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Rory

Es fühlte sich an, als verstecke sich mein Verstand hinter einer dichten Nebelwand. Gleichzeitig bekam ich alles mit, was mit mir geschah. Es war, als würde ich von Innen heraus schreien, flehen und betteln, aber niemand konnte mich hören. Bitte, Tommy … ich versuche es auch nie wieder … du kannst alles mit mir tun … nur das hier nicht … bitte nicht!

„Rory Babe … habe ich dich nicht immer wie eine Prinzessin behandelt? Wer warst du denn, bevor ich dich von der Straße aufgesammelt habe? Eine Ausreißerin, halb verhungert … du hattest niemanden. Ich habe mich um dich gekümmert, oder nicht? … Habe dir alles gegeben, was eine Frau sich wünschen kann ... Kleider, Schmuck … meine Aufmerksamkeit. Ich habe im Gegenzug nichts von dir erwartet, außer Loyalität ...“

Du bist ein mieser Wichser …, versuchte ich Tommy anzuschreien, brachte aber kein einziges Wort heraus. Die Drogen, die Tommy mir gegeben hatte, bevor er und seine Männer mich in den Wald geschleppt hatten, machten mich körperlich wehrlos, während mein Verstand umnebelt war und doch wach blieb. Mit Sicherheit war das ein gewollter Teil von Tommys Bestrafung. Ich sollte mitbekommen, wenn seine Männer nacheinander über mich herfielen …

„Zu schade, Rory … ich dachte wirklich , du wärest etwas Besonderes …“

Fuck you … du bist nichts als ein mieser Zuhälter, der mich für sein persönliches Eigentum hält! Von Anfang an wusste ich, wie die Sache mit Tommy enden würde. Mein Fehler war, dass ich die Wahrheit verdrängt habe. Als Tommy mich von der Straße aufgelesen hat, war ich erst sechzehn. In der Anfangszeit, als Tommy mir Geschenke machte und mich mit Aufmerksamkeit überhäufte, ignorierte ich die vielen Warnzeichen. Es wäre gelogen zu behaupten, dass ich mich von dem ganzen materiellen Krempel nicht hätte blenden lassen. Ich hatte nie viel besessen und plötzlich wurde mir jeder Wunsch erfüllt.

Die Frauen, die in Tommys Wohnung ein und aus gingen, blendete ich bewusst aus … genau wie die Tatsache, dass sie manchmal ein blaues Auge hatten oder andere Spuren von Misshandlung. Ich sah mich ja nicht als eine von ihnen … ich war die offizielle Freundin des Anführers der Burning Eagles. Auch die vereinzelten Zeitungsberichte, in denen behauptet wurde, dass dieser MC Geschäfte im Rotlichtmilieu machte, verdrängte ich. Tommy hat mich nie gezwungen, mit anderen Männern zu schlafen – er entwickelte vielmehr eine Obsession für mich. Erst als ich älter wurde und anfing nachzudenken, wurde mir klar, dass der Weg an Tommys Seite in eine Sackgasse führt. Immer deutlicher wuchs in mir der Wunsch nach einem anderen Leben ... ohne diesen ganzen Mist, in den Tommy verstrickt war.

Meine Flucht hatte ich geplant – trotzdem hätte mir klar sein müssen, dass Tommy davon Wind bekommt. Ich hätte wissen müssen, dass ich mich nicht einfach aus dem Leben davonschleichen kann, das ich fast fünf Jahre geführt habe ...

„Luke ist schon seit Langem scharf auf dich, Rory … was meinst du … soll er anfangen?“

Ich stellte mir das Gesicht von Luke vor – Tommys rechter Hand. Er war ein widerlicher Typ, der mich mit den Blicken auszog, wann immer ich ihm über den Weg lief! Allein der Gedanke, dass Luke mich vergewaltigen würde, versetzte mich innerlich in Panik … und ich war nicht einmal in der Lage, diese Panik auszudrücken - noch nicht einmal, als Luke mir den kurzen Rock hochschob und an meinem Slip zerrte.

Innerlich schrie ich laut und verzweifelt Nein! Äußerlich war ich vollkommen unbeteiligt – als würde es mir nichts ausmachen von dem schmuddeligen Typen betatscht und ausgezogen zu werden.

Das hast du davon, Rory ... Von jetzt an würde ich genauso sein, wie die Mädchen, die bei Tommy ein und ausgingen. Ich müsste für ihn anschaffen, mit Luke Sex haben und die abartigen Gelüste seiner Männer befriedigen. Mit meinem Fluchtversuch hatte ich den Madonnenstatus verloren, den Tommy mir verliehen hatte. Die Heilige Hure gab es nicht mehr … ab heute würde ich nicht mehr die Frau an Tommys Seite sein.

Verzweifelt versuchte ich, an etwas anderes zu denken, als daran, dass Luke soeben meine Beine spreizte und sich daran machte, mich zu vergewaltigen. Ich hatte mal gehört, dass der Geist imstande ist, den Körper zu verlassen, wenn eine Situation ihn überfordert. Leider gelang mir das nicht … ich war in meinem Körper gefangen und registrierte jedes schreckliche Detail … den kalten Waldboden unter mir … Lukes dreckige Pfoten zwischen meinen Schenkeln … das Lachen und Anfeuern der anderen … Ich war am Tiefpunkt meines Lebens angekommen. Niemand würde mir helfen … niemand interessierte sich dafür, was mit mir geschah, weil niemand wusste, dass es mich gab. Die Spuren zu mir hatte Tommy gut verwischt … im Grunde genommen existierte ich offiziell seit Jahren nicht mehr!

„Was zur Hölle ...“, hörte ich plötzlich Tommy rufen, und dann schrien alle panisch durcheinander. „Los, nimm die Knarre … erschieß das Vieh!“

„Was tut ein fucking Wolf hier?“

„Ist mir scheiß egal … knall ihn ab!“

Das Knurren, gefolgt von einem markerschütternden Schrei klärte meinen Verstand so weit, dass ich die Augen öffnete. Einige Schritte von mir entfernt stand eine schwarze Bestie mit gelben Augen. Sie starrte mich an, während zwischen ihren Pfoten ein regloses Etwas lag … Luke! Oh mein Gott … ein Wolf! War Luke tot? Würde der Wolf mich als nächstes töten? Aus meinem Mund kam ein Wimmern – der erste Ton, den ich seit Stunden von mir gab.

Meine Augen suchten panisch nach Tommy. Ich entdeckte die Rückseite seiner Lederjacke mit dem Colour der Burning Eagles zwischen den Bäumen, als der Strahl einer Taschenlampe kurz darauf fiel. Tommy und die anderen gaben Fersengeld und ließen mich allein mit der Bestie, die Luke umgebracht hatte!

Je länger ich in die gelben Augen des Wolfes starrte, desto bereitwilliger ergab ich mich meinem Schicksal. Das ist die Wahrheit, Rory … endlich erkennst du sie … du warst nie mehr für ihn, als eine Trophäe!

Ich schluchzte gegen meinen Willen auf und brachte tatsächlich ein paar Worte zustande. „Bitte … mach es schnell.“

Der Wolf fixierte mich weiter mit seinen gelben Augen, als würde er meine Worte verstehen. Aber seine Zähne waren gefletscht und das leise Knurren sagte mir allzu deutlich, dass er nichts verstand. Wie hätte er auch … er war ein Tier! Was wussten Tiere von Schuld, Hoffnung, Verzweiflung und Angst? Das hier war also das Ende von Rory, die einmal so viele Träume gehabt hatte und auf der Suche nach ihnen den falschen Weg eingeschlagen hatte …

Oliver

Ich starrte die halb nackte Frau vor mir auf dem Boden an … ihr kurzer Rock war ihr bis über die Hüften gezogen worden, sodass der String zu sehen war, den sie darunter trug. Eine Mischung aus Ekel und wildem Verlangen erfasste mich. Ich hatte Ewigkeiten keine Frau mehr gehabt … seit Vince mich als Alpha des Rudels abgelöst hatte. Allein die Vorstellung, dass mein Bruder eine menschliche Gefährtin gewählt hatte, reichte noch immer aus, mich wütend zu machen. Menschen waren schlecht … und sie waren schwach, wie das Beispiel dieser Frau sehr anschaulich zeigte. Mona oder Fiona hätten sich von diesen Typen nicht so einfach aufs Kreuz legen lassen.

Unwürdig … minderwertig … sie kann hier draußen alleine nicht überleben und zu Fuß ist es ziemlich weit bis zur nächsten Ortschaft ... Während ich darüber nachdachte, die Frau ihrem Schicksal zu überlassen, verspürte ich gleichzeitig einen starken Drang, mich mit ihr zu paaren. Warum hatte ich die Typen nicht einfach mit ihr tun lassen, was sie vorhatten? Du könntest es tun …

Noch immer starrten meine Wolfsaugen auf den Körper der Frau … sie war sehr schön und erinnere mich an das Mädchen, das ich gekannt hatte, als ich noch die Nähe zu Menschen gesucht hatte. Ohne es verhindern zu können, begann ich abzuschätzen, ob diese Frau wohl in der Lage wäre, sich mit mir zu paaren. Wahrscheinlich würde sie jammern – andererseits hatte es zwischen Vince und Eveline scheinbar auch keine Probleme gegeben.

Das wirst du nicht tun! Eine Paarung mit einer menschlichen Frau steht überhaupt nicht zur Debatte. Du bleibst bei deinem Plan und holst dir dein Rudel zurück … im Winter, wenn die Paarungszeit beginnt und Vince davon besessen ist, seiner Schlampe den nächsten Mischling anzusetzen … Es erfüllte mich mit Genugtuung, abfällig über meinen Bruder und sein menschliches Haustier zu denken.

Noch immer stand ich unentschlossen herum. Die Frau hatte die Augen geschlossen und gab keinen Ton mehr von sich. Wahrscheinlich hatten die Arschlöcher sie mit Drogen vollgepumpt, was erklärte, warum sie alles so widerstandslos über sich hatte ergehen lassen.

Ich ging näher an sie heran, nahm ihren Duft wahr, der reine Versuchung für mich darstellte. Bilder meines menschlichen Verstandes mischten sich mit denen des Wolfes … wäre es nicht gut, sie eine Weile zu behalten? Immerhin hatten diese Typen sie mir überlassen … sie war ehrlich erkämpfte Beute.

Ich betrachtete den schmierigen Typen, der sich an ihr zu schaffen gemacht hatte. Er war nicht tot – ihn zu töten, hätte zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Diese Typen gehörten zu einer Biker-Gang, und die hatten nicht selten Dreck am Stecken oder waren in kriminelle Machenschaften verwickelt. Wenn der Blödmann aufwachte, würde er kaum zur Polizei rennen und behaupten, dass ein Wolf versucht hatte, ihn umzubringen, während er eine Frau hatte vergewaltigen wollen.

In diesem Sinne war es besser, ihn leben zu lassen, auch wenn mir das schwerfiel. Wenigstens würde er eine Beule und Kopfschmerzen haben, wenn er zu sich kam.

Sollte ich die Frau einfach hier lassen … damit er zu Ende bringen konnte, was er vorgehabt hatte? Sie gehört mir … ich habe ein Recht auf sie ..., reagierte der Wolf empört auf diese Idee.

Ich ging noch näher an die Frau heran. Sie hatte lange dunkle Haare und Wimpern … ein Gesicht, das fast schon puppenhaft schön war ... kein Wunder, dass die Typen sie haben wollten. Wäre es nicht gut, Gesellschaft zu haben? Sie könnte deine Gefangene sein … nur so lange, bis du dein Rudel zurückhast, dann lässt du sie frei. Niemand würde es je erfahren …

Ja … nimm sie mit … ich brauche sie … ich will sie …, stimmte der Wolf zu.

Vorsichtig nahm ich den Saum ihrer kurzen Jacke zwischen die Zähne und begann, die Frau dran fortzuziehen. Ich würde mich verwandeln müssen, bevor ich sie in meinen SUV packte und in das Haus brachte, in dem ich wohnte. Durch Zufall war ich in einem Supermarkt auf eine Anzeige gestoßen, in der ein Housesitter gesucht wurde, als ich nach meiner Flucht eine Zeitung gekauft hatte. Ich war damals gehetzt gewesen … ratlos, was ich tun sollte. In der Welt der Menschen hatte ich nie gelebt, unsere Welten hatten sich höchstens gestreift … die Anzeige in der Zeitung war ein Glücksfall gewesen – ein Ferienhaus nah am Wald, das die Vermieter nur zwei Monate im Jahr nutzten und für den Rest der Zeit von einem Housesitter bewachen ließen. Letztendlich hatten meine Größe und die Wahrnehmung der beiden älteren Leute wohl dafür gesorgt, dass ich die Zusage bekam. Wahrscheinlich hatte ich auf sie wie jemand gewirkt, der in der Lage war, ihr hart erarbeitetes Eigentum zu schützen.

Wie recht sie damit hatten … allerdings lag mir weniger an ihrem Eigentum, sondern daran, die Grenzen meines Reviers vor Eindringlingen zu verteidigen. Für die Zeit, in der ich in diesem Haus lebte, sah ich es als mein Revier, das niemand unaufgefordert betreten durfte.

Das Houssitterarrangement hatte sich nicht allein in dieser Hinsicht als Glücksfall herausgestellt. Von meinem neuen Revier aus konnte ich in Ruhe meine Rückkehr planen und meine Wunden lecken.

Also wirst du sie in dein Revier bringen …, pflichtete der Wolf bei.

Das Versteck, in dem ich die Wandlung durchlief, war nur etwa hundert Meter von der Stelle entfernt, wo die Typen versucht hatten, die Frau zu vergewaltigen. Das bedeutete, dass ich mir ein neues Versteck würde suchen müssen. Es handelte sich ohnehin nur um eine ehemalige Futterstelle für Wild, die mehr als vorübergehende Notlösung gedacht gewesen war.

Ich zog die Frau in den Unterschlupf, legte mich neben sie und schloss die Augen. Ihr weiblicher Duft machte es leicht, mich in den Strudel ziehen zu lassen, der meinen Verstand für eine Weile ausschaltete, um den Wolf verschwinden und den Mann erscheinen zu lassen … zumindest äußerlich … denn innerlich – das stand außer Zweifel – würde ich immer ein Wolf bleiben …

Wolf Breed - Oliver (Band 4)

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