Читать книгу American Football - Alex von Kuczkowski - Страница 9

Оглавление

#2

PLÖTZLICH KONKURRENZ.

WIE DIE NFL DIE AAFC

UND AFL SCHLUCKTE


Nach Ende des Zweiten Weltkriegs musste sich auch die NFL erst mal wieder organisieren und aufräumen. Das machte sie mit Bert Bell an der Spitze. Der Mann, der 1933 die Philadelphia Eagles in dieser Liga installierte und gemeinsam mit seinem Freund Art Rooney später auch das Überleben der Pittsburgh Steelers sicherte (siehe Kapitel #1). Die Eagles gehörten ihm längst nicht mehr und seine Anteile an den Steelers hatte er jüngst auch wieder verkauft. Am 11. Januar 1946 trat Bell als Nachfolger von Elmer Layden seinen neuen Job als NFL Commissioner an. Er verlegte die Ligazentrale von Chicago nach Philadelphia und unterschrieb zunächst einen Dreijahresvertrag mit einem Jahresgehalt in Höhe von je 20.000 Dollar. Bereits wenige Monate später wurde dieser dann sogar in einen Fünfjahreskontrakt mit je 30.000 Dollar Jahressalär umgewandelt. Die Teambesitzer vertrauten ihm. Sie sahen in Bell genau den richtigen Mann, um die NFL auf die nächste Stufe zu heben. Schließlich bewahrte er die Liga Mitte der 1930er Jahre mit seiner Idee, einen jährlichen Draft durchzuführen, vorm finanziellen Ruin. Damit unterband er, dass sich die Teams beim bis dahin gängigen Wettbieten um die besten College-Talente irgendwann gegenseitig in den Bankrott trieben.

Auch während seiner Amtszeit als NFL Commissioner bis 1959 stellte Bell viele wichtige Weichen. Er machte die Ligaduelle spannender, indem er unter anderem die aktuellen Topteams regelmäßiger gegeneinander spielen ließ, und führte eine »Sudden Death«-Verlängerung ein, wenn ein Spiel nach der regulären Zeit unentschieden endete. Er verfolgte eine strikte und hart sanktionierte Anti-Glücksspiel-Politik, die es NFL- und Team-Angestellten verbot, auf den Ausgang von Spielen zu wetten. Die Schiedsrichter für alle Partien setzte er fortan selbst an und behielt die Namen so lange wie möglich für sich. Niemand sollte auf die Ergebnisse seiner Liga Einfluss nehmen können und die Chance haben, sie zu eigenen Gunsten zu manipulieren. Ihm war es extrem wichtig, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Bloß keine Skandale! Die kann die NFL nicht gebrauchen. Bell wollte mit der NFL ja zum Höhen- und nicht zum Sturzflug ansetzen. Des Weiteren prägte Bell den noch heute bekannten Ausdruck »Any Given Sunday« (jede gute Marke braucht ja bekanntlich einen guten Spruch) und handelte den ersten nationalen TV-Vertrag aus. Mit seinen Entscheidungen bereitete Bell der NFL eine stetig wachsende Bühne im Bewusstsein aller Amerikaner. Da wollte Bell hin, in die Köpfe der Menschen. Zunächst musste er sich aber mit lästiger Konkurrenz rumschlagen.


Bereits 1944 hatte sich die All-America Football Conference (AAFC) zusammengerottet. Eine Ansammlung von vermögenden Geschäftsleuten, die frustriert waren, weil ihnen der Erwerb einer NFL-Team-Lizenz in der Vergangenheit untersagt wurde. An ihrer Spitze stand Arch Ward (*1896, †1955), ein Sportjournalist der »Chicago Tribune«. Ein Machertyp. Ein Sport-Verrückter. Er hatte unter anderem bereits die öffentlichkeitswirksamen »All Star Games« der Major League Baseball (MLB) und im College Football ins Leben gerufen. Er wäre auch gern NFL Commissioner geworden. Zweimal war er bereits für diesen Job im Rennen. Beide Male fiel er durch. Trotzdem wollte er allen zeigen, dass er der richtige Mann dafür ist, Profifootball in den USA zum Durchbruch zu verhelfen und in jeder Großstadt anzubieten. Er erhob also das »Kriegsbeil«. Unterstützung erhielt Ward von Robert McCormick (*1880, †1955), dem einflussreichen Herausgeber der »Chicago Tribune«. Zudem hatte er mit der Fluggesellschaft United Airlines einen weiteren starken Partner an der Seite, der dafür sorgte, dass die AAFCTeams trotz zum Teil großer Distanzen mühelos und schnell von A nach B kamen. Und finanzkräftige Investoren hatte er auch an der Hand. Ward konnte jede Menge reiche Industrielle für sein Vorhaben begeistern. Darunter Taxi-Großunternehmer Mickey McPride (*1888, †1972), Holz-Magnat Tony Morabito (*1910, †1957), Schauspieler Bob Hope (*1903, †2003), Sänger Bing Crosby (*1903, †1977) und Medienmogul Louis B. Mayer (*1884, †1957), ein Mitgründer der MGM Filmstudios. Die starken Männer der AAFC waren vorwiegend vermögender als ihre NFL-Konkurrenten, deren Kapital hauptsächlich aus dem Besitz eines NFL-Franchise bestand.

Bevor die AAFC 1946 – ein Jahr später als geplant – ihren Spielbetrieb aufnahm, war erneut ein Wettbieten um die besten Football-Spieler des Landes entbrannt. Die Gehälter explodierten. Die Profis konnten nun zwischen mehreren Angeboten auswählen und nutzten das aus, um die Preise hochzutreiben. Viele von ihnen wechselten in die AAFC. Deren erster Geschäft sführer war der frühere College-Football-Star Jim Crowley (*1902, †1986), der als Running Back 1925 auch zu drei Einsätzen für die Green Bay Packers in der NFL kam. Später wechselte Crowley als Head Coach zu den Chicago Rockets. Die Rockets bildeten 1946 gemeinsam mit den Brooklyn Dodgers (nicht zu verwechseln mit dem NFL-Team selben Namens, das 1945 von der Bildfläche verschwand), Buffalo Bisons, Cleveland Browns, Los Angeles Dons, Miami Seahawks, New York Yankees und San Francisco 49ers die acht Teams in der Premierensaison der AAFC. Die Miami Seahawks wurden 1947 durch die Baltimore Colts ersetzt.


„Automatic Otto“ führte die Browns zu vier AAFC-Titeln.

Das Maß aller Dinge in der AAFC waren die Cleveland Browns. Sie wurden von Mickey McPride gegründet und nach ihrem langjährigem Head Coach Paul Brown (*1908, †1991) benannt. Die Browns gewannen bis 1949 in allen vier AAFC-Spielzeiten die Western Division und auch die jeweiligen Endspiele. Insgesamt kassierten sie nur vier Niederlagen. Das lag auch daran, dass sie mit Otto Graham (*1921, †2003) den besten Quarterback der Liga in ihren Reihen hatten. Der wurde aufgrund seiner präzisen Pässe ehrfürchtig »Automatic Otto« genannt. Seine Rückennummer 14 wird bei den Browns bis heute nicht mehr vergeben. Das zweiterfolgreichste Team der AAFC waren die San Francisco 49ers. Sie hob Tony Morabito aus der Taufe. Gemeinsam mit den Los Angeles Dons, bei denen unter anderem die US-Unterhaltungsgrößen Bob Hope und Bing Crosby als Miteigentümer dabei waren, zählten die 49ers zu den ersten Profiteams, die sich an der Westküste der USA niederließen. Um sich in diesem Teil der USA nicht abhängen zu lassen, hatte die NFL 1946 die Cleveland Rams nach Los Angeles entsandt (siehe Kapitel #1). Die 49ers erreichten einmal das Finale der AAFC, in dem sie im Dezember 1949 aber den Browns unterlagen. Dieses Spiel war gleichzeitig das letzte in der Geschichte der AAFC.

Wenige Tage zuvor hatten NFL und die AAFC beschlossen, in Zukunft gemeinsame Sache zu machen. Der Spuk war vorbei. NFL Commissioner Bell, der die AAFC lange ignorierte und öffentlich kein Wort zu ihr verlor, hatte die Nase voll. Die AAFC konnte über die letzten Jahre bessere Zuschauerzahlen als seine NFL aufweisen, weil Journalist Ward seine Kontakte genutzt hatte, um großflächig in den Medien zu erscheinen. So kamen beispielsweise zum AAFC-Eröffnungsspiel 1946 zwischen den Cleveland Browns und den Miami Seahawks 60.000 Fans. Das war damals eine Rekordkulisse für ein reguläres Profi-Football-Spiel. Trotzdem klagte auch diese Liga – genau wie die NFL – über leere Kassen. Die AAFC litt zu sehr unter der Dominanz der Browns. Am 9. Dezember 1949 verkündete Bell den Zusammenschluss beider Ligen, man wollte nun unter dem Namen National-American Football League zusammen statt gegeneinander arbeiten. Mit Bell als Commissioner. Diese Fusion beinhaltete die drei sportlich und wirtschaftlich erfolgreichsten AAFC-Teams Cleveland Browns, San Francisco 49ers und Baltimore Colts sowie die zehn NFL-Teams. Die anderen AAFCTeams wurden aufgelöst, deren Spieler auf die weiterbestehenden 14 Teams aufgeteilt. Bereits im Frühjahr 1950 kehrte man der Bezeichnung National-American Football League den Rücken und nannte sich nun fortan auch offiziell wieder National Football League.

DIE BROWNS

DOMINIEREN


Die AAFC war tot, die NFL hatte den Machtkampf gewonnen und war wieder Monopolist. Während sie sich bis 1949 noch in die NFL West und NFL East aufgeteilt hatte, gab’s von nun an zwei Divisionen: Die American Conference (mit den Cleveland Browns, New York Giants, Philadelphia Eagles, Pittsburgh Steelers, Chicago Cardinals und Washington Redskins) und die National Conference (mit den Los Angeles Rams, Chicago Bears, New York Yanks, Detroit Lions, Green Bay Packers, San Francisco 49ers und Baltimore Colts). Ab 1953 kehrte man aber schon wieder zur Titulierung NFL West und NFL East zurück.

Was viele nicht für möglich hielten: Die Browns konnten ihre sportliche Überlegenheit auch unter dem neuen Dach fortsetzen. Vorm Auftakt der Spielzeit 1950 gab es das heiß erwartete Duell der Browns als amtierender AAFC-Meister gegen den amtierenden NFL-Meister Philadelphia Eagles, vorher vollmundig und werbewirksam als The World Series Of Pro Football tituliert. Die Browns gewannen mit 35:10. In dieser Saison führte ihr Weg bis ins Finale, das sie ebenfalls für sich entscheiden konnten. Sie bezwangen die Los Angeles Rams an Heiligabend mit 30:28. NFL Commissioner Bell bezeichnete sie danach als »bestes Team, das jemals Football gespielt hat«. Zwischen 1950 und 1955 standen die Browns dank »Automatic Otto« immer im Endspiel. Während sie die Finalspiele 1951, 1952 und 1953 verloren, konnten sie in den Spielzeiten 1954 und 1955 weitere Titel holen. Wenn man ihre AAFCZeit mit einrechnet, standen die Browns also in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens immer im Finale. Beeindruckend!

Für die Baltimore Colts hingegen war nach der Saison 1950 schon wieder Schluss in der NFL. Sie konnten sportlich nicht mithalten (nur ein Sieg aus zwölf Spielen) und waren finanziell am Ende. Damit herrschte in den zwei NFL-Divisionen größenmäßig nun wieder Gleichstand. Beide beherbergten je sechs Teams. Aber nun wird’s kompliziert: Denn nach der Saison 1951 verabschiedete sich bereits die nächste Mannschaft: die New York Yanks. Die wurden 1944 während des Zweiten Weltkriegs als Boston Yanks gegründet und schlossen sich 1945 mit den Brooklyn Tigers zusammen, die wiederum bis 1943 Brooklyn Dodgers hießen und 1930 aus den Dayton Triangles entstanden waren, die 1920 zu den Gründungsmitgliedern der APFA, dem Vorläufer der NFL, gehörten. Alles klar?

Anstelle der New York Yanks, die sich übrigens zwischenzeitig nur in der Saison 1949 New York Bulldogs nannten, installierte die NFL in der Saison 1952 die neugegründeten Dallas Texans, die den gesamten Spielerkader der Yanks übernahmen. Problem: Die Texans waren sportlich unterirdisch, was zur Folge hatte, dass sich in Dallas und Texas fast niemand für sie interessierte. Das riesige Cotton Bowl Stadium mit Platz für 92.000 Zuschauer war oft menschenleer. Somit war auch für die Texans nach nur einer NFL-Saison wieder Schluss. Des einen Leid war des anderen Freud: Denn nun kamen tatsächlich die Baltimore Colts zurück. Im Jahr 1953. In völlig neuem Gewand. Massiv unterstützt von der Stadt Baltimore, deren Einwohner weiterhin nach Profi-Football lechzten, bekam eine Investorengruppe mit dem Geschäftsmann Carroll Rosenbloom an der Spitze den Zuschlag für ein neues NFL-Team. Diese Colts, die heute in Indianapolis zu Hause sind (mehr dazu in Kapitel #4), haben nichts mit den AAFC-Colts zu tun. Außer ihrem Namen.

Die Colts, bestehend aus vielen Yanks- bzw. Texans-Spielern, entwickelten sich nach einigen Startschwierigkeiten überraschend prächtig. Nach Jahren der Fluktuation hatte die NFL endlich mal ein festes Teamgerüst. Das war wichtig, um nach außen Seriosität und vernünftiges Wirtschaften auszustrahlen. Das Ansehen der Liga wuchs. Was auch an Johnny Unitas (*1933, †2002) lag. Mit Unitas (mehr zu ihm in Kapitel #5) erreichten die Baltimore Colts 1958 das NFL-Finale gegen die New York Giants. Dieses Spiel ist für viele bis heute »the greatest Game ever played« (das großartigste Spiel, das je gespielt wurde). Es war die erste NFL-Partie, die von der NBC in den gesamten USA live im Fernsehen übertragen wurde. 45 Millionen Menschen saßen gebannt vor den Bildschirmen. Das Spiel im Yankee Stadium war ein echter Thriller, an Dramatik kaum zu überbieten. Nach den regulären 60 Minuten stand es 17:17. Nun griffen erstmals die neuen Overtime-Regeln. Das Team, das in den kommenden 15 Minuten zuerst Punkte erzielt, sollte gewinnen. Die Colts hatten das bessere Ende auf ihrer Seite. Bei noch 6:45 Minuten Restspielzeit lief Running Back Alan Ameche (*1933, †1988) aus einem Yard Entfernung in die Endzone. Ende. Aus. Vorbei. Baltimore gewann mit 23:17. Dieses Spiel war ein Meilenstein für die NFL. Nun hatte sich Profifootball in den USA endgültig durchgesetzt und war so populär wie nie. Die Colts konnten ihren Titel im Jahr 1959 erfolgreich verteidigen. Wieder gegen die Giants. Diesmal 31:16. Die Colts waren zurück in der Liga und plötzlich sogar eine große Nummer. Wer hätte das gedacht?

Bert Bell hat das nicht mehr miterlebt. Der NFL Commissioner verstarb am 11. Oktober 1959. Tragischer- oder passenderweise – je nachdem, wie man mag – in einem Stadion. Football war sein Leben. Während unten auf dem Rasen die Philadelphia Eagles gegen die Pittsburgh Steelers spielten, »seine« zwei Teams also, erlitt Bell in den Schlussminuten dieses Duells einen Herzinfarkt. Die Trauer war groß. Die Liga hatte ihren Visionär verloren. Wie sollte es nun weitergehen? Aber Bell hatte der NFL ein mehr als ordentliches Erbe hinterlassen. Denn er erkannte früh, was die wichtigste Einnahmequelle für die NFL in den kommenden Jahren sein wird: das Fernsehen. Nach der Übernahme der AAFC steckte Bell viel Energie in seinen Plan, die TV-Entscheider von seinem Produkt zu überzeugen. Er hatte Erfolg und bald den ersten Fünfjahresvertrag in der Tasche. DuMont Television biss an und übertrug das NFL-Endspiel 1951 zwischen den Browns und den Rams live in die gesamte USA. Der Sender zahlte 75.000 Dollar für dieses Recht. Auch die nächsten vier Meisterschaftsduelle durfte dieser TV-Sender ausstrahlen.

Zeitgleich ermutigte Bell die Teambesitzer, eigene TV-Deals abzuschließen, installierte bereits 1950 aber auch die »Blackout Rule«. Diese untersagte den Klubs, Livebilder ihrer Spiele auf TV-Bildschirme übertragen zu lassen, die in einem Radius von 75 Meilen (ca. 120 Kilometer) zu ihrem Stadion standen. Egal, ob diese ausverkauft waren oder nicht. »The greatest Game ever played« 1958 zum Beispiel war im Großraum New York im TV nicht zu sehen. Bell war halt ein Fuchs. Er wusste, dass der Mensch faul ist. Er wollte aber gewährleisten, dass die Leute trotzdem weiter ins Stadion gehen und sich Tickets für die Spiele kaufen. Denn auch auf diese Erlösquelle waren die NFL-Teams angewiesen. Außerdem wollte Bell nicht, dass leere Tribünen im Stadion zu sehen sind. Das wäre ja geschäftsschädigend und könnte dem guten Ruf der Liga schaden. »Man kann den Fans kein kostenloses Spiel im Fernsehen ermöglichen und zeitgleich erwarten, dass sie auch ins Stadion gehen«, erklärte Bell seine Maßnahme.

Nach der Saison 1951 vereinbarte Bell mit DuMont Television, dass der Sender nicht nur das Finale, sondern ab sofort auch jede Woche ein reguläres Saisonspiel übertragen darf. Die Einnahmen sollten zu gleichen Teilen auf alle Teams verteilt werden. Dieses Prinzip wird auch heute noch in der Liga angewandt. Bell war es wichtig, dass alle davon profitieren. Er wollte wirtschaftliche Stabilität erzeugen, damit nicht wieder eine der zwölf NFL-Franchises in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Zudem begann DuMont ab 1953 damit, die NFL zur besten Sendezeit zu zeigen: Am Samstagabend. Ab 1955 wurde DuMont von der NBC abgelöst. Dieser Kanal blätterte bereits 100.000 Dollar für die Übertragung des Meister-Duells auf den Tisch. Ab 1956 stieg auch Columbia Broadcasting System (CBS) als TV-Partner ein. Die NFL hatte endlich ihre ganz große Bühne.

DIE AFL:

EINE NEUE GEFAHR



Ab Januar 1960 trat Pete Rozelle (*1926, †1996) die Nachfolge von Bert Bell als NFL Commissioner an. Der damals erst 33-Jährige war bis 1959 der General Manager der Los Angeles Rams. Er verlegte die Ligazentrale von Philadelphia nach New York City. Dort ist sie bis heute. Genau wie Bell erkannte auch er die Bedeutung der Fernsehvermarktung. Rozelle trieb das TV-Geschäft während seines Wirkens in der Zentrale bis 1989 weiter extrem voran. Doch zunächst musste er sich der bislang größten Herausforderung der NFL stellen: der AFL.

Zehn Jahre nach dem Ende der AAFC entstand die nächste Konkurrenzliga. Die »American Football League«, kurz AFL. Die AAFC und die jüngsten TV-Verträge hatten viele geschäft stüchtige Unternehmer aufh orchen lassen. Sie merkten, dass es im Profifootball plötzlich sehr viel Geld zu verdienen gab, und wollten auch ein Stück vom Kuchen abhaben. Einen Fuß in die Tür der NFL bekamen sie aber nicht. Obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, die Liga aufzustocken, blieb man lieber unter sich. Zwölf Teams in elf Städten (Chicago hatte mit den Bears und den Cardinals bis 1959 zwei) erschien den Besitzern genug. Nach teils aufreibenden Jahren, in denen viele um ihre Existenz bangten, war man froh, dass nun endlich mal Ruhe eingekehrt war. Außerdem war man nicht bereit, das nun endlich fließende Geld durch noch mehr Köpfe zu teilen. Man blieb lieber ein kleiner, sehr exklusiver Kreis.

Nun schlug die große Stunde von Lamar Hunt (*1932, †2006). Auch der Sohn eines Öl-Milliardärs hatte im Laufe der 1950er Jahre versucht, eine NFL-Lizenz zu bekommen. Er war stark an den Chicago Cardinals interessiert und wollte das Team nach Texas lotsen. Aber die Liga-Oberen ließen ihn abblitzen. Aus Frust traf er die Entscheidung, dann halt eine eigene Liga als Konkurrenz zur NFL ins Leben zu rufen. Einen Verbündeten fand er in Bud Adams (*1923, †2013), ebenfalls Sohn eines Öl-Magnaten. Auch der hatte zuvor ein Auge auf die Cardinals geworfen und wollte sie nach Texas holen. Genauso erfolglos. Daher schlossen Adams und Hunt eine Allianz. Die beiden tüft elten erst mal im Verborgenen und gaben dann im Spätsommer 1959 die Gründung der »American Football League« bekannt, die ab 1960 an den Start gehen sollte. Dieser Name war bekannt. Im Laufe der letzten Jahrzehnte gab es bereits dreimal von unterschiedlichen Leuten den Versuch, unter dieser Bezeichnung in Rivalität zur NFL zur treten. Aber jedes Mal scheiterte der Plan relativ schnell. Diesmal jedoch nicht.

Ähnlich wie damals in der AAFC war es Hunt und Adams gelungen, einflussreiche Investoren von ihrem Vorhaben zu überzeugen und mit ins Boot zu holen. Darunter unter anderem Barron Hilton (*1927), Erbe der Hilton-Hotelkette und Großvater von »It-Girl« Paris Hilton, Ralph Wilson (*1918, †2014), ein Großindustrieller, und Billy Sullivan (*1915, †1998), ein Journalist. Zur Saison 1960 sollten acht AFL-Teams an den Start gehen: die Boston Patriots, die Buffalo Bills, die New York Titans und die Houston Oilers in der Eastern Division. Sowie die Dallas Texans, die Denver Broncos, die Los Angeles Chargers und die Oakland Raiders in der Western Division. Hunt steckte hinter den Dallas Texans (nicht zu verwechseln mit dem Team selben Namens, das 1952 krachend in der NFL gescheitert war). Adams hinter den Houston Oilers. Hunt war der festen Meinung, dass eine regionale Rivalität zwischen seinen Texans und Adams’ Oilers entscheidend zum schnellen Wachstum der Liga beitragen wird. Auch, wenn die beiden AFL-Gründungsväter nun im selben US-Bundesstaat nach Aufmerksamkeit und Sponsoren buhlten. Rückblickend ein Trugschluss. Hilton war Mitgründer der Los Angeles Chargers. Wilson übernahm die Buffalo Bills, die er bis zu seinem Tod 54 Jahre in eigener Hand behielt, und Sullivan die Patriots (mehr zu diesen beiden Teams in Kapitel #6).

Die NFL hatte aus ihren Fehlern im Umgang mit der AAFC gelernt. Statt die neue Liga lange mit Nichtachtung zu bestrafen, suchte man diesmal den schnellen Austausch, um der aufkommenden Gefahr möglichst schnell Herr zu werden. Rozelle bot Hunt und Adams nun doch den Besitz eines NFL-Franchise an. Kein bestehendes, sondern ein neues. Aber die lehnten aus Solidarität zu ihren neuen Geschäftspartnern ab. Die NFL entschied sich trotzdem zu einer Expansion, obwohl die bisherigen zwölf Teambesitzer ja eigentlich kein Verlangen danach spürten. Aber nun sah man sich angesichts der aufkommenden Konkurrenz dazu gezwungen. 1960 nahmen die Dallas Cowboys ihren Spielbetrieb auf, die von Clint Murchison (*1923, †1987) gegründet wurden, Sohn eines Öl-Oligarchen. Heute sind die Cowboys bekannt als »Americas Team« (mehr dazu in Kapitel #3). Zudem wurden die Cardinals, die von 1920 bis 1959 in Chicago beheimatet waren, aber schon länger am finanziellen Abgrund standen, 1960 nach St. Louis verfrachtet. Ab 1961 kam mit den Minnesota Vikings ein weiteres neues Team dazu. Interessant dabei: Federführend daran beteiligt war Max Winter (*1903, †1996). Der gehörte eigentlich zu den Männern um Hunt und Adams. Als die NFL mit dem Angebot um die Ecke kam, ein Team in Minneapolis installieren zu können, knickte Winter aber ein und schlug zu. Ihm war Loyalität offenbar nicht so wichtig Statt aus zwölf bestand die NFL nun aus 14 Mannschaften.

Die AFL ernannte Joe Foss (*1915, †2003) zu ihrem ersten Geschäftsführer. Ein früherer Kriegsveteran, der von 1955 bis 1959 Gouverneur des US-Bundesstaates South Dakota war. Dieses militärische und politische Schwergewicht sollte der neuen Profiliga Seriosität verleihen. Hunt wurde ihr Präsident. Für einen Paukenschlag sorgte die AFL gleich in ihrem ersten Jahr mit der Verpflichtung von Billy Cannon (*1937, †2018), der zuvor an der Louisiana State Universität als Running Back und Tight End für Aufsehen sorgte und mit der Heisman Trophy als bester Collegespieler ausgezeichnet wurde. Cannon unterschrieb im November 1959, also noch während der laufenden Collegesaison (was verboten war), einen Dreijahreskontrakt bei den damals noch von Pete Rozelle geführten Los Angeles Rams aus der NFL in Höhe von 50.000 Dollar. Zwei Monate später aber auch ein über vier Jahre laufendes Arbeitspapier bei Adams’ Houston Oilers aus der AFL, das ihm 110.000 Dollar einbringen sollte. Ein Spieler, der zwei Verträge unterzeichnet hatte. Das war ein Fall fürs Gericht. Die Rams reichten Klage ein. Schließlich habe man ja zuerst eine Vereinbarung miteinander geschlossen. Ein Richter entschied aber letztlich gegen die NFL. Die Rams hätten Cannons Naivität ausgenutzt, hieß es. Sie hätten ihn da in was reingequatscht. Der Junge aus einfachen Verhältnissen schnürte schließlich für die Oilers in der AFL die Footballschuhe. Nach seiner Footballkarriere arbeitete Cannon als Zahnarzt und landete Mitte der 1980er Jahre wegen Fälschungsbetrugs für zweieinhalb Jahre im Gefängnis.

Bei den amerikanischen Footballfans stieß die AFL zunächst nur auf wenig Gegenliebe. Die Ränge in den Stadien waren meist nur spärlich gefüllt. Im Schnitt kamen rund 20.000 Besucher pro Spiel. Die NFL hatte doppelt so viele. Das Fernsehen allerdings hatte schon vorm Saisonstart im September 1960 Gefallen an der AFL gefunden. Im Juni 1960 unterzeichnete die AFL einen Fünfjahresvertrag mit der American Broadcasting Company (ABC), der der Liga jährlich über zwei Millionen Dollar in die Kasse spülte. Erster AFL-Meister wurden die Houston Oilers mit Billy Cannon. Großen Anteil daran hatte auch George Blanda (*1927, †2010). Ein Quarterback und Kicker, der seine Profikarriere 1949 bei den Chicago Bears begann und insgesamt 26 Jahre auf höchstem Niveau Football spielte. Blanda wurde auch »the grand old Man« (der große alte Mann) genannt und hörte erst im »zarten« Alter von 48 endgültig auf. Allerdings nicht ganz freiwillig. Sein Rücktritt hatte mit einem Deutschen zu tun (mehr dazu in Kapitel #14). Blanda ist bis heute der älteste Spieler, der je in der NFL zum Einsatz kam. 1961 konnten die Oilers ihren Titel verteidigen. Die Los Angeles Chargers waren unterdessen noch weiter südlich nach San Diego weitergewandert.

Tja, die Chargers. Große Erfolge – bis auf den AFL-Titel 1963 und das Erreichen des Super Bowls in der Saison 1994 (Niederlage gegen die 49ers) – konnte dieses Franchise eigentlich nie feiern. Hoteltycoon Barron Hilton stieg 1966 als Eigentümer aus. Mit dem Umzug nach San Diego fand dieses Team immerhin für insgesamt 55 Jahre ein festes Zuhause. Weil es sich aber mit der Stadt am südlichsten Zipfel Kaliforniens nicht über den Finanzplan für den Bau eines neuen Stadions einigen konnte – das Qualcomm Stadium wurde bereits 1967 eingeweiht und hat in jetziger Form keine Perspektive – ging’s für die Chargers zurück zu den Wurzeln. Seit 2017 spielen sie wieder in Los Angeles. Noch sind sie notdürftig im »Dignity Health Sports Park«-Stadion untergebracht, das sie sich mit Fußballklub LA Galaxy aus der US-Profiliga Major League Soccer (MLS) teilen und das nur 27.000 Zuschauer fasst. Damit spielen die Chargers derzeit im mit weitem Abstand kleinsten Stadion der NFL. Ausverkauft war es in der Saison 2018 trotzdem selten. Und wenn, haben die gegnerischen Auswärtsfans dafür gesorgt. Ein feste Fanbase müssen sie sich erst wieder erarbeiten. Richtig Lust auf die Chargers haben momentan nur wenige Menschen in Los Angeles. Bleibt zu hoffen, dass sich das ändert, wenn sie 2020 ins Inglewood Stadium ziehen, das gerade vor den Toren der Stadt entsteht (siehe Kapitel #10). Sie werden es sich künftig mit den Rams teilen.

Große Spuren haben bei den Chargers bislang eigentlich nur drei Männer hinterlassen: Sid Gillman (*1911, †2003), Junior Seau (*1969, †2012) und LaDainian Tomlinson (*1979). Gillman, von 1960 bis 1971 Head Coach der Chargers, beeinflusste spätere Trainer-Generationen mit seiner revolutionären Taktik (mehr dazu in Kapitel #3). Seau war ein Anführer, an dem sich seine Mitspieler aufrichteten. Ein eisenharter Linebacker, ein kompromissloses »Tackle-Monster«. Schnell und explosiv. Hoch angesehen in der gesamten Liga. Er spielte von 1990 bis 2002 für die Chargers. Bis zu seinem Karriereende 2009 dann auch noch für die Miami Dolphins und New England Patriots. Drei Jahre später, im Alter von 43, beging er Selbstmord. Er hatte sich in die Brust geschossen. Später stellte sich heraus, dass er an Chronisch Traumatischer Enzephalopathie, kurz CTE, litt. Einer degenerativen Nervenkrankheit, die durch viele erlittene Gehirnerschütterungen ausgelöst werden kann (mehr dazu in Kapitel #9). Die Chargers werden seine Rückennummer 55 nie wieder vergeben. 2015 wurde Seau posthum in die Hall of Fame der NFL aufgenommen.

Tomlinson, Spitzname »L.T.«, war der überragende Running Back in der NFL in den 2000er Jahren. Ein extrem vielseitiger Spieler, der auch als Passfänger glänzte. Zudem warf er in seiner NFL-Karriere sogar sieben Touchdown-Pässe. Bei den Chargers war er von 2001 bis 2009 aktiv, ging danach noch zwei Jahre zu den New York Jets. Tomlinson hält bis heute diverse Ligarekorde. Darunter den für die meisten erlaufenen Touchdowns in einer Saison (28 im Jahr 2006). Selbstverständlich gehört er auch mittlerweile zur Hall of Fame. Zu einem Topteam konnte jedoch auch er die Chargers nicht machen.

DIE TEXANS WERDEN

ZU DEN CHIEFS


Die Sorgenkinder in den Anfangsjahren der AFL waren die Oakland Raiders, die Dallas Texans und die New York Titans. Zu den Raiders-Heimspielen kamen im Schnitt nicht mal 10.000 Zuschauer. Was auch daran lag, dass sie sportlich Kanonenfutter waren und die NFL-Konkurrenz, bestehend aus den San Francisco 49ers und den Los Angeles Rams, nicht weit weg war. Nur ein Kredit in Höhe von 400.000 Dollar von Bills-Chef Wilson hielt sie am Leben. Auch die Texans hatten es »neben« den NFL-Cowboys in Dallas schwer. Obwohl sie 1962 die AFL-Meisterschaft holten, konnten sie ihrem Stadtrivalen nie das Wasser reichen. Also entschloss sich AFL-Präsident Hunt, seine Texans schnellstmöglich umzusiedeln. Auf der Suche nach einer neuen Heimat fiel seine Wahl schließlich auf Kansas City. Hier ließ er seine Mannschaft nieder – und nannte sie fortan Kansas City Chiefs. Angelehnt an Harold Roe Bartle (*1901, †1974), dem damaligen Bürgermeister von Kansas City, dessen Spitzname »Chief« war.


Ihr Start an neuer Adresse hätte nicht tragischer beginnen können. Noch bevor die AFL-Saison 1963 losging, erlitt Running Back Stone Johnson (*1940, †1963), der 1960 für die USA als Leichtathlet an den Olympischen Spielen in Rom teilnahm (Platz fünf über 200 Meter), in einem Vorbereitungsspiel während eines Kickoff Returns einen Halswirbelbruch, an dessen Folge er zehn Tage später verstarb. Obwohl Johnson nie ein offizielles Spiel für die Chiefs machte, hat der Klub seine Trikotnummer 33 seitdem nie mehr vergeben. Kansas schnappte sich noch zweimal den AFL-Titel (1966 und 1969). Während die Chiefs im ersten Super Bowl 1966 gegen die Green Bay Packers noch den Kürzeren zogen, konnten sie 1969 gegen die Minnesota Vikings gewinnen (siehe Kapitel #7). Ihr bis heute letzter Triumph. Vater des damaligen Erfolgs war Head Coach Hank Stram (*1923, †2005), der als exzellenter Motivator galt.

In den 1970er und 1980er Jahren spielten die Chiefs in der NFL überhaupt keine Rolle. Sie waren graues Mittelmaß. Das änderte sich erst wieder in den 1990er Jahren unter Cheftrainer Marty Schottenheimer (*1943), als es zwischenzeitig sogar gelang, Superstar Joe Montana (mehr zu ihm in Kapitel #3) zum Ende dessen Karriere nach Kansas zu lotsen. Der führte das Franchise in der Saison 1993 sogar erstmals in ihrer Geschichte bis ins AFC Championship Game, das aber gegen die Buffalo Bills 13:30 verloren ging. Die Chiefs litten schon damals – genau wie heute noch immer – unter einer Playoff-Allergie. In der Regular Season sind sie meist stark, wenn es aber in den Entscheidungsspielen darauf ankommt, verlassen sie den Platz meist als Verlierer. Von ihren letzten 14 Playoff-Spielen haben sie zwölf verloren (Stand Sommer 2019). Die Chiefs sind auch heute noch im Besitz der Hunt-Familie. Nach dem Tod seines Vaters führt seit 2006 dessen Sohn Clark Hunt (*1965) die Geschäfte weiter. Kümmern muss der sich auch um den Fußballklub FC Dallas, der ebenfalls den Hunts gehört. Lamar Hunt zählte in den 1990er Jahren zu den Mitgründern der MLS.

Zurück zu den Titans in die 1960er. Die kämpften im Haifischbecken New York um Aufmerksamkeit und schließlich ums blanke Überleben. Im März 1963 fielen sie Sonny Werblin (*1910, †1991), eine Größe in der Unterhaltungsbranche, in die Hände. Er taufte die Titans in New York Jets um – und sorgte kurz darauf für mächtig Aufregung. Die Jets angelten sich nämlich im Januar 1965 den Quarterback Joe Namath (*1943). Der war zuvor ein Star an der University of Alabama und hatte auch ein Angebot vom NFL-Team St. Louis Cardinals auf dem Tisch liegen. Aber die Jets stachen die Cardinals aus und gaben Namath einen Vertrag über drei Jahre mit einem Gehalt von 427.000 Dollar. Damit wurde er mit weitem Abstand zum bis dahin bestbezahlten Football-Spieler. Werblin wusste, dass er in der Weltmetropole New York ein werbewirksames Aushängeschild brauchte, um aufzufallen. Namath enttäuschte ihn mit seinem Verhalten nicht (siehe auch Kapitel #6). Nach der Namath-Ära ging bei den Jets allerdings nicht mehr viel. Sie haben nie wieder den Super Bowl erreicht. Tiefpunkt ihrer Historie war die Saison 1996, als sie nur eins von 16 Spielen gewinnen konnten. In den Playoffs waren sie zuletzt 2010 (Stand Sommer 2019).

Die American Football League machte im Laufe der Jahre vieles richtig. Sie wurde mehr und mehr zur ernsthaften Gefahr für die NFL. Vor allem, weil sie zu dieser Zeit durchaus attraktiven und spektakulären Football bot. Das half, um den nächsten fetten TV-Deal an Land zu ziehen. Im Januar 1964 vereinbarte die AFL einen Fünfjahreskontrakt mit der NBC über insgesamt 36 Millionen Dollar, der ab der Saison 1965 greifen sollte. Aktiv an den Verhandlungen beteiligt war Medienprofi Sullivan, der Besitzer der Patriots. Damit hatte die AFL eine neue Entwicklungsstufe erreicht. Sie verfügte nun über eine Menge Geld und wollte weiterwachsen. Aber die NFL entpuppte sich als harter Gegenspieler. Sie hatte ihre Fernsehrechte 1964 ebenfalls neu sortiert. CBS wollte für die kommenden zwei Spielzeiten 28 Millionen Dollar springen lassen. Zudem noch mal weitere 3,6 Millionen Dollar für die nächsten beiden Endspiele. 1966 und 1967 legte die CBS sogar noch mal was drauf und überwies insgesamt 38 Millionen Dollar.

Als die AFL dem Versicherungsmakler Rankin Smith Sr. (*1924, †1997) zu Beginn des Jahres 1965 das Angebot machte, ein AFL-Team in Atlanta zu gründen, funkte die NFL dazwischen und köderte ihn mit dem gleichen Vorschlag. Smith entschied sich letztlich für die NFL, in der seine Atlanta Falcons ab der Saison 1966 mitwirkten (mehr zu den Falcons in Kapitel #11). Die AFL schüttelte sich kurz und schickte ihren Geschäftsführer Joe Foss weiter nach Miami. Dort konnte er Joe Robbie (*1916, †1990), einen Toppolitiker, den Foss aus der Uni und dem Militär kannte, sowie Danny Thomas (*1912, †1991), ein bekanntes TV-Gesicht, überzeugen, einzusteigen. Die Miami Dolphins waren nun das neunte Team der AFL und starteten ebenfalls ab der Saison 1966 (mehr zu diesem Team in Kapitel #5).

Foss hörte am 7. April 1966 als AFL Commissioner auf. Einen Tag später trat Al Davis (*1929, †2011), General Manager und Head Coach der Oakland Raiders, dessen Nachfolge an (mehr zu diesem Team in Kapitel #11). Ein, um es charmant auszudrücken, impulsiver Mann. Mit ihm an der Spitze wurde der Umgangston zwischen der AFL und NFL rauer. Schon wenig später kam es zur Eskalation. Die New York Giants verstießen gegen die bis dahin informelle Vereinbarung, dass Teams keine Spieler der anderen Liga verpflichten, die noch einen laufenden Vertrag haben. Sie aber schnappten sich Pete Gogolak (*1942), den Kicker von AFL-Team Buffalo. Davis platzte der Kragen. Er zog in den Krieg mit der NFL. Bereits zuvor hatten sich beide Ligen im Werben um die besten College-Talente immer wieder überboten. Das hatte zur Folge, dass Neulinge plötzlich mehr Geld als erfahrene Spieler verdienten, die schon einige Jahre Profifootball auf dem Buckel hatten. Das sorgte bei denen selbstverständlich für Unmut. Von Profis, die bereits länger bei einem NFL-Team unter Vertrag standen, hatte die AFL aber immer die Finger gelassen. Davis änderte das jetzt und erlaubte seinen Teams, nun auch diese offen abzuwerben. Vornehmlich Quarterbacks. Erneut – wie schon häufiger in der Geschichte des US-Profifootballs – stiegen die Gehälter gewaltig an. Was zwangsläufig dazu geführt hätte, dass sich die Mannschaften gegenseitig in den Bankrott treiben. Das musste verhindert werden. Dringend.

Hinter den Kulissen wurden hektisch die Köpfe zusammengesteckt. Zahlreiche NFL- als auch AFL-Teambesitzer waren entsetzt über Davis’ »Heuschrecken-Mentalität«. Eine Gruppe um Tex Schramm (*1920, †2003), General Manager der Dallas Cowboys, traf sich heimlich mit Lamar Hunt, dem AFL-Präsidenten und Eigentümer der Kansas City Chiefs, und dessen Vertrauten. NFL Commissioner Pete Rozelle vermittelte zwischen beiden Parteien. Eine Lösung musste her. Man fand sie im Zusammenschluss. Am 8. Juni 1966 wurde verkündet, dass die AFL und NFL ab 1970 in der NFL verschmelzen. Unter der Führung von Rozelle als Commissioner. Aber bereits ab 1967 sollte es unter anderem einen gemeinsamen Draft und ein AFL-NFL-Meisterschaftsspiel geben, aus dem sich später dann der Super Bowl entwickelte (siehe Kapitel #6). Die Übertragungsrechte für die ersten vier dieser Duelle sicherten sich die TV-Sender CBS und NBC für 9,5 Millionen Dollar. Al Davis tobte. Er wusste von nichts, fühlte sich übergangen und im Stich gelassen. Am 25. Juli 1966 trat er schließlich von seinem Posten zurück und ging zurück zu den Raiders. Rozelle übernahm nun direkt die Führung der AFL. Früher als eigentlich geplant.

Mit der Gewissheit, dass man schon bald gemeinsame Sache machen wird, trieben sowohl die NFL als auch die AFL ihre Expansion voran. Noch 1966 verkündete die NFL, dass ab 1967 ein neues Team hinzukommen wird. Den Zuschlag für dieses Franchise bekam John Mecom (*1940). Der war damals erst 26 und damit der Jungspund unter den Teambesitzern. Das nötige »Kleingeld«, um sich in die NFL einzukaufen, bekam er von seinem Vater, einem Öl-Magnaten. 8,5 Millionen Dollar später waren die New Orleans Saints geboren. Bis die sich in der NFL so richtig akklimatisiert hatten, vergingen aber sehr viele Jahre. Die Saints wurden lange als »The Aints« (Die Nichtskönner) bezeichnet, weil sie so wahnsinnig erfolglos waren. Die erste Saison, in der mehr Siege als Niederlagen gelangen, gab es erst 1987. Den ersten Sieg in den Playoffs sogar erst 33 Jahre nach der Gründung. Und das trotz einem Manning …

Von 1971 bis 1982 spielte Archie Manning (*1949) für die Saints, der Vater der späteren NFL-Stars Peyton Manning (*1976) und Eli Manning. Obwohl auch Archie ein herausragender Quarterback war, hatte er in New Orleans nie genug gute Mitspieler um sich herum, um was zu reißen. So richtig erfolgreich wurden die Saints erst ab 2006, als Head Coach Sean Payton (*1963) und Quarterback Drew Brees (*1979) neu in die Stadt kamen. Ein Jahr nachdem New Orleans von Hurricane Katrina heimgesucht und schwer beschädigt wurde (80 Prozent des Stadtgebietes standen bis zu 7,60 Meter tief unter Wasser), hauchten diese beiden Männer der vom Leid geplagten Jazz-Metropole wieder Leben ein. Krönung: der Super-Bowl-Triumph in der Saison 2009. Brees gehört bis heute (Stand Sommer 2019) zu den Topstars der NFL. Der Spielmacher hat diverse Passrekorde aufgestellt.


Paul Brown coachte Cleveland zu insgesamt sieben Titeln.

1968 rüstete auch die AFL noch mal nach. Für 7,7 Millionen Dollar durfte eine Investorengruppe, angeführt von Paul Brown, dem legendären Ex-Trainer der Cleveland Browns, mit den Cincinnati Bengals am Spielbetrieb teilnehmen (mehr zu den Bengals in Kapitel #11). Damit entstand mal wieder ein neues Franchise aus Ohio, dem Bundesstaat, in dem für die NFL 1919 alles begann. Mit den Saints und den Bengals hatte sich die Anzahl der Profifootballteams in den USA zwischen 1959 und 1968 mehr als verdoppelt. Sie stieg von zwölf auf 26. Mit klugem Verhandlungsgeschick hatte Pete Rozelle die NFL durch stürmische Zeiten geführt und stets die Nerven behalten. Der NFL ging’s so gut wie noch nie. Die AFL hat ihr tatsächlich gutgetan. In einer Umfrage aus dem Jahr 1965 gaben bereits 41 Prozent der Amerikaner an, dass Profifootball ihre Lieblingssportart sei. Erstmals vor Baseball (38 Prozent). Ein Riesenerfolg. Die NFL war ab jetzt die dominierende Sportmarke der USA. Dank des Fernsehens waren nun auch endlich mal alle Klubkassen voll. Und Rozelle hatte bereits den nächsten fetten Deal vorbereitet. Ab der Saison 1970 bekamen gleich drei Fernsehgesellschaften für vier Jahre das Recht, die NFL-Spiele zu zeigen: Die TV-Sender CBS, NBC und ABC. Letzterer wollte ab 1970 erstmals NFL-Spiele landesweit am Montagabend zeigen. Zur Primetime. Das war der Startschuss für die Monday Night Games, wie wir sie heute noch kennen. Insgesamt bekam die NFL aus den Übertragungsrechten von 1970 bis 1973 satte 185 Millionen.

Bis es so weit war, musste sie aber erst mal ihre Teams für den AFL-NFL Merger (Zusammenschluss von AFL und NFL) ab der Saison 1970 neu sortieren. Die Verteilung erfolgte so: Die zehn AFL-Teams Boston Patriots, Buffalo Bills, Cincinnati Bengals, Denver Broncos, Houston Oilers, Kansas City Chiefs, Miami Dolphins, New York Jets, Oakland Raiders und San Diego Chargers kamen in die neu gegründete American Football Conference (AFC). Sie wurde aufgefüllt mit den NFL-Teams Baltimore Colts, Cleveland Browns und Pittsburgh Steelers, die für diesen Wechsel jeweils drei Millionen Dollar »Entschädigung« bekamen. AFC-Präsident wurde Lamar Hunt. NBC durfte alle AFC-Spiele zeigen. Die übrigen 13 NFL-Teams Atlanta Falcons, Chicago Bears, Dallas Cowboys, Detroit Lions, Green Bay Packers, Los Angeles Rams, Minnesota Vikings, New Orleans Saints, New York Giants, Philadelphia Eagles, San Francisco 49ers, St. Louis Cardinals und Washington Redskins kamen in die National Football Conference (NFC), deren Vorsitz George Halas übernahm. Hier bekam CBS die Übertragungsrechte für alle Spiele. Die beiden Conferences wurden dabei noch mal in je drei Gruppen gesplittet: in die West-, Central- und East-Division mit je vier oder fünf Teams. Nach der regulären Saison und den Playoffs trafen sich die Sieger der jeweiligen Conference im Super Bowl, um den NFL-Champion zu ermitteln.

Die moderne NFL war geboren.

American Football

Подняться наверх