Читать книгу Die Welt der Mumien - Albert Zink - Страница 11

Aus welcher Zeit stammen Mumien? – Das Alter von Mumienfunden

Оглавление

Immer wieder tauchen in den Medien Berichte über den Fund der ältesten Mumie der Welt auf. Dabei wird meist nicht sehr genau unterschieden, ob es sich um natürliche oder künstliche Mumien handelt und unter welchen Umständen es zur Mumifikation und zum dauerhaften Erhalt des Fundes gekommen ist. Daher sollen in diesem Abschnitt die ältesten bislang bekannten und sicher datierten Mumienfunde kurz vorgestellt werden, um einen Eindruck zu vermitteln, aus welcher Zeit menschliche Körper überliefert wurden und wie weit die natürlich-intentionelle und die künstliche Mumifizierung zurückreichen. Die künstliche Haltbarmachung von menschlichen Überresten ist natürlich vor allem aus dem alten Ägypten in der Zeit der großen Herrscher wie Tutanchamun oder Ramses bekannt. In der Tat hat die Mumifikation gerade im Neuen Reich des alten Ägyptens, ca. 1550 bis 1080 v. Chr., ihre Blütezeit erreicht, in der die Technik und die Effizienz des Verfahrens extrem ausgereift waren. Dennoch reichen die Anfänge der Einbalsamierung bis in das Alte Reich, also bis etwa 2500 v. Chr. zurück. Vor einigen Jahren wurden sogar die etwa 5000 Jahre alten mumifizierten Überreste eines Beamten der ersten Dynastie im alten Ägypten entdeckt, auf denen Hinweise auf die Aufbringung einer harzartigen Substanz gefunden wurden. Somit zählt dieser Fund zu den ältesten Belegen für die künstliche Mumifizierung im alten Ägypten. Darüber hinaus finden sich aber noch deutlich ältere Mumien aus der prädynastischen Zeit (ca. 4000 bis 3000 v. Chr.) des alten Ägyptens. Ein bekanntes Beispiel ist die Mumie mit dem Spitznamen „Ginger“, die seit 1901 im British Museum London ausgestellt ist und auf ca. 3400 v. Chr. datiert wurde. Dabei handelt es sich um die sehr gut erhaltene Mumie eines Mannes, die gemeinsam mit fünf weiteren Mumien aus einer Grabstätte nahe des Ortes Gebelein in der ägyptischen Wüste geborgen wurde. Seit dem Jahr 2004 wird der Spitzname „Ginger“ aus ethischen Erwägungen seitens des British Museums nicht mehr offiziell verwendet. Bei der Mumie handelt es sich um ein frühes Beispiel für eine natürliche Mumifikation, bei der der außerordentlich gute Erhaltungszustand auf die trockene Lagerung im Wüstensand zurückzuführen ist. Von der Zeitstellung her ist sie mit der Gletschermumie „Ötzi“ zu vergleichen, die auf 3.300 v. Chr. datiert wurde und ebenfalls ein Beispiel für die natürliche Mumifikation darstellt, wobei diese im Fall des Mannes aus dem Eis auf die ständige Lagerung in Schnee und Eis zurückzuführen ist. Darüber hinaus weisen Funde aus Libyen darauf hin, dass auch dort bereits vor etwa 5500 Jahren Verstorbene künstlich mumifiziert wurden. Somit reichen die Mumienfunde der Alten Welt zurzeit bis etwa 3500 v. Chr. zurück.

Deutlich ältere Mumien finden sich dagegen auf dem amerikanischen Kontinent. Südamerika bietet eine immense Fülle an Mumienfunden, die zwar weit weniger bekannt sind als die altägyptischen Mumien, aber eine ebenso große Faszination ausstrahlen und auch von großem wissenschaftlichem Interesse sind. Gerade in den trockenen Wüstengebieten Perus und Chiles, aber auch in den hochgelegenen Andenregionen finden sich ideale klimatische Voraussetzungen, die eine natürliche Konservierung von toten menschlichen Körpern ermöglichen. So reichen die Mumienfunde, die überwiegend im Westen Südamerikas gemacht wurden, von Kolumbien über Ecuador bis nach Argentinien. Darunter finden sich auch einige der bislang ältesten bekannten Mumien der Welt. In der Atacama, einer der trockensten Wüste der Erde, lebte seit etwa dem 7. Jahrtausend v. Chr. das Volk der Chinchorro. Aus dieser Kultur stammen die ersten künstlichen Mumien, wobei die Chinchorro zunächst ihre verstorbenen Kinder und später auch Personen aller anderen Altersgruppen konservierten. Die ältesten Funde wurden auf 5050 v. Chr. datiert und sind somit über 1000 Jahre älter als die ältesten ägyptischen Mumien. Zudem finden sich auch frühe Beispiele natürlich entstandener Mumien. Darunter ist mit dem sogenannten Acha-Mann, der in der Nähe der Hafens von Antofagasta gefunden wurde und auf ca. 7000 v. Chr. datiert wurde, eine der ältesten nachgewiesenen Mumien der Welt. Des Weiteren sind vereinzelte Funde aus anderen Regionen Südamerikas bekannt geworden, die ebenfalls auf ein sehr hohes Alter geschätzt werden. So sind beispielsweise im Jahre 1964 an der Grenze von Argentinien zu Chile, in der Provinz San Juan, Bergsteiger am Andengipfel Cerro Torre auf eine vermutlich 7000 Jahre alte Mumie gestoßen. In Peru sind sogar Mumienfunde vorhanden, die auf ein Alter von bis zu 10.000 Jahren geschätzt werden. Allerdings fehlen in diesen Fällen noch fundierte Untersuchungen zur genauen Datierung und den kulturellen Hintergründen. Solange diese nicht vorliegen, muss man die Chinchorro-Mumien als die derzeit ältesten bekannten Mumien Südamerikas betrachten. Um nochmals mehr als 400 Jahre vor den ersten Chinchorro-Mumien datiert die Mumie eines etwas 45 bis 55 Jahre alten Mannes, der in der Spirit-Cave-Grotte im heutigen Staat Nevada in Nordamerika gefunden wurde. Bei den menschlichen Überresten handelt es sich um eine teilweise skelettierte und trockenmumifizierte Leiche, bei der Schädel und Schulter noch mit Haut und Haaren versehen waren. Die anfangs als deutlich jünger betrachtete Mumie wurde 1994 einer Radiokarbondatierung unterzogen und dabei ergab sich das erstaunliche Alter von 9415 +/− 25 Jahren. Somit kann der Spirit Cave Man als die zurzeit älteste Mumie der Welt angesehen werden.

Die Mumifikation ist allerdings keineswegs nur ein Phänomen vergangener Zeiten und früherer Kulturen, sondern hat bis in die heutige Zeit Bestand. In Europa finden sich in zahlreichen Kirchen und Grüften natürlich konservierte Mumien, die bis ins 19. Jahrhundert hinein in diesen bestattet wurden und überwiegend aufgrund der günstigen klimatischen Bedingungen mumifiziert wurden. Zusätzlich setzte sich in Europa zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Technik des Einbalsamierens durch, bei der eine arsenhaltige Flüssigkeit über die großen Blutgefäße, wie beispielsweise die Halsschlagader oder Oberschenkelarterie, in den Körper des Verstorbenen eingefüllt wurde, der dadurch konserviert wurde. Diese Methode, die eine Eröffnung des Körpers überflüssig machte, wurde vor allem im südlichen Italien weiter verfeinert und es wurde zunehmend versucht Alternativen zu der Verwendung der giftigen Schwermetalle Arsen und Quecksilber zu finden. Dies gelang als einem der Ersten dem sizilianischen Präparator und Einbalsamierer Alfredo Salafia, der eine eigene Einbalsamierungslösung entwickelte, die auf Formalin, Glyzerin und Alkohol (in Wasser gelöstes Formaldehyd) basierte. Dadurch wurde die Verwendung von giftigen Schwermetallen unnötig und Salafia konnte mit seiner neuen Methode beeindruckende Ergebnisse erzielen. Einige Beispiele für seine Einbalsamierungskunst finden sich noch heute in der Kapuzinergruft in Palermo, zu denen auch die beeindruckend gut erhaltene, 1920 im Alter von nur zwei Jahren gestorbene Rosalia Lombardo gehört. Die Verwendung von Formalin setzte sich im Allgemeinen in der medizinischen Präparation (Anatomie) von menschlichen Geweben durch und wird noch heute zum Beispiel in den USA zur Einbalsamierung von Leichnamen verwendet, um eine vorübergehende Aufbahrung der Toten zu ermöglichen. Die Technik der Einbalsamierung wurde vor allem auch bei hochgestellten Persönlichkeiten wie Päpsten, Mitgliedern von Herrscherfamilien und Politikern angewandt. Die bekanntesten Beispiele dafür sind Lenin, Mao Zedong und Evita Perón. Insgesamt ist es aus religiösen, ethischen und auch gesellschaftlichen Gründen in der heutigen Zeit nicht mehr üblich die Toten mit dem Ziel einer dauerhaften Erhaltung der körperlichen Hülle für die Ewigkeit zu konservieren. Generell dienen Einbalsamierungen nur noch der vorübergehenden Bewahrung des Körpers zum Zwecke der Aufbahrung oder auch zur Ausbildung von Medizinstudenten in der Anatomie. Ausnahmen bilden dabei vielleicht die Plastinate des Präparators Gunther von Hagens und der Versuch von oft schwerkranken Menschen, durch die sogenannte Kryokonservierung in flüssigen Stickstofftanks zu überdauern, um in weiter Zukunft bei entsprechender Weiterentwicklung der medizinischen Verfahren wieder zum Leben erweckt und geheilt werden zu können.

Die Welt der Mumien

Подняться наверх