Читать книгу Lavendelblut - Alex C. Morrison - Страница 4
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ОглавлениеVon irgendwoher kam mir ein angenehmer und sanfter Duft entgegen. Es war der Duft von Lavendel. Ich roch instinktiv an dem Hellblauen Umschlag. Der Lavendelduft kam von ihm.
Ich ging ins Wohnzimmer und wedelte damit in der Luft.
>>Wir haben soeben, glaubt es oder nicht, von den O´Learys eine Einladung für nächsten Samstag zur Einweihungsparty bekommen. <<
Mein Vater blickte stirnrunzelnd durch seine Brille. >>Wer sind die O ´Learys? <<
>>Harry, Mensch. Das sind die neuen Nachbarn schräg gegenüber. <<
Meine Mutter erhob sich aus ihrem gemütlichen Ikea Sessel und kam zu mir und Vater an den Esstisch.
>>Zeig mal. <<, sagte sie und nahm den Umschlag in die Hand.
Sie öffnete ihn, aber nicht vorher anzumerken wie köstlich er doch duftete.
>>Ist das Lavendel? Das riecht ja herrlich. Eine wunderbare Idee den Umschlag mit Parfum einzusprühen. Das macht wirklich was her. Das Papier ist aber weich. <<, meine Mutter schloss dabei ihre Augen und hielt ihn sich unter die Nase.
>>Nun gib schon her. <<, sagte mein Vater und riss ihr den Umschlag aus den Händen.
Zum Vorschein kam eine ebenso Hellblaue Karte. Dort stand in Schönschrift mit Tinte geschrieben:
Liebe Nachbarn,
es hat sehr lange gedauert. Doch nun sind wir mit allen Sanierungsarbeiten fertig und möchten nun alle in unserer Straße zu einer kleinen Einweihungsparty einladen. Für Leibliches Wohl ist gesorgt und Durstlöscher sind genug vorhanden. Bringt gute Laune mit und hoffentlich sehen wir uns am:
Samstag den 11. Mai um 19 Uhr
Mit lieblichen Grüßen Familie
O ´Leary
Mael, Lerielle und Mia
Was für seltsame Namen, dachte ich. Und was sollte der Satz mit „ mit lieblichen Grüßen“? Schreibt man das heute so? Am besten noch wie im letzten oder vorletzten Jahrhundert mit Tinte. Wahrscheinlich wurde der Brief noch mit einer Feder verfasst.
>>Wow, das ist ja mal eine Überraschung. <<, platze es aus meiner Mutter raus.
>>Allerdings. <<, stimmte Vater mit ein.
Und was für eine, dachte ich. Aber der Samstag würde eine prima Gelegenheit sein um die O´Learys genauer unter die Lupe zu nehmen. Von der Party musste ich unbedingt Eddy erzählen. Ich kramte in meiner Hosentasche und wurde fündig. Ich tippte ihm eine Nachricht. Auf die Antwort musste ich nicht lange warten.
>Du musst mich unbedingt mitnehmen! <, schrieb Eddy.
>Auf keinen Fall. <, schrieb ich um ihn zu ärgern.
>Doch! Ich muss dahin um zu sehen ob sie sich vielleicht Koboldartig verhalten. <
>Haha. <
Jetzt veralberte er mich wohl.
>Heute steigt im Heaven eine dicke Schaumparty. Bock? <
Na, klar hatte ich Bock. Ich tippte ihm die Uhrzeit und verschwand auf meinem Zimmer.
Ich wollte noch ein paar Stücke auf dem Klavier üben bevor ich in die Dusche ging um mich für den heutigen Samstagabend vorzubereiten.
Wir hatten ein großes Haus und ich hatte im ersten Stockwerk ein großes Zimmer. Mit groß meine ich wirklich groß. Ich durfte satte Einhundertzehn Quadratmeter mein Eigen nennen. Meine Eltern hatten ihr Schlafzimmer im Erdgeschoß. Was manchmal wirklich von Vorteil sein konnte. Vor allem wenn man noch pubertierte oder ein Klavier besaß. Ich hatte oben sogar mein eigenes Badezimmer und einen großen Kleiderschrank. Ich musste auf nichts verzichten. Dennoch war ich nicht einer der Jugendlichen die verzogen waren oder gar frech zu meinen Eltern. Im Gegenteil, als Einzelkind hatten sie mich wirklich gut erzogen und Manieren hatte ich wohl auch.
Mein weißer Flügel stand links in einer Ecke direkt neben dem großen Fenster, welches zum Balkon führte. Im Sommer öffnete ich die Türen und ließ mich von der Sonne und dem Wind im Haar zu herrlichen Stücken hinreißen. Meistens spielte ich etwas von Chopin. Zu meinem achtzehnten Geburtstag wünschte ich mir noch ein Spinett, da ich gerne Rameau darauf spielen wollte. Ein Spinett klingt ganz anders als ein Flügel doch ich mag beides. Es ist so als würde mir die Musik aus der Seele sprechen. Ich brauchte nicht wie andere Jungs in meiner Klasse Sport zu treiben. Ich hasste ihn regelrecht. Dafür hatte ich meine Musik. Musik war mein Sport, mein Ausgleich.
Ich hatte gerade das Stück >River flows in you < von Yiruma zu Ende gespielt, (ja, ich ließ mich tatsächlich manchmal auch auf moderne Musik ein, nicht nur auf klassische. Was David Garrett mit seiner Violine, er hat tatsächlich eine Stradivari, anstellte war sensationell. Er mischte Klassik mit Rock und das mochte ich sehr), klopfte es an meiner Tür.
>>Herein. <<
Es war Eddy. >>Bist du immer noch nicht
fertig? <<
Ich blickte auf mein Handy >>Oh, Mist. Ich habe die Zeit ganz vergessen. <<
Es war mittlerweile schon zwanzig Uhr und die Party würde schon in einer Stunde steigen.
>>Ich spring eben noch schnell unter die Dusche. <<, rief ich zu Eddy, der sich derzeit auf dem Ledersofa breit machte um etwas Playstation zu spielen.
>>Ja, aber beeil dich. <<, hörte ich nur.
Ich verschwand im Badezimmer. Zügig wusch ich meine länglichen Haare. Als ich kurze Zeit später den Föhn anwarf stand Eddy mit verschränkten Armen in der Tür.
>>Ist was? <<
>>Nicht dein ernst, oder? <<, fragte er ernst und zeigte hektisch auf seine Lederarmbanduhr.
>>Doch, ich muss sie föhnen sonst liegen sie nicht richtig. <<, erwiderte ich.
Eddy schüttelte seinen Kopf >>Du bist schon so eitel wie ein Mädchen. <<, und verschwand wieder aus dem Bad.
Ich parfümierte mich, zog schnell meine Lederhose an (die waren tatsächlich wieder modern und dank meiner schlanken Figur passte sie zu mir. Ich war zwar schlank aber nicht schlaksig.) Dann kramte ich noch ein graues Sweatshirt raus und zog es hastig an.
>>Na, endlich. <<
Eddy fuhr die Playstation runter und wir machten uns auf den Weg zum Heaven.
Der Weg war nicht sehr weit. Wir nahmen den Bus und nach knapp zwanzig Minuten waren wir schon da. Wir waren fast die ersten dort.
Der Club war sehr modern eingerichtet. Überall waren weiße Sessel und Bänke. Es gab eine große Tanzfläche und der DJ war sehr gut. Er hatte gerade ein Lied von David Guetta aufgelegt. Es dröhnte aus allen Ecken und Enden. Nach den Klavierstücken musste sich mein Gehör allerdings erst umstellen. Jedoch dauerte dies aber nicht lange. An den Seiten waren Tische mit Häppchen aufgestellt. Auf der Tanzfläche war ordentlich Schaum aber nur knapp ein Dutzend Leute tanzten. Eddy und ich hatten schon die Häppchen anvisiert und steuerten auf sie zu. Als mich plötzlich jemand unsanft anrempelte. Dieser Jemand machte nicht mal den Anschein sich zu Entschuldigen und ging stumpf weiter direkt an uns vorbei. Ich blickte mich instinktiv um, vielleicht würde ich ja so sehen wer es war. Vielleicht kannte ich den Jemand. Doch als ich mich umdrehte stockte mir fast der Atem. Es war wieder dieser Kerl. Und zwar der, dem ich heute Vormittag über den Weg gelaufen bin. Er hatte mich so böse angeblickt das ich seinen Seelenfressenden Blick nie in meinem Leben je hätte vergessen können. Und genau jetzt funkelten seine Augen in dem gleichen schwarz wie heute Vormittag. Ein Schauder lief mir über meinen Rücken.
>>Hey, Adam alles okay? <<, fragte jemand.
Ich starrte immer noch dem düsteren Typen hinterher.
>>Adam? <<
Dann bemerkte ich dass es Eddy war. Er stupste mich an.
>>Was ist mit dir? <<
>>Ich…ähm… <<
>>Du siehst nämlich so aus als hättest du gerade ein Gespenst gesehen. <<
Ich wandte mich wieder Eddy zu.
>>Oh, ja das kannst du aber laut sagen. <<
>>Wieso, was ist? <<
>>Hast du diesen Typen gerade gesehen? <<, fragte ich.
>>Der dich gerade anrempelte? <<
Ich nickte.
>>Wie konnte man den nicht übersehen. Der sieht doch aus wie ein Serienkiller,wenn du mich fragst. <<
Eddy hatte seinen finsteren Blick also auch bemerkt.
>>Seine Augen sehen geradezu so aus als wären sie nur dafür da um dir die Seele aus dem Leib zu ziehen. <<, entgegnete er.
>>Du sagst es! <<
>>Hey, da seid ihr ja. <<, hörten wir eine bekannte Stimme.
Es war die von Andy Weiß. Andy war einer unserer Klassenkameraden. Er war der Mädchenschwarm der Schule denn er war noch größer als ich, und ich war mit meinem ein Meter achtzig immerhin nicht klein, war schlank aber sportlich. Andy hatte kurzes, blondes Haar und spielte in der Volleyballmannschaft zusammen mit Benny. Benny Rosengarten war Andys bester Kumpel und war das genaue Gegenteil von ihm und eher ein Mitläufer. Er war zwar klein aber muskulös. Hatte braune Augen und kurze braune Haare.
>>Hey! <<, grüßten wir mit Eddy wie aus einem Mund.
Unsere Begeisterung ließ zu wünschen übrig. Wir hatten nicht wirklich viel mit den beiden zu tun. Denn anscheinend empfand uns Andy als eine Art Konkurrenz. Immerhin, wir waren also nicht hässlich. Eddy sagte mir des Öfteren dass ich das Zeug zum Model hätte. Meine grünen Augen würden gut zu meinem schwarzen, länglichem Haar passen und meine Gesichtszüge wären dem einen Engel gleich. Was auch immer das heißen sollte. Wie auch immer Eddy war selbst gutaussehend, nicht das ich auf ihn stehen würde aber er hatte schon einige Freundinnen denen er das Herz gebrochen hatte. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Andy doch Eddys Haare waren etwas länger und seine Augen waren braun. Was ihm das gewisse Etwas verlieh. Genauso wie das Muttermal über seiner rechten Augenbraue.
Eddy und ich schaufelten uns gerade dutzende Häppchen auf die Plastikteller als ich Mia auf der Tanzfläche erblickte. Sie schien wie in Trance. Ihre Augen waren geschlossen und sie ruderte mit den Armen in der Luft, passend zur Musik. Ich beobachtete sie eine Weile.
>>Ist sie das? <<
>>Ja, das ist Mia. Siehst du jetzt, was ich mit merkwürdig meine? <<
Eddy nickte.
>>Schau mal! <<, er zeigte mit dem Kopf zu Mia.
>>Das ist doch der Typ! <<, stieß ich aus und hätte mich beinahe an meinem Lachshäppchen verschluckt.
>>Die tanzen jetzt nicht wirklich zusammen, oder? <<
>>Anscheinend doch. <<
Ich traute meinen Augen kaum. Seine Hände glitten in Ihre und sie hörte auf mit ihnen zu rudern. Dabei öffnete sie ihre Augen und funkelte den Typen an. Was sah sie nur in ihm?
>>Jetzt hab ich es auch gesehen. <<, sagte Eddy ernst und tippte mir auf die Schulter.
>>Glaubst du mir etwa? <<
Als hätten die beiden uns gehört warfen sie uns einen ernsten Blick zu.
Wir drehten uns abrupt um und gingen zu einem Stehtisch. Gott segne den DJ, denn genau im richtigen Moment setzte er die Dampfmaschine ein. Sodass wir von den Seelenfressenden Blicken weitestgehend verschont blieben.
>>Die Neuen! <<, sagte Andy trocken und kam mit seinem leeren Pappteller auf uns zu und zeigte mit seinem spitzen Kinn auf die Bühne.
>>DAS sind die neuen? <<, stieß ich aus. Obwohl ich ja wusste das Mia zu uns in die Klasse kommen würde, das hatte ja Eddys Mutter verraten. Aber das der Seelenfresser auch in unsere Klasse kommen würde, das hatte mir noch gefehlt.
>>Jap. <<, erwiderte Andy und nippte an seinem Bier.
>>Sind die zusammen oder so was? <<, wollte Eddy wissen.
Der Nebel wurde weniger und der DJ spielte nun ein langsameres Lied.
>>Sieht so aus. <<, sagte Benny und zeigte auf die Bühne.
Eng umschlungen tanzten die beiden. Mia sah aus als wäre sie nicht ganz bei Sinnen. Als hätte sie zu tief ins Glas geschaut.
>>Wer ist der Typ eigentlich. Wie ist sein
Name? <<
>>Das ist Reese Martin. Er kommt aus Irland und war dort wohl ein guter Volleyballspieler. Als sein Dad starb zog er mit seiner Mutter nach Deutschland zu uns ins geliebte Münsterland. Die haben hier noch Verwandte. <<, sagte Andy.
Jetzt erinnerte ich mich wieder. Diesen Namen hatte Frau Felstau ebenso genannt. Nur hatte ich ihn irgendwie verdrängt.
>>Benny, hol uns doch bitte noch Bier. <<, sagte Andy, leerte zügig seine Flasche und hielt sie ihm hin.
Mittlerweile war es schon weit nach Mitternacht und wir tanzten immer noch. Mein Sweatshirt war von dem ganzen Schaum schon völlig durchnässt. Ich tippte Eddy an, es wurde allmählich Zeit nach Hause zu fahren. Und außerdem hatte ich irgendwie keine Lust mehr aufs Tanzen. Möglicherweise hatte es auch etwas damit zu tun das Mia schon vor knapp anderthalb Stunden gegangen war. Samt dem Seelenfresser. Dachte ich zumindest, denn ich hatte die beiden schon seit knapp zwei Stunden nicht mehr gesehen.
>>Ach, Adam lass uns noch zwei Lieder
tanzen. <<
Ich schüttelte den Kopf.
>>Dann setz dich doch eine Weile auf das Sofa dort und lass mich hier noch die Lage checken. Ich habe nämlich gerade zwei Chicks am
Start. <<
>>Wenn du mich suchst ich bin in der Häppchen-Ecke. <<, ich deutete mit dem Daumen hinter mich und verschwand von der Tanzfläche.
In dem Moment hasste ich meine Unsportlichkeit auch wenn ich so schlank war, hatte ich keine gute Kondition. So eine Schande. Beim Tanzen kam es immer zum Vorschein denn mehr als drei Lieder hintereinander zu tanzen und nicht in Schweiß auszubrechen war für mich schon beinahe eine Herausforderung. Während ich dort saß und Eddy beim Baggern beobachtete war ich froh dass ich nicht auf der Tanzfläche war. Erstens hatte ich keine Lust aufs Flirten und das nutzlose Rumgeknutsche, was meistens danach folgte wenn man ein Mädchen angesprochen hatte. Manchmal klebten sie an einem wie Fliegen an der warmen Hauswand, es war Nerv tötend. Und zweitens hatte ich gerade wieder den Seelenfresser erblickt. Da war ich mir sicher, denn ich war nicht betrunken genug um es mir einbilden zu können. Mia schien wieder rehabilitiert und vollkommen bei Sinnen und ihre Augen sahen irgendwie frischer aus. Komisch wo hatten sie die ganze Zeit gesteckt? Doch dieser Reese blickte immer noch finster drein. An seiner Stelle würde ich mich freuen wenn ich eine so wunderschöne und charmante Freundin an meiner Seite hätte. Plötzlich erblickte er mich und warf mir einen noch intensiveren Blick zu. Hatte er Angst, dass ihm jemand sein Spielzeug wegnehmen würde? Ich wandte meine Augen ab und Gott sei Dank, da war Eddy. Er kam gerade auf mich zu. Allerdings mit zwei Mädels im Arm. Ich rollte innerlich mit den Augen.
>>Das ist Adam. <<, sagte er.
Ich stand auf und reichte den Mädels höflich die Hand.
>>Wir sind Monika und Angie. <<, sagte die brünette und zeigte dann auf ihre Freundin mit dem kurzen blonden Haar.
>>Eddy, hast du mal eine Minute? <<, ich wollte ihm am liebsten den Hals umdrehen.
Wir gingen ein Stück zur Seite so dass die zwei Grazien uns nicht hören konnten.
>>Sag mal spinnst du? Ich habe dir doch schon vorhin erklärt das ich keine Lust auf eine Freundin habe, okay. <<, zischte ich ihn an.
>>Du bist wohl immer noch nicht über Lexi hinweg. <<
>>Hör auf mit Lexi. Also wir müssen jetzt unbedingt gehen. Der Seelenfresser ist wieder da! <<, ich machte mit dem Kopf eine hastige Bewegung nach links.
Eddy drehte sich um. >>Mia geht’s wohl
besser. <<, stellte er fest.
Dann blickte er nach hinten zu den Grazien und verzog seinen Mundwinkel.
>>Ich finde noch bessere. Lass uns dann schnell von hier verschwinden bevor sie was merken. <<
Das war natürlich nicht Gentlemanlike einfach so zu verschwinden, ohne sich zu verabschieden aber dennoch war Ich erleichtert. Wir gingen zur Garderobe und holten unsere Jacken. Schnellen Schrittes gingen wir dann aus dem Club. Eddy drehte sich immer wieder um als hätte er Angst von Monika und Angie verfolgt zu werden.
Ich war damit beschäftigt Lexi aus meinem Kopf zu kriegen. Mit ihr war ich nur kurz zusammen gewesen. Sie war klug, wunderschön und hatte mich wegen einem Dreijährigen Aufenthalt in Finnland sitzen lassen. Sie fand es schwierig eine Fernbeziehung führen zu müssen. Damit riss sie mir das Herz raus und ich dachte ich wäre nie wieder in der Lage Liebe zu empfinden. Das war ungefähr vor zwei Jahren.
Als wir an der Bushaltestelle standen und bereits seit einer halben Stunde auf den Bus warteten, weil wir den ersten ganz knapp verpasst hatten, sahen wir sie!
Der Seelenfresser kam mit Mia um die Ecke und die beiden steuerten Geradewegs auf uns zu.
>>Hey. <<, grüßte sie in unsere Richtung und nickte mit dem Kopf.
Reese hielt sie mit einem Arm umschlungen. Obwohl es draußen sehr frisch war trugen beide keine Jacken und Mia hätte wirklich eine nötig gehabt. Deswegen bot ich ihr meine an, trotz dass ich komplett nass und verschwitzt war.
Zögernd schlüpfte sie hinein. Die dunklen Augen des Seelenfressers glühten einen Moment lang in einem orangefarbenen Ton. Ich zuckte zusammen was ihm ein Grinsen auf die Lippen jagte.
>>Ihr fahrt auch nach Hause? <<, fragte der Seelenfresser unerwartet.
Es kam so überraschend, dass ich gar nicht antworten konnte.
>>Ähm…ja. <<, sagte Eddy, >>Der Bus müsste gleich kommen. << Er schaute auf seine Lederarmbanduhr. Mia nickte erleichtert.
Obwohl es schon so spät war, war der Bus rappelvoll. Und ausgerechnet war der Viererplatz ganz hinten im Bus frei. Das konnte nun wirklich kein Zufall sein.
Eine Weile traute sich keiner etwas zu sagen. Bis der Seelenfresser die peinliche Stille durchbrach. >>Ihr geht bestimmt auf das Johannes Gymnasium? <<
>>Ja. <<, schoss es aus mir heraus.
>>Und ihr seid die Neuen? <<, fragte Eddy obwohl er die Antwort ja schon kannte.
Mia nickte.
>>Ich bin Eddy und das ist Adam. <<, fügte er hinzu und reichte Reese die Hand.
Reese schaute auf seine Hand, zögerte eine Weile und schüttelte sie dann. Eddy zuckte kurz auf.
>>Ich bin Reese und das ist Mia. Meine Freundin. <<
Der Satz klang so als wäre es eine Drohung.
>>Du wohnst aber nicht in unserem
Baugebiet. <<, stellte ich fest und es hörte sich beinahe so an wie ein Vorwurf.
>>Ich wohne mit meiner Mutter in dem neuen Baugebiet. <<, sagte Reese und senkte den Blick.
Wir redeten noch eine Weile über die Schule und die Lehrer, unsere Eltern, und Reese kam mir plötzlich ganz friedlich vor. Aber vielleicht schien er ja nur so; denn ich war mir ganz sicher dass ich seine Augen in einem tiefen Orange aufleuchten sah und dann noch das schreckliche Grinsen was darauf folgte. Ob Eddy es auch gesehen hatte?
Nach zwanzig Minuten waren wir endlich an der Bushaltestelle unweit unseres Hauses angekommen. Wir liefen zu viert, dieses Mal schweigend, nebeneinander her. Reese hielt Mia mit seinem linken Arm umklammert. An der Weggabelung verabschiedete sich Eddy von uns und wir waren nun zu dritt.
Eddy rief mir noch etwas zu
>>Wir telefonieren. <<
Reese kam leider noch mit, er wollte Mia wohl nicht mit mir alleine nach Hause gehen lassen.
Als Eddy weg war kamen mir die wenigen Meter unendlich lang vor und ich fühlte mich wie das fünfte Rad am Wagen. Außer unseren Schritten auf dem Kieselweg und dem Ruf eines Waldkauzes war nichts zu hören. Schließlich hatten wir unsere Straße erreicht. Ich öffnete die Tür und blickte mich noch kurz zu den Beiden um. >>Gute Nacht! <<
Die beiden hörten mich jedoch nicht da sie sich gerade intensiv küssten. Angewidert drehte ich mich um und lies die Tür wieder ins Schloss fallen.
Meine Eltern schliefen bereits und im Haus machte sich Dunkelheit breit. Ich knipste die kleine Lampe auf der Kommode im Flur an um besser sehen zu können. Und ging schnellen Schrittes nach oben in mein Reich. Ich konnte es nicht erwarten zu duschen.
Mit Schrecken stellte ich am nächsten Morgen fest, dass ich die Fenster zum Balkon die ganze Nacht über hatte offen stehen lassen. Komisch mir war das gestern Abend beziehungsweise heute Nacht als ich nach Hause kam gar nicht aufgefallen. Ich ging hastig zu dem Flügel rüber und schaute ob meine Noten noch dort waren. Beruhigt atmete ich auf.
Doch nun fesselte der Anblick aus dem Balkon meine Aufmerksamkeit. In unserem Vorgarten fing es bereits an zu blühen. Die ersten Osterglocken und Tulpen blühten in voller Pracht. Seltsam, dachte ich, letzte Nacht war es richtig kalt gewesen. Schon fast frostig und heute Morgen stand die Sonne klar am Himmel und die Blumen blühten wie noch nie zuvor. Ich ging, barfuß und nur mit einer langen Pyjamahose bekleidet, auf den Balkon und atmete die frische, warme Frühlingsluft ein. Ich sog sie förmlich auf. Im Hintergrund hörte ich plötzlich jemanden kichern und meine Aufmerksamkeit fiel auf den Vorgarten und die Haustür der Nachbarn, der O´Learys. Ich konnte vom Balkon aus praktisch die ganze Nachbarschaft überblicken.
Mia und ihre junge Mutter pflanzten gerade Blumen. Der Anblick war Herzerwärmend. Sie kicherten wie kleine Kinder. Sie hätten fast Schwestern sein können. Ich musste lächeln und konnte mich dem Anblick kaum entreißen als mein Handy klingelte. Unwillkürlich ging ich zum Bett und nahm ab.
Es war Eddy.
>>Guten Morgen. Na, hast du gut
geschlafen? <<
Ich bejahte.
>>Du wirst nicht glauben wen ich heute beim Bäcker getroffen habe. <<
>>Wen? <<
>>Monika aus dem Club! <<
>>Oh, nein. War sie sehr sauer? <<, wollte ich wissen.
>>Hmm, lass mich kurz nachdenken…ja doch… sie war Fuchsteufelswild! Dann hat sie mir vor allen Leuten eine richtige Szene gemacht, was uns denn einfallen würde sie einfach dort alleine stehen zulassen… <<
Eddy erzählte noch eine Weile aber ich schaltete automatisch ab und musste an Mia denken, wie sie mit ihrer Mutter im Vorgarten Blumen pflanzte.
Ich ging langsam zum Balkon rüber und spähte hinaus. Doch leider waren die beiden schon wieder weg. Ich ließ das Fenster weit offen stehen und zog nur die weißen Gardinen zu. Dann setzte ich mich an den Flügel.
…glaube Lexi. <<, beendete Eddy den Satz.
>>Bitte was? <<, fragte ich hastig nach.
>>Ja, ich glaube ich habe Lexi gesehen. Sie scheint wieder hier zu sein. <<, sagte er.
Mein Lächeln erstarb.
Instinktiv drückte ich eine Taste auf dem Flügel. >Dummmm<, hallte es.
>>Alter, verfall bitte nicht wieder in deine Depressionen oder was auch immer. Weißt du was, ich komme nachher vorbei und dann reden wir über gestern Abend und über Lexi. Scheint wohl als wäre sie schon viel eher zurück als
geplant. Sie hat sich äußerlich ganz schön verändert. Trägt jetzt braunes Haar. Sie fragte nach dir. <<
>>Interessiert mich nicht. Und keine Sorge, ich bin längst über sie hinweg. <<, sagte ich und kaum hatte ich ausgesprochen horchte ich in mich hinein. War ich wirklich über sie hinweg?
Wir verabschiedeten uns und ich legte das Handy auf dem Flügel ab. Die Noten von Yirumas- River flows in you lagen noch auf dem Flügel und obwohl ich es fast auswendig kannte, spielte ich es von den Noten ab.
Die Melodie war wirklich wie ein Fluss, wie ein Bach und plätscherte, floss nur so dahin. Als ich zu Ende gespielt hatte blätterte ich einige Seiten in meinem selbsthergestelltem Notenbuch weiter. Und fing an Chopins Trauermarsch zu spielen. Natürlich nicht komplett das ganze Stück.
Kurz darauf ging ich ins Bad und wusch mir das Gesicht und putzte mir die Zähne um anschließend, immer noch in meiner gemütlichen Sonntagspyjamahose, in die Küche zu schlendern und mir einen Kaffee zu machen.
Meine Eltern waren bereits wach und hatten anscheinend schon gefrühstückt. Mein Vater las gerade gemütlich auf der Couch seine Sonntagszeitung und Mutter schnappte sich soeben ihre Gala.
>>Guten Morgen, Adam. Wie war es gestern im Club? <<, fragte mein Vater und legte seine Zeitung bei Seite. Er spähte mich durch seine Brille an.
>>Guten Morgen ihr zwei. Gut war es. Danke der Nachfrage. Ein wenig Müde bin ich aber noch. <<, ich schlürfte an dem Kaffee und setzte mich wohnheitsgemäß auf die Küchenzeile.
>>Adam. <<, sagte meine Mutter und schaute mich aus dem Augenwinkel an.
Sie mochte es nicht wenn ich mich dort hinsetzte also sprang ich wieder runter und setzte mich an den Esstisch.
>>Mia war auch da und der andere Schüler, dieser Reese. Anscheinend sind sie zusammen. <<, erzählte ich und hoffte das der Satz nicht irgendwie eifersüchtig klang.
Denn Mia war sehr hübsch. Sie war schlank, sah aus wie ein Supermodel und hatte wundervolles langes blondes Haar mit braunen Strähnchen und dazu azurblaue Augen. Genau mein Typ also.
Unerwartet klingelte es an der Haustür. Ich überlegte nicht lange und ging mit der Tasse in der Hand und in meiner schicken Pyjamahose an die Tür. Es war bestimmt Eddy, dachte ich. Doch als ich sah wer vor mir stand hätte ich mich beinahe an meinem Kaffee verschluckt.
>>Hi, ich hoffe ich störe nicht. <<, sagte Mia.
Ich schüttelte den Kopf und räusperte mich.
>>Hast du gut geschlafen? <<, fragte sie.
>>Ja, danke und du? <<
>>Sehr gut. <<
Eine Weile herrschte Stille. Sie musterte mich kurz von unten nach oben und ich bemerkte das flüchtige Blinzeln in ihren Augen.
>>Tut mir leid, ich habe noch keine Zeit gehabt mich umzuziehen. Ähm… es ist Sonntag, weißt du. <<, sagte ich.
>>Nein, kein Problem. Ich verstehe. <<
>>Möchtest du vielleicht rein kommen? <<, rief meine Mutter die wie aus dem Nichts plötzlich hinter mir stand.
>>Danke, ich muss mich für morgen
vorbereiten. <<, sagte sie und meine Mutter verschwand wieder genauso schnell wie sie aufgetaucht war.
Ich atmete auf.
>>Ach, ja bevor ich es ganz vergesse. Hier ist deine Jacke. Und danke. <<, sagte sie und reichte mir meine schwarze Lederjacke.
Ich nahm sie entgegen und bemerkte ein Knistern, dass von ihren Fingern ausging. Dann legte ich sie auf die Kommode.
>>Falls du irgendwie Hilfe mit der Schule brauchst oder Klavierunterricht. Sag
Bescheid. <<, sprudelte es aus mir raus.
>>Sehr lieb von dir. Ich werde bestimmt mal darauf zurückkommen. <<, sagte sie >>Du spielst Klavier, das habe ich heute Morgen schon gehört. Einfach Wunderschön. <<
Ich wäre beinahe rot angelaufen.
>>Der Trauermarsch war sehr herzzerreißend. <<, fügte sie lächelnd hinzu.
>>Danke. <<
Mein Herz hatte einen Sprung gemacht. Das hatte es nie beziehungsweise schon sehr lange nicht mehr. Nein, das war doch wohl nicht wegen Mia, dachte ich.
Ihr Lächeln erlosch als sie ihren Namen hörte.
Ich lehnte mich aus der Tür und sah Reese. Er stand draußen an Mias Haustür gelehnt und hatte wieder seinen finsteren Blick auferlegt. Er funkelte mich böse an.
>>Wir sehen uns, ich muss dann gehen. <<, sagte sie zügig und entfernte sich. Ich blieb noch eine Weile an der Tür stehen und beobachtete die beiden. Er umarmte sie und küsste sie. Sie schien wirklich in ihn verliebt zu sein denn sie würdigte mich keines Blickes mehr.
Dafür aber der Seelenfresser, er funkelte mich immer noch böse an, fast schon wütend. Oder hatte Mia etwa Angst vor Reese?
Hastig kam unser Kater Leopold von draußen um die Ecke geflitzt und verschwand leise im Wohnzimmer.
Ich zog mich zurück und ging auf mein Zimmer.
Eddy war gerade gekommen als ich mich endlich angezogen hatte. Nicht das Mia nochmal an der Tür klingeln würde. Wir verschwanden auf meinem Zimmer. Frische Frühlingsluft hatte eine Prise Tulpenduft rein geweht. Einige Vögel zwitscherten. Was für ein herrlicher Tag. Kaum hatte Eddy sich auf dem Sofa breit gemacht sprudelte er über vor Neuigkeiten. Ich breitete mich derweil, samt den Büchern, auf meinem großen Bett aus.
>>Das war definitiv Lexi. Ich habe sie auf dem Weg zu dir noch einmal getroffen. Ich soll dich schön von ihr grüßen! <<
Wollten die beiden mich verarschen? Lexi lässt grüßen. Ich glaube ich spinne. Was denkt sich die Alte eigentlich? Erst reißt sie einem mit voller Wucht das Herz raus dann tritt sie darauf rum und denkt dann nach zwei Jahren, alles wäre wieder gut? Die soll mir bloß nicht unter die Augen kommen.
>>Und sonst? Nichts Neues? <<, fragte ich gelangweilt, denn dieses Lexi Gelabber ging mir ordentlich auf den Sack.
>>Du scheinst wirklich über sie hinweg. Oder tust du nur
so? <<, Eddy musterte mich eine Weile.
Ich schüttelte genervt den Kopf und blickte zum Fenster hinaus.
>>Ah, verstehe. <<, sagte er >>Du bist neu verliebt! <<, stellte er dann fest.
Ich zuckte fast zusammen als er das Wort „Verliebt“ sagte.
>>Ja, klar. So ein Quatsch! <<, sagte ich.
>>Komm schon. Du findest Mia doch wohl ganz nett. <<, redete Eddy weiter.
>>Können wir bitte das Thema wechseln. Und außerdem wollten wir noch, dass eine Kapitel im Mathebuch durchgehen. Schon vergessen? <<
>>Aber zuerst muss ich dir noch eine Sache erzählen. <<, sagte Eddy verschwörerisch und flüsterte dann, als würde uns jemand belauschen.
Dann erhob er sich vom Sofa und ging zur Balkontür. Er spähte vorsichtig hinaus und schloss sie.
>>Ich habe gestern Abend Reese beobachtet. <<, sagte er nun wieder in normaler Lautstärke.
>>Sag mir nicht, dass du ihn jetzt ausspionierst. Eddy, komm schon. <<
>>Nein, es war reiner Zufall. Als ich den Müll rausbrachte. Mir war nämlich aufgefallen, dass meine lieben Akademikereltern mal wieder vergessen hatten den Müll rauszubringen. Der stank uns schon die Bude voll. Da übernahm ich es und als ich draußen hinter den Mülltonnen stand, kam gerade Reese vorbei. Er telefonierte mit jemandem und glaube mir das Gespräch hörte sich irgendwie merkwürdig an. <<, erzählte er.
Ich zog eine Augenbraue hoch.
>>Pass auf. Er schien wohl mit irgendeinem finsteren Typen namens Darko oder so zu telefonieren und sie sprachen über Mia. <<
Nun wurde ich hellhörig und setzte mich auf.
>>Um was genau ging es? <<, wollte ich wissen.
>>Reese sprach etwas über Irland und dass er Mia wieder nach Hause bringen wird. Koste es was es wolle. Es sollte ihm besser keiner in die Quere kommen sonst würde es derjenige übel bereuen. Die Sache würde nicht mehr allzu lange dauern, sagte er noch und lachte dann verschwörerisch. Dann sprach er noch einige Worte die ich nicht verstand, vielleicht war es irisch oder sowas. Hörte sich an wie „Do Shoisle“. Keine Ahnung. <<
>>Seltsam. Aber lass uns das doch mal googeln. Weißt du wie es geschrieben wird? <<, fragte ich.
Eddy schüttelte den Kopf.
>>Egal, wird wohl nicht so wichtig sein und außerdem gehen uns Reese und Mia nichts
an. <<, sagte ich dann und schlug das Mathebuch auf >>Dann wollen wir mal. <<