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Erster Band
Zweites Kapitel.
Der Shylock des Dorfes

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Diese ausschließlich materielle Erziehung entwickelte die schon ein Wenig wilden Neigungen des Characters unseres Helden, denn der Leser ist gewiß nicht mehr im Zweifel, daß Alain Montplet unser Held ist.

Er begeisterte sich für das Schwimmen, für den Fischfang, für die Jagd mit jener wilden Leidenschaft, welche in unseren Tagen nur eine Ausnahme bildet.

Sie beschäftigte ihn nicht nur einen Theil seiner Tage, sondern auch während seiner Nächte.

Die Eintheilung der Zeit, die Reihenfolge der gewöhnlichen Ordnungen war nicht vorhanden für den jungen Erben der Meyerei. Die Stunden der Mahlzeiten, die Stunden des Schlafes – Nichts war regelmäßig bei ihm. Er aß, wenn er Hunger hatte, er schlief, wenn er zu schlafen, geneigt war, und außer der Zeit, die er mit Schlafen hinbrachte, außer drei reichlichen Mahlzeiten und einigen Stunden des Schlummers, die er benutzte, wo er sich befand, war alles Uebrige seinen Lieblingsübungen gewidmet.

Von Arbeit war natürlich nicht die Rede.

Alain konnte lesen und schreiben, Das war Alles. Er kannte beinahe die beiden ersten mathematischen Species, aber er hatte nie über die Multiplication hinauskommen können. Es versteht sich von selber, daß die Division ein australisches Land, völlig unbekannt und unerforscht, für ihn war.

Indessen konnten die drei Leidenschaften, zwischen welchen sich das Leben des jungen Montplet theilte, diese überschäumende Natur nicht ganz in Anspruch nehmen. Es bemächtigte sich einer eine unbestimmte Unruhe, eine Melancholie ohne Grund; eine gewohnten Zerstreuungen genügten ihm nicht mehr; es schien ihm, als ob einem Leben irgend Etwas fehle. Er hatte nie sagen können, was dieses Etwas war; dieses Etwas war ihm völlig unbekannt.

Er empfand jenes Mißbehagen eines Jünglings von sechzehn bis siebzehn Jahren; aber als er zu diesem Alter gelangt war, veränderte sich Alles.

Die hohe Statur Alain’s, ein kräftiges Aussehen, seine Frische und seine siebzehn Jahre machten ihn zu einem herrlichen Jungen nach der normännischen Weise. Auch machten ihn die Mädchen von Maisy, von Grand-Camp und Saint-Lo bald mit diesem unbekannten Etwas bekannt, welches er suchte, und welches zu finden er jetzt in dem Alter war.

Mit achtzehn Jahren war Alain Montplet der Lovelace aller Schönen in baumwollenen Mützen des Landes Bessin; auch blieb er nicht in den Kreis des Districts der Mädchen von Maisy, von Grand-Camp und Saint-Lo eingeschlossen; er ging zu denjenigen von La-Cambe, von Formigny, von Trevière über und breitete seine Liebesunternehmungen bis zur Delivrande aus.

Damals war er eine von jenen zwitterhaften Personen, Einer jener feinen Stutzer des Landes, halb Bürger, halb Bauer, die man in den kleinen Städten und den großen Marktflecken trifft, welche sich in Hemdärmeln oder in der Blouse in den Schenken, Kaffeehäusern oder in den Gängen jener Häuser umhertreiben, wie die Söhne der pariser Familien, in gelben Handschuhen und die Cigarre zwischen den Lippen, auf dem Asphalt des Boulevarddes-Italiens und auf dem Trottoirs des Stadtviertels Breda umherstolzieren.

Man glaubte nicht nach der Benennung Lovelace – denn der Name des Helden Richardson’s ist vermöge der Elasticität der Sprache ein Beiwort geworden —, die wir mit dem Namen Alain in Verbindung gesetzt haben, daß die Liebe eine Rinde geglättet, seine Manieren civilisiert, seinen Charakter gemildert habe.

Nein, die Liebe, die man in der Welt Alain Montplet’s antreffen konnte, war nicht von der Stärke, um ähnliche Verwandlungen hervorzubringen; nein, der junge Bursche aus der Meyerei hatte nicht, wie Phaon von der Venus jene erweichende und parfümierte Essenz erhalten, welche das Elend der glühenden Sappho herbeiführte. Er war schön nach der ursprünglichen Weise, er war stark wie ein Titane, und er theilte sein Leben zwischen seiner Liebe, einem Fischfange mit dem Vater Henin – von Diesem werden wir später zu sprechen Gelegenheit haben – und seiner Jagd in den Sümpfen der Vire und auf den steilen Felsenufern an der Bucht von Vays.

Es versteht sich von selber, daß Jean Montplet bei einer unbegrenzten Liebe für seinen Sohn, sobald als der Knabe ein Mann wurde und seine Bedürfnisse sich vermehrten, die Schnure einer Börse weiter löste.

Aber bald vermehrten sich eine Bedürfnisse sehr und stiegen bis zur Verschwendung.

Bald auch wurde diese Verschwendung von der Art, daß sie Jean Montplet zu erschrecken begann. Er wagte einige furchtsame Vorstellungen, worauf ein junger Mann, der seit seiner Kindheit gewöhnt ist, nach seinen eigenen Einfällen zu leben, nicht viel achten konnte und in der That auch nicht viel achtete.

Auch hörte Alain nicht auf, in Folge der Partien der Jagd, des Fischfanges und des Schwimmens, wozu er alle seine Freunde einlud, seine Rolle als Amphitryo in den Wirthshäusern fortzusetzen und die Buden auf allen Jahrmärkten in der Umgegend auszuleeren, um sich in der Gunst der hübschen Mädchen der Departements von la-Manche und Calvados zu erhalten.

Da seine Kameraden von Maisy, Geffosse und Saint-Pierre-du-Mont lauter Arbeiter, die sich und ihre Familie nur durch die Anstrengung ihrer Hände ernährten, nicht immer geneigt waren, ihren Tag seinen Launen zu opfern, so weigerten sie sich oft, ihm die Last seines Müßigganges tragen zu helfen, und wie Alain Ausflüge gemacht hatte, um hübsche Mädchen zu entdecken, so suchte er jetzt muntere Kameraden auf und ging bis Isigny, bis Balleroy und selbst bis Bayeux, wo er als Theilnehmer seiner Vergnügungen Schreiber der Notare, Officianten und reisende Handlungsgehilfen fand, die es mit ihren Berufsgeschäften nicht allzu genau nahmen, wenn es sich darum handelte, einen tollen Streich auszuführen.

Wenn aber die Gesellschaft dieser Herren angenehm war, müssen wir gestehen, daß sie verderblich wurde. Indem er ihnen Diners gab und nach diesen Diners Bouillotte und Ecarté spielte, nahm er die Freigebigkeit eines Vaters übermäßig in Anspruch und begann Schulden zu machen, die zu bezahlen er sich wohl hütete. Die Gläubiger warteten einige Zeit, denn sie wußten, daß der Vater Montplet, wenn sein Sohn sie nicht zahle, die einst zahlen würde; als sie aber endlich lange genug vergeblich gewartet hatten, ob es dem Sohne passend sein würde zu zahlen, gingen sie in die Meyerei, um ihre Klagen vorzubringen.

Als ihm die ersten Rechnungen überreicht wurden, zahlte Jean Montplet ohne viel zu schreien, da er sich nicht träumen ließ, von welchen Lawinen von Zahlen er bedroht werde.

Die bezahlten Gläubiger sagten dann zu ihren unbezahlten Collegen, wie sie es angestellt hätten, um zu ihrem Gelde zu kommen, und man ging beständig zwischen der Meyerei und den benachbarten Städten und Dörfern hin und her.

So groß auch die Zärtlichkeit eines Vaters für feinen Sohn sein mag, so verschwindet dieselbe, wenn dieser Vater ein Normand ist, fast immer, um der Kaltblütigkeit Platz zu machen, wenn die Geldfrage zur Verhandlung kommt.

Jean Montplet war aus diesem Lande; und um jeder Anforderung dieser Art zu begegnen, kündigte er in dem Journal des Departement an, daß es jedem frei stehe, dem Alain Montplet Credit zu geben oder Geld zu borgen, aber von jetzt an werde er keine von einem Sohne gemachte Schuld anerkennen, viel weniger noch bezahlen.

Das Mittel war heroisch, aber es verfehlte seinen Zweck.

Wenn es sich darum handelt, den Kindern der Familie Geld zu borgen, gibt es weitsichtige Leute, welche sich jagen, daß in Ermangelung der Börse des lebenden Vaters die Erbfolge des todten Vaters eintreten wird, und die so gut die Zinsen von Zinsen zu berechnen wissen, daß man ihnen einen um so größeren Dienst leistet, je länger man sie auf das Kapital warten läßt.

Alain, der sich durch die Gewohnheiten von drei Jahren und den vollständigen Müßiggang Bedürfnisse angeeignet hatte, welche das ihm von seinem Vater bewilligte Jahrgeld nicht befriedigen konnte, fügte sich nicht, sondern empörte sich im Gegentheil.

Er suchte daher einen von jenen verbindlichen Geldverleihern auf, von welchen wir gesprochen haben, und zum Unglück durften seine Augen nicht lange suchen, ehe sie auf Das fielen, was er bedurfte.

Der geeignete Mann befand sich in Maisy selber, das heißt im Bereiche seiner Hand.

Dieser wohlwollende Kapitalgeber hieß Thomas Langot, und war kein Anderer, als der erste Materialhändler des Fleckens.

Wir wollen sagen, was Thomas Langot war, der eine gewisse Rolle in dieser Erzählung spielen soll.

Thomas Langot war der jüngste Sohn einer Fischerfamilie in Saint-Pierre-du-Mont. Die Natur, die ihn in socialer Hinsicht wenig begünstigte, hatte ihn in physischer Hinsicht noch mehr gemißhandelt. Er war schwach, mit der englischen Krankheit behaftet und hinkend. Das am Knie nach innen gebogene Bein ließ immer glauben, daß er, wenn er ging, einen Halbzirkel beschreiben wolle, und nur vermöge gewisser mathematischer Combinationen gelang es ihm, die gerade Linie zu behaupten und zu dem Ziele zu kommen, welches er sich vorgesetzt hatte. Die Schwäche seiner Constitution, vereint mit seinem fehlerhaften Körper, hatte ihm eine elende Kindheit bereitet in einer Welt, wo man die Körperkraft vor allen Dingen schätzt.

Von seinem Vater gemißhandelt, der in ihm nur einen unnützen Mund sah, so wie von seinen Brüdern, deren Aufpasser er wurde, da er nicht ihr Gefährte werden konnte, verhöhnt von seinen kleinen Kameraden, welchen er nur aus der Ferne folgen konnte, und die ihm den Beinamen Säbelbein gegeben hatten, welcher Name ihm blieb, schöpfte der junge Langot aus den frühzeitigen Schmerzen seiner Jugend einen falschen, verbitterten und neidischen Character, aber zu gleicher Zeit einen festen und beharrlichen Entschluß, zu einem Vermögen zu gelangen und so dem Drucke der Beleidigung und der Schmach zu entgehen, welche das beständige Erbtheil des Armen und Schwachen hier auf der Erde zu sein scheinen.

Mit fünfzehn Jahren reiste er, ohne sich um die Entfernung zu kümmern und ohne sich von seiner Gebrechlichkeit zurückhalten zu lassen, mit zwei Fünfrankenthalern in der Tasche nach Paris ab.

Wie legte er den Weg zurück?

Gott weiß es!

Zu Fuß, auf leeren Wagen, auf Retourpferden, Brod essend, Wasser trinkend und sich ein Strohlager erbittend.

Kurz, er wußte sich auf dieser Reise so einzuschränken, daß ihm von diesen Fünfrankenthalern noch acht Livres und elf Sous übrig waren, als er in die große Stadt eintrat.

Nach einander Colporteur, Commissionair, Schuhputzer, Aufleser von Cigarrenresten und Contremarken, sammelte er Heller für Heller, die Summe von hundert Franken, welche er für nöthig gehalten hatte, um den Grund zu dem Vermögen zu legen, wovon er träumte.

Mit dieser Summe versehen, erwarb er sich die Berechtigung und unternahm einen Handel mit alten Kleidern.

Eine Auvergner Habsucht auf eine normännische List gepfropft, war ihm in diesem Geschäfte so nützlich, daß er darin bald geschickter wurde, als alle seine Kameraden.

In der That waren ihm seine psychologischen Studien nützlich.

Er besaß einen wunderbaren Tact, um die Aengstlichkeit des Elends oder den gierigen Durst nach dem Vergnügen in der scheinbaren Gleichgültigkeit zu lesen, womit die Verkäufer ihm ihre Waaren darreichten.

Hunger oder Leidenschaft, Alles mußte ihm dienen. Er spielte mit der Seelenangst wie die Katze mit der Maus, wie der Sperber mit der Lerche. Dieser Shylock im kleinen Maßstabe unterhielt sich zuweilen, wie der Jude von Venedig, den er übrigens nicht einmal dem Namen nach kannte, ihnen ihr Geheimniß zu entlocken, ohne darum einen Heller zu dem bedungenen Preise für den Lumpen, den man ihm anbot, hinzuzufügen. Ganz im Gegentheil, wenn die Wunde offen dargelegt war, fuhr er wie zufällig mit einer schweren Klaue hinein und zog sich zurück, indem er das Blut ableckte, welches ihm an den Nägeln geblieben war.

Kurz, nicht einmal ging er aus dem Kampfe hervor, ohne einen vortrefflichen Handel gemacht zu haben.

Zehn Jahre lang setzte er dieses Geschäft fort und lebte in Paris, als wenn er auf dem Dorfe gelebt hätte. Während dieser zehn Jahre versäumte er keinen einzigen Tag, die Garküche unter freiem Himmel zu besuchen, wo er, als er nach Paris gekommen, für vier Sous sein erstes Mahl eingenommen. Während dieser zehn Jahre veränderte er nicht im Geringsten sein tägliches Leben.

Seit zehn Jahren waren fünfzehn Sous zu seinem täglichen Leben ausreichend.

Die freie und uneigennützige Liebe war ein Luxus, den seine Mißgestalt und sein unfreundliches Wesen nicht gestatteten, und er hielt sich niemals für reich genug, um sich einen Ersatz dafür zu erkaufen.

Thomas Langot wurde also niemals geliebt und liebte nie.

Was die Schauspiele betraf, so war es damit, wie mit der Liebe, und Thomas Langot sah nur diejenigen, welche die Volksfeste, der Assienhof und die Barriere Saint-Jacques gewährten.

Die Energie, womit er zu einem einzigen Ziele hinstrebte, gab ihm die Kraft, dieses klösterliche Dasein inmitten von Versuchungen aller Art zu führen, und die Vergnügungen des modernen Babylon glitten, ohne ihn zu berühren, von dieser rauhen normännischen Rinde ab.

Eines Tages zählte er seinen Schatz, fand ihn genügend, lächelte seine Thaler an, packte ein und kehrte ebenso öconomisch, wie er gekommen war, in seine Provinz zurück.

Er besaß 15 000 Franken.

Er hütete sich wohl, einen triumphierenden Einzug in Maisy zu halten, wo er seine Wohnung aufzuschlagen beabsichtigte.

Nein, er kehrte am Abend, ohne Geräusch in Kleidern zurück, wozu er keine Käufer hatte finden können, und ging, um sich Gastfreundschaft bei einem seiner Brüder zu erbitten, der zugleich Sakristan und Diener des Pfarrers war.

Der Sacristan bat um gastfreundliche Aufnahme auf zwei oder drei Tage für Thomas Langot.

Der Pfarrer bewilligte dieselbe.

Während dieser drei Tage theilte Thomas Langot den bescheidenen Abhub des Pfarres mit seinem Bruder.

Kurz, es waren drei Tage, in welchen er keinen Heller ausgegeben hatte.

Seine Rückkehr war so unbemerkt geschehen, daß nur zwei oder drei Gevatterinnen in Form des Ausrufs und um ihre Unterhaltung wieder fortzusetzen, sagten: »Wissen Sie, Jeanne, wissen Sie, Javotte, Thomas Langot von Saint-Pierre-du-Mont, den man Säbelbein nannte, ist zurückgekehrt.«

Thomas Langot’s Eltern waren eben gestorben.

Um einen Brüdern und Schwestern, die ihn für reich halten konnten, den Gedanken zu benehmen, den geringsten Beistand von ihm zu verlangen, zeigte er sich hart, habgierig und vielfordernd bei der Theilung der wenigen Fischergeräthe, welche den ganzen Nachlaß des Verstorbenen bildeten – so hart, so habgierig, so vielfordernd, daß er sich mit seinem Bruder, dem Sacristan, mit dem er das Zimmer theilte, entzweite.

So sah er sich auf die freie Straße gesetzt.

Darauf ging er zu Jean Montplet und bat ihn, in irgend einem Winkel seiner Meyerei schlafen zu dürfen; dann fragte er ihn, ob er ihm nicht auf einige Tage irgend eine Arbeit für seinen Unterhalt geben könne.

Jean Montplet, welcher Thomas Langot für noch ein Wenig ärmer hielt, als Hiob, antwortete ihm, wenn es nur auf einige Tage wäre, könne er entweder in der Scheune oder in der leeren Hütte des Schäfers schlafen.

Die täglichen Mahlzeiten könne er ohne irgend eine Arbeit mit den Pflügern und den Hirten einnehmen.

Welche Arbeit konnte man von dem armen Säbelbein verlangen? Thomas Langot blieb vierzehn Tage in der Meyerei.

Nach Verlauf von vierzehn Tagen dankte er Jean Montplet und kündigte ihm an, daß er eben einen kleinen Vorrath von Materialwaaren erstanden habe, und bat ihn um seine Kundschaft.

Jean Montplet versprach sie ihm.

Säbelbein überhäufte ihn mit Segenswünschen und Danksagungen und entfernte sich rückwärts schreitend.

Er hatte in der That für sechshundert Franken, in drei Raten je nach sechs Monaten zahlbar, einen kleinen Vorrath von Materialwaaren von einer armen Wittwe gekauft, die von dem kleinen Vorrathe nicht leben konnte, und die sich in den Ruhestand setzen wollte.

In dem Augenblicke, als Thomas Langot die erste Zahlung zu machen hatte, erbot er sich, alle drei auf einmal zu leisten, wenn die Wittwe sich einen Abzug von fünfzig Franken gefallen lassen wolle.

Die Wittwe, die das Land verlassen wollte, nahm dies an, so daß der Vorrath von Materialwaaren Thomas Langot in der That nur 550 Franken kostete.

Aber die Wohnung der Wittwe war zu theuer für ihn.

Er miethete auf dem Platze von Maisy, der Kirche gegenüber, ein schmutziges und verfallenes Haus, wovon er die Reparaturen, deren es bedurfte, selber besorgte.

Nach und nach vergrößerte er seinen Geschäftskreis, indem er bei diesem Wachsthum die äußerste Geduld anwendete.

Endlich, wieder nach zehn Jahren, hatte er jede Concurrenz vernichtet.

Der enge und bescheidene Laden war ein Magazin geworden, worin sich Alles befand, was die Bewohner des Landes fordern konnten: Baumwollenzeuge und Pflugscharen, Lebkuchen und Theer, eiserne Oefen und Rosenkränze.

Da ein Handel bei Weitem nicht das Capital, welches er besaß in Anspruch nahm, so stürzte sich Thomas Langot in jene Art der Speculation, wo die Schaam des Borgens gewöhnlich für die Verschwiegenheit des Borgers einsteht, und so begann er außer einem gesetzmäßigen und offenkundigen Handel ein kleines verborgenes Wuchergeschäft, wobei er zugleich wenig zu wagen und viel zu gewinnen wußte.

Uebrigens waren eine Kenntnisse von Proceßsachen sehr beschränkt.

Er wollte nur von Wiederkäufen hören, die ihm ein sicheres Pfand in die Hände gaben, welches einen dreimal größeren Werth hatte, als die vorgestreckte Summe.

Zum Beispiel, ein Bauer besaß einen Acker, der zu 1500 Franken geschätzt wurde; Thomas Langot borgte fünfhundert Franken darauf und legte zum Voraus seine Klaue auf das Feld.

Wenn der Bauer an dem bestimmten Termine zahlte, nahm Thomas Langot sein Geld mit Zinsen zurück und gab den Acker brummend wie ein Hund, dem man einen Knochen entreißt, wieder heraus.

Wenn der Bauer nicht an dem bestimmten Tage, zu der festgesetzten Stunde und Minute zahlte, packte Thomas Langot die Beute mit seiner Klaue und zog sie nach sich.

Ein zweites Beispiel.

Ein Fischer wollte vom einfachen Matrosen Schiffsbesitzer werden. Thomas Langot liebte die Ehrgeizigen und war immer geneigt, ihnen zu Hilfe zu kommen. Thomas Langot kaufte eine Barke und ließ sich als Sicherheit die Ersparnisse des Fischers auszahlen; dann vertraute er diese Barke dem Fischer unter der Bedingung an, daß der Rest des Kaufgeldes der erwähnten Barke in gleichen Raten und zu bestimmten Zeiten ausgezahlt werde.

Wenn eine Zahlung ausblieb, fiel ihm die Barke wieder zu und er erstattete die früheren Zahlungen nicht zurück. So brachte diese wurmstichige und ausgeflickte Nußschale ihrem Besitzer so viel ein, daß er einen hübschen Dreimaster davon hätte erbauen können.

So reich er, im Gegensatze zu Jean Montplet geworden, war Thomas Langot nicht glücklicher.

Das Glück der Anderen ärgerte ihn, so wie auch die Achtung, die damit verbunden ist, wenn man sein Vermögen auf rechtliche Weise erworben hat.

Er war besonders neidisch auf den Besitzer der Meyerei, dem er nicht verzeihen konnte, daß er ihm als Almosen auf vierzehn Tage Logis und Unterhalt gegeben, und er kam nie an dem Meyerhofe vorüber, ohne einen Blick der gehässigen Habsucht auf diese schönen Felder zu werfen, die von langen und vollen Aehren strotzten.

Er seufzte immer wenn er die Apfelbäume betrachtete, die sich unter der Last ihrer Früchte beugten, und er weinte, wenn er das Gras sah, welches dicht und üppig auf den Wiesen wuchs, wo Kühe und Ochsen weideten, von welchen man nur den Oberkörper, die harmlosen Hörner und die großen sinnenden und erstaunten Augen sah.

Und wohl zehnmal den Kopf umwendend, wenn er sich von diesem Eden entfernte, fragte er sich, warum dies Alles Jean Montplet und nicht ihm gehöre, und es schien ihm, als wären diese schönen Aecker, dieses große Landgut, dieses glänzendere Rindvieh die Frucht eines Diebstahls, wovon er, Thomas Langot, das Opfer sei.

Nun hatte Säbelbein, wie man ihn nannte – man entschuldige uns, wenn dieser Name zuweilen unserer Feder entschlüpft – nun hatte Säbelbein, sagen wir, auf bewunderungswürdige Weise vorhergesehen, wie Alain’s leichter Character, wie die schlechte Erziehung, die er erhalten, wie die unregelmäßige Aufführung, welche die Folge davon gewesen, der Erfüllung seiner Wünsche günstig sein könne.

Ungeachtet der geringen Sympathie, die zwischen zwei faunähnlichen Wesen existieren mußte, wußte er es so einzurichten, daß er sich die Freundschaft des jungen Mannes verschaffte.

Er kam seinen Geständnissen zuvor und seine Bedürfnisse errathend, ging er in seinem Falle allein von seinen mißtrauischen und geizigen Gewohnheiten ab; ihm allein streckte er Geld vor, ohne Zinsen anzunehmen und ohne einen Wechsel zu verlangen; dann als er ihn genügend angeködert hatte, beschränkte er nach und nach seine Großmuth und endlich eines Tages, als der junge Mann mit dringender Bitte Geld von ihm verlangte, erklärte er ihm, daß seine Kasse leer sei.

Er verschaffte ihm dennoch die verlangte Summe, doch sagte er, er habe sie sich selber borgen müssen.

So begannen die übertriebenen Anforderungen des angeblichen Leihers Thomas Langot reichlich für die anfänglich verstellte Uneigennützigkeit zu entschädigen.

Alain Montplet hatte die Fingerspitze in ein Räderwerk gebracht.

Der Geflügelschütze

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