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I.
Spieler und Fälscher
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Charles Merton hatte in den wenigen Monaten, die seit seiner Volljährigkeit verflossen waren, das Unglück gehabt, jenen Spielern und Gaunern in die Hände zu fallen, die theils in der eleganten Welt, theils in versteckten Schlupfwinkeln ihr schändliches Gewerbe treiben und sich durch Schlauheit und Gewandtheit den Nachforschungen der Sicherheitsbehörde zu entziehen wissen. Die Leidenschaft des Spiels schien sich seiner mit sonderbarer Gewalt bemächtigt zu haben; fast alle Tage und sicherer noch alle Nächte seines aufgeregten, wüsten Lebens brachte er an einem grünen Tische zu. Er spielte immer unglücklich, und nachdem er alles ererbte baare Geld und noch große Summen, die er seiner Mutter abgelistet, vergeudet hatte, sah er sich gezwungen, seine Verluste durch Schuldscheine und Wechsel zu decken, und diese sogenannten »Ehrenschulden« beliefen sich bereits auf eine furchtbar hohe Summe.

Eine sonderbare Erscheinung, die man unter ähnlichen Verhältnissen fast immer beobachtet, zeigte sich auch hier: Charles Merton hatte das unbedingteste Vertrauen zu dem Zartgefühl dieser Menschen. und obgleich er von dem Gauner und dessen Bande geplündert worden war, vertraute er sich diesem Gauner an und suchte Hilfe bei ihm, um sich der verzweifelten Lage, in der er sich befand, zu entreißen.

Die Güter und Besitzungen der Familie Everton fielen in Ermanglung eines männlichen Leibeserben an einen Seitenverwandten des verstorbenen Lords ; wenn daher der junge Gentleman, als einziger Sohn der Lady Everton, ein Opfer seiner wüsten Lebensweise wurde oder in einem der unter Spielern sehr häufigen Duelle den Tod fand, so stand seiner Mutter und seiner Schwester unfehlbarer Ruin bevor.

Das Witthum der Lady Everton war nicht bedeutend, ihr persönliches Vermögen hatte sie ihrem Sohne fast ganz geopfert, und der Rest war nicht einmal hinreichend, um Charles Merton’s Schulden zu bezahlen. Er wurde von seinen Gläubigern hart gedrängt, als seine Mutter die Hilfe der Polizei in Anspruch nahm.

Ich hörte die Erzählung der Lady Everton mit der größten Aufmerksamkeit und Theilnahme an. Mehr als einmal bemerkte ich in ihrer Schilderung gewisse Andeutungen über die Manieren und das Aeußere eines gewissen Sandfort, eines angeblichen Gentleman, den der junge Charles Merton seiner Mutter und seiner Schwester vorgestellt hatte.

Diese Andeutungen ließ ich mir mehr als einmal wiederholen, und jedes Mal erkundigte ich mich genau nach gewissen persönlichen Eigenthümlichkeiten, die gar seltsame und schmerzliche Erinnerungen in mir weckten.

Ein Verdacht, den gewisse Bemerkungen meines Chefs in mir geweckt hatten, schlug immer tiefere Wurzeln, so daß ich noch vor dem Ende der Erzählung der Lady Everton überzeugt war, es handle sich um einen alten Bekannten von mir, und dieser Sandfort sey kein Anderer als der Gauner, der an meinem eigenen Ruin Schuld war; ich ergriff daher mit Begierde diese günstige Gelegenheit, ihm den Schaden, den er mir gethan, mit reichen Zinsen zurückzugeben.

Es versteht sich, daß ich so vorsichtig war, diese Meinung für mich zu behalten, und nachdem ich der Mutter und Schwester des jungen Charles Merton ehrerbietig aber dringend das tiefste Stillschweigen empfohlen hatte, empfahl ich mich den Damen.

Ich wußte nun Alles was ich wissen mußte, um den Plan, nach welchem ich zu handeln beschloß, in Ausführung zu bringen. Es wurde überdies zur Vermeidung jedes Argwohns beschlossen, daß ich Lady Everton nicht mehr besuchen, sondern sie durch die Post von allen meinen Schritten in Kenntniß setzen und auf demselben Wege nöthigenfalls jede weitere Auskunft von ihr erhalten sollte.

Auf dem ganzen Wege von dein Hotel Everton zu meiner bescheidenen Wohnung dachte ich unaufhörlich: Wenn er’s wäret Und diese Vermuthung, daß er es seyn könne, trieb mir das Blut in die Wangen.

»Wenn dieser Sandfort,« sagte ich zu mir selbst, »wirklich der schändliche Cardon ist, so wird der glückliche Erfolg meines Unternehmens ein wahrer Sieg, ein Triumph, und Lady Everton wird nicht nöthig haben, meinen Eifer durch die Zusicherung einer Belohnung anzufeuern. Nein, ein zerrüttetes Vermögen, ein verfehltes Leben, eine verlorene Zukunft, ein junges, liebenswürdiges Wesen, durch seine Schuld dem Elende preisgegeben – Alles dies wäre genügend, um dem erbärmlichsten, feigsten Wicht Muth zu machen . . . Gott gebe, daß meine Vermuthung sich bestätigt! Dann nimm Dich in Acht, Cardon, denn der Rächer folgt Dir auf dem Fuße!«

» Von Lady Everton hatte ich erfahren, daß Sandfort gewöhnlich die Balletvorstellungen in der Oper besuche. Ich begab mich ins Theater und ließ mir, als ob ich selbst eine Loge miethen wollte, das Vermiethungsregister zeigen und konnte auf diese Weise die Nummer seiner Loge erfahren.

An demselben Abende sollte eine brillante Vorstellung stattfinden. Ich beschloß sogleich meine Nachforschungen zu beginnen.

Um neun Uhr war ich im Parterre; das Ballet sollte eben anfangen, aber der Vorhang war noch nicht aufgezogen. Ich konnte daher vor meinem Sperrsitz stehen bleiben und mit Hilfe meiner Lorgnette alle Logen mustern.

Die Lege des Mannes, den ich suchte, war leer. Aber ich hatte nicht lange zu warten. Kaum waren fünf Minuten verflossen, als die Thür aufging und der angebliche Sandfort eintrat. Denn meine Vermuthung bestätigte sich; er war kein Anderer als Cardon – aber eleganter, unverschämter, frohlockender als je. Er erschien Arm in Arm mit einem blassen, jungen Gentleman von aristokratischen Manieren, den ich durch den Vergleich mit dem Porträt, das ich in dem Salon seiner Mutter gesehen, leicht als Charles Merton erkennen konnte. Die Aehnlichkeit war auffallend.

Mein Entschluß war schnell gefaßt. Ich wartete nur einige Augenblicke, um den Eindruck, den der Anblick des verhaßten Cardon auf mich gemacht hatte, zu bekämpfen. Dann verließ ich das Parterre, ging in den ersten Rang und trat entschlossen in die Loge

Cardon kehrte mir den Rücken zu. Ich berührte seine Schulter, er sah sich rasch um.

Der Anblick des fabelhaften Basilisken mit den giftigen stechenden Augen würde Cardon nicht mehr überrascht und erschreckt haben, als mein ganz unerwartetes Erscheinen. Ich wußte mich indeß zu beherrschen und zeigte mich von der freundlichsten, einnehmendsten Seite. Er konnte auf meinem Gesicht unmöglich die mindeste Spur der Gefühle wahrnehmen, die in meinem Herzen tobten, und die Hand, die ich ihm reichte, war nur eine Einladung zur Erneuerung unserer alten Bekanntschaft.

»Waters!« stammelte er endlich, indem er meine Hand zögernd ergriff, »Waters! wer hätte gedacht Sie hier wiederzufinden!«

»Sie haben’s gewiß nicht gedacht, Cardon,« erwiederte ich: »Sie betrachten ja einen alten Freund, als ob es sein Geist und nicht er selbst wäre.«

»Still!« sagte er hastig, »wir wollen hinausgehen, um ungestört mit einander zu sprechen.«

Er wandte sich zu Charles Merton und sagte dessen fragenden Blick beantwortend:

»Es ist ein alter Freund, lieber Lord. Wünschen Sie uns Beiden Glück; ich habe ihm etwas zu sagen, aber wir kommen sogleich wieder.«

Cardon eilte in den Corridor; ich folgte ihm. Wir waren fast ganz allein, denn die Logen waren bereits gefüllt.

»Was bedeutet das, Waters?« sagte Cardon mit seiner gewohnten Ruhe, als er sah, daß uns Niemand belauschen konnte; »Entschuldigen Sie, lieber Freund, aber mich dünkt als wir uns zum letzten Male sahen, waren Sie . . . nun, wie soll ich mich ausdrücken? Kommen Sie mir doch zu Hilfe . . .«

»Ja, ruinirt, auf dem Trocknen; so nennt man’s, Niemand konnte es besser wissen als Sie.«

»Sie bilden sich wohl gar ein, ich sey Schuld daran.«

»Ich bilde mir gar nichts ein, lieber Cardon Vor drei Monaten noch hätte ich mir wohl Mancherlei einbilden können; aber Vor drei Monaten war mein alter, ehrwürdiger Oheim so gütig, dieser Welt Valet zu sagen . . .«

»Nicht möglich!« fiel mir Cardon ins Wort, »der alte liebe Herr ist abgefahren?«s

»Sie sehen ja, Theuerster, daß ich noch trauere.«

Cardon affectirte ein komisches Mitleid.

»Lieb» Freund,« erwiederte er , »empfangen Sie meine aufrichtigen Beileidsbezeigungen, obschon ich vermuthe, daß Ihnen die Katastrophe nicht so unangenehm ist, wie man aus Ihrem schwatzen Anzuge schließen könnte.«

»Sie haben nicht ganz Unrecht, Cardon; Sie wissen daß ich Ihren Scharfsinn nie in Abrede gestellt habe. Aber Sie wissen, daß ich alle meine früheren Gewohnheiten in dem Sarge meines Oheims begraben habe. Ich habe den Karten und Würfeln auf immer Lebewohl gesagt und meiner Frau fest versprochen, nie mehr zu spielen.«

Der kalte, sterbende Blick des eingefleischten Dämons – denn ich habe Cardon immer für einen Dämon gehalten – ruhte mit höhnischem Ausdruck auf mir, als er diese guten Vorsätze aus meinem Munde vernahm. Aber er erwiederte nur:

»Sie haben vollkommen Recht, Waters. Jetzt kommen Sie, ich will Sie meinem Freunde Merton vorstellen.«

»Alle einer der Unsrigen«?« fragte ich lachend.

»Er ist aus seht gutem Hause. . . Apropos, Waters ,« setzte er mit vertraulichem, einschmeichelndem Tone hinzu, »aus Familienrücksichten, die ich Ihnen später erklären werde, nenne ich mich jetzt Sandfort.«

»Sandfort?« wiederholte ich.

»Ja, vergessen Sie den Namen nicht . . . Doch kommen Sie wieder in die Loge, das Ballet geht sonst zu Ende, ohne daß wir etwas davon sehen.«

Wir gingen wieder in die Loge. Ich wurde in gehöriger Form als alter Freund vorgestellt, den Sandfort nach einigen Jahren wiedergesehen.

Erinnerungen eines Policeman

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