Читать книгу Lina´s Mährchenbuch - Eine Weihnachtsgabe - Albert Ludewig Grimm - Страница 4
Kapitel 2
ОглавлениеIst dein Vater noch nicht kommen
Aus dem reichen Morgenlande?
B e s e n s t i e l c h e n .
Weiß nicht, liebes Besenstielchen.
R o s e l i n d e halb still, verweisend.
Ach, das war ja dumm! du wirst doch
Wissen, ob dein Vater hier ist?
(verbessernd:)
Nein, er ist noch nicht gekommen!
Sieh, so hätt'st du sagen sollen.
B e s e n s t i e l c h e n .
Frag mich wieder, will's dann sagen.
R o s e l i n d e .
Ist dein Vater noch nicht kommen?
B e s e n s t i e l c h e n .
Nein, er ist noch nicht gekommen.
(Man hört vor der Thüre Schira's Stimme.)
R o s e l i n d e freudig.
Ach, da kommt er, Besenstielchen!
Draußen hör' ich seine Stimme.
Freu dich! freu dich! ja, das ist er!
B e s e n s t i e l c h e n .
Könnt ich nur hinaus noch kommen.
Kann ich mich denn nicht verstecken?
(Sie versteckt sich hinter die Tische.)
S c h i r a kommt mit H i r l a n d e und A s t r a l l e .
R o s e l i n d e dem Vater entgegen.
Bist du kommen, lieber Vater?
Bist du endlich wieder kommen?
(Sie springt an ihm hinauf, und küßt ihn.)
Bist so lange ausgeblieben.
S c h i r a .
Ei, was ist das, Roselinde?
Bist du's denn?
R o s e l i n d e steht beschämt.
H i r l a n d e .
Um Himmelswillen!
Wie ist das denn zugegangen?
A s t r a l l e .
Hätt' ich doch darauf geschworen,
Du seist Nachbars Besenstielchen
Drüben aus dem kleinen Häuschen!
S c h i r a .
Wie kamst du zu diesem Kleide?
R o s e l i n d e .
Ach, ich spielte mit dem Mädchen,
Tauschte mit ihm meine Kleider. –
So hab' ich doch auch ein Kleidchen,
Drin ich auf dem Gras darf purzeln,
Und mit andern Kindern spielen.
H i r l a n d e .
Siehst du, Vater! solche Streiche
Macht sie immerfort. Wir haben
Recht viel mit ihr ausgestanden,
Seit allein wir bei ihr waren.
Und auf uns will sie nicht hören.
A s t r a l l e .
Ist so groß und noch so kindisch.
S c h i r a .
Schweigt, o schweigt, ich weiß es lange,
Daß ihr sie auch gern zur Puppe
Putzen möchtet, wie euch selber.
Immer noch das alte Liedchen?
Gleich zum Willkomm nichts als Klagen?
–Und besonders heute müsset
Ihr sie mir nicht schelten. Komm nur!
Komm, mein Roselindchen, komm denn?
(Da R o s e l i n d e zu ihm kommt, hebt er sie in die
Höhe, drückt sie an sein Herz, seufzt schwer, und
die Thränen fallen ihm aus den Augen. Darauf stellt
er sie wieder nieder, und spricht zu ihren
Schwestern.)
Seht, ihr wißt ja nicht, wie lange
Ihr die Schwester bei euch habet.
Eh' vielleicht, als ihr es glaubet,
Wird sie von uns scheiden müssen.
Armes, armes Roselindchen!
(Er drückt sie noch einmal heftig und im Schmerz an
sich; dann eilt er, seine Thränen verbergend, ab.)
R o s e l i n d e sieht ihm weinend nach.
H i r l a n d e .
Ei, was fehlt denn nur dem Vater?
A s t r a l l e gleichgültig.
Was wirds seyn? er ist halt traurig.
Ich mag auch nicht immer lachen.
Aergert mich nur, daß er's grade
Heut zum Willkomm so gewesen.
Jetzt, wer weiß es, noch wie lange
Zeit es dauert, bis wir endlich
Kriegen, was er uns versprochen.
Und ich bin so ungeduldig,
Kann es beinah nicht erwarten.
H i r l a n d e .
Ach, vielleicht hat er es gar nicht.
R o s e l i n d e folgt dem Vater nach.
Ich muß sehen, was ihm fehlet.
(ab.)
L u g a r und G u r a n kommen.
L u g a r .
Hier, ihr Jungfraun, sind vom Vater
Die versprochenen Geschenke.
Hier die reichen Ohrgehänge.
A s t r a l l e nimmt sie ihm schnell ab.
L u g a r .
Hier die Diamantenringe.
H i r l a n d e nimmt sie, steckt sie an.
Ach, wie herrlich!
A s t r a l l e , ihre Ohrringe betrachtend.
Ach, wie kostbar!
G u r a n .
Und für Roselinde hab' ich
Hier ein Röslein in der Dose.
A s t r a l l e zeigt nach der Thüre.
Roselinde ist da drinnen.
H i r l a n d e .
Sag dem Vater nur einstweilen
Unsern Dank.
A s t r a l l e .
Wir kämen selber
Gleich, bei ihm uns zu bedanken.
H i r l a n d e .
Sag, wir wollten die Geschenke
Hier nur erst noch anprobiren,
Und im Schmucke dann uns zeigen.
(L u g a r und G u r a n ab.)
H i r l a n d e .
Sieh die Ringe! sieh die Ringe!
Just für jeden Finger einen,
Und sie passen, wie gegossen.
B e s e n s t i e l c h e n
guckt neugierig hervor, versteckt sich aber sogleich
wieder.
A s t r a l l e .
Aber diese Ohrgehänge!
Sieh, wie bunt, in Farben spielend!
Rothe, blaue, grüne Lichter!
Wie die Diamanten blitzen!
(Sie zieht sie vor dem Spiegel an.)
Und wie leicht sie angehn, sieh doch!
H i r l a n d e .
Ach, jetzt sind wir gar zu glücklich!
Alles, was wir uns nur wünschten,
Haben wir jetzt, Alles, Alles!
A s t r a l l e .
Roselinde war recht kindisch,
Daß sie nur ein Röslein wollte.
H i r l a n d e .
Komm, jetzt wollen wir zum Vater.
A s t r a l l e .
Geh, er ist ja gar zu mürrisch.
H i r l a n d e .
Komm, wir müssen ihm doch danken.
A s t r a l l e .
Ach was! danken! – Glaub nur sicher,
Das ist ihm für seinen Reichthum
N i c h t s gewesen, das zu kaufen.
Und er ist ja unser Vater,
Muß uns geben, was wir brauchen.
Bleib nur bei mir. Wenn er wieder
Heiter ist, und seine Waaren
Einmal im Gewölbe ordnet,
Dann, dann wollen wir ihm danken.
Weißt du? dann erzählt er immer,
Wo er das und jenes tauschte,
Und wie viel er dran gewinnet.
Und am Ende gibt es immer
Dann noch allerlei Geschenke.
H i r l a n d e .
Ja, das können wir noch immer.
Aber jetzt laß uns doch sehen,
Thränen standen ihm in seinen
Augen, als er von uns eilte.
S c h i r a kommt mit Roselinden.
R o s e l i n d e hat das Röslein vorstecken.
Setz dich daher, lieber Vater,
Sey nicht traurig. – Nein, ich sterbe
Nicht so bald; mich wird's nicht fressen.
Besenstielchen soll dir's sagen.
(Sie sieht sich umher.)
Ei, wo ist sie hingekommen?
B e s e n s t i e l c h e n schüchtern hinter dem Tische.
Da!
R o s e l i n d e .
Ei, wo denn?
B e s e n s t i e l c h e n .
Hinterm Tische.
R o s e l i n d e will sie hervorziehen.
Ei, so komm doch vor. Gelt, Vater,
Sie darf hier seyn?
S c h i r a .
Ei, ja freilich.
Komm hervor dort, Besenstielchen.
B e s e n s t i e l c h e n kommt furchtsam.
R o s e l i n d e .
Gelt, ich hab die Blumenlichter
Heute alle ausgeblasen,
Daß kein Härchen dran geblieben?
B e s e n s t i e l c h e n .
Das muß wahr seyn, nicht ein Härchen.
R o s e l i n d e .
Sag auch, was mir das bedeutet.
B e s e n s t i e l c h e n .
Das bedeutet langes Leben.
S c h i r a .
Zeig einmal, lieb Besenstielchen.
(Er nimmt sie beim Arm und betrachtet sie.)
Ei, du siehst wie Roselinde
Völlig aus in diesen Kleidern.
B e s e n s t i e l c h e n lacht in sich.
Bin's doch nicht. – Ei, Roselinde,
Ei da hast du noch ein Röslein?
S c h i r a seufzend.
Ja, da hat sie noch ein Röslein –
Aber denk, um dieses Röslein
Muß sie übermorgen sterben,
Wird ein häßlich Thier sie fressen.
B e s e n s t i e l c h e n .
Fressen?
S c h i r a .
Ja, Herr Mordi –
B e s e n s t i e l c h e n .
Mordi?
Das ist der dort in dem Garten,
Wo die Blumen immer blühen?
S c h i r a .
Weißt du von ihm?
B e s e n s t i e l c h e n .
Ja! Großmutter
Weiß von ihm gar schöne Mährchen,
– Habt Ihr ihm in seinem Garten
Dieses Röslein abgebrochen?
S c h i r a .
Ja.
B e s e n s t i e l c h e n .
Für w e n man etwas abbricht,
Der muß ihm zu eigen werden.
Nein, dem dürft Ihr sie nicht schicken.
Ach, das arme Roselindchen
Würde sich gar vor ihm fürchten,
Und da würd' es gleich gefressen.
Nein, da schicket mich hinüber, –
Wär ja Schad um Roselindchen!
Und ich weiß mich gut zu schicken,
Denn ich weiß es aus den Mährchen,
Die Großmutter mir erzählte.
S c h i r a .
Ei, du bist ein braves Mädchen,
Besenstielchen. Ach, ich wollte
Recht für deinen Vater sorgen,
Wollt' ihm Geld und Waaren geben,
Und ihm sonst noch manche Wohlthat
Bei Gelegenheit erzeigen.
B e s e n s t i e l c h e n .
Ach, der Vater wird schon froh seyn,
Wenn er mich nicht mehr darf kleiden,
Und mich nicht mehr muß ernähren.
Denn er klagt ja oft, er könne
Uns nicht Alle mehr ernähren,
Weil das Brot so theuer wäre.
Hab' ich ja noch sieben Schwestern,
Und ich bin die kleinste, kann ihm
Auch noch nichts verdienen helfen.
Kommt nur schnell mit mir hinüber.
R o s e l i n d e .
Aber, liebes Besenstielchen –
B e s e n s t i e l c h e n .
Nein, du darfst nicht, Roselinde!
Kommt nur, kommt nur mit zum Vater.
(Sie geht mit Schira und Roselinde ab.)
A s t r a l l e und H i r l a n d e
standen während der letzten Scene ganz verwundert
und schweigend da.
H i r l a n d e .
Ei, was war denn das, Astralle?
A s t r a l l e .
Kam das kleine Besenstielchen
Doch am Ende ganz in Eifer. –
Wär' es nur nicht da gewesen!
H i r l a n d e .
Möcht' es nur ausführlich wissen,
Was denn eigentlich geschehen.
Wart, ich frag den alten Sami,
Der wird mir es schon erzählen.
(Sie geht ab.)
A s t r a l l e .
Und ich geh zum Besenbinder.
Ich will doch nur gerne sehen,
Wie das Ding zu End mag gehen.
(Sie geht ab.)
Zweiter Akt.
Erste Scene.
(In Herrn Mordi's Garten.)
Ein freier, grüner Platz auf der hintern Seite des
Schlosses; auf der einen Seite von einem
Birkenwäldchen begränzt. Mordi liegt im Grase,
nahe am Eingang in das Schloß.
M o r d i .
Heut ist schon der dritte Morgen,
Seit der reiche Kaufmann Schira
Mir das Röslein abgebrochen;
Und es sind schon meine Diener
Frühe von mir ausgegangen,
Roselinde mir zu holen.
– Will am Thor hier liegen bleiben,
Bis sie angefahren kommen.
– Wenn sie sich doch nur nicht fürchtet,
Sonst muß ich sie auch zerreißen.
Muß mich nur recht traurig stellen,
Denn sonst glänzen meine Augen
Gleich so feurig, daß sich Alle,
Die mich sehn, vor mir entsetzen.
– Das war ja mein Unglück immer:
Wenn sie freundlich mit mir waren,
Und ich auch dann freundlich wurde,
Glänzten mir gleich meine Augen,
Wackelte gleich meine Nase,
Schlappte meine lange Zunge,
Spitzten sich die Zottelohren, –
Und dann ging die Furcht sie an,
Daß ich sie zerreißen möchte, –
Und da m u ß t ich sie zerreißen.
Denn es sprach ja meine Mutter,
Weil ich ihre Zaubereien
Einst mit Schelten ihr verwiesen,
Ueber mich den Zaubersegen:
»Schiltst du mich?
Zaubersegen
Wandle dich!
– Zaubersegen
Hat Gewalt;
Bringt zuwege
Ungestalt.
Sey von neuer
Art ein furchtbar Ungeheuer.
Und im Zaubergarten
Mußt als Wächter warten. –
Deinen Krallen
Ist verfallen,
Wer das kleinste Blümlein bricht.
Schonen darfst du nicht.
Bis das Schicksal es gewähret,
Daß ein Mädchen eins begehret. –
Ohne Schonen
Aus dem Vaterhaus genommen,
Muß sie in den Garten kommen,
Bei dir wohnen.
Wird sie aber Furcht beweisen,
Mußt du sie alsbald zerreißen.
Streichelt sie dich mit den Händen,
Dann nur kann dein Unglück enden.
Doch verrathen darfst du nicht,
Wie man diesen Zauber bricht,
Willst du jemals noch auf Erden
Menschlich werden
Von Gebehrden. –
– Zaubersegen
Hat Gewalt,
Bringt zuwege
Ungestalt.«
– Freilich hab ich manch Geräthe,
Sonst auch Alles, was ich brauche,
Das mit zauberischen Kräften
Mir nach meinem Willen dienet.
Aber doch sitz' ich schon länger,
Als neunhundert Jahr, als Wächter
Dieses Gartens unerlöset.
Doch vielleicht ist mir Erlösung
Näher schon, als ich es hoffe.
– Ei, da kommt sie ja gefahren!
Ach, sie sollte mich doch dauern,
Wenn sie sich gleich fürchten würde,
Und so früh schon sterben müßte.
– Mein Gesicht muß ich nur wenden,
Daß sie's nicht sogleich erblicke,
Eh' ich sie drauf vorbereitet.
(Er wendet sein Gesicht gegen das Schloß.)
B e s e n s t i e l c h e n
kommt in einer prächtigen, aus Golde getriebenen
Kutsche, die wie die Sonne glänzet, von acht
schneeweißen Pferden mit Flügeln und schwarzen
Mähnen und Hufen an rothem Sammtgeschirre
gezogen. Die Polster in der Kutsche sind ebenfalls
von rothem Sammt und reich mit Gold gestickt.
Besenstielchen gegenüber, auf dem vordern Sitze,
sitzt ein Vehkätzchen in menschlicher Stellung. Auf
dem Kutschbocke und den Pferden sitzen Affen als
Kutscher; hinten auf stehen zwei Pudelhunde
aufrecht als Bediente, und vor den Pferden laufen
zwei sehr große langbeinige Störche als Läufer. –
Wenn sie bis an das Thor des Schlosses gekommen
sind, halten die Pferde; die zwei Pudelhunde
springen hinten herunter, und laufen an den
Kutschenschlag.
M o r d i ohne umzusehen.
Kommt ihr endlich meine Diener?
Lange seid ihr ausgeblieben.
D i e P u d e l h u n d e .
Wau, wau! wau, wau!
M o r d i .
Kann mir's denken,
War der Abschied so gar traurig. –
Hebet sie doch aus dem Wagen.
B e s e n s t i e l c h e n zu den Pudelhunden.
Ei, ihr wart ja noch so eben
Schöne Herrn in reichen Kleidern,
Und jetzt seid ihr Pudelhunde?
Und das Thier, ist das Herr Mordi?
(Sie steigt aus.)
D i e P u d e l h u n d e
nicken mit den Köpfen, steigen dann wieder hinten
auf die Kutsche; das Kätzchen steigt ebenfalls aus,
und halt sich hinter Besenstielchen; die Affen
steigen wieder auf den Kutschbock und die Pferde,
und fahren durchs Thor in das Schloß.
M o r d i .
Fürchtest du dich vor mir, Kleine?
B e s e n s t i e l c h e n .
O nein, gar nicht!
M o r d i .
Wenn ich aber
Dich mit meinen Feueraugen
Jetzt betrachte, wirst du zittern.
B e s e n s t i e l c h e n .
Ei, warum nicht gar! – und wären
Deine Augen noch so feurig,
Sind sie doch nicht ganz so glühend,
Als auf unserm Heerd das Feuer,
Oder als die Abendsonne.
Da hinein kann ich gut sehen.
Was ist da sich denn zu fürchten?
Guck nur um, du sollst es sehen,
Daß ich mich nicht fürchten werde.
M o r d i .
Aber meine langen Ohren.
B e s e n s t i e l c h e n .
Ach, die seh ich auch schon hinten.
Vaters Esel hat sie länger.
M o r d i .
Aber meine krummen Zähne?
B e s e n s t i e l c h e n .
Sind gewiß noch nicht so lange,
Als des Elephanten Zähne,
Den ich gestern sah im Kasten.
M o r d i sieht sich um.
Du gefällst mir, Roselinde.
B e s e n s t i e l c h e n .
Du mir aber nicht ein Bißchen.
M o r d i .
Sei mir doch nicht gar so kindisch!
B e s e n s t i e l c h e n .
Liebe Zeit, was hängt so lange
Roth aus deinem Maul da 'runter?
Hast du so 'ne große Zunge?
M o r d i .
Das ist freilich meine Zunge. –
Aber komm, ich will den Garten
Dir jetzt zeigen und das Wohnhaus.
(Er will sie packen und führen.)
B e s e n s t i e l c h e n .
Nein, ich kann alleine gehen.
Bleib mir nur drei Schritt vom Leibe, –
Wenn ich mich schon gar nicht fürchte;
Bist doch aber gar zu garstig.
– Sind auch Kinder da zum Spielen?
M o r d i .
Nein, sonst sollst du Alles finden,
Gutes Essen, gutes Trinken,
Schöne Kleider, schönes Spielwerk,
Schöne Blumen, schöne Früchte,
Schnelle Diener, schnelle Mägde –
Aber Menschen gibt's hier keine.
B e s e n s t i e l c h e n .
Keine Menschen? – Deine Diener!
Deine Mägde sind doch Menschen?
M o r d i .
Hast du es denn nicht gesehen?
Hattest du nicht Menschendiener?
Und wo sind sie hingekommen?
B e s e n s t i e l c h e n sieht um nach dem Kätzchen.
Ja 's ist wahr! das war ein Mädchen,
Aber jetzt ist's gar ein Kätzchen.
M o r d i .
Alle sind zwar klug, wie Menschen,
Doch sie können gar nicht sprechen.
– Komm, wir wollen durch das Wäldchen,
Da ist schöner kühler Schatten.
B e s e n s t i e l c h e n .
Ei, das sind ja lauter Birken!
M o r d i .
Birken? nun, was ist's denn weiter?
B e s e n s t i e l c h e n .
Ach, wenn die mein Vater hätte,
Da könnt' er recht Besen binden.
M o r d i .
Besen binden? – Ei, ei! höre,
Ist er denn ein Besenbinder?
B e s e n s t i e l c h e n für sich.
Ach, wie bin ich dumm gewesen!
(laut.)
Nein, ich mein nur, w e n n er's wäre.
M o r d i .
Wenn er's wäre? – Doch wie kommst du
Da gerad' auf's Besenbinden?
Bist du etwa Besenstielchen?
B e s e n s t i e l c h e n .
Ach, so giebt's ja, glaub ich gar keins.
M o r d i .
Gar kein Besenstielchen gäb es?
Ei, wie heißt denn wohl das Mädchen
In dem kleinen Nebenhäuschen,
Das mit Roselinden gestern
Noch in Schira's Hause spielte,
Und die Kleider mit ihr tauschte?
Ich sah's wohl im Zauberspiegel. –
Warte, zeig mir deine Schuhe,
Ob sie roth sind!
(Sie zeigt ihre rothen Schuhe.)
Ei, ei, wirklich!
Bist du n i c h t das Besenstielchen?
Gibt es noch ein Besenstielchen?
Holla! Diener!
E i n P u d e l h u n d kommt.
M o r d i .
Schnell die Kutsche!
D e r P u d e l h u n d ab.
M o r d i .
Hätte nur dran denken sollen.
Du hast ja auch nicht das Röslein,
Das ihr Vater hier gebrochen;
Denn das welket nicht, wie andre,
Schon am ersten, zweiten Morgen.
Das bleibt frisch, so lang man lebet,
Und für wen man's hier gebrochen,
Der behälts, so lang er lebet.
(Der Wagen kommt, wie vorhin bespannt, und hält
bei Mordi.)
M o r d i .
Nehmet schnell das Besenstielchen,
Führt es hin, woher ihr's brachtet.
Nehmt den Zauberspiegel mit euch,
Haltet ihn vor Schiras Augen,
Daß er's deutlich darin lese,
Roselinden wollt' ihr holen,
Und daß ich mit seinen Kindern
Ihn verderbe, wenn er's waget,
Noch einmal mich zu betrügen.
(B e s e n s t i e l c h e n wird in die Kutsche gehoben
und fortgefahren.)
M o r d i nachrufend.
Besenstielchen! Besenstielchen!
Laß es dir nicht mehr gelüsten,
Vor die Augen mir zu kommen;
Denn du wolltest mich belügen.
Schira hat mich auch betrogen,
Muß mit schwerer Krankheit büßen.
Und du selbst wärst mit dem Leben
Dießmal nicht davon gekommen,
Hättest du es nicht aus Liebe
Nur gethan zu Roselinden.
(Er geht in's Schloß ab.)
Zweite Scene.
(In Schira's Kaufgewölbe.)
Es liegen große Päcke, Ballen und Kisten mit
Waaren umher. Schira ist damit beschäftigt, sie zu
ordnen und zu zeichnen.
S c h i r a , A s t r a l l e und H i r l a n d e zusehend.
A s t r a l l e .
Was ist denn in dieser Kiste?
S c h i r a .
Das sind lauter Perlenschnüre,
Und zwar lauter Kirschenperlen,
Die man darum also nennet,
Weil sie groß sind, wie die Kirschen.
H i r l a n d e .
Ei, wo gibt's die großen Perlen?
S c h i r a .
Diese kommen aus dem Reiche
Ceilon, einem Insellande.
A s t r a l l e .
Krieg' ich nicht auch drei, vier Schnüre
Von den schönen Kirschenperlen?
Meine Perlen, die ich habe,
Sind ja kaum so groß, als Erbsen;
Und die mag ich nun nicht tragen,
Seit ich weiß, daß es so große
Perlen gibt, als wie die Kirschen.
S c h i r a .
Jede soll sechs Schnüre kriegen.
H i r l a n d e .
Was ist in dem großen Packe?
S c h i r a .
Das sind feine Wollenzeuge,
Die ich in dem Türkenlande
Zum Verkaufe mitgenommen.
A s t r a l l e .
Hast du denn auch Straußenfedern?
S c h i r a .
Straußenfedern? Ei, ja freilich!
Daran läßt sich viel gewinnen.
A s t r a l l e .
Willst du nicht ein Paar mir schenken?
Sie sind gar zu schön zum Kopfschmuck.
S c h i r a .
Ja, sobald ich sie nur finde,
Leg ich dir davon bei Seite.
H i r l a n d e .
Vater, gibst du mir denn keine?
S c h i r a .
Ja, auch du sollst welche haben,
Und auch meine Roselinde.
A s t r a l l e .
Ach, was kann denn d i e mit machen?
Lieber gib uns mehr. Die Kleine
Braucht noch keine hohen Federn.
R o s e l i n d e kommt eilig.
Vater! Vater! Besenstielchen –
Eben kommt's daher gefahren!
Freu dich! 's ist ihm nichts geschehen,
's ist auch nicht gefressen worden.
S c h i r a , A s t r a l l e und H i r l a n d e .
Besenstielchen?
R o s e l i n d e .
Ei, ja freilich!
Guckt durch's Fenster da hinüber.
Eben ist es ausgestiegen. –
Das ist aber schnell gefahren.
(Sie sehen zum Fenster hinaus.)
S a m i kommt traurig.
Herr, es kommt von Mordi's Dienern
Eben einer nach dem Hause.
S c h i r a .
Ha, was wird mir das bedeuten?
R o s e l i n d e .
Freust du dich denn nicht von Herzen?
Ach mein liebes Besenstielchen!
Ach, ich muß nur gleich hinüber.
(Sie springt hinaus.)
E i n D i e n e r M o r d i ' s .
Er ist sehr reich gekleidet. In der Hand trägt er
einen kleinen Zauberspiegel, den er, indem er vor
Schira tritt, demselben vorhält.
S c h i r a erbleicht.
O, mein gutes Roselindchen,
Mußt du doch das Opfer werden?
A s t r a l l e sieht auch hinein.
H i r l a n d e .
Ei, was sieht man in dem Spiegel?
M o r d i ' s D i e n e r mit S a m i ab.
A s t r a l l e gleichgültig.
Ach, die kleine Roselinde
Muß nun hin zu Mordi's Garten.
(zu S c h i r a , der weinend die Hände ringt.)
Schäm dich, Vater, so zu weinen,
Wird ihr nicht gleich was geschehen.
H i r l a n d e
die indeß zum Fenster hinausgesehen.
Eben wird sie fortgefahren.
S c h i r a .
Fortgefahren? Roselinde?
(Er reißt das Fenster auf, und ruft:)
Roselinde! – Roselinde! –
Roselinde! –
A s t r a l l e .
Was die Pferde
Schnell hinflogen, wie die Pfeile.
H i r l a n d e .
Möcht' wohl selbst einmal so fahren.
S c h i r a .
Aber nicht nach Mordi's Garten.
– O, ihr, meine lieben Töchter!
Roselinde ist verloren!
Ihr verliert die beste Schwester,
Ich die beste, frömmste Tochter!
A s t r a l l e .
Es geschieht ihr recht gerade!
Warum läuft sie denn auch immer
Auf der Gasse, wie ein Bettler?
Ich hab's ihr gar oft verwiesen.
Ist sie deine frömmste Tochter,
Warum will sie denn nicht folgen,
Wenn Verständige ihr rathen.
S c h i r a .
Ja, sie war mein frömmstes Mädchen,
Hat mich mehr, als ihr, geliebet.
H i r l a n d e .
Ei, du hast sie ja auch immer
Ueberall uns vorgezogen,
Hast ihr manchmal was gegeben,
Was wir selber noch entbehrten,
Und wir sind denn doch die ält'sten.
S c h i r a .
Schweig, o schweig, ich weiß zu wohl nur,
Ihr verkaufet eure Liebe,
Liebet darum nur den Vater,
Weil er Putz und Schmuck euch schenkte;
Aber meine Roselinde
Hätte mich geehrt, geliebet,
Wenn ich auch in Bettlerkleider,
Nur in Lumpen sie gekleidet.
A s t r a l l e .
O, du brauchst u n s nicht zu schelten.
Hast dirs selbst ja zuzuschreiben,
Daß das Herzblatt nun dahin ist.
H i r l a n d e .
Komm, Astralle, wollen gehen;
Er ist wieder ungeduldig.
(Sie gehen ab, und werfen die Thüre zu.)
S c h i r a .
Was? und das sind meine Kinder?
Also lieben sie den Vater
Und die gute, fromme Schwester?
Roselinde, Roselinde!
Was magst du erlitten haben
Von dem Haß der eiteln Schwestern,
Seit ich ferne war vom Hause?
– O, du fromme Roselinde!
Mit dir ist mein Glück verloren,
Mit dir jede Lebensfreude.
Trüb und trüber wird mein Leben.
Einem Zauber preiß gegeben,
Häuft sich mir von Tag zu Tage
Neuer Schmerz und neue Plage,
Bis die stille Todesnacht
Mir so Klag' als Thräne stillt
Und mir Rosalindens Bild
In den Himmelsgärten mild
Wieder einst entgegen lacht.
Dritter Akt.
Erste Scene.
(Mordi's Schloß.)
In Roselindens Zimmer. Roselinde hat sich eben
angekleidet; das graue Kätzchen hat ihr geholfen
und ist eben mit der Aufräumung des Zimmers
fertig.
R o s e l i n d e .
So, nun geh nur, Misekätzchen,
Keine Hilfe brauch' ich weiter.
M i s e k ä t z c h e n .
Miau! miau!
R o s e l i n d e lachend.
Ja, miau! miau! was heißt denn
Das Miau, lieb Misekätzchen?
Ich versteh nicht Katzensprache.
M i s e k ä t z c h e n sich an ihren Arm
schmeichelnd.
Miau! miau!
R o s e l i n d e .
's ist schon gut, geh nur hinunter.
Bring zum Frühstück Obst und Kuchen.
Du sollst auch vom Kuchen haben.
M i s e k ä t z c h e n abgehend.
Miau!
R o s e l i n d e .
Wenn das gute Miesekätzchen
Nur wie Menschen reden könnte.
Ach, wie wäre das so herrlich!
Dann wär's ganz so klug, wie Menschen. –
Ach, schon bin ich bald vier Jahre
Ganz entfernt von allen Menschen.
Hier ist zwar wie Menschen Alles
Klug, Herr Mordi und die Thiere,
Und was ich nur wünschen könnte,
Alles, alles hab ich reichlich.
Und Herr Mordi ist so freundlich,
Aber gar zu, gar zu garstig.
Fürchterlich ist er mir gar nicht,
Aber, ach, ihn nur zu sehen,
Eckelt mir schon oft gewaltig,
Und ihn gar dann anzurühren
Wäre mir nun ganz unmöglich.
Und doch bittet er oft kindisch,
Daß ich ihn doch streicheln möchte.
Heiß ich ihn dann von mir gehen,
Dann entfernt er sich gehorsam.
Aber immer will mir's scheinen
Seine Augen würden trübe,
Als wenn Thränen kommen wollten,
Und ich fühle oft dann Mitleid,
Ordentlich, als wär's mein Bruder.
Wär er nur nicht gar so garstig,
Würd' ich ihn einmal doch streicheln,
Denn ich bin ihm gut von Herzen,
Wie ich gut war meinem Vater.
– – Meinem Vater! – ach, der Arme!
Wie's ihm gehn mag? wüßt ich das nur!
Wie er sich gegrämt mag haben?
Wüßt' er nur, daß ich noch lebe,
Daß es mir so gut ergangen!
– – O, wie schön wars doch zu Hause!
Und wie mag es jetzt dort gehen? –
Ach, vielleicht ist er gestorben
Gar vor Gram um meinetwillen.
Lieber Vater! – Armer Vater!
(Sie weint.)
M o r d i bringt ein Körbchen mit Obst.
Guten Morgen, Roselinde!
Sieh, da hab ich Pomeranzen
Und noch andre süße Früchte
In dem Garten dir gebrochen.
– – Wie? du weinst? was ist dir, Liebe?
R o s e l i n d e schweigt und weint.
M o r d i .
Ist dir was zu Leid geschehen?
R o s e l i n d e .
Nein!
M o r d i .
Was ist der Thränen Ursach?
R o s e l i n d e .
Ach! ich denk an meinen Vater, –
Könnt' ich sehn nur, daß er lebet.
M o r d i ruft.
Holla! Diener!
E i n P u d e l h u n d kommt.
M o r d i .
Bring mir eilig
Meinen Spiegel doch herüber.
P u d e l h u n d läuft, und kommt schnell mit dem
Spiegel wieder.
M o r d i hält ihr den Spiegel vor.
Denke nur an deinen Vater,
Und du siehst ihn hier im Spiegel.
R o s e l i n d e lacht in Thränen.
Ach, da ist das Haus des Vaters!
Da der Hof, die Gartenthüre,
Und da liegt der treue Leo,
Unser Hofhund, an der Kette!
Ei, da bin ich ganz zu Hause.
Wer ist denn der fremde Mann dort,
Der im Garten traurig sitzet,
Und so bleich ist im Gesichte?
(fängt plötzlich an zu weinen.)
Ach, du Himmel, 's ist der Vater!
's ist mein guter, lieber Vater.
Ach, wie bist du krank und elend!
Nun, was machst du? Willst du aufstehn,
Und vermagst es nicht aus Schwäche?
Mußt die Krücke darzu brauchen?
– Ach wie wankst du mit der Krücke.
Und ist keine meiner Schwestern
Um dich, die dich pflegen könnte?
O, da kommt der alte Sami
Dir entgegen, dich zu stützen.
(Sie weint.)
Ach, du Himmel! ach, du Himmel!
Muß sich selbst in seinem Zimmer
Seine Arzeneien holen. –
Ei, wo sind denn meine Schwestern?
Sollten die nicht, immer Eine,
Bei dir sein, und dich bedienen?
Und dich pflegen, armer Vater?
M o r d i .
Willst du deine Schwestern sehen?
R o s e l i n d e .
Ja, da sind sie, da Hirlande
Und dort neben auch Astralle.
Ei, was thun sie da am Tische?
Ach, sie spielen. Da sind Karten.
Pfui! wer mag mit Karten spielen?
Ach, was liegt da auf dem Tische
Für ein Haufen Geld von Golde –
Und ringsum, was kleine Häufchen;
Warum sehen sie denn alle
Nach dem dicken Herrn dort oben?
Da! – Er zeigt jetzt seine Karte.
Ei, was ist das? – Wie sich alle
Die Gesichter jetzt verzerren.
Ach, er hat es all gewonnen.
Denn er scharrt mit einer Harke
All die kleinen gold'nen Häufchen
Jetzt zu seinem großen Haufen. –
– Ei, Herr Mordi, sag, in welchem
Orte sind denn meine Schwestern?
M o r d i .
Sind in's nächste Bad gefahren,
Sich Vergnügen da zu machen.
R o s e l i n d e .
Und der Vater sitzt zu Hause,
Ohne Pflege, ohne Wartung,
Nur von Fremden schlecht bedienet?
Und doch besser noch gepfleget,
Als von seinen eignen Kindern.
– O, du armer, armer Vater!
– Ach, da ist er ja schon wieder,
Seh' ihn wieder in dem Spiegel.
Horch! da sprach er eben seufzend.
Sprach vielleicht gar meinen Namen.
– Wenn ich doch nur bei dir säße,
Du mein lieber, guter Vater!
Bist du jetzt so ganz alleine?
Hast von deinen Mädchen keine,
So dich in der Krankheit pflege,
Deine Arzenei dir gebe,
Und dich stütze, und dich führe.
(Sie weint bitterlich.)
Ach wenn ich nur bei dir wäre;
Ach, wie wollt' ich für dich sorgen!
Daß du unter meiner Pflege
Völlig bald genesen solltest,
Lieber, armer, kranker Vater!
M o r d i .
Holla! Diener!
P u d e l h u n d e kommen.
Wau! wau!
M o r d i .
Bringt den Wagen.
P u d e l h u n d e ab.
M o r d i .
Wär ich krank, wie jetzt dein Vater,
Würdest du auch Mitleid fühlen?
R o s e l i n d e .
Würdest mich gewiß recht dauern. –
– Ei, was willst du mit dem Wagen?
Willst du doch nicht gar verreisen,
Und mich ganz alleine lassen?
(Man hört unten den Wagen vorfahren und die
Pudelhunde rufen: Wau, wau!)
M o r d i .
Du kannst reisen, Roselinde.
R o s e l i n d e .
Ich darf reisen? i c h ? zum Vater?
M o r d i .
Was du brauchst von schönen Kleidern,
Geld und Kleinod und dergleichen,
Auch Geschenke für die Heimath,
Findest du in deinem Wagen.
Auch ein Fläschlein Balsamthau,
Von dem Lebensbaum gesammelt,
Hab ich dir hinzugefügt,
Deinen Vater zu erretten
Von dem sichern nahen Tode.
– Hier, nimm aber diesen Spiegel.
R o s e l i n d e .
Ach, den kann ich dort nicht brauchen.
M o r d i .
Nicht dort brauchen? Roselinde!
Willst du mich dort ganz vergessen?
R o s e l i n d e .
Nein, o nein! du bist so gütig;
Nein, ich will dich nie vergessen.
M o r d i .
Gut. So nimm auch diesen Spiegel,
Sieh an jedem dritten Abend,
Eh du dich zum Schlafe legest,
Drin nach mir, ob ich noch lebe,
Noch gesund bin, was ich mache.
Siehst du aber krank mich liegen,
Dann, o liebe Roselinde,
Komm mit deinem Balsamthaue
Schnell mit deinen Flügelpferden.
Nur der Balsam kann mich retten,
Der auch deinen Vater rettet.
Willst du thun, was ich dich bitte?
Sieh, so oft du unterläßt,
Nach mir in den Zauberspiegel
Einzusehn, muß ich in Schmerzen,
Stärker, als je Menschen fühlten,
Um ein Zwanzigtheil von meiner
Größe, Dick' und Schwer zusammen-
Runzeln, bis nach zwanzig Malen
Gar nichts von mir übrig bleibet.
Gelt, du wirst mich nicht vergessen?
R o s e l i n d e .
Nein! – Gewiß, gewiß, Herr Mordi,
Werd' ich niemals dich vergessen.
M o r d i .
Sechzig Tage darfst du bleiben,
Dann mußt du zurücke kehren.
R o s e l i n d e .
Ach, wie gut bist du, Herr Mordi.
Will auch sicher nie vergessen,
In den Spiegel einzusehen.
M o r d i .
Holla! Diener!
P u d e l h u n d e und M i s e k ä t z c h e n kommen.
M o r d i .
Hebt die Jungfrau in den Wagen,
Fahret rasch mit ihr von dannen;
Wißt es ja, wohin sie reiset.
(zu Roselinde.)
Sieh, da ist auch Misekätzchen,
Nimms doch mit zu deinem Vater.
Lebe wohl!
R o s e l i n d e bewegt.
Leb wohl, Herr Mordi.
M o r d i .
So? du weinst?
R o s e l i n d e .
Ich dachte eben,
Wie die Zeit dir lang mag werden,
Wenn du niemand hast zu pflegen,
Niemand mehr, der mit dir redet.
Ach, wenn's nicht der Vater wäre,
Oder wär' er nicht erkranket,
Wüßt' ich wohl, daß ich dann bliebe.
M o r d i .
Du bist fromm, lieb Roselinde.
Sei zufrieden. Schau nur fleißig
Nach mir in den Zauberspiegel,
Dann wird alles gut noch gehen.
Komm hinab in deinen Wagen.
(Sie gehen Alle ab.)
Zweite Scene.
(In Schira's Hause)
S c h i r a auf einem Ruhebette. Der Arzt bei ihm.
S c h i r a .
Lieber Meister, wie ich sagte,
Jeden Tag geht's immer schlechter.
A r z t .
Macht Euch doch nicht solche Grillen.
S c h i r a .
Keine Grillen! – Ach, ich fühl' es! –
A r z t .
Könnt Ihr denn nicht freier athmen!
S c h i r a .
Wenig. Wohl gibt's Augenblicke,
Da die Brust mir freier dünket,
Da sie wieder leicht sich dehnet –
Doch im andern Augenblicke
Schnürt sie wieder sich zusammen,
Daß ich kaum zu Athem komme.
A r z t .
Leidet Ihr dann große Schmerzen?
S c h i r a .
Körperlich nicht eben Schmerzen. –
Bange, – bang, so recht im Innern,
In der Seele, möcht' ich sagen,
Fühl' ich mich alsdann beklommen.
A r z t .
Sind die Arzenein zu Ende?
S c h i r a .
Hab sie pünktlich eingenommen.
A r z t .
Will Euch eine neu verschreiben,
Die gewiß Euch wohl bekommet.
S c h i r a .
Ist sie blau?
A r z t .
Blau? Wie verstehet
Ihr denn das?
S c h i r a .
Ei, blau von Farbe!
Seht, ich hab seit heute immer
Einen Balsam in dem Sinne,
Der allein mich heilen könnte:
Wüßt ich nur ihn zu bekommen!
Wenn ich nur daran gedenke,
Fühl' ich wunderbar mich stärker.
Wüßt' ich nur ihn zu beschreiben.
Er ist himmelblau von Farbe,
Braußen muß er in der Schale,
Süß und bitter muß er schmecken,
Ach, und – o, ich fühl' es deutlich,
Wie er mir die Brust durchströmet,
Und die alten Schäden heilet,
Daß ich ganz mich neu verjünge.
A r z t .
Ja, ich weiß es, was Ihr meinet.
Habt Ihr denn in Euerm Leben
Je den blauen Trank gesehen?
S c h i r a .
Niemals, nie in meinem Leben.
A r z t .
Wunderbar! – Es gibt solch einen
Trank, und ich erkenn' ihn deutlich:
's ist der Thau vom Lebensbaume,
Der im Paradies gewachsen,
Den Herrn Mordi's böse Mutter
Endlich nach gar mancher Erbschaft
Noch geerbt von einer Muhme,
Und der in Herrn Mordi's Garten
Nur allein noch steht auf Erden.
Wer ihn aber holt, den Balsam,
Setzt sein Leben auf die Waage,
Ach, schon Tausend, über Tausend,
Büßten mit dem Tod das Wagniß.
S c h i r a .
Und allein in Mordi's Garten?
Ach, nun schlagt Ihr meine Hoffnung
Ganz darnieder.
A r z t .
Habt Ihr keinen
Treuen Diener, der mit Freuden,
Euch das Leben zu erhalten,
Seines auf die Wage setzte?
S c h i r a .
Keinen, keinen, der so Treue,
Als auch Muth in sich vereinigt.
Und dann möcht' ich auch den treuen
Diener nicht zum Tode senden.
A r z t .
Ihr seid immer nicht verloren,
Könnt noch sonst gerettet werden.
Darum seid nur gutes Muthes.
Aber dennoch hoff' ich immer,
Euch den Balsam noch zu schaffen.
(ab.)