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Lavendelblut

Von Alex C. Morrison


Alex C. Morrison Verlag 2015

Texte: Copyright by Alex C. Morrison

E- mail: wi_alexa@web.de

Alle Rechte vorbehalten

Tag der Veröffentlichung: 30. Juli 2016

Zweite Auflage

Unsere neuen Nachbarn. Sie wohnten schon einige Monate in unserer Straße und doch kamen sie mir sehr merkwürdig vor. Nicht in dem Sinne von merkwürdig, dass irgendwie einer von ihnen ein Humpelbein hatte und nie grüßte oder einem ständig böse Blicke zuwarf. Nein. Sie waren ganz und gar merkwürdig. Zum Beispiel begaben sie sich immer nur nach Sonnenuntergang nach Draußen, sodass man sie kaum zu Gesicht bekam. Und wenn doch grüßten sie immer freundlich. Ihre Augen blitzen förmlich auf vor Freude. Ihre Zähne glänzten im hellen Licht der Laternen hellweiß, als wäre Dr. Best ihr persönlicher Zahnarzt. Und ihre Gesichter waren perfekt, wie aus Stein gemeißelt und wiesen einen leichten Glanz auf, den ich so noch nie gesehen hatte. Doch an einem Abend unterstrichen sie ihre Merkwürdigkeit durch ein noch seltsameres Verhalten als sonst. Ihre Tochter, deren Namen ich bis dato nicht kannte, knurrte mich an. Ich war wie fast jeden Abend unterwegs zu meinem Kumpel Eddy, wir paukten schon seit zwei Wochen für die große Matheklausur, die wir bereits nächsten Dienstag schreiben würden. Er wohnte nur ein paar Straßen von mir entfernt, in dem neuen Baugebiet. Tagsüber gab ich Klavierunterricht und deswegen übten wir immer abends.

Ich hörte die drei (es war eine typische Vater- Mutter- Kind Familie) schon von weitem diskutieren.

>>Wir müssen uns beeilen. <<, sagte die Frau wild gestikulierend zu ihrem Mann. Er schaute grimmig.

>>Wir können nur laufen im Moment. <<, sagte er dann und runzelte die Stirn.

Das Mädchen sagte gar nichts und biss sich gedankenverloren in ihre Unterlippe.

Als sie mich kommen sahen, hörte ich nur: >>Da kommt unser Nachbar. Nase dicht! <<

Die Eltern lächelten mir mit ihrem Dr. Best Lächeln entgegen. Während die Tochter sich krampfhaft auf irgendwas zu konzentrieren schien. Ihre Eltern hackten sich bei ihr ein, denn sie lief in der Mitte.

>>Guten Abend! <<, grüßte ich freundlich und fuhr mir mit einer Hand durch mein längliches dunkles Haar.

Der Mann zwang sich zu einem Lächeln und nickte mir zu.

>>Halt Sie gut fest! <<, flüsterte die Frau und krallte sich in die Tochter. Obwohl sie flüsterten konnte ich sie gut hören und kurz darauf geschah es.

Das Mädchen knurrte mich an. Es war irgendwie Angsteinflößend, denn es hätte genauso ein Tiger, ein Löwe oder ein Gepard sein können. Abrupt blieb ich stehen.

Doch die drei gingen weiter. Ich war immer noch wie angewurzelt und blickte ihnen noch eine Weile nach.

Unerwartet drehte sich das Mädchen um und lächelte mich sanft an. Ihre Eltern hielten sie immer noch mit ihren Armen umklammert, als befürchteten sie, dass sich ihre Tochter wie ein wildes unbändiges Tier von ihnen losreißen und mich anfallen würde.

Ich lächelte zurück und auf einmal (ich weiß nicht ob es daran lag das ich es wirklich sah, oder es an dem Licht der Laternen lag) leuchteten ihre Augen, für einen kurzen Augenblick, eine Millisekunde, beinahe hätte ich es nicht gesehen, Azurblau auf.

Ich fuhr zusammen und sie drehte sich wieder um.

Als ich schließlich bei Eddy ankam war ich mit meinen Gedanken bei der Begegnung und konnte mich nicht wirklich auf Mathe konzentrieren.

>>Adam! Adam! <<, hörte ich eine genervte Stimme. Ich blinzelte. Eddy stupste mich an und zeigte mit seinem Finger ins dicke Mathebuch während er mich verwirrt anstarrte.

>>Bist du noch unter uns? <<, fragte er schließlich.

>>Hä?...Ähm…ja…ja. <<

Schlagartig knallte er das Buch zu und wedelte mit seinen Händen vor meinem Gesicht rum.

>>Erde an Adam! Erde an Adam! Alles okay mit dir? <<

>>Tut mir leid ich musste gerade an unsere neuen Nachbarn denken. <<

Eddy hielt nun einen Stift in der Hand und bewegte ihn langsam vor meinen Augen hin und her.

>>Ich bin nicht krank, keine Sorge. Es ist nur so, dass die O`Learys irgendwas Seltsames an sich haben. <<, sagte ich und nahm Eddy den Stift aus der Hand.

>>Ja, das sagtest du schon mal. Aber außer den irisch klingenden Namen kommen sie mir recht normal vor. Außer das sie alle wie Supermodels aussehen. <<

Ich wägte ab ob ich ihm von meiner mehr als merkwürdigen Begegnung erzählen sollte. Würde er mich für verrückt erklären? Aber es war doch Eddy, mein allerbester Kumpel und Freund aus Sandkastentagen.

>>Du wirst es mir nicht glauben aber als ich vorhin zu dir ging bin ich ihnen wieder begegnet. Sie kamen mir entgegen. Die Eltern hielten die Tochter fest umklammert als hätte sie sowas wie einen Schwächeanfall gehabt. Und dann als sie vorbeigegangen sind blickte ich mich nochmals um denn ich meinte ein Knurren gehört zu haben. Als ich in die Augen des Mädchens blickte da… <<, ich hielt inne.

Eddy schaute mich mit großen Augen an.

>>Du wirst mich doch nicht für verrückt erklären oder? Immerhin kommen die aus Irland und dort gibt es viele Mythen um sämtliche Wesen. <<, fuhr ich fort.

>>Was willst du damit sagen? Dass sie in Wirklichkeit Kobolde sind? <<, sagte Eddy und grinste.

>>Nein, das nicht. Aber als ich stehen blieb und sie mich anschaute, da hatte ich das Gefühl das ihre Augen in einem unnatürlichem Ton, einen kurzen Augenblick,

aufleuchteten. <<

Eddy schaute mich eine Weile perplex an. Dann lachte er auf >>Ja, klar. Hast wohl zu viel Underworld und so ‘n Kramm geguckt. <<

Dann stand er von seinem Stuhl auf und ging zu seiner Playstation. Er schob eine Disk hinein und warf mir einen Controller rüber. Wir setzten uns auf die Couch.

>>Ich glaube wir haben heute genug gepaukt. Wird Zeit das wir etwas GTA zocken um unsere Köpfe etwas frei zu

kriegen. <<, sagte er. >>Außerdem bist du spät dran mit deinem Aprilscherz. Wir haben heute den dreißigsten. <<, fügte er hinzu.

Ich ließ die Sache damit auf sich beruhen und sagte kein Wort mehr zu dem Thema. Wir zockten fast den ganzen Abend durch, bestellten uns Pizza, spielten Karten und genehmigten uns ein paar Bier. Schließlich war morgen Samstag.

Von einem quirligen Dröhnen wurde ich aus dem Schlaf gerissen. Ich öffnete meine Augen und sah mich um. An der einen Wand war eine Fototapete auf der ein schwarzer BMW abgebildet war. An der Wand daneben lief noch der Fernseher und Cindy aus Marzahn wirbelte galant über die Bühne. Das musste wohl eine Wiederholung von gestern Abend sein. Gott sei Dank war der Fernseher auf ganz leise gestellt. Auf dem Parkettfußboden lagen eine offene Pizzaschachtel und daneben einige Flaschen Bier. Erst dann realisierte ich, dass ich bei Eddy auf der Couch eingeschlafen sein musste. Ich rappelte mich auf und strich ein paar Fussel von meiner Hose als ich plötzlich auf etwas Hartes trat.

>>Autsch! <<, winselte es vom Boden.

Ich blickte herab und entdeckte Eddy, der zusammengekauert auf dem Boden eingeschlafen war.

>>Tut mir leid. <<

Eddy streckte sich und gähnte erst einmal. >>Wo willst du hin? <<

>>Nach Hause. Ich hatte meinen Eltern versprochen dieses Wochenende mal ausnahmsweise mit ihnen zu

frühstücken. <<

>>Na dann mach´ s mal gut Kumpel. <<, sagte Eddy und legte sich auf die bequeme Couch.

Ich zog meine schwarze Lederjacke an und versuchte leise aus dem Haus zu schleichen. Doch Herr Felstau hatte mich schon im Flur abgefangen.

>>Adam, komm frühstücken. <<

>>Danke, Herr Felstau aber meine Eltern erwarten mich zu Hause. Gerne ein anderes

Mal. <<

Kaum hatte ich ausgesprochen kam Frau Felstau zu uns. >>Adam du musst mit uns Frühstücken. Ich habe extra Croissants geholt. <<

>>Es ist wirklich sehr freundlich von Ihnen… << Ich konnte den Satz noch nicht mal zu Ende sprechen da zog mich Eddys Mutter ins Esszimmer und stellte mir eine Tasse Kaffee vor die Nase. Auf dem Teller vor mir lag schon ein aufgeschnittenes Croissant. Rechts daneben war ein Eierhalter samt Ei und Besteck dazu.

Man konnte den beiden nicht entkommen. Ich holte mein Handy aus der Hosentasche und tippte eine kurze Nachricht an meine Eltern und versandt sie per WhatsApp.

Ich beeilte mich mit dem Frühstück aber Frau Felstau goss mir immer wieder Kaffee nach und erzählte plötzlich von einigen neuen Schülern die schon diesen Monat auf unsere Schule kommen würden.

Nach einiger Zeit kam auch Eddy zu uns. Er wirkte nicht sehr überrascht als er mich dort sitzen sah. Mal wieder.

>>Na, hast es wieder nicht geschafft vor meinen verrückten Eltern zu fliehen <<, es klang eher nach einer Aussage als nach einer Frage. Er schnappte sich ein Brötchen und setzte sich zu uns an den großen Esstisch. Eddy war auch ein Einzelkind. Weswegen wir von unseren Eltern so betüdelt wurden. Es konnte einen manchmal echt nerven.

>>Worüber unterhaltet ihr euch so? <<, fragte er.

>>Ach, Mutter erzählt gerade was über die neuen Schüler die dieses Schuljahr schon etwas eher kommen. <<, sagte Herr Felstau.

Eddys Mutter, Irmelin Felstau, war Rektorin auf unserer Schule dem Johannes Gymnasium. Sein Vater Hugo sowie meine Eltern Harald und Gabi Herzog waren Lehrer dort. Hugo war der Deutschlehrer, Harald der Physiklehrer und Gabi war Musiklehrerin mit der Spezialisierung auf das Klavier. In der Schule wurden wir „Die Akademikerkinder“ genannt.

>>Nun dieses Jahr sind es fünf Schüler die neu dazu kommen werden. Vier Jungs und ein Mädel. <<, erzählte Frau Felstau. Dann stand sie auf und verschwand kurz im Wohnzimmer nebenan. Als sie wiederkam hatte sie ein kleines Heft in ihrer Hand. Sie setzte sich wieder auf ihren Platz und zückte ihre Brille aus dem Etui.

>>Da steht es. In eure Klasse kommen zwei Schüler und zwar Reese Martin und Mia Arion O´ Leary. Die anderen drei Jungs kommen in eure Parallelklasse. Die zwei kommen ursprünglich aus Irland. Seid nett zu denen. <<

Mir blieb der Mund offen stehen als ich den Namen

„O´Leary “ hörte.

>>Da ist doch deine neue Nachbarin,

stimmt’s? <<, sagte Eddy.

Ich nickte.

>>Seltsamer zweiter Vorname. Arion. <<, flüsterte ich.

>>Dann können wir sie uns mal näher anschauen. <<, sagte er und grinste.

Seltsam, dachte ich, Mia kommt ausgerechnet in meine Klasse. Was für ein Zufall aber heißt es nicht das es Zufälle gar nicht gibt? Nun ja, wie auch immer.

>>Ab wann werden die neuen in unsere Klasse kommen? <<, wollte ich wissen.

Frau Felstau blätterte in ihrem Heft. >>Schon kommenden Montag. <<

>>Welch´ eine Überraschung. <<, entkam Eddys Lippen.

Herr und Frau Felstau guckten sich grübelnd an.

>>Wieso was ist? <<, fragte Herr Felstau.

Ich blickte auf meine Uhr und dann zu Eddy.

>>Ach, nichts weiter. Ich sehe gerade dass ich jetzt wirklich los muss. Ist nämlich schon fast halb elf. <<

Ich verabschiedete mich hastig und bedankte mich für das leckere Frühstück. Schnellen Schrittes ging ich (mittlerweile hatte sich die Sonne unter einer dicken Wolkendecke versteckt und es sah nicht mehr so aus als würde sie heute noch rauskommen) nach Hause. Ich zog mir meinen Kapuzenpulli ins Gesicht und zog den Reißverschluss meiner Jacke zu. Wie gewohnt ging ich den üblichen Weg. Zuerst kam der kleine Spielplatz der immer von Jugendlichen zugemüllt wurde sodass sich kein Kind mehr auf ihn traute. Nachts hangen dort immer finstere Gestalten herum. Dann kamen ein kleiner dichter Wald und schließlich eine weite Wiese mit einem Bolzplatz. Einmal musste ich die Straße überqueren und fast war ich da. Ich bog in unsere Straße ein als mich plötzlich ein finster dreinblickender Jugendlicher anrempelte. Der Blick seiner braunen Augen brannte sich in meine Seele. Er war intensiv und irgendwie auch böse. Sein Gesicht war schon fast zu einer Fratze verzogen. Einen Moment schauderte ich denn ich hatte das komische Gefühl wieder so ein seltsames Knurren vernommen zu haben. Doch dann erinnerte ich mich an Eddys Worte. Vielleicht hatte er ja wirklich Recht und ich sah mir tatsächlich zu viel Underworld und anderen Vampir- und Monsterscheiß an. Ich versuchte nicht mehr an die Familie O´Leary oder an den finster dreinblickenden Typen zu denken.

Als ich endlich zu Hause ankam stand meine Mutter schon mit verschränkten Armen in der Wohnzimmertür und sah mich ungeduldig an. Obwohl in ihren grünen Augen auch ein wenig Wut aufblitzte blieb sie locker.

>>Die Felstaus schon wieder. Ich fürchte sie werden dich noch eines Tages adoptieren. <<, sagte sie und kam einige Schritte auf mich zu.

Ich zog meine Jacke aus und hängte sie an die Garderobe.

>>Mutter bitte, fang nicht wieder damit an. Nächsten Samstag lade ich euch zum Frühstück hier bei unserem Bäcker ein. Einverstanden? <<, sagte ich und verdrehte meine Augen.

Sie nickte. >>Wehe du versetzt uns schon wieder. <<

Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn und schon hatte sich ihre Wut im Nichts aufgelöst.

>>Na, mein Junge. Wieder daheim. Hast du es doch irgendwie geschafft aus den Fängen der Familie Felstau zu flüchten. <<, witzelte mein Vater und kam gerade gutgelaunt die Treppe runter.

Ich nickte.

Er klopfte mir auf die Schulter und wir gingen alle zusammen ins Wohnzimmer. Eigentlich war das mehr ein Wohn- und Esszimmer. Der Übergang war fließend.

>>Wie ich sehe habt ihr schon gefrühstückt. Gibt es irgendwelche Post? <<

Ich lugte kurz auf den Esstisch.

>>Ich habe noch gar nicht geguckt. <<, sagte Mutter und vergrub ihre Augen wieder in ihrer Lieblingszeitschrift, der Gala.

Vater hob seine Hände hoch und schüttelte den Kopf.

>>Vielleicht solltet ihr es euch angewöhnen wenigstens gelegentlich nach der Post zu schauen. <<, flüsterte ich.

Ich ging in den Flur und schnappte mir den Briefkastenschlüssel. Als ich gerade die Tür öffnete stand sie plötzlich da. Ganz unerwartet. Sie hatte ein pinkes, bauchfreies Tanktop an und einen kurzen Jeansrock. Für Ende April war es etwas zu kühl für solche Klamotten aber sie schien es wohl nicht zu stören.

>>Hi. <<, sagte sie.

>>Ähm…hi. <<

Ich war ziemlich überrascht.

>>Ich bin Mia. Die neue Nachbarin. <<, fuhr sie fort.

>>Ich bin Adam. <<

>>Ich wollte fragen ob du und deine Eltern nächsten Samstag schon etwas vorhabt. <<

Ich dachte kurz nach und warf zur Sicherheit noch einen Blick auf mein Handy.

>>Nein, wie es aussieht haben wir nichts vor. Nächsten Samstag. <<

Sie lächelte und strich ihr blondes Haar, das feine dünne braune Strähnen hatte, hinters Ohr.

>>Gut, denn meine Eltern und ich wollten euch gerne zu einer kleinen Einweihungsparty einladen. So gegen neunzehn

Uhr. <<

>>Klar, wir kommen sehr gerne. <<

Sie setzte zum Gehen an, hielt kurz inne und drehte sich mir zu >>Ach, bevor ich es vergesse. Hier die Einladungskarte. <<

Sie drückte mir einen Hellblauen Briefumschlag in die Hand. Kurzzeitig streifte mich ihre eiskalte Hand. Als sie dies bemerkte verschwand ihr Lächeln und sie verabschiedete sich zügig.

>>Wer kommt denn sonst noch? <<, rief ich ihr hinterher.

>>Nur unsere Straße. <<

>>Bis bald. <<, rief ich ihr erneut zu. Doch sie lief einfach weiter. Über die Straße. Ich blickte ihr noch lange nach. Als sie dann an der Haustür ihres Hauses ankam drehte sie sich unerwartet um und zwinkerte mir zu.

Ohne Witz, und ich habe es mir ganz bestimmt nicht eingebildet, sah ich es wieder. Dieses Funkeln ihrer Augen in Azurblau.


Lavendelblut

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