Читать книгу Die schwarze Tulpe - Александр Дюма - Страница 6
Erster Band
VI.
Die Wuth eines Tulpenliebhabers
ОглавлениеVon dem Augenblicke jener entsetzlichen Entdeckung, war Boxtels Ruhe ganz verschwunden, sie hatte einer namenlosen Furcht Platz gemacht. Seine schwache, durch den erhaltenen Schlag ganz niedergebeugte Seele verfolgte wieder nur einen Gedanken, der ungeheuere Schaden, der ihm durch seinen Nachbarn zugefügt worden, er fühlte sich nicht stark genug, in seiner Bahn auszuharren, und den ihm dargebotenen Kampf, wenn auch mit wenig Wahrscheinlichkeit eines günstigen Erfolges muthig anzunehmen.
Van Baerle mußte in jenem Fache, dem er seine ganze Verstandeskraft und alle seine Mittel widmete, das bisher Unerhörte und Unerwartete leisten.
Und wirklich gelang es ihm auch besser als irgendeinem gleichen Unternehmer zu Harlem und Leyden, zwei durch ihren Erdboden, und ein ausgezeichnet reines, gesundes Klima bevorzugten Städten, Tulpen von besonderer Größe und Farbenpracht zu erzeugen.
Er war ein Mitglied jener, in der damaligen Zeit weit verzweigten, aber auch sinnreichen und naiven Verbrüderung, die einen von ihrem vormaligen Meister, im Jahre 1653 aufgestellten Satz, angenommen und beibehalten hatte:
»Wer die Blumen mißachtet, verachtet die Natur, er entehrt und beleidigt Gott.«
Und aus diesem Satze bildete sich die Schule der Tulpenzucht, (unter allen bisher bestandenen Verbindungen eine der Extremsten, ) in demselben Jahre, nachstehende Folgerungen:
»Wer die Blumen mißachtet, der entehrt und beleidigt Gott.«
»Je größer und schöner die Blume ist, desto mehr wird Gott entehrt und beleidigt.«
»Unter allen Blumen, ist aber die Tulpe die schönste.«
»Wer daher die Tulpe mißachtet, der entehrt und beleidigt Gott ins Unendliche.«
Nach dieser Schlußfolgerung waren eigentlich die drei- bis viertausend Tulpenverehrer, von Frankreich, Holland und Portugal, die einzigen wahren Diener des Herrn, während die übrigen unzähligen Millionen, durch diesen Spruch außer die Schranken des Gesetzes, wenigstens des religiösen gestellt, nur als eine Heerde von Ketzern, Heiden, Abtrünnigen und Ungläubigen betrachtet, und allgemein zum Tode verurtheilt werden konnten.
Es dürfte wohl Niemand weiter zweifeln, daß Boxtel, obgleich mit Baerle derselben Partei angehörend, auch ganz ihrer Meinung huldigte.
Boxtels Ahndungen verwickelten sich mit überraschender Schnelligkeit. Bald machte Baerle durch seine großen Erfolge ein ungemeines Aufsehen, seine Leistungen als die Besten und Ausgezeichnetsten anerkannt, ließen ihn auf der Liste der Tulpenzüchter, als den Vertreter dieses Zweiges der Gartenkunst für Dortrecht erscheinen, während Boxtel von derselben verschwand.
Aber gerade so entstehen die wunderbaren Bildungen in der Natur, wenn der Kunstsinn des Menschen ihnen die Vollendung abzwingt, gerade so erwächst aus dem unbeachteten, gemeinen Stamme durch das Pfropfreis, der Sprößling irgend einer hohen edlen Gattung, wie aus dem Stamme der wilden Rose auf dieselbe Art die duftende Königin der Blumen, majestätisch schön hervorgerufen.
Aber so können auch unzählige Male die Häupter fürstlicher Familien, ihren Ursprung unter dem Strohdache des Holzhauers, in der Hütte des Fischers suchen.
Bon seiner Leidenschaft ganz ergriffen, für dieselbe lebend, ihr das Gebiet seiner geistigen Kraft widmend, gab sich van Baerle vollkommen den Arbeiten seines selbstgewählten Berufes hin, und errang dadurch, daß sein Name unter den europäischen Tulpenzüchtern obenan glänzte, den höchsten Triumph. Aber er ahnte nicht, daß in seiner nächsten Nähe, in demselben Dunst- und Luftkreise, den er einathmete, ein Unglücklicher von seiner Höhe herabgestürzt, mit Verzweiflung jedem seiner Siege folgte; er arbeitete rastlos und ruhig fort, bald in seinem Garten Erzeugnisse bergend, die außer Gott, nur Shaskespeare und Rubens, hervorgerufen hatten.
Wer Dantes Verdammten gelesen, wer dies Meisterwerk ganz begriffen und studiert hat, wird sich einen Begriff von Boxtels unglaublichem Zustande machen können. Während Baerle in seinem Garten arbeitete, seine Beete begoß, neuen Samen pflanzte, Unkraut jäte, oder auf dem Rasen knieend, eine bereits emporkeimende Tulpe analysirend, jede ihrer Adern verfolgte, während er so die verschiedenen Modifikationen beobachtete, und über die neuen, möglichen Farbenverbindungen nachdachte, saß Boxtel auf einem dichten schattigen Feigenbaum, den er an der Mauer des Nachbars gepflanzt hatte, saß da stumm und regungslos, mit stierem, weit hervorgetretenen Auge; mit kampfhaft geballter Faust, mit schäumendem Munde, unsichtbar, gedeckt durch das dichte, die Krone weit überragende Laub.
Und so mit der ängstlichsten Aufmerksamkeit verfolgte er jede Bewegung, jeden Zug seines schuldlosen, tödtlich gehaßten Gegners, und wenn eine freudige Miene, eine überraschende neue Erscheinung, einen abermaligen Erfolg beurkundete, da war er nicht mehr Herr seiner so tief gewurzelten, furchtbaren Empfindung, da erfüllten die gräßlichsten Flüche und Verwünschungen den weiten Raum. Es war ein Wunder, daß die Luft von diesen verpestet, nicht hin bis zu den keimenden, jungen Trieben der herrlichen Blüthenwelt gelangte, sie in dem Augenblicke ihrer ersten zarten Entwicklung vernichtend.
Aber bald genügte es Boxtel nicht mehr, bloß seinen Feind zu sehen und seine Mienen zu beobachten, die einmal erstandene böse Idee strebte nach höherer Ausbildung, er ging weiter, er wollte ihn verfolgen, bis in den tiefsten Winkel seiner Behausung, er mußte. eben so wie Baerle, dessen Erzeugnisse gleich in ihrem Keime, in den verschiedenen Phrasen ihrer Entwicklung deutlich und klar beschauen, er mußte ihr ganzes Lebens verfolgen können. .
Er verschaffte sich ein Teleskop, und mit diesem ausgerüstet, gelang es ihm, ganz dieselben Beobachtungen, wie Baerle selbst zu machen. Da sah er nun mit der gespanntesten Aufmerksamkeit die kleine, zarte, Sproße, wie sie der Erde entkeimte, da verfolgte er ihre Bahn unter den mannigfachen Abstufungen, ihrer höhern oder geringern Ausbildung, bis zu dem Augenblicke der gänzlichen Vollendung. Und wenn dann nachdem Zeitraume von fünf Jahren, der Kelch sich oben, in der gefälligsten Form abrundete, wenn die von Außen zweifelhaften Farben und Schattirungen, nach der Entfaltung desselben in namenloser Pracht dastanden, wenn sein trübes Auge über die Unzahl der herrlichen Bildungen schweifte, und von dem strahlenden Glanze geblendet sich momentan abwendete, da schnürte ein unerklärbares Gefühl seine Kehle zu, da erkannte er das ganze Gebiet seiner Ohnmacht und Vernichtung.
Aber bald erfüllte ein anderes entsetzliches Gefühl sein Inneres.
»Der Neid —!«
Dieser furchtbare Dämon, der einem Ungethüme. gleich, in der schwachen Menschenbrust wüthet und tobt, der das Herz mit giftiger Schlangenbrut umgibt, die sich gegenseitig verzehrend, nur neue schreckliche Gebilde, den Urquell namenloser Qualen schafft. Wie oft war Boxtel in diesem Kampfe der wüthenden Leidenschaft versucht, in seines Nachbars Garten hinabzuspringen, und dort einer Furie gleich, die Pflanzen zu, vernichten, die Zwiebel mit den Zähnen zu zerreißen und den Eigenthümer selbst zu morden, wenn er zum Schutze seiner Blüthen, seiner jahrelangen Früchte, herbeieilen sollte. Aber er gehörte jener Schule an, die da sprach: »Die Tulpe ist die schönste Blume, wer sie mißachtet, entehrt und beleidigt Gott ins Unendliche,« eine Tulpe tödten, war das furchtbarste Verbrechen.
Einen Menschen zu ermorden, das schien ihm verzeihlicher.
Aber trotz dieser in seinem Innern erstandenen bessern Idee, trotz aller Festigkeit, mit der er an seiner Schule hing, war es ihm unmöglich seine Wuth zu bemeistern.
« Die Leidenschaft siegte, jede edlere Regung verschwand, und die bis zum Paroxismus gesteigerte Rache machte auch hier den Menschen zum reißenden, wilden Thiere. Er sann auf Mittel.
Eines der untrüglichsten und besten, glaubte er anfangs bald gefunden zu haben. Er konnte von seinem Verstecke in einer stürmischen Nacht, eine Unzahl Steine, Latten und Stangen in den Garten des Nachbars werfen, und dadurch einen großen Theil seiner Besitzung vernichten.
Ein ruhigerer Augenblick ließ ihm dieses Unternehmen hingegen, als ein sehr gefahrvolles erscheinen. Eine solche Verwüstung zog nothwendig gerichtliche Untersuchungen nach sich, und da man keineswegs glauben und annehmen konnte, daß Steine, Latten und Stöcke vom Himmel herabgefallen seien, so erstand von selbst die Folgerung, irgend ein missliebiger Nachbar dürfe hier die Hand im Spiele haben. Die Verfolgung dieser Idee lies eine sichere Enthüllung des eigentlichen Sachverhaltes mit Gewißheit voraussehen, und Boxtel sah sich in den Augen aller Tulpenfreunde von ganz Europa entwürdigt, entehrt, mit Schimpf und Schande aus ihrer glorreichen Verbindung ausgeschlossen. Er verwarf auch diesen Gedanken und nahm seine Zuflucht zur List.
Wie kleinlich, wie erbärmlich und niederträchtig steht jenes Unternehmen da, das er nach langem Sinnen endlich als das geeignetste zur Ausführung erwählte.
An einem dunkeln, sternenlosen Abende, band er mittelst einer zehn Schuhe langen Schnur zwei Katzen bei den Hinterfüßen zusammen, und in seinem Verstecke lauernd, bis alles um ihn herum zur Ruhe gegangen war, warf er diese von der Mauer in den Garten, gerade in jener Richtung, wo die seltensten und wunderbarsten Blumen prangten. Es war dies nach der von Cornelius selbst getroffenen Einrichtung die Haupt- oder auch königliche Rabatte, an der sich zunächst die fürstliche anschloß. Beide enthielten außer dem Cornelius von Witt, den Brabancone, weiß wie Milch, blaßroth und purpur, La Marbree von Rotte, lichtgrau wie Flachs, blaßroth und Fleischfarben glänzend, dann den Merveille von Harlem, die Tulpe Columbia dunkel, und Columbine hell gefleckt 2c. 2c.
Die durch den Fall erschreckten Thiere stürzten gerade auf die königliche Rabatte, und versuchten es von hier, nachdem sie sich aufgerichtet, nach entgegengesetzten Seiten zu entfliehen. Bald hinderte sie die Schnur daran. Anfangs von ihrer Kraft Gebrauch machend, behielten sie die eingeschlagenen Richtungen bei, dann aber, als sie fühlten, daß jeder Versuch vergeblich sei, begannen sie eine Art wüthenden Kampf.
Aber die ihren Bewegungen genau nachfolgende Schnur mähte unter den Tulpen, gleich der mörderischen Sichel des Todes, im Augenblicke einer Seuche.
Beinahe eine halbe Stunde währte dieser schreckliche Kampf, dann gelang es den vereinten Anstrengungen der wüthenden Thiere den Strick zu zerreissen, und Beide entflohen.
Hinter seinem Baume versteckt, und durch die Dunkelheit der Nacht gehindert, die Verwüstungen deutlich wahrnehmen zu können, genügte es Boxtel, aus der Dauer des Kampfes, dem Geschrei der Bestien und den großen Sprüngen, mit den sie auf verschiedenen Punkten der Beete zu sehen waren, den Schluß zuziehen, daß die Verwüstung großartig, furchtbar sein müsse.
Sein Groll, sein Haß schwand langsam, die alles befriedigende Schadenfreude füllte den leeren Platz aus.
Aber die Begierde, sein so trefflich angelegtes Werk der Erste beobachten, sich an dem Triumphe des erlangten Sieges vollständig laben zu können, war so groß, daß er die ganze, fühlbar kalte Nacht, regungslos in seinem Versteckt verweilte.
Halb erfroren, vom Morgennebel ganz durchnäßt, zitternd an allen Gliedern, erwärmte nur ein Gefühl sein ganzes Innere, es war die Empfindung befriedigter Rache.
Die Verzweiflung seines Nachbars, sollte ihm die bereits erduldeten Leiden vergessen machen.