Читать книгу Tok-Tok im Eulengrund - Albert Wendt - Страница 10
5.Kapitel Das große Glüh
Оглавление„Ich bin so glü…, ich bin so glü…, ich bin so glücklich“, jauchzte zur gleichen Zeit, etwa hundert Meter entfernt, das große Glüh in seinem Bett.
„Oho, mal was ganz Neues“ antwortete Tok-Tok und sah von ihrem Buch auf. Im größten Wohnraum des Betriebsbahnhofs stand Tok-Toks Bett den Fenstern gegenüber an der Wand, im rechten Winkel am Kopf- und Fußende waren die Betten der jungen Frauen.
„Und warum, mein Glühwürmchen, bist du denn heute so glü…?“
„Weil er mir gesagt hat, dass ich ein prächtiges Weib bin.“
„Er hat mit dir kein Wort gesprochen.“
„Stimmt, mit dem Mund hat er nichts gesagt, aber mit den Augen hat er deutlich gesagt: ‚Du bist ein prächtiges Weib!‘ Darum bin ich glü… Ich glaube, er ist ein wenig in mich verliebt.“
„Ach, mein Glühwürmchen, da irrst du dich. Er ist in mich verknallt. Naja, vielleicht auch ein wenig in Rose.“
„Aber auch in mich. Er hat es deutlich mit den Augen gesagt.“
Ein Kissen flog aus Roses Bett hinüber zu Glüh. Die jungen Frauen bewarfen sich mit Kissen, die alte Frau lachte. Dann war es lange still. Rose schlief. Die Buchseiten in Tok-Toks Hand raschelten.
„Ich bin so unglü…“, flüsterte das große Glüh.
„Und warum, mein Kind, bist du auf einmal so unglü…?“, flüsterte Tok-Tok, ohne vom Buch aufzusehen.
„Weil ich eine fette Made bin.“
„Ach, mein liebes Dumm, von einer gewissen Höhe aus gesehen bist du nur ein Würmchen. Und du bist ein erfreuliches Würmchen, weil du glühst. Du bist halt ein Glühwürmchen.“ Glüh seufzte und war nicht mehr unglü… Sie war übrigens nie richtig unglü… Sie wusste gar nicht, wie das geht.
„Gute Nacht, Tok-Tok.“
„Ja, ja, schlaf endlich.“
„Tok-Tok?“
„Schlaf.“
„Ist unser Kinderschreck ein richtiger Schriftsteller?“
„Da gibt es eine warme Wahrheit und eine kalte. Die warme sagt: Ja. Ein Verlag hat einige dünne Büchlein von ihm gedruckt. Einige Zeitungen haben das freundlich bemerkt. Irgendwo wird es eine alte Tante geben, die das ausschneidet und in Heftchen klebt. Die kalte Wahrheit aber sagt: Nein. Die kalte Wahrheit sind die verkauften Bücher.“
„Schlimm wenig?“
„Im hunderter Bereich.“
„Es kann aber noch werden.“
„So denke ich auch.“
„Tok-Tok, du könntest ihn mir jeden Tag für ein Stündchen schenken.“
„Wozu?“
„Damit ich ihn mit meinem Besen verdreschen kann. Er braucht das. Er braucht Antrieb. Er sieht schon etwas träge aus und wird fett.“
„Na, meinetwegen.“
„Ach, bin ich glü…“
Die jungen Frauen schliefen. Die alte Tok-Tok las bis zum Morgen.