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Erster Band
VI.
Der Datou-Noungal

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Als Eusebius sich auf dem Quai erblickte, fühlte er seine Brust von einer gewaltigen Last erlöst und athmete frei auf. Es schien ihm, als käme er aus der Welt der Todten, um wieder in das gewöhnliche Leben einzutreten. Er er freute sich an der Bewegung, welche in diesem Augenblicke die Rhede und die Straßen zeigten. Wagen kamen und gingen und kreuzten sich nach allen Richtungen. Die Menschenmenge, die sich in allen möglichen Trachten durcheinander drängte, in allen Sprachen schrie und fluchte, schien ihm ein materielles Zeugniß für die Wirklichkeit seiner Existenz zu sein, und bewies ihm endlich, daß er der Welt der Phantome entronnen war, die sich ihm durch so furchtbare Visionen offenbart hatte.

Seine erste Bewegung war, sich selbst zu fragen was er thun sollte, und einen Entschluß zu fassen. Aber die Erinnerung an das Vorgefallene war noch so gewaltig in ihm, daß er sich vornahm, sie aus seinem Gehirn zu verbannen und sich zu irgend einem Handeln erst dann zu entschließen, wenn er sich mit Esther berathen haben würde, deren vortreffliches Herz und gesunden Sinn er zu würdigen verstand.

Einstweilen ging er die Quais entlang, um wieder einige Ruhe und Fassung zu.erlangen.

Wir erwähnten bereits, daß die Stadt Batavia nicht an dem Ufer des Meeres erbaut ist, sondern von demselben durch einen Kanal getrennt wird, der ungefähr eine halbe Meile lang ist und zu der Rhede führt.

Der Eingang dieses Kanals war ehedem die Mündung eines kleinen Flusses, dessen Anschwemmungen eine mächtige Schranke bildeten. Die Holländer sind die Leute der Seearbeiten. Um die fortwährenden Anschwemmungen zu verhindern, welche die Rhede bedrohten, und besonders die Verbindungen mit derselben immer schwieriger machten, haben sie den Lauf des Flusses verlegt und dessen Ufer in einen Canal verwandelt. Zwei Dämme haben den Lauf des Flusses durch die Sümpfe, die das Ufer einfassen, geregelt. Zu einem dieser Dämme richtete Eusebius seinen Spaziergang. Als er das äußerste Ende desselben erreicht hatte, wurde seine Aufmerksamkeit durch das Schauspiel erregt, welches das Untersegelgehen eines großen malayischen Brahubot, der die Fluth benutzen wollte, um das offene Meer zu erreichen.

Dieser Brahu war ein Fahrzeug von ungefähr 40 Tonnen, mit schlankem, wohlgeschnittenem Kiel. Das Vorderdeck war mit zwei Sechspfündern bewaffnet, welche so befestigt waren, daß sie für den Fall, wenn das Fahrzeug gejagt wurde, statt zu jagen, nach dem Hintertheil gerollt werden konnten. Auf beiden Seiten standen drei zweipfündige Caronaden. Das Schiff hatte zwei Maste, ein doppeltes Steuer und geflochtene Segel, dessen horizontale Takelage durch eine große Menge Bambusstangen gehalten wurde.

Die Equipage dieses Fahrzeugs bestand aus einem Dutzend Malayen. Die Einen beschäftigten sich damit, die Steuer in Ordnung zu bringen, während die Andern den Augenblick benutzten, in welchem der Brahu an. dem Damme angelegt hatte, um die letzten Vorräthe an Bord zubringen.

Der Capitän, der sich mit dem Rücken gegen einen der Strebepfeiler des Dammes lehnte, überwachte das Alles, indem er nachlässig seinen Betel kaute. Durch ein falsches Manöver der Matrosen an Bord faßte eine Welle das Steuer von der Seite, so daß es eine plötzliche Bewegung machte. Die schwere Maschine, welche noch nicht befestigt war, schlug mit ihrem Stabe einen Menschen nieder, und der Unglückliche, der dadurch betäubt wurde, hatte nicht so viel Geistesgegenwart, sich anzuklammern, und stürzte in das Meer. Seine Kameraden warfen ihm augenblicklich Taue zu; aber da die Strömung an diesem Orte sehr heftig war, trug sie ihn mit sich fort, so daß er die rettenden Seile nicht erfassen konnte und das Boot in das Meer gelassen werden mußte, um ihm zu Hilfe zu kommen.

Der Capitän des Brahu, unter dessen Augen sich dieser Auftritt zutrug, war dabei so gleichgültig geblieben, daß Eusebius sich fragte, ob der Mensch wirklich der Patron des kleinen Fahrzeuges sei, und ob der Unglückliche, der dahin schwamm, um aller Wahrscheinlichkeit nach eine Beute der Haifische zu werden, welche die Rhede Batavia’s unsicher machen, einer der Untergebenen Dessen sei, der für sein Geschick eine so geringe Theilnahme zeigte. Indeß konnte er daran nicht zweifeln, denn ehe die Malayen das Boot von den Ballen und Collis frei machten, wendeten sie sich zu ihm, als erwarteten sie seine Befehle und legten die Hand erst an die Ruder, als der Capitän ihnen mit einem Zeichen zurief: »Fort!«

Eusebius sah hierauf diesen Menschen aufmerksamer an. Er konnte ungefähr 35 Jahre alt sein, war kräftiger und runder, wie die Männer des gelben Stammes gewöhnlich sind, und auch seine Augen waren größer und weniger geschlitzt, als die seiner Landsleute; seine Nase endlich, beinahe adlerförmig gebogen, entfernte ihn vollends von dem Neger und näherte ihn dem Europäer.

Das Ganze seiner Physiognomie zeigte übrigens ein Gemisch von Wildheit, Verwegenheit und List.

Der Mensch trug noch überdies ein eigenthümliches Gewand: es bestand aus weiten schwarzseidenen Beinkleidern, über dem Knie befestigt; eine Art von Wamms von indischer Leinwand, mit glänzenden bunten Blumen, bedeckt, umschloß seine Brust. Sein Kopf war mit einem goldgestickten Mousselinstücke umwunden, dem er die Gestalt eines Turbans gegeben hatte; ein Crid mit Elfenbeingriff, reich mit Gold ausgelegt, »steckte in seinem Gürtel, Von Welchem sein Betelbeutel herabhing. Aber was Eusebius am aufallendsten erschien, war, daß er zwischen den Falten des Seemannshemdes die feinen biegsamen Ringe eines Panzerhemdes erblickte.

Der Capitän bemerkte die Aufmerksamkeit, deren Gegenstand er war, näherte sich Eusebius mit dem ungezwungensten Wesen von der Welt, und indem er die Araknuß, die er aus seinem Betelbeutel gezogen hatte, mit Kalk bestreute, sagte er in dem reinsten Holländisch und mit einem Tone, bei welchem der junge Mann erbebte: »Das ist ein sehr ungeschickter Schelm, nicht wahr, mein Herr?«

»Aber es scheint mir nicht ganz die Schuld des Unglücklichen zu sein,« entgegnete Eusebius.

»Mag es seine Schuld sein oder nicht, so wird der Sprung mir doch jedenfalls einige Tausend Piaster kosten.«

»Wer denn der Mensch ein Sclave und haben Sie ihn so theuer bezahlt?« fragte Eusebius.

»Nein,« erwiederte der Malaye; »aber es ist dennoch nicht minder wahr, daß der Schelm mich zu Grunde richtet.«

»Indeß, Capitän,« erwiederte Eusebius lächelnd, »scheint der Sprung, der Sie, wie Sie sagen, zu Grunde richtet, Sie nicht eben sehr aufzuregen?«

»Wozu nützte die Aufregung?« entgegnete der Seemann. »Ich bin Muselmann, mein Herr; was geschrieben ist, ist geschrieben und meine üble Laune könnte daran nichts ändern. Aber wenn Sie durchaus eine Erklärung meiner Worte wünschen, so sehen Sie dorthin.«

Eusebius Blicke folgten der ihnen gegebenen Richtung und er sah eine Flottille chinesischer Jonken, die auf das offene Meer hinaussegelte.

»Die langzopfigen Schelme dort,« fuhr der Malaye fort, »ahnen den Dienst nicht, welchen ihnen der Narr leistet, den man so eben den Haifischen streitig macht.«

»Ich verstehe Sie nicht,« sagte Eusebius.

»Zum Henker, Herr van der Beek —« Eusebius erbebte, denn woher wußte dieser Seemann, den er nie gesehen hatte, seinen Namen? – »das ist gleichwohl sehr klar. Wir werden eine Stunde darüber verlieren, den Tölpel aufzufischen. Binnen dieser Stunde sind die verdammten Jonken in die Windlinie gekommen, und ich mag dann immerhin meine 30 Lascaren auf ihre Ruder drücken lassen, so bleibt es noch immer sehr zweifelhaft, ob ich diese liebenswürdigen Anbeter des Gottes Foo noch vor der Nacht erreiche.«

»Und weshalb liegt Ihnen denn daran, sie noch vor der Nacht zu erreichen?«

»Weshalb?« erwiederte der Capitän lachend, mit einem scharfen abgesetzten Lachen, über welches Eusebius erbebte, so sehr erinnerte es ihn an das des Doctor Basilius – »Weshalb? Nun, ganz einfach, um mich zu überzeugen, ob ihre Waaren unter Deck gehörig geordnet sind, und um die armen Barken einer Ueberlast zu entledigen, die ihren Lauf hemmen könnte.«

»Ei,« sagte Eusebius, indem er den Capitän noch aufmerksamer betrachtete, »Sie sind Pirat?«

»Zum Henker,« sagte dieser, »sehe ich etwa aus, wie ein ehrlicher Mensch? Sie wären der Erste, der sich in meinem Gesichte täuschte.«

»Und Sie scheuen sich nicht, dies zu gestehen, und es dem Ersten Besten zu sagen, während Sie sich noch auf der holländischen Rhede und unter den Kanonen des Gouvernements befinden?« fragte Eusebius, ganz erstarrt über solche Verwegenheit.

»Zunächst,« erwiederte der Malaye mit spöttischem Lächeln, »sage ich es allerdings, aber ich sage es Ihnen, und Sie sind für mich nicht der Erste Beste. Erkennen Sie Dies hier, mein Herr Erbe?« fuhr der Malaye fort, indem er ihm die Lotosblume zeigte, welche die Indianerin ihm gegeben hatte, und die er auf seiner Fluchtfallen ließ.

»Wahrlich,« sagte Eusebius, »wenn es nicht Wahnsinn wäre, so müßte ich glauben, Sie sind —«

Er hielt inne, erschrocken über das, was er sagen wollte. Der Capitän brach in ein lautes Gelächter aus.

»Ich sei der Doctor Basilius, nicht wahr? He, he, he! man könnte sich schon einander unähnlicher sehen. Aber beruhigen Sie sich; ich bin nicht der Doctor Basilius, nein! Der Doctor Basilius ist todt, ganz ordentlich todt. Wie! Während Eine Leiche schon hinreicht, um das Ableben eines Menschen zu bezeugen, genügen Ihnen drei Leichen nicht? Was verlangen Sie denn, junger Mann? Noch einmal, der Onkel Ihrer Frau ist nicht mehr auf dieser Welt, und der, den Sie vor Augen haben, der, mit welchem Sie sprechen, der, welchen Sie anstarren, als ob er ein Gespenst wäre, fuhr diesen Morgen in die Haut des Datou-Noungal, nächst Gott Herr der Barke Mahommedia, welcher Datou-Noungal sich diese Nacht zwischen zwei und drei Uhr Morgens umbrachte, weil er seinen Beuteantheil in dem Spiel verloren hatte, das er an einem Tage der Thorheit für immer abgeschworen. – Ich bin Noungal, für den Augenblick, nichts Anderes. – Vielleicht verwandle ich mich eines Tages wieder; vielleicht hängt das auch ein wenig von Deiner Weisheit ab, Eusebius van der Beek.«

Wäre es dem malayischen Capitän zweckmäßig erschienen, noch eine halbe Stunde fort zusprechen, so würde der arme Eusebius, vernichtet durch das, was er sah und hörte, nicht die Kraft gehabt haben, ihn zu unterbrechen. Aber der Datou-Noungal hielt inne und Eusebius fragte: »Was wollen Sie damit sagen? Erklären Sie sich. Jedes Ihrer Worte ist für mich ein Räthsel, dessen Lösung zu suchen ich den Muth nicht habe. Seit den 24 Stunden, seit denen der Doctor Basilius sich in mein Leben mischte, weiß ich nicht mehr, ob ich wirklich noch lebe, oder nur unter dem Eindrucke eines entsetzlichen Alps mich bewege. – Ich zweifle an mir, an den Anderen, an Gott, an Allem, und die Wölbung des Himmels er scheint mir nur noch wie ein ungeheueres Netz, unter welchem sich Opfer bewegen, die gleich mir zu Spielwerken übernatürlicher Ereignisse bestimmt sind, gegen welche der menschliche Verstand und die Anwendung des freien Willens nichts auszurichten vermögen.«

, »Ich rathe Ihnen also, sich über Ihren Antheil zu beklagen, und das noch dazu gegen mich! Binnen einigen Stunden habe ich das offene Meer erreicht und einige hundert Meilen von hier entfernt, werde ich meinen Schnabel und meine Krallen gegen die nichtswürdigen Seevögel wetzen, die ihr böses Geschick in meine Gewässer führt, während Herr Eusebius van der Beek in die volle Gallione beißt.«

»Ich will die Erbschaft nicht! Ich weise sie zurück!« rief Eusebius. »Sie sind nie der Onkel Esther’s gewesen?«

»Nun, was kümmert das Sie, wenn Der, welchen man Basilius nannte, ihn vertrat?«

»Nein, um diese Erbschaft anzunehmen, müßte ich einen Pact mit einer höllischen Macht schließen, die ich verneine, und die ich dennoch anzuerkennen gezwungen bin.«

»Sie sind ein Kind,« sagte der Datou-Noungal, indem er aus dem Busen ein Papier zog, welches Eusebius voll Schrecken für das erkannte, unter welches er in der vergangenen Nacht seinen Namen gesetzt hatte. – »Hier ist der Vertrag, der Sie dem verbindet, welcher auf Erden künftig Basilius vertritt, obgleich diese Schrift nicht in feurigen Buchstaben auf schwarzem Papier geschrieben ist, und den Stempel der Regierung trägt, und nicht den der Hölle. In unseren Tagen, mein Freund, ist ein Wechsel der wahre höllische Vertrag. Glauben Sie mir, ein Mensch, der einen Wechsel unterzeichnet hat, gehört sich selbst nicht mehr an. Er wird, wenn er zur Verfallzeit nicht zur Stunde, zur Minute, zur Secunde, bezahlt, eine Sache seines Gläubigers. Shylok war nur ein Dummkopf, daß er blos zwei Pfund Fleisch verlangte; er hätte 120, 130, 140 fordern sollen; die würde er bekommen haben. Die neuern Wucherer sind nicht so einfältig; sie fordern den ganzen Körper, und den überläßt man ihnen ohne Schwierigkeit. In der That genügt nicht der freiwillig auf ein Papier als Unterzeichnung geschriebene Name, mag derselbe nun mit Tinte oder mit Blut geschrieben sein, dazu, diesen Menschen für immerzu fesseln, und sind wir nicht unwiderruflich mit einander verkettet, seit dem Augenblick, in welchem Du im Umtausch gegen das Leben Deiner Frau, das ich Dir gab, mir geschworen hast, die Instincte zu bezwingen, die ich bei Dir vermuthete? Du, der Schwiegersohn eines Notars, bist in dergleichen Dingen nicht stärker? Das nennt man einen synallagmatischen Vertrag, und dieser ist von dem Augenblicke an gültig, in welchem eine der beiden Parteien die Vollstreckung beginnt.«

»Aber indem ich dies Versprechen gab,«. rief Eusebius aus, »glaubte ich es einem Nebenmenschen zu geben. Ich verpflichtete mich gegen einen Menschen und nicht gegen einen Dämon!«

»Das heißt, Du rechnetest darauf, frei zubleiben, und ganz einfach Deinem Versprechen ungetreu zu werden, wenn Du von Deines gleichen erlangt hättest, was Du von ihm hofftest; das heißt, Du hattest die Hoffnung, der Mensch, gegen den Du Dich verpflichtetest, könnte Dich nicht zu der Erfüllung Deiner Verpflichtung zwingen, noch Dich für die Verletzung derselben bestrafen. Du dachtest, einen Menschen zu übertölpeln, mein armer Eusebius; zu Deinem Unglück wird es aber nicht so sein. Wenn Du indeß, um Dein ängstliches Gewissen zu beruhigen, der Versicherung bedarfst, daß ich weder der Ahriman der Perser, noch der Typhon der Egypter, noch der Python der Griechen, noch der Satan Milton’s, noch der Mephisto des Faust, noch der Bophomet der Templer, noch der Teufel endlich bin, so gebe ich Dir diese Versicherung. Zweifelst Du übrigens an meinem Worte, und ich gestatte Dir diesen Zweifel, so betrachte meine Sandalen und meinen Turban, vide pedes, vide caput, und Du wirst weder Hörner noch einen gespaltenen Fuß erblicken.«

»Wer sind Sie dann aber?«

»Ein Wille, fest gerichtet auf ein Ziel der Unsterblichkeit.«

»Des Körpers oder der Seele?«

»Des Körpers, Dummkopf. Die Seele ist durch ihr eigentliches Wesen unsterblich, während der Körper vergänglich ist.«

»So sind Sie also unsterblich?«

»Ich bin nicht unsterblich, aber ich zähle schon so etwas wie 130 bis 140 Jahre. Ich wünsche wenigstens, meine drei Jahrhunderte zu erreichen; denn was wir in der Welt seit 120 Jahren erblicken, ist so merkwürdig! Dieses Verlangen hat mich dahin gebracht, eine Wissenschaft neu zu beleben, die man für erstorben hielt, die Kabala. Dieses Verlangen verlieh mir Macht und eine Gewalt, deren Ausdehnung Du bereits erprobtest.«

»Und Sie können gegen den Tod kämpfen?« fragte Eusebius mit wachsendem Entsetzen.

»Wie mir scheint, hast Du das gesehen. – Höre – ich werde Dir eine jener unbekannten Wahrheiten sagen, die dazu bestimmt sind, sich im Laufe der Jahrhunderte Bahn zu brechen. Der Tod ist ein Phantom der Unwissenheit; er besteht gar nicht; der Körper ist die Hülle der Seele, das ist Alles. Wenn dieser Körper gänzlich vernichtet oder schwer und unverbesserlich verletzt ist, verläßt sie ihn, und wirft ihn, gleich verächtlichen Lumpen, an dem ersten besten Eckstein von sich. Nun wohl, ich, mein lieber Freund,« fügte der Doctor hinzu, indem er in jenes Lachen ausbrach, welches Eusebius bis in das Mark erkältete, »ich verstehe es, die Kleidung zu wechseln, ehe sie fadenscheinig wird; das ist Alles.«

»Wie ist das möglich?«

»Ja, verzeih’, das Wie kann ich Dir nicht mittheilen, denn wenn Du es erführest, wärest Du eben so weise wie ich. Was Du wissen darfst, obgleich ich nicht verpflichtet bin, es Dir zusagen, was Du wissen darfst, ist, daß, wenn Eusebius van der Beek eines schönes Tages, seiner Frau Esther Menuis überdrüssig, sich sagen sollte: Zum Teufel, wo hatte ich denn den Kopf, als ich mitten in der Nacht den Doctor Basilius aufsuchte, den der Himmel verdummen möge! weshalb mußte dieser höllische Doctor das Leben da zurückführen, wo der Tod schon eingetreten war? und an diesem Tage dann die Seele des Eusebius van der Beek ihren Körper verlassen wollte, den Körper, der noch frisch, jung und sauber wäre, der noch gute dreißig Jahre des Bestehens vor sich hätte, und in eben dem Augenblick, gleichviel wo, ein elender Räuberhauptmann, ein nichtswürdiger Pirat, zugegen wäre, der es als sehr angenehm betrachtete, in Erwartung von etwas Besserem diese dreißig Jahre in dem erwähnten Körper hinzubringen? —«

»So war also der diesen Morgen verkündete Tod —?«

»Nichts als ein Wechsel des Futterals.«

»Und Sie werden so leben?«

»Bis zum Ende der Jahrhunderte, wie ich vermuthe. Da die Weisheiten und die Albernheiten der Menschen diese des Lebens oft überdrüssig machen, rechne ich darauf, bis zum Tage des jüngsten Gerichtes.«

»O,« sagte Eusebius, »auch bin ich nicht Euer, mein Meister, und jetzt, da Ihr mich gewarnt habt, werde ich mich wohl zu hüten wissen, und ich verspreche Euch, daß Ihr in Gefahr schweben sollt, Euer Leben in der Haut des Datou-Noungal zu beendigen.«

»Glaubst Du?« sagte der Malaye lachend.

»Ich Esther ungetreu werden? Niemals!«

»Warte nur; aber ich will Dir noch mehr Freiheit geben, als Du glaubst.«

»Wie so das?«

»Die Treulosigkeiten des Körpers sollen nicht zählen; die bezahlst Du mit Deinem Vermögen, und das ist in der Ordnung; die Treulosigkeiten der Seele allein sollen rechnen; nur diese wirst Du mit Deinem Körper bezahlen.«

»Dann bin ich vollkommen ruhig,« sagte Eusebius, indem er sich bemühte, ebenfalls zu lachen.

»Nun wohl, trittst Du die Erbschaft an, oder nicht?«

»Ich trete sie an,« sagte Eusebius entschlossen, »ich trete sie an! Reich und glücklich werde ich noch leichter den höllischen Versuchungen widerstehen, die Sie ohne Zweifel gegen mich aufbieten wollen. Ich verwende einen Theil meines Vermögens zu guten Werken, gewinne so den Himmel für mich und erlange die Oberhand über Sie, der Sie, Ihres Läugnens ungeachtet, Ihre höllische Macht von der Hölle selbst empfangen haben müssen.«

»Versuche es,« erwiederte der Capitän, »versuche es, und viel Vergnügen. Das Leben ist kurz, das Deinige besonders ist nicht dazu bestimmt, lang zu sein; trachte daher danach, daß es gut sei. Auf Wiedersehen, Eusebius.«

Bei diesen Worten wendete er dem jungen Manne den Rücken, als hätte er Wichtigeres zuthun, wie dieses Gespräch fortzusetzen, gab seinen Matrosen ein Zeichen, und da diese ihren Kameraden an Bord zurückgebracht hatten, und die Vorbereitungen, unter Segel zu gehen, beendet waren, ergriffen auf dieses Zeichen vier Männer die Ruder eines Bootes und legten dann an der Seite des Dammes an. Der malayische Schiffscapitän sprang in das Boot hinab und dieses ruderte sogleich dem Schiffe zu. An dem Brahu angelangt, erstieg der Schiffscapitän leicht die Seiten des Schiffes, und übernahm dann sofort das Commando. Der Wind faßte die Segel, der Brahu setzte sich in Bewegung und umschiffte den Damm. In diesem Augenblicke stieg der Datou-Noungal auf das Hinterdeck und sendete Eusebius als letztes Lebewohl sein unheimliches, höhnisches Lachen zu.

Erst als das kleine Fahrzeug, welches Flügel zu haben schien, am Horizont verschwunden war, dachte Eusebius daran, nach seiner, Wohnung zurückzukehren. Er erreichte dieselbe in einem schwer zu beschreibenden Zustande fieberhafter Ueberreizung. Noch an demselben Tage brach ein hitziges Fieber in ihm aus, und ein Arzt, den Esther während der Nacht rufen ließ«erklärte, er halte es für unmöglich, daß der Kranke länger als drei Tage den wüthenden Anfällen widerstehen könnte.

Der Arzt auf Java

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