe.
„Ja“, bellte Daring und reckte ihren Hals, „aber schnell.“ Es wäre ihr egal gewesen, wenn der Kellner ihr nicht komplett die Sicht versperrte. Er füllte ihr Glas und ging zum nächsten Gast. Wenn Daring schon für die Dauer der ganzen Ansprachen und Vorführungen bleiben musste, konnte sie sich ein gutes Schlückchen des süßen, sprudelnden Gebräus genehmigen.
Dann erblickte sie auf einmal das Duo. Ihre Zielpersonen saßen auf der gegenüberliegenden Seite des riesigen Saales, an einem Tisch gänzlich außerhalb von Hörweite. Aber Daring Do war eine Meisterin im Lippenlesen. Sie strich sich ein paar Strähnen ihrer grauschwarzen Mähne glatt, die sich als unglaublich unkomfortable Hochsteckfrisur präsentierte. Das Pony war in ihrem olivgrün schimmernden Abendkleid ein Abbild weltgewandter Eleganz. Daring hasste nichts mehr, als sich herauszuputzen, aber solang das als eine ihrer meisterhaften Tarnungen durchging, konnte sie es ertragen, für eine Nacht einen auf Style-Pony zu machen. Sich so im Spiegel zu sehen, erschien ihr trotzdem seltsam.
Die Band ging zu einer schnelleren Nummer über und einige Ponys standen auf um sich dem lustigen Treiben anzuschließen. Es bildeten sich Paare, die herumwirbelten und mit den Hufen zum Takt stampften.
„Entschuldigen Sie meine schlechten Manieren, Frau Do. Ich würde Sie zu gern zum Tanzen auffordern, dabei habe ich leider vier linke Hufe.“ Sparks verbeugte sich, dass ihm fast das Monokel aus dem linken Auge fiel. Er hatte es kapiert und die Fotos in seine Manteltasche gesteckt. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, könnte ich es mit einem Foxtrott probieren ...“
Daring Do winkte mit dem Huf ab und schüttelte ihren Kopf. „Alles in Ordnung, General. Ich tanze nicht. Eigentlich ...“
Daring unterbrach sich selbst. Sie nahm einen Schluck Apfelsaft und beobachtete aufmerksam eine alte kleine Stute in einem schwarzen hochgeschlossenen gerafften Abendleid, die sich mit einem rundlichen jungen Hengst im braunen Anzug unterhielt. Madame Willow Farn und Herr Thaddeus Ranke. Sie waren nicht nur Mitglieder des Direktoriums und Experten für jedweden Grashalm, Baum und alle Arten von Blumen, sondern sie hatten Theorien zu jenem Gegenstand entwickelt, an dem Daring ein übergroßes Interesse hegte. Wenn irgendein Pony die Information hatte, nach der sie suchte – die tatsächliche Wahrheit über die Blume der Ewigkeit –, dann waren es diese beiden.
Ihre Augen wanderten nervös umher, während sie sprachen, argwöhnisch, dass man sie belauschte. „... nach der Aufführung nehmen wir sie ...“, sagte Madame Farn. Ihre rotgeschminkten Lippen bildeten einen starken Kontrast zu ihrem petrolfarbenen Fell und betonten jedes einzelne Wort.
„Sollten wir es nicht jetzt gleich machen, während ...“, sagte Herr Ranke stirnrunzelnd. Sein buschiger, gelber Schnurrbart erschwerte das Lippenlesen. Er blickte über seine Schulter zu der Pony-Menge, die sich auf eine neue Ladung von Karamell-Apfel-Tartes stürzte. „Kein Pony wird es bemerken, wenn sie fehlt ...“
Ponys auf dem Weg zur Tanzfläche liefen kreuz und quer vor Daring herum und versperrten ihr unbewusst die Sicht, sodass sie hier und da Satzfetzen nicht mitbekam. Aber sie wagte es nicht, sich zu bewegen.
„... werde es nicht glauben ...“, sagte Ranke.
Immer mehr Ponys kreuzten Darings Sichtachse. Geht aus dem Weg!, dachte Daring.
Ranke sprach immer noch. „... widrige Umstände ...“
„... dann wird sie gehen, das hat er gesagt ...“
Zwei Stuten standen vor ihrem Tisch und musterten einander, ob die Frisur saß, bevor sie sich zum Apfelsaftausschank begaben. Vielleicht war es nun an der Zeit, sich etwas näher heranzuwagen.
„... Standort der Blume der Ewigkeit!“, rief Farn aus, in ihrem Gesicht zeichnete sich rätselhafte Sorge ab.
Ranke schnappte nach Luft und legte seinen Huf über Farns Mund. „Nicht hier.“
Daring lehnte sich nach vorn und ihre Augen wurden immer größer. Ihr Instinkt hatte sie nicht getrogen! Sie wussten etwas über das Objekt, nach dem Daring Do suchte.
Es gab vielerlei Anhaltspunkte, dass die mythische Blume tatsächlich existierte. In den meisten Fällen jagte Daring Do handfestere Dinge, die aus robusteren Materialien wie Gold oder Erdpony-Stahl bestanden. Blumen waren am Leben und vergänglich – ein Pony konnte sein Lebtag nach einer seltenen Pflanze suchen, nur um dann herauszufinden, dass diese Art ausgestorben war. Daring Do mochte es nicht, sich mit einer Enttäuschung abzufinden. Konkrete, unvergängliche Dinge, das war ihre Sache.
Aber nach den jüngsten Geschehnissen in Marapore, wo Daring die Dorfbewohner vor einem feurigen Ausbruch des Mount Vehoovius gerettet hatte, hatte sich ihre Ansicht der Dinge geändert. Golden Rule, der Dorfgelehrte von Marapore, hatte ihr ein Abschiedsgeschenk überreicht:
Heimische Magische Pflanzen des Nordens und des Südens, Band 5: Blumen. Das seltene Buch enthielt einen Schatz an Informationen über das betreffende Objekt, inklusive eines kurzen Eintrags zur Blume der Ewigkeit: der einzigen Pflanze, von der angenommen wird, dass sie ewig besteht.
Die unglaubliche magische Blume wurde als Schlüssel zur Unsterblichkeit für jedes Pony betrachtet, das ihren süßen Nektar zu sich nimmt. Das einzige Problem dabei war, dass niemand wusste, wo man sie finden kann. Und selbst wenn – könnte niemand die Information über den Standort weitergeben, weil die Blume jedes Mal, wenn sie gesehen wurde, sich an einem neuen Ort reproduzierte. Um die Sache noch etwas komplizierter zu machen, hieß es, dass die Blume sich jedes Mal weiterentwickelte und neue Merkmale aufwies, die davon abhingen, wer auch immer gerade auf der Suche nach ihr war. Die Blume der Ewigkeit wollte partout nicht gefunden werden. Da war es nur selbstverständlich, dass Daring Do ihrer habhaft werden musste.
Das Lied endete und ein neues begann. Es war eine langsame Nummer.
Genug des Wartens und Pläneschmiedens auf der anderen Seite des Saales! Daring erhob sich und trabte direkt auf den Tisch von Madame und Thaddeus zu, den General, mit offenem Munde, ließ sie einfach stehen. Daring streckte ihren Huf dem verdutzten Thaddeus Ranke entgegen und hob ihre Augenbrauen. „Dürfte ich um einen Tanz bitten, Herr Ranke?“
Der arme Hengst konnte kaum eine Antwort murmeln, da wurde Daring Do von zwei muskelbepackten Ponys im Smoking zu Boden gerissen. Daring hatte einen Anfängerfehler begangen. Sie war derart damit beschäftigt gewesen, den ganzen Abend ihre Zielpersonen zu beobachten, dass sie nicht gemerkt hatte, dass sie selbst im Fadenkreuz stand – in dem Dr. Caballerons höchstpersönlich!