Читать книгу My Little Pony - Daring Do und die Blume der Ewigkeit - A.K. Yearling - Страница 7
Kapitel 2
ОглавлениеDaring übernimmt das Ruder
Der Ärmel des Paillettenkleides riss, als Daring Do auf ihre Hufe sprang und die schweren Ponys von sich abschüttelte. Dass ihr Kleid im Eimer war, kümmerte sie nicht. Der hauchdünne olivfarbene Stoff erschwerte jede Bewegung um das Doppelte. Mit einer graziösen Pirouette, die Daring auf ihrem Hinterhuf vollführte, gab Daring den zwei stämmigen Ponys ordentlich einen mit und schickte sie quer über die glatte Tanzfläche. Das größere der beiden, ein Pony mit einer kurzen orangefarbenen Mähne, krachte gegen einen der Tische. Es grunzte angesichts seiner Niederlage und das Gesteck in der Tischmitte sauste herab, sodass überall die Silberglasscherben klirrten. Die Ponys, die an dem Tisch saßen, rangen fassungslos nach Atem und schirmten ihre kostbaren Gesichter. Einige der Stuten schrien auf, wobei es unklar war, ob sie wegen des Kampfes so aufgelöst waren, oder weil ein paar Apfelsaftspritzer ihre Kleider getroffen hatten.
Der Saal leerte sich. Die Band spielte weiter, nun etwas Peppiges, um mit dem Spektakel, das sich vor ihren Augen abspielte, mitzuhalten.
„Möchte noch jemand mit mir Tango tanzen?“, rief Daring Do den beiden Hilfsbösewichten zu. Die Ponys, verkleidet als Kellner, sahen sich gegenseitig mit ausdrucksloser Miene an. Sie waren nicht unbedingt die hellsten Hufeisen im Stall. „Niemand? Nun, dann lege ich wohl eine Solo-Nummer hin!“ Daring spreizte ihre Flügel und stieg zu dem zwölfarmigen Kristalllüster empor. Sie flog in Höchstgeschwindigkeit und umkreiste den massiven Leuchter wie ein schwindelerregender Tornado in Gold, Grau und glänzendem Grün. Die Kristalle des Leuchters erschienen wie Farbkleckse und boten so eine faszinierende Lichtshow. Die Ponys unten blieben wie angewurzelt stehen, auch die verkleideten Bösewicht-Kellner. Die Band ging in dem Tempo mit und steigerte noch die Raserei. Daring legte sogar noch einmal einen Zahn zu. Einer ihrer liebsten Tricks, um einen Gegner zu schlagen, war es, Verwirrung zu stiften. Das klappte jedes Mal.
„Er wird gleich runterfallen!“, schrie eine Pegasusstute in einem gelben Abendkleid. Mit schreckverzerrtem Gesicht deutete sie auf den schwankenden Kronleuchter. Die Aufhängungen an einer Seite waren gerissen und nur noch eine einzige Stahlkette hielt den Lüster. „Lauft!“
Ponys drängten sich an den Rändern des Saales, nur die zwei Bösewicht-Pony-Kellner hielte die Stellung. Die anderen beiden lagen nach wie vor stöhnend auf dem Parkett und rieben sich die Köpfe. Daring Do drehte in Richtung einer Ecke ab, wo die Decke den höchsten Punkt der Wand traf. Der riesige Kronleuchter schwang wie ein Pendel, genau so, wie es sich Daring ausgerechnet hatte. Erwartungsvoll biss sie sich auf die Lippe. Nur noch eine Sekunde, dann ...
BUMM!
Der Kronleuchter sauste herunter, landete krachend auf einem Tisch und zerstörte alles, was darauf stand. Kristallteile rissen ab und zersprangen wie leuchtendes Feuerwerk. Dann kippte der Tisch zur Seite und rollte gegen einen weiteren, was einen Dominoeffekt auslöste. Schlussendlich bildeten fünf Tische in der Mitte der Tanzfläche eine Einzäunung um vier Bösewicht-Pony-Kellner. Sie saßen in der Falle!
„Das nenne ich den Einkastel-Schritt!“, lachte Daring von der Decke herab. Die Pony-Bande zu fangen, war doch ein einfaches Unterfangen gewesen. Mit ordentlichem Schwung überraschend angreifen und es krachen lassen – da saßen sie, vollkommen hilflos. Dr. Caballeron heuerte immer solche Einfaltspinsel an, was Darings Arbeit erheblich erleichterte. Brachiale Gewalt konnte gegen Gerissenheit und Geschick nichts ausrichten. Selbst wenn diese in einem feierlichen Abendkleid steckten.
„Nicht so schnell, Do!“, erscholl eine Stimme aus der Tiefe des Ballsaales. Sie hatte einen eindeutig auswärtigen Tonfall. Diese Stimme würde Daring Do überall wiedererkennen.
„Caballeron!“, brummte Daring, während sie die Menge nach ihm absuchte. Sie legte die Stirn in Falten und richtete ihre gesamte Aufmerksamkeit auf ihn, der genau an dem Tisch stand, den sie hatte erreichen wollen, als der Tumult losbrach. Er war dort, wo das Direktorium der Botanischen Gesellschaft Equestrias saß. „Hast du immer noch nicht begriffen, dass du dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern sollst?“, fuhr sie ihn an.
Der schmierige Hengst grinste und strich sich die kurze graumelierte Mähne zurecht. Die Bartstoppeln auf seinem Kinn waren viel zu lang, als wäre er schon seit Wochen unterwegs. Und seiner Kleidung nach zu schließen – das übliche braune Hemd und der rotgepunktete Schal – hatte er an der Abendgesellschaft nicht teilgenommen. Er hatte im Hintergrund auf den Moment gewartet, um loszuschlagen und allen Ponys den Abend zu verhageln.
Caballeron ging auf und ab, sein Schönheitsfleck, ein goldener Totenkopf mit roten und weißen Edelsteinen in den Augen, bewegte sich, als wäre er es, der sprach. „Ganz im Gegenteil, Do. Ich hatte dich genauer unter Beobachtung denn je ...“ Er trabte zu Farn und Ranke. Mit einem Seil um die Hufen waren sie gefesselt worden und Klebeband verschloss ihre Schnauzen. Sie wanden sich und wimmerten, aber ihr Klagen war unverständlich. Madame Willow Farn sah aus, als fiele sie gleich in Ohnmacht. „Und meine neuen Freunde Willow und Thaddeus helfen mir bereitwillig, dich bei meinem Ansinnen zur Zusammenarbeit zu bewegen.“ Er tätschelte Madames Kinn mit seinem Huf und zwinkerte. Sie krümmte sich und hatte ein peinvoll verzerrtes Gesicht. „Stimmt’s, meine liebe Madame?“
„Lass sie frei, Caballeron!“, rief Daring. „Die Mitglieder des Direktoriums haben damit nichts zu tun. Das ist eine Sache zwischen dir ... und mir.“ Sie flog herüber und landete auf einem nahegelegenen Tisch, sie hielt den Kopf unten, zeigte die fest zusammengebissenen Zähne und kniff die Augen zusammen. Keinesfalls würde Dr. Caballeron den Gästen diesen Abend noch weiter vermiesen. Die übriggebliebenen Ballteilnehmer hatten sich zu kleinen Gruppen zusammengefunden, kicherten über die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen auf dieser Gala und fragten sich, ob sie wohl ihr Geld zurückbekommen würden. Typisches Verhalten von High Society-Ponys im Fall einer Krise – sich um unbedeutende Dinge sorgen statt um die eigene Sicherheit.
„Ich lasse sie unter einer Bedingung frei, Daring Do ...“ Caballeron schlenderte zu ihr. „Du lässt mich und meine Ponys hier einfach rausspazieren.“ Er hob eine Augenbraue. „Abgemacht?“
„Was ist der Haken an der Sache?“ Daring sprang vom Tisch herab und sah ihm in die Augen. Caballeron hatte etwas Heimtückisches in seinem Blick. Das konnte nur eine Sache bedeuten. „Du führst etwas im Schilde, und das mag ich überhaupt nicht.“ Misstrauisch hob sie eine Augenbraue und forschte in seinem Gesicht nach verborgenen Hinweisen.
„Sagen wir mal so, wir haben bekommen, weswegen wir hier aufgetaucht sind“, spöttelte Dr. Caballeron. „Damit die Blume der Ewigkeit gefunden wird!“ Das Pony hielt eine durchsichtige Glasflasche empor und betrachtete sie zufrieden. Darin lag ein einzelnes Blatt, an den Rändern jadefarben, zur Mitte hin lebhaft lindgrün. Winzige Goldtupfer waren darüber verteilt wie Sommersprossen über einer Schnauze. Die Tatsache, dass Dr. Caballeron das Blatt so sehr wollte, bedeutete, dass es wertvoll war. Caballeron lächelte, seine Augen leuchteten siegestrunken. „Ahuizotl wird hocherfreut sein, wenn wir ihm dieses Exemplar übergeben.“
„Wieder das Verscherbeln gestohlener Dinge gegen Geld, Caballeron?“, höhnte Daring. „Nichts anderes habe ich von dir erwartet.“ Plötzlich nahm Ranke Blickkontakt mit Daring auf. Mit einem angedeuteten Nicken schien er zu sagen: Lassen Sie ihn gehen. Botschaft angekommen – von der Flasche mit dem Blatt drohten laut Ranke keine negativen Folgen. Die Übermittlung der Information war derart feinsinnig, dass Caballeron sie gänzlich übersah.
„Verzieh dich, Caballeron!“, knurrte Daring zähneknirschend. „Und wehe dir, wenn du dich noch einmal in der Nähe von Madame Willow Farn oder Herrn Thaddeus Ranke blicken lässt.“
„Weise Entscheidung, meine Liebe“, sagte Dr. Caballeron grinsend und trat von den Geiseln weg. Er trabte zu dem Gehege, in dem seine Hilfsbösewicht-Ponys gefangen waren, und stemmte sich mit seinen Hinterbeinen gegen einen der Tische. Der schwere Tisch bewegte sich, sodass die Ponys hindurchpassten. Sie purzelten in ihren zerzausten und zerknitterten Anzügen heraus und blickten nach wie vor schafsartig drein. Es war nicht das erste Mal, dass Daring Do ihnen mit kaum mehr als einem Wimpernschlag eine Niederlage beigebracht hatte. Während sich die Rüpelbande sammelte, ergriff Daring die Gelegenheit und band Ranke und Farn los. Das Seil hatte ihre Hufe aufgeschürft und ihre elegante Kleidung zerknautscht.
„Adios, Daring Do!“, rief Dr. Caballeron, während er durch den Bogengang den Haupteingang ansteuerte. Er hielt kurz inne und dreht sich mit einem durchtriebenen Blick noch einmal um. „Übrigens, Daring, du solltest häufiger solche Kleider tragen. Darin siehst du irgendwie ... nett aus.“ Er und seine Gefolgschaft machten wieder kehrt und spazierten durch die Tür in die dunkle Nacht. Daring Do war zornig wie noch nie. Kein Pony durfte sagen, dass sie nett aussieht.