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„ Gerade eben“, gähnte Aidan, noch immer nicht richtig wach. „ Hast du etwas zu essen für mich?“

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Aidan und die Meerjungfrau

„ Aidan, Aidan“, sagte sie.

„So kriegst du mich nie!

Erfolgloser Zauberer,

der du bist!

Karrst besser Mist!“

Der Zauberer Aidan von Centh erwachte aus wirren Träumen. Noch immer hörte er die Stimme von Bean, des Grafen jüngstem Sohn, der ihn gestern mit diesen Reim verspottet hatte. Müde fuhr er sich über das stoppelige Kinn, aber die Worte blieben in seinem Gedächtnis haften und brannten dort bittere Löcher hinein. Es war nicht leicht mit Kindern, dachte er. Aber was soll ich machen? Ich muss doch auch essen. Dabei bin ich Zauberer, kein Lehrer!

Draußen krähte der Hahn zum dritten Mal vor seinem Fenster und der Zauberer quälte sich aus dem Bett. Seine Schlafkammer mit dem Bett und einer Truhe in der Ecke war um diese frühe Morgenstunde, es wurde gerade hall draußen, noch eiskalt. Fröstelnd zog er sich sein Hemd und die Hose über, schlüpfte in die Stiefel und verließ seine Schafkammer. Er hoffte, sich in der Küche aufzuwärmen zu können, denn dort waren sicher schon die Köche bei der Arbeit.

Nebenan, in der großen Burgküche, waren die Köche schon dabei, den Ofen und die Feuerstelle anzuheizen. Mägde und Knechte schafften Mehl und Milch heran, um das Frühstück für den Grafen zu zubereiten.

„ Na, der Zauberer auch schon wach“, neckte ihn die alte, zahnlose Cadha und schob mit Schwung den großen, eisernen Kessel über die Feuerstelle.

„ Erst arbeiten, dann essen“, meinte sie und drückte ihm einen Leinensack mit Haferflocken in die Hand. „ Hilf mir mal. Der Graf wünscht heute Haferflockengrütze zum Frühstück. Immer hinein in den Kessel.“

„ Ich bin Lehrer, kein Koch“, beschwerte sich Aidan, tat aber was sie verlangte. „Mach mich hinterher nicht dafür verantwortlich, wenn es nicht schmeckt.“

„ Du machst das schon, Jüngelchen“, lachte die Alte und kniff ihm vertraulich in die Backe. „ Nimmst du mich mit in deine Kammer heute Nacht? Dann koche ich dir ein fürstliches Frühstück.“

„Was sagt denn dein Mann dazu“, wehrte Aidan ihre Attacke ab, schließlich war sie viel älter als er. „Ich will keinen Ärger kriegen.“

„Ach der? Treibt es mit der jungen Magd Hulda. Und ich? Ich will dich, mein Zauberer. Heute Nacht?“ Cadha grinste so breit, dass Aidan sämtliche Zahnlücken sah. Er blickte angeekelt weg und schüttelte sich fröstelnd.

„ Zuviel der Ehre, gute Cadha. Einen Kanten Brot und etwas Käse reicht mir fürs erste. Ein fürstliches Frühstück brauche ich nicht“, antwortete er trotzdem freundlich und rührte in ihrem Kessel.

Die Alte lachte lauter. „ Dann wirst du arbeiten müssen. Rühren, Zauberer. Es sei denn, du wirkst einen Zauber und lässt die Arbeit von deinen Kobolden machen.“

„ Nein, die haben heute frei. Nach dem Frühstück muss ich die Kinder des Grafen unterrichten. Sie warten sicher schon auf mich.“ Aidan rührte kräftig in dem Topf und wünschte sich an einen anderen Platz in der Burg. Cadha nervte ihn gewaltig.

„ Dann rühr mal schneller, Zauberer. Wenn der Brei fertig ist, kannst du gehen. Hier, dein Brot. Da du mich nicht mit in deine Kammer nehmen willst, bereite mir einen Liebestrank. Ich warte heute Abend hier auf dich.“ Cadha zwinkerte ihm zu.

„ Ich war nie gut in Liebestränken“, murmelte Aidan, aber die Alte hörte ihn schon nicht mehr, denn sie war in den hinteren Teil der Küche verschwunden. Frustriert probierte er den Brei und verzog das Gesicht. Es schmeckt nach nichts, dachte er. Ich brauche Honig. Viel Honig. Aber warum ich? Sehe ich wie ein Koch aus? Nein!! Ich bin hier Lehrer, sonst nichts!!

Er schwenkte den Kessel an den Rand der Feuerstelle, wobei er sich die Finger verbrannte und sie unter Wasser kühlen musste. Dann verließ er kauend mit seinem Brot die Burgküche.

Im Rest der Burg herrschte um diese Zeit weniger Betriebsamkeit als in der Küche. Auf dem Weg zu den Unterrichtsräumen im oberen Teil des Gebäudes begegneten ihm kaum Menschen. Die meisten schliefen noch zu dieser frühen Stunde. Aidan hoffte, die sechs Kinder des Grafen schon anzutreffen, aber der Raum war noch leer. Staubflocken tanzten im Lichtstrahl und ließen ihn wie verzaubert wirken.

Gut, dachte er. Heute werde ich die Verwendung von Pilzen und Alraunen durchnehmen. Pilze waren schon immer mein Fachgebiet. Halogene Drogen, das sollte ein Zauberer wissen. Und auch den Kindern des Grafen kann es nicht schaden. Aber nicht zu viel, das ist gefährlich. Nicht nur für sie, sondern auch für mich, wenn es schief geht.

Behutsam holte er seine Präparate aus dem Schrank im hinteren Teil des Raums und baute sie auf dem Pult auf. Er verteilte Proben der Pilze auch auf die Tische, an denen die Kinder saßen und wartete dann auf seine Schüler. Draußen waren Wolken aufgezogen und tauchten den Raum in ein düsteres Zwielicht. Es wird regnen, dachte er versonnen. Regen wäscht alles rein!

Aidan überlegte gerade, seine Schüler zu suchen, als die Tür aufgerissen wurde. Laut schwatzend stoben die sechs Kinder des Grafen in den Raum.

„ Was machen wir heute“, fragte Bean, der Jüngste und quetschte sich an seiner älteren Schwester Coira vorbei. „ Ah, Pilze. Langweilig, total langweilig“, meinte er mit einen Blick auf die Exponate, die auf dem Pult standen.

„ Heute nehmen wir die Pilze und deren Wirkung auf den menschlichen Körper durch. Das ist ein wichtiger Teil der Kräuterkunde,“ erklärte Aidan ihnen, seine Schüler waren aber nicht gewillt, ihm zuzuhören. Bean zog seiner Schwester Coira an den langen Haaren, worauf sie mit ihrer Schiefertafel auf ihn zielte. Scheppernd flog sie an seinem Kopf vorbei und landete zerberstend an der hinteren Wand. Tausende spitze Scherben spritzten in alle Richtungen.

„ Coira, womit willst du jetzt schreiben“, wies sie Aidan streng zurecht. „ Ruhe bitte! Der Unterricht hat begonnen.“ Aber die Grafenkinder hörten nicht auf ihn und schwatzten weiter.

Nur mit Mühe gelang es Aidan die Kinder zur Raison zu bringen, was nicht hieß, dass sie auch im Unterricht mitmachten. Seoc, der Älteste der Kinder, kritzelte Wörter auf seine Tafel, die nichts mit Pilzen zu tun hatten. Offenbar hatte er beim letzten Burgfest ein Mädchen kennengelernt, welchem er nun Liebesbriefe schrieb. Aidan erkannte einzelne Worte und er fragte sich, woher der Junge die Frechheit nahm, derart obszön zu schreiben. Immerhin war er erst fünfzehn und schrieb schon von heißen Schäferstündchen, wie der beste Minnesänger, den Aidan kannte.

Brenda, die Zweite der Grafenkinder, nutzte die Proben, um ihre Geschwister zu beschießen, die sich lauthals beschwerten und ebenso zielsicher zurück feuerten. Die Zwillinge Deirdre und Eara waren die einzigen, die sich die Proben zumindest etwas genauer ansahen. Aber gelangweilt legten sie sie kurz darauf wieder weg und blickten Aidan abwartend an.

„ Pilze sind Drogen“, begann Aidan mit lauter Stimme in dem Tumult. „ Sie haben eine Bewusstseinserweiternde Wirkung und können zur Heilung verschiedener Krankheiten genutzt werden.“ Je länger er redete, desto ruhiger wurde es im Raum und Aidan konnte seinen Unterricht endlich fortsetzen.

Nach der Kräuterkunde stand Alchimie auf dem Stundenplan. Aidan erklärte den Kindern, wie man aus Blei Gold machen konnte. Dazu mischte er verschiedene Metalle mit Säuren und Pulvern. Dann erhitzte er das Ganze, rührte es kräftig durch und als es wieder abkühlte, lag ein glänzendes Körnchen Gold in seinem Glas.

Eifrig wollten es die Kinder nun auch ausprobieren und mischten die verschiedenen Substanzen. Was dann dabei schief ging, konnte Aidan hinterher nicht mehr sagen, aber die Mischung von Seoc flog mit einen riesen Knall in die Luft. Rauch wallte auf und als er sich gelegt hatte, waren der Raum und der Junge mit dicken Ruß bedeckt. Zum Glück blieben die Kinder unverletzt, auch wenn sie sich heftig bei Aidan beschwerten. Sie warfen ihm vor, sie mit diesen Experimenten töten zu wollen. Was Aidan heftig verneinte. Den restlichen Vormittag musste er seinen Unterricht in dem Raum, der nebenan lag, halten.

Der übrige Tag verlief für Aidan besser, denn Dichtkunst und Rechnen waren eher nach dem Geschmack seiner Schüler und auch ungefährlicher als Alchimie. Daher hörten sie wenigstens zu.

Zum Mittagessen kehrte Aidan in die Burgküche zurück. Cadha war nicht dort, was ihn sehr freute. Es verschaffte ihm den Aufschub, den er brauchte ,um die Wünsche der Alten zu erfüllen. Nach seinem dürftigen Mahl, aus den Resten von Braten und Kuchen der hohen Herrschaften oben im großen Saal, nutzte Aidan die Zeit, draußen in dem Burggarten die Kräuter zu sammeln, die er für den Liebestrank brauchen würde. Er hoffte nur, dass die Alte ihn nicht an ihm ausprobieren wollte. Der Zauberer war nicht sehr erpicht auf ein Schäferstündchen mit der alten Magd. Zu Frauen hatte er sowieso ein zwiespältiges Verhältnis, denn bisher schien sich keines der jungen Mädchen für ihn näher zu interessieren. Ob das an seiner dunklen Kleidung lag oder seinem Beruf, konnte er nicht genau sagen. Was ihm im Grunde nur Recht war, denn seit seiner Kindheit liebe er heimlich ein rothaariges Mädchen, das er am Strand kennengelernt hatte und von dem er Nacht für Nacht träumte. Ob sie real war, wusste er bis heute nicht zu sagen. Aber er wünschte es sich und hoffte sie irgendwann zu wieder treffen.

Er erinnerte sich, dass seine Mutter ihm früher immer von Meerjungfrauen erzählt hatte. Eine Frau mit Fischschwanz, das wäre es, dachte er. Genauso ein Außenseiter wie er und exotisch dazu. Ob es sie gab, bezweifelte er nur selten, auch wenn sein Vater immer gemeint hatte, seine Mutter würde ihn verweichlichen mit diesen Geschichten. Aidan sehnte sich nach einem Wesen, welches ihm ähnlich und bereit war, sein Leben mit ihm zu teilen. Bisher hatte er dieses Wesen noch nicht gefunden.-

Kaum war er wieder in der Burg, ließ man ihm ausrichten, der Fürst wünschte ihn zu sprechen. Erstaunt und überrascht machte er sich sofort auf den Weg hinauf in die Privatgemächer der fürstlichen Familie. Den Fürsten fand er in dem kleinen Audienzsaal, den er nur für besondere Besprechungen nutzte.

„ Kommen Sie herein, Herr Aidan. Setzen Sie sich. Möchten Sie etwas trinken?“ Der Fürst, ein rundlicher Mann Anfang der fünfziger, deutete auf den Sessel vor ihm.

„ Danke, nein. Sie ließen nach mir rufen“, fragte Aidan neugierig und etwas besorgt.

„ Ja, ich muss mit Ihnen sprechen. Wie Sie wissen, war ich immer mit ihrer Arbeit hier sehr zufrieden. Leider haben sich die Umstände geändert, so dass ich ihre Tätigkeit hier nicht mehr brauche“, begann der Fürst und blickte ihn ernst an.

„ Sie entlassen mich“, rief Aidan. Damit hatte er nicht mal in seinen kühnsten Träumen gerechnet.

„ Ja, ich muss. Mein Ältester reist schon morgen zu meinem Schwager auf Burg Falkenstein. Er wird dort zum Ritter ausgebildet. Und Brenda hat einen netten Mann in Aussicht. Ende des Jahres wird die Hochzeit sein. -Die anderen Kinder haben nun genug gelernt, so dass ich leider keine Verwendung mehr für Sie als Lehrer habe.“ Der Fürst rieb sich nachdenklich das Kinn. „ Sie verstehen, es fällt mir nicht leicht. Aber ich sehe keine andere Möglichkeit.“

„ Wann…wann endet meine Tätigkeit hier“, fragte Aidan geknickt. Er war verzweifelt, denn wo sollte er so schnell eine neue Anstellung her bekommen?

„ In einer Woche. Ich zahle Ihnen auch noch das ausstehende Gehalt. Es tut mir wirklich leid.“ Der Fürst lächelte ihn entschuldigend an, blieb aber bei seinen Worten.

Aidan nickte. „ Nun gut. Ich packe meine Sachen.-Wollen Sie es sich nicht noch mal überlegen“, fragte er, hoffend, doch noch bleiben zu können.

„ Sie haben noch einige Tage Zeit. Ich hoffe, Sie bleiben zum Erntedankfest Ende der Woche“, fragte der Fürst, ohne auf Aidans Bitte einzugehen.

„ Sicher. Danke.“ Wie ein geprügelter Hund verließ Aidan den Fürsten. Wieder mal hatte er eine Lehreranstellung verloren. Nicht das erste Mal und ,vermutlich, auch nicht das letzte. Er fragte sich, was er falsch machte, das seine Anstellungen immer schon nach kurzer Zeit endeten? Lag es an ihm oder an den Umständen, die momentan herrschten. Man munkelte von Krieg an der Grenze und den Überfall finsterer Horden. Immer wieder ließ der König seine Untergebenen zu den Waffen rufen und auch die Fürsten auf ihren Burgen waren verpflichtet, ihm zu folgen. Taten sie dies, benötigten sie erstmal keinen Lehrer mehr.

Ich bin ein miserabler Zauberer, und ein noch schlechterer Lehrer, dachte er. Vielleicht sollte ich doch besser das Kriegshandwerk lernen, so wie sich das mein verstorbener Vater gewünscht hatte. Aber nein, ich bin und bleibe Zauberer! Das ist das, was ich immer wollte! So wie mein Großvater, der geschätzt und geachtet wurde. Solas, der Mächtige, nannten sie ihn. Ich wünschte, ich wäre wie er!

Traurig und mutlos kehrte Aidan in seine Kammer zurück. Auch wenn er noch Zeit hatte, packen wollte er schon jetzt. Mit hohen Herrschaften hatte er so seine Erfahrungen gemacht. Heute redeten sie so, morgen so. Besser, die Sachen waren gepackt, dann konnte er verschwinden wenn es Not tat.

Es war nur wenig, was er in seinen Beutel stopfte. Ein wenig Wäsche zum Wechseln und seine Kräuterbeutel, natürlich. Alles andere gehörte nicht ihm und man würde schon bald dort jemand anderes beherbergen.

„ Hast du meinen Trank vergessen“ fragte die Alte, als Aidan wieder in die Küche kam.

„ Nein, habe ich nicht. Ich bereite ihn dir jetzt zu“, meinte Aidan kurzangebunden.

„ Schlechte Laune“, fragte sie ihn ungerührt.

„ Nein. Ich denke nur nach. Lass mich in Ruhe.“ Aidan war leicht genervt und zeigte dies auch.

„Schon gut, Herr Zauberer. Er soll ja gut werden, der Trank. Ich hole ihn später ab.“ Sie zwinkerte ihm zu und ging zurück an ihre Arbeit.

Aidan mischte die Kräuter und kochte dann aus ihnen einen Sud, den er soweit reduzierte, dass er das ganze Aroma des Sommers enthielt. Vorsichtig füllte er das Ganze dann in eine irdene Flasche und brachte sie Cadha.

„ Hier, dein Trank. Ich hoffe, er zeigt die gewünschte Wirkung“, sagte er.

Die Alte bedankte sich und verstaute die Flasche unter ihre Röcke. „ Wird sie schon. Bist und bleibst der beste Zauberer der Welt. Ich koche dir heute Abend was Gutes, als Lohn. Wie du weißt, habe ich nicht viel, um dich zu bezahlen.“

„ Ist schon gut. Habe ich gerne gemacht“, wehrte Aidan ab. „ Solange du ihn mir nicht ins Essen mischt. Ich bin kein lohnendes Opfer deiner Begierden, Cadha.“

„ Das ist mir doch klar, Zauberer. Ich brauche ihn auch nicht für dich, sondern für den Stiefelknecht des hohen Herrn. Der ist so recht nach meinem Geschmack. Und noch ohne Frau.“ Cadha grinste breit.

„ Und dein Mann“, fragte Aidan vorsichtig, denn er wollte sich mit dem Knecht nicht anlegen.

„ Der vergnügt sich anderweitig, wie ich schon sagte. Was er kann, kann ich auch.“ Fröhlich summend entfernte sich die Alte und Aidan fragte sich, was er da getan hatte. Er hoffte, keinen Ärger zu bekommen für seinen Liebestrank, denn der Leibdiener des Fürsten war ein bulliger Mann, mit dem man sich besser nicht anlegte.

Am Abend nahm sich Aidan frei und verließ die Burg und den Felsen, auf dem sie lag. Ein schmaler, steiler Weg führte durch den dichten Wald hinab ins Tal, wo das Dorf lag, welches die Burg mit Getreide und Fleisch versorgte.

Zwanzig strohgedeckte Häuser drängten sich zwischen Felsen und Fluss, durchschnitten von einer einzigen, schlammigen Straße. Ganz am Ende lag die Schänke, die Aidan hin und wieder aufsuchte, um Neuigkeiten zu erfahren.

Der schmale Gastraum lag in dichte Rauchschwaden gehüllt, welche von dem Feuer an der hinteren Wand und den Pfeifen der Gäste stammten. Neben dem Wirt waren noch drei weitere Männer anwesend. Sie hockten um einen der hölzernen Tische und unterhielten sich. Nach einem kurzen Blick auf sie, er kannte keinen von ihnen, ließ sich Aidan am Tresen nieder und bestellte Bier.

„Was gibt es Neues, Freund Wirt“, fragte er den Besitzer der Schänke, einen jungen Mann mit einer schiefen Nase und strohblonden Haaren.

„ Es heißt, es gibt Krieg an der Grenze“, antwortete der ihm und stellte Aidan einen Krug Bier auf den Tresen.

„ Heißt es nicht immer, es gibt Krieg“, fragte Aidan. „ Seit ich hier arbeite, erzählst du mir das.“

„ Weil es wahr ist,“ antwortete der Wirt. „ An der Grenze wird gekämpft und der König fordert alle tauglichen Männer auf, sich zu melden.“

„ Auch das erzählst du mir dauernd. Wie sieht die Lage weiter im Süden aus? Was ist mit den Drachen und den Elfen?“ Der Zauberer trank einen Schluck. „ Kämpfen sie oder halten Frieden?“

„ Die Grenze im Süden ist friedlich. Nur die Trolle und Riesen im Norden machen Ärger. Aber was will man von diesen auch erwarten? Sie sind immer auf Raub aus. Kein Wunder, das der König seine Truppen dort nicht abziehen kann.“ Der Wirt zapfte ein weiteres Bier und brachte es seinen Gästen an den Tisch.

„ Danke, Wirt,“ bedankte sich einer von ihnen. Die Stimme ließ Aidan aufhorchen, sie erinnerte ihn an jemanden den er kannte. Er betrachtete den großen Mann, der ihm den Rücken zuwandte, genauer. Lockige, blonde Haare kräuselten sich über seine breiten Schultern. An der Hüfte das Schwert, welches ihn als Krieger auswies. Gekleidet war er in Kettenhemd und Lederhose, den eiserenen Helm hatte er neben sich auf den Boden gelegt.

„ Caoilte Zwergenbart“, sprach Aidan den Mann an. Dieser drehte sich bei den Worten um und Aidan erkannte seinen Jugendfreund wieder. „ Du hast dich wenig verändert.“

„ Aidan von Centh, wie er leibt und lebt“, polterte der Hüne und schob den Stuhl zur Seite. „ Was treibst du hier, an diesem einsamen Ort.“ Er umarmte den schmächtigeren Zauberer.

„ Ich arbeite für den Fürsten von Adlernase. Oben auf der Burg. Und du, was machst du hier?“ Aidan konnte es nicht fassen, hier an dieser Schänke ein bekanntes Gesicht zu treffen.

„ Ich bin auf der Suche nach Abenteuern. So wie damals, als wir den Meerdrachen besiegt haben. Erinnerst du dich noch daran.“ Caoilte strahlte ihn an.

„ Ja, ich erinnere mich. Wie lange bleibst du noch, Caoilte?“

„ Ein paar Tage, denke ich. Krieg ist nicht so mein Ding. Daher gedenke ich nach Süden zu reisen. Dort war ich seit unserem Abenteuer nicht mehr.“

„ Das trifft sich gut. Nach dem Herbstfest werde ich die Burg verlassen. Ich würde mich gerne bei dir anschließen“, meinte Aidan hoffnungsvoll.

„ Warum nicht. Wenn du mir erzählst, wie es dir so ergangen ist seit dem wir uns das letzte Mal gesehen haben“, antwortete der große Krieger.

„ Gerne.“ Und die beiden zogen sich an einen anderen Tisch zurück, wo Aidan von seinen diversen Anstellungen erzählte und seinen Reisen durchs Land. Caoilte hörte aufmerksam zu und erzählte seinerseits von seinen Abenteuern.

So schritt der Abend voran und es war schon sehr spät, als sich Aidan wieder auf den Weg hinauf auf die Burg machte. Die Bäume am Wegesrand rauschten im Wind und unheimliche Rufe erschreckten den Zauberer. Er beeilte sich das sichere Burgtor zu erreichen, wo ihn die Wachen, die ihn kannten, sofort einließen, ohne ihn wie üblich zu necken und zu verspotten.

Am nächsten Tag reiste der älteste Sohn des Grafen ab, was seine Geschwister zum Anlass nahmen, nicht am Unterricht teilnehmen zu wollen. Stattdessen zankten sie sich die ganze Zeit über Belangloses und Aidan gelang es diesmal nicht, Ruhe in das Chaos zu bringen. Vorzeitig beendete er daher den Unterricht und wanderte wieder hinunter ins Tal, um Caoilte zu treffen.

Der große Krieger wartete schon auf ihn an der Schänke. Lässig lehnte er neben der Tür und behielt die Straße im Blick.

„ Guten Morgen, Aidan. Bist du gut zurück in deine Burg gekommen“, fragte er ihn lächelnd.

„Danke, ja. Und du? Ausgeschlafen, nach den nächtlichen Gelage“, spöttelte Aidan mit einem Grinsen im Gesicht. Er erinnerte zu gut an die letzte Nacht.

„ Geht so. Mein Schädel brummt. Bin so viel Bier nicht mehr gewohnt. In den letzten Monaten hatte ich genug mit Drachen zu tun. Keine Zeit für die Schänke.“ Caoilte streckte sich. „ Und du willst immer noch nach Süden?“

„ Ja, ich benötige eine neue Anstellung. Kennst du keinen Grafen oder Fürsten, dessen Kinder Unterricht brauchen“, fragte Aidan den Krieger, wenn er auch nur wenig Hoffnung hatte, dass Caoilte ihm helfen konnte.

„ Ich dachte, du hasst diese Arbeit, Aidan? Du bist Zauberer, was gibst du dich mit den rotznäsigen Kindern reicher Leute ab“, erkundigte sich dieser mitfühlend.

„ Ich muss doch auch leben? Einen Zauberer braucht zurzeit niemand. Schon gar keinen wie mich.“ Aidan seufzte traurig.

„ Ich habe da etwas für dich, alter Kumpel. An der Küste wird eine Schule für Zauberer eröffnet. Wenn ich mich recht entsinne, liegt sie auf meinem Weg. Komm doch mit und sieh sie dir an.“

„ So eine wie die Heldenschmiede“, fragte der Zauberer und erinnerte sich plötzlich wieder an Caoiltes Worte von gestern. In der Schmiede hatte er das Handwerk zum Helden gelernt.

„ In etwa. Nur für Zauberer, eben. Wenn dich der Fürst gehen lässt, begleite ich dich bis zur Küste“, bot der Krieger großmütig an.

„ Das ist nett. Danke.“ Aidan war erleichtert. Ein Zauberer, der nicht als Zauberer arbeiten durfte oder konnte, war kein richtiger Zauberer. Das hatte schon immer sein Meister gesagt, bei dem er gelernt hatte. Und Aidan nahm diese Worte richtig ernst. Er hatte nie etwas anderes gewollt, als Zauberer zu sein. Daher war er dankbar für Caoiltes Tipp.

„ Nach dem Erntefest endet meine Anstellung. So lange muss ich noch bleiben“, erklärte er.

„ Ich habe Zeit, Aidan. Mich treibt nichts. Und hier ist es auch nett, wenn mir auch die Abenteuer fehlen.“ Caoilte grinste breit.

„ Ich bin froh, dich getroffen zu haben. Ich habe mir schon echt Sorgen gemacht, wohin ich als nächstes gehen werde. Der Winter naht und ein warmes Plätzchen am Ofen wäre mir schon Recht.“

„ Du könntest zu deiner Familie gehen“, meinte Caolite.

„Nein, seitdem mein Vater, Solas der jüngere, verstorben ist, ist alles anders geworden. Neil und Enra haben eigene Familien gegründet, die brauchen kein Maul mehr, das sie stopfen müssen. Und meine Mutter Nala lebt wieder bei ihrer Schwester. Du erinnerst dich an sie“, fragte er seinen Freund aus Kindertagen.

„ Sicher. Wie könnte ich deine Tante Deidre vergessen? Sie hat mir den Umgang mit dem Schwert gezeigt. Ich fand schon damals, sie ist fast eine Amazone“, lachte Caoilte und deutete auf sein Schwert. „Eine starke Kämpferin. Fast unbesiegbar.“

„ Ja. Und backen konnte sie auch. Apfelkuchen“, meinte Aidan ,genüsslich an ihren Kuchen denkend. „ Es gibt in meiner Familie keinen Platz mehr für mich. Leider! Daher muss ich für mein Brot arbeiten!“

„ Wer muss das nicht.-Hast du ein Pferd“, erkundigte sich Caoilte.

„ Ja, der Fürst hat mir eins seiner Pferde überlassen. Dann reiten wir nach dem Fest“, fragte Aidan sicherheitshalber mal nach.

„ Ja. Ich bin froh, wenn ich wieder unterwegs bin. Auch wenn mich dieses Dorf an unsere Heimat erinnert.“

„ Mich auch. Dann sehen wir uns in einigen Tagen. Reite nicht ohne mich, ja“, bat Aidan eindringlich.

„ Nein, keine Angst, Aidan“, lachte Caoilte. „Wie gesagt, ich habe Zeit.“

Der Tag des Erntedank- und Herbstfestes kam viel schneller, als Aidan gedacht hatte und mit ihm der Abschied von der Familie des Fürsten ,die ihm, trotz allem, ans Herz gewachsen war.

Traurig verstaute Aidan ,vor der Feier in der großen Halle ,seine Sachen in die Satteltaschen. Er wollte noch vor dem Ende des Festes die Burg verlassen haben. Abschiede waren nicht unbedingt seine Sache. Viel lieber fing er irgendwo neu an, mit allen Hoffnungen und Bangen.

Gegen Mittag begannen dann endlich die Feierlichkeiten. Der ganze Festsaal war mit buntem Herbstlaub und Früchten geschmückt. Getreidegarben und Feldfrüchte zierten die lange Tafel in der Mitte des Saals. Die Tische bogen sich unter den Speisen, die der Fürst hatte zubereiten lassen.

Nachdem Aidan sich gesetzt hatte, betrat der Fürst, Joslin von Adlernase, mit seiner Gemahlin, Liadan, den Saal. Hinter ihm ihre fünf Kinder, denn Seoc weilte noch immer auf einer anderen Burg und war nicht mit dabei. Nachdem die Familie Platz genommen hatte, stimmte ein Barde ein fröhliches Lied an, „So lasset uns heute fröhlich feiern“, und die Dienstboten versammelten sich neben den Eingängen, um den Segenswünschen ihres Dienstherren zu lauschen.

Kaum war das Lied zu Ende, erhob sich der Fürst und dankte den Göttern Juno und Juna für die diesjährige und bat für das kommende Jahr um eine reichliche Ernte. Dann hob er das Glas mit rotem Wein und eröffnete das Schmausen.

Die Mägde aus der Küche trugen die Speisen auf, Fleisch, Gemüse, exotische Früchte und Kuchen. Auch Aidan genoss das gute Essen. Musste er sich ansonsten mit den Resten begnügen, hatte er diesmal die Auswahl.

Satt und zufrieden verließ er dann am späten Nachmittag die Burg. Nur wenige sahen seinen Weggang und wünschten ihm eine gute Reise. Darunter auch Cadha, die sich nochmals für ihren Liebestrank bedankte.

„ Er hat gewirkt,“ zwinkerte sie ihm zu. „ Ich wünsche dir Glück, Magier. Egal, wohin du gehst.“

„ Danke. Dir ein langes Leben“, wünschte ihr Aidan erleichtert.

Mit seinem Pferd am Zügel machte sich Aidan auf den Weg hinunter zum Dorf. An der Schenke am Ende des Dorfes wartete schon Caoilte auf ihn. Er hockte neben seinem Pferd und blickte wachsam zur Straße.

„ Eine schöne Feier gehabt“, fragte er ihn ohne Neid.

„ Ja. Ich habe dir etwas Fleisch mitgebracht. Sollst auch nicht leer ausgehen. Hat mir die alte Cadha eingepackt. Hier.“ Er reichte dem Recken das eingewickelte Päckchen.

„ Beeilen wir uns, hier weg zu kommen. Ich möchte heute Nacht in einem warmen Gasthaus schlafen“, sagte Caoilte und schwang sich auf sein Pferd.

Die Hufe klapperten laut in dem stillen Ort, als sie ihn verließen. Hinter dem Dorf lagen die abgeernteten Felder und dann der große Forst, der den Dörflern und dem Grafen das Holz zum Heizen der Häuser lieferte. Während ihres Rittes durch den Wald sprachen sie nur wenig miteinander. Aidan dachte an die vergangenen zwei Jahre, die er auf der Burg , hoch oben über dem Dorf, verbracht hatte. Es war nicht immer leicht gewesen mit den Kindern des Fürsten, aber irgendwie mochte er sie doch und hoffte, dass sie ihren Weg finden würden. So wie er jetzt.

„ Hinter dem Wald liegt eine Kreuzung und ein Gasthaus. Dort möchte ich die Nacht verbringen“, ließ sich nach einer Weile des Schweigens Caoilte vernehmen. Aidan schreckte aus seinen Gedanken und hob fragend den Kopf.

„ Einverstanden. Es wird bald schon dunkel und hier im Wald zu schlafen kann ich mir nicht vorstellen“, meinte er und blickte sich skeptisch um. Hohe Bäume und dichtes Gestrüpp säumten ihren Pfad und ließen ihn nur erahnen.

„ Dann komm. Treib dein Pferd an. Es ist noch ein gutes Stück zu reiten.“ Im scharfen Galopp folgten sie den gut sichtbaren Weg, der immer weiter durch das verworrene Waldgebiet führte.

Es dämmerte schon, als sie endlich die Kreuzung und das Gasthaus erreichten. Das Gebäude war das einzige im Umkreis und diente Händlern und Reisen als Unterkunft auf Zeit. Früher mochte es eine alte Wassermühle gewesen sein, Aidan konnte noch immer die Überreste eines Wasserrades an seiner Hausseite erkennen. Heute gab es in dem ehemaligen Mühlenhaus eine gemütliche Gaststube und einige Gästezimmer unter dem Dach.

Caolite bestellte Bier und die übliche Graupensuppe, die alle Gasthäuser im ganzen Land auf der Speisekarte hatten.

„ Unseren Proviant werden wir später brauchen“, meinte er zu Aidan. „ Das nächste Gasthaus liegt zwei Tagereisen von hier entfernt.“

„ Du kennst dich aus“, antwortete Aidan und blickte sich in der Gaststube um. Sie waren die einzigen Gäste an diesem Abend, die hier übernachten wollten.

„ Ja. Wie du weißt, reise ich viel umher. Berufsbedingt. Hier war ich schon mal. Ist lange her.“ Caoilte zuckte seine Schultern.

Die Suppe war heiß und das Bier trinkbar. Nicht so gut wie auf der Burg, fand Aidan. Aber genießbar.

Nach dem Essen ließen sie sich ihre Zimmer zeigen und sanken dann müde in die Kissen.

Schon im Morgengrauen waren Aidan und Caoilte wieder auf ihren Beinen. Nach einen einfachen Frühstück aus Brot, Schmalz und Käse ritten sie schon wieder weiter.

Wie Caoilte gesagt hatte, mussten sie zwei Nächte im Freien verbringen, bis sie das nächste Gasthaus erreicht hatten. Die erste Nacht lagerten sie in einem dichten Tannenwald. Der große Krieger war geschickt darin, Schutzhütten aus Ästen und Farn zu bauen. Aidan half ihm so gut er vermochte und so konnten sie in dieser Nacht windgeschützt und trocken schlafen.

Am anderen Morgen triefte der Wald allerdings Nässe, denn es hatte in der Nacht angefangen zu regnen und hörte auch nicht auf, als sie weiter ritten. Klamm und frierend hing Aidan auf seinem Pferd und sehnte die nächste Gaststätte herbei.

Der Weg führte weiter durch den Wald, vorbei an steilen Klippen, auf denen Steinböcke kletterten.

„ Die gäben ein gutes Mahl“, meinte Caoilte sehnsüchtig und deutete auf die Tiere. „Leider heben wir keine Zeit zu jagen. Schade!“

„ Mir würde schon eine heiße Suppe reichen. Auch wenn sie mehr aus Wasser besteht“, seufzte Aidan. „ Ich werde einfach nicht warm.“

„ Heute Abend können wir ein Feuer machen. Der Regen zieht ab“, sagte der große Krieger und musterte kritisch den Himmel. Noch immer hingen Wolken dort, aber weit im Westen war schon das erste Blau zu sehen. „ Dann wirst du wieder trocken.“

„ Hoffentlich.“ Aidan zog sich seinen feuchten Umhang enger um die Schultern, es nützte aber nur wenig. Der Wind fuhr unter seine nasse Kleidung und ließ ihn frösteln.

Am Abend hatten sie die Berge endlich hinter sich. Aus den steilen Klippen waren sanfte Hügel geworden und der dichte Tannenwald war lichterem Buchenwald gewichen.

Sie schlugen ihr Nachtlager an einem kleinen Bachlauf auf und Caoilte packte sein Zelt aus, das er immer in den Satteltaschen dabei hatte. Es war nicht groß, aber für eine Nacht reichte es ihnen. Aidan entzündete ein Feuer, und schon nach kurzer Zeit fühlte er sich nicht mehr so durchnässt. Seine Kleider trockneten und es gab ein warmes Mahl aus Fleisch und getrockneten Bohnen.

Der nächste Tag brachte endlich wieder Sonne, auch wenn es merklich kälter geworden war. Den ganzen Tag ritten sie, bis tief in die Dunkelheit. Dann baute Caoilte sein Zelt in einer Senke auf, wo es windgeschützt war. Diesmal gab es nur ein kaltes Abendessen und Aidan kuschelte sich frierend in seine Decken. Nach einer ungemütlichen Nacht ging es am anderen Morgen zeitig weiter.

„ Es ist nicht mehr weit“, erklärte Caoilte am späten Vormittag „ Einen halben Tagesritt und wird sind am nächsten Rasthaus. Ich denke, wir sollten dort bleiben. Es wäre besser, wenn wir uns einer Gruppe anschließen könnten. Die Gegenden weiter südlich sind zwar vom Krieg verschont geblieben, aber Räuberbanden treiben sich in den Wäldern umher und rauben jeden aus, deren sie habhaft werden können.“

„ Ist das nicht die Handelsroute, die Efftern mit dem Norden verbindet? Händler reisen doch auch um diese Zeit. Und bald ist Markt in Efftern, den wird sich kein Händler entgehen lassen“, gab Aidan zu bedenken.

„ Ja, ich denke auch, wir können uns den Händlern anschließen. Selbst um diese Zeit ist der Weg viel genutzt.“ Caoilte nickte überlegend.

„ Gut. Ich bin froh bald ,wieder in einem richtigen Bett zu schlafen. Ich reise gerne, aber Zelte sind nicht das Richtige für mich“, meinte Aidan.

„ Du bist kein Krieger, mein Freund. Wärst du einer, hättest du mit Zelten weniger Probleme“, sagte der große Krieger und klopfte auf seine Satteltasche hinter ihm.

„ Du hältst mich für weich, habe ich recht“, fragte Aidan und blickte seinen Jugendfreund ernst an.

„ Nicht unbedingt. Du bist ein Zauberer, kein Krieger. Das ist der Unterschied. Denk dir nichts dabei, manchmal rede ich einfach zu viel. Dadurch habe ich mir schon einige Chancen bei Frauen versaut“, Caoilte zuckte bedauernd die Schultern.

„ Ich weiß wie ich bin. Mein Vater hatte Recht, ich bringe nichts zustande. Weder als Zauberer noch als Lehrer. Schon wieder habe ich eine Anstellung verloren und wie es weitergeht, weiß ich nicht. Ich will nicht jammern, aber es nervt. Ich wäre so gerne wie mein Großvater. Erinnerst du dich an ihn?- Ein anerkannter und geachteter Magier. Stattdessen schlage ich mich als Lehrer durchs Leben.“ Aidan traurig ließ den Kopf hängen.

„ Du bist aber schlecht gelaunt heute. Hey, Aidan, das wird schon noch. Warte es ab, deine nächste Anstellung wird das sein, was du immer wolltest. Du unterrichtest an einer Zauberschule“, Caoilte legte Aidan seine Pranke tröstend auf die Schulter.

„ Ich hoffe es“, murmelte der Zauberer mutlos.

Eine ganze Weile sprachen sie nicht miteinander. Aidan dachte an das was hinter ihm lag und auch Caoilte war in Gedanken versunken.

Gegen Mittag veränderte sich endlich der Weg, die Bäume wichen Feldern und Wiesen. Einzelne Bauernhäuser am Wegesrand wechselten mit Weiden und kleinen Wäldchen, dann ganze Dörfer und Gutshöfe. Als die Sonne schon hoch am Himmel stand erreichten sie endlich die Schenke. Sie lag am Anfang eines kleinen Dorfes und wirkte auf den ersten Blick nicht sehr einladend für Aidan. Eher heruntergekommen mit ihrem verwitterten Holz an der Fassade und den schiefen Fenstern. Eine niedrige Tür führte in den rauchigen, dunklen Innenraum.

Im Schankraum saß eine Gruppe Holzfäller, die lärmend und mit viel Gebrüll von ihren Abenteuern in den Bergen erzählten. Offenbar war der Winter in den Höhen der Gipfel schon angekommen und die harten Gesellen kehrten heim zu ihren Familien im Flachland.

Caoilte suchte ihnen einen ruhigen Tisch etwas abseits der Gruppe und bestellte Bier und einen Hammeleintopf, die Spezialität dieses Hauses.

„ Freund Krieger, auf ein Wort“, rief ihm einer der Holzfäller zu, als Caoilte vom Tresen an den Tisch zurückkehrte.

„ Was wollte ihr“, murrte dieser und schob demonstrativ sein Schwert etwas nach vorne.

„ Kein Kampf, Krieger“, meinte der Mann beschwichtigend. „ Sagt, kommt ihr von der nördlichen Grenze? Und wenn ja, wie sieht es dort aus? Mein Freund hier meinte, die Riesen hätten es endlich geschafft Burg Soveig einzunehmen.“

„ Geschwätz“, antwortete Caoilte gereizt. „ Nein, ich komme nicht aus dem Norden. Aber ich kann euch sagen, die Feste steht noch und die Riesen sind weiterhin auf ihren eigenen Boden. Was veranlasst Euch, zu vermuten, sie wären über den Fluss vorgedrungen?“

„ Mein Bruder ist in der Schlacht um Soveig gefallen. Sein Kumpel hat es bis in die Berge geschafft. Er berichtete mir davon“, erklärte der Angesprochene.

„ Ich sage Euch, der Kumpel eures Bruders lügt. Soveig steht noch und einen Kampf hat es nicht gegeben“, erklärte der große Krieger. „ Meine Quelle ist verlässlich.“

„ Seid ihr sicher“, fragte der Holzfäller erstaunt und stupste seinen Kumpel an.

„ Absolut.“ Caoilte kehrte den Männern den Rücken zu und setzte sich wieder zu Aidan.

„ Wieso streuen sie Gerüchte“, fragte der leise.

„ Geld, Macht“, antwortete sein Begleiter. „ Irgendwer versucht die Fronten gegeneinander auszuspielen. Ich habe noch nicht herausgefunden wer.“

„ Wirst du an die Grenze reisen, um zu kämpfen“, fragte ihn Aidan neugierig.

„ Wenn der König mich ruf, folge ich“, sagte Caoilte bestimmt. „ Bisher hat er nicht gerufen, Aidan. Daher steht es mir frei, dorthin zu gehen wo ich will.“

„Reiten wir heute noch weiter.“ Aidan deutete mit dem Kopf auf die Holzfäller, an deren Tisch nun ein Streit ausgebrochen war. Der Zauberer hatte nicht mitbekommen, um was es ging, aber den Gesten nach zu urteilen um das Gespräch welches sie mit Caoilte geführt hatten. Wütend schlug einer der Männer auf den Tisch, worauf ihm der andere seinen Bierkrug ins Gesicht schüttete. Eine Rangelei entstand, die von den anderen beiden Holzfällern nur mit Mühe geschlichtet werden konnte.

„ Es ist schon dunkel draußen, mein Freund. Essen wir und legen uns dann hin. Ich möchte morgen in aller Frühe weg“, meinte Caoilte mit Blick durch das kleine Fenster vor ihm.

Aidan war das nur Recht, noch eine Nacht in Kälte und Nässe war ihm zutiefst zuwider. Lieber blieb er hier, auch wenn die rauen Gesellen am Nebentisch ihn nervös machten. Mit einem Auge auf sie, verspeiste er seinen Hammeleintopf mit Brot, welchen ihm der Wirt gebracht hatte.

Der Eintopf wärmte ihn so richtig durch und das Bier sorgte für die nötige Müdigkeit. Satt und zufrieden verschwanden die beiden Freunde auf ihr Zimmer. Kaum war Aidan ins Bett gefallen, schlief er schon erschöpft ein.

Mitten in der Nacht weckte ihn ein Geräusch und zuerst glaubte er sich verhört zu haben. Doch dann war es wieder da, ein leises Kratzen und Scharren an seiner Tür. Wachsam und angespannt blieb er liegen, immer noch auf die Geräusche draußen lauschend. Erneut hörte er ein Schaben, dann einen unterdrückten Fluch. Energischer rüttelte jemand an der Tür und Aidan hatte die Nase voll. Mit klopfenden Herzen, einem bitterbösen Zauberspruch auf den Lippen schlüpfte er lautlos aus dem Bett und huschte zur Tür.

Dahinter konnte er leise Atemgeräusche hören. Wieder versuchte diese Person den Riegel zu knacken, den Aidan innen vorgelegt hatte, als er ins Bett ging. Die Tür knarrte, aber der Riegel hielt.

„ Wer da“, Aidan wurde es nun zu viel und so schnauzte er den unbekannten Angreifer durch die geschlossene Tür an. „ Ich verwandele dich in eine Kröte, wenn du in mein Zimmer kommst, Mistkerl.“

Ein erschrockenes Aufkeuchen war zu hören, dann hastige Schritte, die sich eilig entfernten.

Aidan wartete noch einen Augenblick, bis er sicher war, dass der Unbekannte nicht mehr vor seiner Tür hockte, dann schlüpfte er wieder zurück in sein Bett. Diesmal schlief er ungestört bis zum Morgen, als ihn Caoilte mit energischen Schlägen gegen seine Tür weckte.

„ Aufstehen, Aidan. Es geht weiter“, rief er.

„ Schon? Es ist gerade so gemütlich im Bett“, gähnte der Zauberer. Mühsam krabbelte er aus seinem warmen Lager, kleidete sich an und folgte Caoilte in den Schankraum. Dort brannte wieder ein Feuer und die Frau des Wirtes, eine dralle dunkelhaarige Schönheit mit traurigen Augen bereitete ihnen ein Frühstück zu. Kurz fragte sich Aidan warum sie so schaute, aber sein Hunger war größer und er vergaß seine Überlegungen wieder.

Nach Eiern mit Speck drängte der große Krieger zum Aufbruch. Aidan überlegte, ob und was Caoilte von dem nächtlichen Spuck mitbekommen hatte, dass er das gastliche Haus so schnell wie möglich verlassen wollte.

„ Was ist los mit dir“, fragte er ihn daher im Stall, als sie die Pferde sattelten.

„ Nichts. Es wird nur Zeit weiterzureiten. Der Weg zur Küste ist lang und der Winter naht. Sehen wir zu, dass wir die nächste Herberge noch vor der Dunkelheit erreichen“ erklärte Caoilte kurzangebunden.

„ Denkst du, wir schaffen die Strecke“, fragte Aidan zweifelnd.

„ Sicherlich. Rede nicht so viel, steige auf und dann los.“ Caoilte führte sein Pferd aus dem Stall, schwang sich in den Sattel und galoppierte davon. Aidan folgte ihm langsamer, immer noch über die Dinge der Nacht nachdenkend.

„ Was zögerst du, Aidan? Das nächste Gasthaus wird sicher besser“, rief ihm der Krieger über die Schulter zu.

„ Warte, ich komme ja schon.“ Aidan gab seinem Pferd die Sporen und so verließen sie das kleine Dorf. Die Ereignisse der Nacht verblassten mit dem ersten Sonnenlicht und der Zauberer fragte sich, ob er nicht alles nur geträumt habe.

Erst am Mittag erzählte er Caoilte davon. „ Es ist schon verrückt. Jemanden in eine Kröte zu verwandeln, habe ich noch nie gemacht. Aber ich hätte es getan, wenn er nicht verschwunden wäre.“

„ Dachte mir, dass du davon erzählst. Ich war wach heute Nacht und habe gehört, dass jemand versuchte in unsere Zimmer zu kommen. Die Holzfäller vielleicht? Daher ist es besser, so viel Strecke zwischen uns und sie zu bringen wie möglich.“ Caoilte wirkte nachdenklich, aber nicht beunruhigt.

„ Warum hast du nichts gesagt? Ich dachte, du schläfst“, fragte Aidan erstaunt.

„ Ich bin ein Krieger, Aidan. Ich schlafe immer mit dem Schwert im Bett. Es sei denn, eine Frau nächtigt neben mir. Dann nicht!“ Er lachte rau. „ Die Typen gestern waren mir nicht geheuer, die führen etwas im Schilde, das konnte ich spüren.“

„ Ich hoffe, wir sind sie los“, seufzte Aidan. „ Ich hasse Kampf.“

„Wir sind weit gekommen. Heute Nacht schlafen wir in Pimpfort, einer kleinen Stadt am Fluss Leehn. Bis zur Küste ist es dann nicht mehr weit.“ Caoilte deutete auf den Weg, der wieder durch Wald führte. Krumme, blattlose Bäume säumten die gepflasterte Straße und bildeten ein Dach gegen den Regen, der erneut einsetzte. Tiefe Spuren in den Steinen zeugten von den vollbeladenen Karren der Händler, die diese Route viel nutzen.

Aidan entdeckte einen dieser Karren zerbrochen am Wegesrand und er fragte sich, ob in dem Wald wohl Räuber lauerten. Auch Caoilte schien das zu denken, denn er zog sein Schwert aus der Scheide und ritt wachsam weiter. Ein Käuzchen rief und der Zauberer zuckte erschrocken zusammen. Plötzlich sirrte ein Pfeil knapp an seinem Ohr vorbei und eine Horde zerlumpter Männer stürzte auf die Straße.

„ Halt! Gold her, oder ihr sterbt“, brüllte ihr Anführer, ein magerer Mann mit langen, zotteligen Haaren.

„ Ich denke gar nicht daran“, fauchte Caoilte zurück. „ Wenn du meine Münzen willst, musst du sie dir holen. Mein Schwert sehnt sich danach, Blut zu trinken.“

„ Wir sind in der Überzahl“, zischte der Mann und entblößte schwarze Zahnlücken. „Gold oder Leben!“

Aidan entdeckte am Wegesrand weitere verwahrloste Gestalten, darunter auch Frauen und Kinder. Sie hielten Stöcke und Knüppel in den Händen und machen eine entschlossene Mine.

„ Wenn du es willst, hole es dir. Ich ergebe mich nicht kampflos“, knurrte der Krieger und lenkte sein Ross näher an den Kerl heran. Dieser wich zurück, hob aber seinen Bogen und zielte entschlossen auf Caoilte.

„ Ich denke nicht daran. Mir machst du keine Angst.“ Er winkte und seine Gefolgsleute kreisten die beiden Reiter ein.

„ Das werden wir sehen, Kerl“, rief der Krieger und begann sein Schwert zu schwingen. „ Geh mir aus dem Weg, oder ich zermalme dich unter den Hufen meines Pferdes.“

Der Anführer der Bande duckte sich unter den Schwertschlägen, tänzelte zurück und zog ein Messer aus dem Ärmel. Caoilte lachte als er es sah und setzte seine Schwerthiebe nun genauer. Immer wieder lenkte er seinen Hengst an den Mann heran und zielte auf ihn, dieser aber verstand es den Hieben auszuweichen.

Auch Aidan wurde nun attackiert. Einige Frauen waren knüppelschwingend auf ihn zugestürmt und zerrten nun an seinen Kleidern, um ihn aus dem Sattel zu ziehen. Er schwang seinen Zauberstab aber wie eine Keule und schlug ihnen auf die Finger. Schmerzerfüllt jaulten sie auf und wichen erschrocken zurück, nur um erneut anzugreifen. Mit Hieben und Stechen versuchten sie ihn vom Pferd herunter zu bekommen.

„ Kröten seid ihr, Dreckspack“, zischte Aidan wütend und setzte eine Macht frei, von der er nicht mal geahnt hatte, dass er sie besaß. Die Spitze des Stabes fing an zu glühen und eine Spur aus Licht entströmte diesem Glühen. Sie hüllte die näher stehenden Frauen ein und verwandelte sie in grüne, glitschige Kröten. Quakend hüpften sie von der Straße. Die weiter weg stehenden Frauen und Kinder schrien erschrocken auf und wichen vor dem Zauberer zurück, als dieser mit dem Stab in ihre Richtung zielte.

Aidan betrachtete einen Augenblick fassungslos seinen Zauberstab, und konnte es einfach nicht glauben. So etwas war ihm noch nie passiert.

„ Aidan, bist du fertig mit deinen Betrachtungen“, rief ihm Caoilte zu. Er hatte den Anführer am Kragen gepackt und zerrte ihn hinter seinem Pferd her. „ Aus dem Weg! Oder er stirbt!“

Die Meute stob auseinander, nur wenige hatten noch die Entschlossenheit in den Augen, die beiden Reisenden zu bestehlen. Wütend hoben sie ihre Fäuste und drohten Caoilte und Aidan.

Der Krieger ließ den Anführer plötzlich los und gab seinem Pferd die Sporen. Im Galopp durchquerten sie den Wald, ohne von der Bande verfolgt zu werden.

Am späten Nachmittag erreichten sie endlich den Fluss Leehn, der sie zu der nächsten Stadt führte. Auf dem Wasser Frachtkähne, die von Pferdegespannen gegen den Strom zur nächsten Stadt gezogen wurden. Aidan und Caoilte mussten sich ihren Weg um diese Gespanne herum bahnen und kamen so nur langsam voran.

Weit in der Ferne konnten sie die Mauern von Pimpfort sehen, der größten Binnenhafenstadt, die das Land besaß. Stolz erklärte Caoilte, das sein Vater einst aus dieser Stadt aufgebrochen sei, um ein großer Krieger zu werden.

„ Er wollte nicht Händler werden wie sein Vater“, meinte er. „Er hat es auch geschafft, bis er meine Mutter traf und sesshaft wurde. Die Stadt hat er nie wieder gesehen und auch nicht seinen Bruder, der das Geschäft übernommen hat. Heute Nacht werden wir dort schlafen, wo mein Vater aufgewachsen ist.“

„ Wirst du ihm davon berichten, wenn du deinen Vater siehst“, fragte Aidan neugierig. Er kannte Caoiltes Vater, einen großem, hageren Mann, der nicht viel sprach und sich liebevoll um seine Familie und den Hof kümmerte.

„ Vermutlich. Aber es wird dauern, bis ich wieder daheim bin. Mein Vater versteht das, er war genauso wie ich als er von hier weg ging“, erläuterte Caoilte knapp.

Wachsam näherten sie sich dem Stadttor. Wachen standen davor und kontrollierten jeden der Einlass begehrte. So auch den Karren, der vor ihnen das Tor erreichte.

„ Halt!“, rief der Wachposten und stoppte das Gespannt. „ Was ist Euer Begehr und was habt ihr geladen!“

„ Ich bin Ferres aus dem Zylthal und möchte hier meine Produkte verkaufen, allerfeinstes Leinen und Wolle aus den Bergen“, rief der Händler.

„ Schlag die Plane zurück“, bestimmte die Stadtwache und deutete auf den beladenen Karren.

„ Seht Ihr. Nur Leinen und Wolle“, beeilte sich der Mann zu sagen, als der Wächter auf die Stoffballen einschlug.

„ Kannst passieren.“ Die Wache winkte den Händler durch.

Kaum war der Händler verschwunden, wandte sich der Wächter an Caoilte und Aidan.

„ Welches Begehr habt ihr, Krieger?“

„ Verwandtenbesuch. Eran Zwergenbart, Gewürzhändler.“

„ Ohne euer Schwert, Krieger“, sagte der Wächter und deutete auf Caoiltes Gürtel.

„ Tut mir leid, davon trenne ich mich nicht“, brummte Caoilte und legte schützend seine Hand auf den Knauf.

„ Wir sind nicht im Krieg. Waffen müssen abgegeben werden“, herrschte ihn die Wache an.

„ Ich denke nicht daran“, rief der große Krieger stur. „ Bisher konnte ich mein Schwert in jede Stadt mitnehmen. Es hatte niemand etwas dagegen.“

„ Hier nicht. Entweder Ihr gebt es ab, oder Ihr bleibt draußen“, erklärte der Wächter unfreundlich.

Aidan und die Meerjungfrau

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