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Erster Band
Erstes Kapitel.
Eine vernachlässigte Erziehung

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So reich auch unsere französischen Flüsse ausgestattet sind, – nicht wenn wir sie mit den Flüssen Amerikas und Indien’s, sondern mit den andern Wasserläufen Europa’s vergleichen – so reich auch, sagen wir, unsere französischen Flüsse ausgestattet sind, hinsichtlich der Durchsichtigkeit ihrer Wellen und der reichlichen Fülle ihres Wassers, hinsichtlich ihrer malerischen Ufer, des Reizes ihrer seltsamen und wunderlichen Schlangenwindungen, so denke ich doch, daß weder die Seine, stolz, der Hauptstadt die Füße zu waschen, noch die Loire, erfreut, den Garten Frankreichs zu bespülen, noch die Garonne, stolz, so viele Schiffe zu tragen, wie ein Meer, noch die Rhone, erstaunt, in ihren Wogen Ruinen abzuspiegeln, die man für römische Ruinen halten sollte, mit der Vire wetteifern könnte, welches indessen ein sehr bescheidener Fluß ist, und den die Normannen, deren Durst er in Concurrenz mit dem Cider stillt, immer nur einen unbedeutenden Bach genannt haben.

Sie wissen nicht, daß grammatikalisch und geographisch jeder Wasserlauf, so schwach und ausgetrocknet er auch sein möge, ein Recht an die Benennung eines Flusses hat, wenn er sich ins Meer stürzt.

Die Italiener würden den Arno oder den Senethus nicht so herabwürdigen lassen.

Sie haben ein Wort für den Fluß, so groß oder so klein er auch sein möge.

Fiume heißt er, wenn er groß, Fiumicello, wenn er klein ist.

Die Vire ist also ein Fluß, wie die Geographen sagen, und nicht ein Bach, wie die Normannen sie nennen.

Ich muß indeß gestehen, daß, ungeachtet meiner Vorliebe für den Fluß, dem ich durch diese Zeilen die Stellung wiederzugeben versuche, an die er ein Recht hat, wie viele irdische Dinge, wie eine Menge hübscher Frauen und großer Männer, Revolutionen und Tragödien, kurz, wie ihre großen Gefährten, der Rhein und die Rhone, die Vire ein ihres Anfanges unwürdiges Ende hat.

An demselben Orte entstanden, wo, wenn man den archäologischen Forschungen der Brüder Parfait glauben darf, das Baudeville entstand, nämlich im Val-de-Vire (im Thale der Vire), an ihrer Quelle von dem reizenden Walde von Saint-Sever beschattet, nachdem sie fünf und zwanzig Meilen ihr kristallhelles Wasser über einen Grund vom blauen Felsen und über ein Bett von goldenem Sande und grünen Alpen hat hinfließen, nachdem sie über zwanzig Wasserfälle Myriaden von Scheffeln Perlen hat schimmern lassen, die in der Sonne funkeln, nachdem sie die poetische Mühle Oliver Basselins getrieben, verschwindet plötzlich die Vire einige Meilen unterhalb Saint-Lo, Isigny gegenüber, berühmt wegen seiner unvergleichlichen Butter, versenkt sich in seichte und schlammige Sümpfe und wird Etwas, was dem Kanal von l’Ourcox gleicht. Keine Gürtel mehr von grünenden und blühenden Wiesen; keine Kränze von Felsen mehr, purpurfarbig von Fingerhutblumen; keine Federbüsche mehr von Buchen mit glatten Stämmen, diesen kräftigen Kindern des mit Gebüsch bewachsenen Gebiets. Nein, der arme kleine Fluß, ganz beschämt über sein Mißgeschick, scheint auf seinem Wege umkehren zu wollen. Er läuft nicht mehr, er wandert. Sein lebhaftes und flüchtiges Wasser, worin die Nymphen des Ufers ihre durchsichtigen Füße badeten und ihre blonden Haare netzten, ein lebhaftes und flüchtiges Wasser, welches in tausendfachen Gemurmel sang, indem es über die Kiesel dahin sprang, während die Vögel, ihre Lieder singend, in dem Gebüsch hin und her hüpfend, ihre purpurnen und azurnen Farben verloren, wie die Bewohner von Aigues-Mortes und die Italiener der pontinischen Sümpfe ihre lebhaften Farben unter den bitteren und beißenden Küssen des Fiebers verlieren, schleppt sich schweigend und traurig über eine Lage von Torf, welche es braun färbt dahin, und spiegelt das Bild des gelblichen Rohrs ab, welches an seinen verlassenen Ufern vegetiert.

Der Ocean, der Vater der Flüsse, wie ihn Homer nannte, kommt glücklicherweise dem unglücklichen Flusse entgegen, reicht ihm die Arme, nimmt ihn in seinen Schooß auf und trägt ihm zur Unermeßlichkeit fort, wie der Tod sich eines leidenden Kindes erbarmt und es zur Unendlichkeit fortträgt.

Eine oder zwei Meilen oberhalb der Mündung der Vire, auf ihrem rechten Ufer befindet sich ein Dorf, wie alle Dörfer an der normännischen Küste, am Rande des Seestrandes erbaut, so daß die Wellen bei der hohen Fluth die Fundamente der Häuser benetzen.

Dieses Dorf heißt Maisy. Etwa zweitausend Schritte von dem Eingange von Maisy, wenn man von Isigny kommt, bemerkt man eine kleine Meyerei, deren Strohdächer und Mauern von Ziegelsteinen theilweise verborgen werden von einem Dickichte von Ulmen und Hagebuchen, welche einen Strauß, gleich einer grünen Insel auf der kahlen Fläche bilden, die im Winter weiß, im Frühling grün und im Sommer gelblich ist.

Diese Meyerei ist die Cochardiere.

Im Jahre 1818 gehörte die Cochardiere Jean Montplet.

Wir wollen in wenigen Worten sagen, wer Jean Montplet, der Vater des Alain Montplet war.

Jean Montplet hatte sich durch seine eigene Arbeit emporgeschwungen, und man sagte, daß dieser Mann dreihunderttausend Francs besitze.

Jean Montplet hatte mit dem Geschäfte eines Thierbeschauers begonnen; er war endlich Viehhändler, dann Landwirth geworden.

Seine Waare lieferte ihm guten Dünger, und da dieser gute Dünger ihm fette Kühe verschaffte, so war er schnell und leicht reich geworden.

»Das Vermögen macht nicht das Glück,« haben die Millionäre gesagt, um das Gefühl des Neides, welches die Armen natürlich gegen sie hegen, ein Wenig abzustumpfen.

Jean Montplet war nicht dieser Meinung.

Jean Montplet, welcher der reichste Mann in Maisy war, konnte zugleich für den glücklichsten Mann in der Umgegend gelten.

Er besuchte alle normannischen Märkte auf einem vortrefflichen, kleinen Pferde, herrschte auf den Märkten, wo seine Schätzung den Preis der Getreidearten bestimmte, und wo er und sein Pferd in den Gasthäusern gern und freudig aufgenommen wurden, und wo man den besten Cider für den Mann und den besten Hafer für das Pferd lieferte. Er sprach laut in den Gemeindeversammlungen, wo seine Stimme angehört und seine Meinung befolgt wurde. Von den Armen geliebt, mit welchen er ebenso gern trank, wie zur Zeit, wo er zu Fuß auf der Landstraße ging, und die Kühe der Anderen trieb, von den Reichen gegrüßt, für die er zur rechten Zeit eine Ecke von dem vergoldeten Futter seiner groben Blouse zu zeigen wußte – gestand Jean Montplet selber, daß Nichts an seinem Glück fehle.

Wir irren uns, im Jahre 1818 – wir hatten vergessen dieses Datum angegeben zu haben – im Jahre 1818 fehlte ihm ein Erbe, den ihm Madame Montplet, ungeachtet des Bedauerns, welches sie aussprach, seit zwölf Jahren immer nicht schenkte.

Aber zum Glücke war der Himmel nicht so grausam, sein Werk unvollendet zu lassen.

Im Jahre 1819 kam endlich dieser so sehr gewünschte Sohn.

Nur trat er unter unheilvollen Vorbedeutungen in die Welt.

Seine Geburt kostete seiner Mutter das Leben.

Jean Montplet weinte sehr, denn er liebte seine Frau aufrichtig.

Dann sah er einen Knaben an, in welchem die arme Verstorbene wieder aufzuleben schien; er jagte sich, da er sein ganzes Leben lang gearbeitet, diesem Erben ein Vermögen zu hinterlassen, so sei es nicht der Augenblick auszuruhen, nun da der Herr ihm bewilligte, was er so lange gewünscht hatte. Er bestieg also ein Pferdchen ritt auf den Markt von Bayeux, gewann einen großen Sack voll Thaler an einer Anzahl Kühe, so daß die Freude über einen Markt, die frische Luft und die Bewegung seinen Schmerz zu mildern begannen.

Die Zeit that das Uebrige.

O Saturn, Du Gott der Zeit, Du ältester Sohn der Ewigkeit, nicht ohne Grund haben die Dichter Dich mit einer Sichel in der Hand dargestellt. Unerbittlicher Schnitter, Du mäht unsere Freuden wie unsere Mißgeschicke hinweg, und der Mensch, dieses Atom, welches im Winde auf Deinem Wege zittert, bemerkt mit Verzweiflung, daß Nichts ewig ist bei ihm, nicht einmal der Schmerz!

Die Zeit schloß also Jean Montplet’s Wunde.

Alain – dies war der Name, den der junge Erbe der Meyerei Cochardiere in der Taufe erhalten hatte – Alain wurde also zugleich der Trost und der Antrieb des guten Montplet.

Für ihn unternahm der Viehhändler ohne Aufhören neue Reisen; Alain’s kindliche Liebkosungen belohnten ihn, wenn er nach Hause zurückkehrte, für seine Anstrengungen.

Und der arme Vater, Das müssen wir sagen, fühlte sich so reichlich belohnt, daß er jeden Tag Gott dankte.

Auch verzog er den kleinen Alain, so daß es zugleich Schmerz und Vergnügen verursachte, es zu sehen.

Als Alain zehn Jahre alt war, dachte Jean Montplet an die Erziehung seines Sohnes.

Wie alle reich gewordenen Bauern und viele abgehobelte Handwerker verachtete Jean seine Profession und wünschte für seinen Sohn die Ehre des Baccalaureats und den Glanz der Toga.

Indessen war er noch unentschieden und wußte nicht, an welchem Orte er den Wildling, den er für die Wissenschaft bestimmt hatte, wollte erblühen lassen, als eines schönen Tages ein College, indem er ihm von einem guten Kuhmarkte sprach, der in Saint-Lo zu machen sei, zugleich das Gymnasium dieser Stadt erwähnte. Jean Montplet beschloß also, zwei Fliegen auf einer Klappe zu schlagen, die Kühe zu kaufen und seinen Knaben dort unterzubringen.

Er legte eine großen Gamaschen an, nahm den Knaben hinter sich aufs Pferd und brachte ihn aufs Gymnasium, wo derselbe ganz heiter blieb, als er die Menge von jungen Kameraden sah, die er haben sollte, und den schönen Garten, in welchem alle spielten.

Der arme Alain war während der Erholungsstunde angekommen und hatte geglaubt, daß das Gymnasium ein beständiges Kriegspiel sei.

Jean Montplet hatte sich entfernt, nachdem er dem Vorsteher wohl zehnmal wiederholt hatte, indem er mit dem Gelde klapperte, welches er in der ledernen Geldkatze hatte, die er unter seiner Blouse trug, daß er nicht auf die Thaler achten werde, wenn man aus seinem Sohne nur einen Hippokrates oder Demosthenes mache.

Es waren zwei Namen, die er aus dem Munde des Pfarrers von Maisy gehört hatte, als Dieser eines Tages an einem Tische zu Mittag gespeist.

Er hatte sich erkundigt, wer diese beiden Herren wären, und erfahren, daß der Eine ein großer Arzt und der Andere ein großer Redner gewesen.

Nur hatte er sich nicht nach der Zeit erkundigt, in welcher sie gelebt. Aber es lag ihm wenig daran, da Beide in ihrer Kunst dieselbe Stellung errungen hatten, die er selber unter den Landleuten und unter den Viehhändlern von la-Manche und Calvados einnahm.

Aber ach! Jean Montplet hatte völlig ohne seinen Sohn gerechnet.

Der Knabe hatte das Gymnasium reizend gefunden, wie wir gesagt haben, weil er in der Erholungsstunde eingetreten war.

Aber die Erholung war zu Ende und er mußte in die Classe eintreten.

An dem eichenen Tische und vor dem Pult, hatte die Sache ihr Aussehen verändert, und Alain hatte das Gymnasium in seiner ganzen strengen Disciplin gesehen.

Seitdem schien es ihm, als wäre die Zeit mit ungleicher Hand gemessen, nicht genug für das Vergnügen, zu viel für die Arbeit. Die Schulstrenge, die pedantischen Formen hatten diesen rauhen kleinen Dorfjungen, dessen Leben bis dahin eine beständige Schule im Freien gewesen und der eine unerläßliche Gewohnheit, ein unwiderstehliches Bedürfniß angenommen hatte, in der frischen Luft am Strande umhergelaufen und das schroffe Gestade zu ersteigen, die Wissenschaft bald verleidet gemacht.

Von dem Augenblicke an, wo der Hauch der Langenweile ihn berührt hatte, begann er dahinzuschwinden. Die lebhaften Farben der Wangen verblichen, eine Art Heimweh bemächtigte sich einer, und er wurde kränklich und schmächtig unter dieser mit Griechisch und Latein überladenen Atmosphäre.

Jean Montplet, von den Professoren selber benachrichtigt, kam einen Sohn zu besuchen und erschrak über die Fortschritte des Uebels. Er bedachte, daß der schwarze Rock ebenso gut den Bürger wie die Robe den Advocaten und den Doctor mache, daß, wenn Gott fortfahre, ihm in der Gegenwart und Zukunft Beistand zu leisten, wie er es in der Vergangenheit gethan, Alain Montplet eines Tages eine hübschen 25.000 Livres Renten haben und folglich so reich sein werde, um nicht nöthig zu haben, Consultationen zu halten oder Recepte zu verschreiben.

Alain wurde also aus dem Gymnasium zu Saint-Lo weggenommen und einen Kameraden von Maisy zurückgegeben.

Als er wieder auf der Meyerei war, Das heißt tausend Schritte vom Meere, und sich wieder in der Umgebung befand, an die er gewöhnt war, in der einzigen Luft, die er athmen konnte, erhielt der Knabe bald eine gute Laune, seinen röthlichen Teint und seine ursprüngliche Stärke wieder.

Bald hatte er nicht nur in Maisy, sondern aus Grand-Camp und in Saint-Pierre-du-Mont keinen Nebenbuhler in der Kunst, die Klippen zu erklimmen, um die Nester der Taucherhühner auszunehmen; bald lief er allen Lehrlingen der Schiffsbaukunst den Rang ab, kleine Schiffe aus einen Stück Holz auszuschnitzen und sie auf den Wasserflächen, welche die Ebbe auf dem Sande zurückließ, treiben zu lassen, aber besonders als Schwimmer machte der junge Alain die erstaunlichsten Fortschritte.

Das Meer schien ein ebenso vertrautes und fügsames Element für ihn geworden zu sein, wie das Land; man hätte denken sollen, die Natur habe ihn zur Amphybie bestimmt, so leicht konnte er nach dem Beispiele des Delphins über die Wogen dahinfahren, und daß er ein besonderes Athmungssystem besitze, so unendlich lange konnte er unter dem Wasser bleiben. Nichts machte ihm etwas aus – weder hoher Wellenschlag noch Wirbelwind, weder Sturm noch Ungewitter, und für die Fischer der Küste war er eine Art Thermometer geworden, wie es gewisse Fische sind, die nur aus dem Wasser springen, um den Wind anzukündigen. Man sagte, wenn man ihn unter den Wogen seine Possen treiben sah:

»Der Bursche Alain ist heute sehr lustig; es wird morgen das Meer hoch gehen.«

Die Ueberlegenheit, die sein Sohn in allen Spielen erlangte, reichte hin, den väterlichen Stolz des alten Montplet zu befriedigen, welcher jeden Tag einen kleinen Schatz mehr und mehr abrundete und immer gewisser wurde, einem Erben eine gute Zukunft zu sichern, und sich immer mehr überzeugt hielt, daß man in den Augen der Menschen immer gelehrt genug sei, wenn man nur reich genug sei.

Er sprach also nicht mehr davon, daß Alain, selbst als Dieser ein Jüngling wurde, irgend eine Lehrstunde haben solle, und übergab ihn den einzigen Professoren, welche ihm die Küste umsonst lieferte, und die es übernahmen, die Talente zu vervollkommnen, wovon wir eben gesprochen, indem sie dem künftigen Besitzer der Meyerei lehrten, ein Ruder geschickt einzuholen, eine Reuse auszuspannen und eine Schnur gehörig mit jedem Köder zu versehen, der sich für diesen oder jenen Fisch, von dem Stint bis zur Makrele eignet.

Noch eine Kunst, in welcher der junge Alain große Fortschritte machte, war die Kunst der Jagd. Freilich hatte er in dieser Kunst einen vortrefflichen Lehrer.

Dieser Lehrer war der Geflügelschütze Vater Gabion.

Wir wollen zuerst sagen, wer und was Vater Gabion war, dann wollen wir erklären, was ein Geflügelschütze ist.

Der Vater Gabion, der so hieß, weil er in einem kleinen Häuschen wohnte, welches an der Mündung der Vire stand und welches man le Gabion (der Schanzkorb) nannte – der Vater Gabion war ein großer Greis von beinahe sechs Fuß Höhe, trocken und schmächtig und anscheinend nicht dem Menschengeschlechte, sondern der Familie der Stelzenläufer angehörig. Er hatte eine eingedrückte Stirn, ein zurücktretendes Kinn und eine spitzige Nase, so daß er einen ganz hübschen Kopf wie eine Fettgans hatte, und wann er an der Küste oder bei der Ebbe am Strande dahin lief und von Felsen zu Felsen sprang, glich er einem jener Seevögel mit langen Beinen, die am Strande dahin laufen und von Felsen zu Felsen hüpfen, um kleine Fische zu erhaschen.

Ohne Zweifel hatten sich auf den ersten Blick die Vögel der Küste, die Enten, die Trauerenten, die Schnepfen, die Moorschnepfen, die Brachvögel und die Taucherhühner durch diese Aehnlichkeit täuschen lassen und den Vater Gabion für einen riesenhaften Storch, für einen vorsündfluthlichen Reyher gehalten und nicht die geringste Furcht vor ihm gehabt.

Aber nach und nach waren ihnen über diese falsche Aehnlichkeit die Augen aufgegangen und die armen Vögel hatten endlich bemerkt, daß sie im Gegentheile keinen erbitterteren Feind hatten, als den Vater Gabion.

In der That war der Vater Gabion, wie wir gejagt haben, ein Geflügelschütze.

Wir wollen unser Versprechen halten, und nachdem wir den Vater Gabion wenigstens in physischer Hinsicht beschrieben haben, wollen wir sagen, was ein Geflügelschütze ist.

Man versteht unter dem wilden Geflügel alle die Vögel, die in den Sümpfen, an den Küsten und auf Flüssen leben.

Die Enten, die Trauerenten, die Wasserhühner, die wilden Gänse, die Regenpfeifer, die Krickenten und selbst die unschuldigen Weißschwänze, so roh gejagt von den Nimrods von Saint-Denis und Bougival, gehören zu dem wilden Geflügel.

Die Jagd dieses Wildes, wenn man sie am Ufer des Meeres ausübt, ist vielleicht heutiges Tages die einzige, welche ernstliche Gefahren bietet, die einzige, welche noch die abenteuersuchenden Geister anlocken kann, für welche die Gefahr ein Reiz ist, welche die lebhaften Gemüthsbewegungen als Genüsse aufsuchen, die sich endlich geniert und unbequem fühlen in dem gemächlichen Leben, welches die Civilisation den Bescheidensten bereitet hat.

Nicht in den Sümpfen allein muß der Geflügelschütze sein Wild suchen! Die Felsen, die Sandbänke, die Klippen, die man besonders an der Mündung der Flüsse findet, sind viel vortheilhafter auszubeuten. Diese Felsen und Sandbänke dienen Tausenden von Wasservögeln als Zufluchtsort. Wenn die Nacht kommt, mögen nun die Vögel den Tag auf dem Oceane zugebracht, mögen sie ihre Nahrung auf den Flüssen oder auf den Teichen im Innern des Landes gesucht haben, oder dort nur auf ihren Wanderungen einen Halt machen, auf alle Fälle versammeln sie sich dort auf diesen Sandbänken und auf diesen Felsen, wie an einem verabredeten Orte, lassen sie sich in unzähligen Schaaren nieder und bilden eine buntscheckige Bevölkerung, wo die Geschlechter und Familien häufig unter einander gemischt sind.

Aber so reichlich dieses Wild vorhanden sein mag, ist es doch oft schwierig, ja gefährlich, es auf diesen beweglichen Sandbänken, die von jeder Fluth versetzt werden, auf diesen Felsen zu suchen, die so glatt und schlüpfrig sind wie Gletscher und die wie die Gletscher einen Abgrund unter sich haben, und zwar während der dunklen und kalten Nächte der strengsten Jahreszeit, denn nur vom Monat October bis zum April ist die Jagd des wilden Geflügels wahrhaft ergiebig.

Nach Dem, was wir eben gesagt haben, wird der Leser leicht begreifen, welches die Gefahren sind, denen, der Jäger ausgesetzt ist. So groß auch seine Gewandtheit, seine Geschicklichkeit, seine Stärke und Kühnheit ist, darf er doch keinen Augenblick vergessen, daß er auf einem dem Meere angehörigen Terrain ist, und daß die Fluth in wenigen Stunden wieder überschwemmen wird, was die Ebbe für den Augenblick verlassen hat. Einige Minuten der Zerstreuung, der Träumerei oder des Schlummers können ihm das Leben kosten, denn seine ganze Gewandtheit, seine ganze Energie, eine ganze Geistesgegenwart würde ohnmächtig werden in dem Kampf, den er gegen das wüthende Element zu bestehen haben würde, welches in ein Gebiet zurückkehrt, unerbittlich wie ein legitimer Besitzer, der auf einen Augenblick verdrängt worden.

Diese Gefahren eines gewaltsamen Todes haben ihre kleinen Nebenumstände: diese sind der Schnupfen, der Husten, die Lungenentzündung, der Rheumatismus, der natürliche Erfolg der Unbeweglichkeit, die der Jäger bewahren muß, wenn er in der Nähe einer Wasserfläche, in einem Loch versteckt, von dem Pfeifen der Windstöße und dem Gebrüll der Wogen betäubt, erstarrt von der Feuchtigkeit, die ihn nach und nach durchdringt und sich eines ganzen Körpers von der Haut bis in das Mark der Knochen bemächtigt, wartet, daß ein Mondstrahl, zwischen zwei-Wolken durchgleitend, ihm gestattet, auf das Wild anzulegen, welches nur einige Schritte von ihm entfernt eingeschlafen ist.

Woher kam der Vater Gabion? Man wußte es nicht.

Welches war ein wahrer Name?

Man wußte es nicht.

Eines Tages – vor einigen zwanzig Jahren – war er in dem Lande erschienen und aus dem Departement la-Manche gekommen, seine Entenflinte auf der Schulter und von seinem Pudel begleitet.

Er hatte sich also in dem Gabion (Schanzkorbe) niedergelassen und nicht mehr oder weniger als ein Montmorency oder ein Coucy den Namen seiner Besitzung angenommen.

Da er nun aber Niemanden Unrecht oder Leid zugefügt hatte, da er am Tage schlief, in der Nacht jagte, dem Wildhändler von Isigny ein Wild brachte, den Preis dafür einstrich und das Wenige, welches er kaufte, baar bezahlte, so wurde er weder geliebt noch gehaßt, und man ließ ihn endlich nach einem Gefallen leben, ohne sich mehr um ihn zu kümmern, als er sich um die Anderen kümmerte.

Dies war der Lehrer, den der Jägerinstinct des jungen Montplet ihn hatte entdecken lassen, und welcher ihm bald gezeigt, wie er sich anstellen müsse, um Enten und Becassinen zu schießen, und daß er nicht eher auf einen Seevogel feuern dürfe, als bis er sein Auge unterscheiden könne.

Der Geflügelschütze

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