Читать книгу Wolf Breed - Jay (Band 5) - Alexa Kim - Страница 3
1.
ОглавлениеMona
Dass ich von meinem Leben nicht mehr viel zu erwarten habe, war mir spätestens klar, als Oliver sich mit seiner Menschengefährtin abgesetzt hatte; aber spätestens, seit vor einem Monat die Karte aus den USA kam … unterschrieben von Oliver und seiner Menschentussi, war mir klar, dass ich das Spiel endgültig verloren habe. Oliver würde nicht mehr zurückkommen. Nie mehr! Er hatte es sich in den USA gemütlich gemacht … mit seiner Schlampe und einem Teil des Familiengeldes. Ich hatte hoch gepokert und dementsprechend tief war nun mein Fall …
„Mona, beeil dich … ich will Eveline nicht so lange allein lassen.“
Ich bemühte mich ernsthaft darum, nicht genervt die Augen zu verdrehen. Eveline war im siebten Monat, aber Vince behandelte sie wie ein rohes Ei! Natürlich wollte er sie nicht mit mir allein lassen nach allem, was vorgefallen war, und deshalb schleppte er mich bei jeder Gelegenheit mit.
„Hast du die Liste?“, fragte er nervös. Ich hielt sie ihm vor die Nase.
„Gut … ich will schnell wieder bei Eveline sein.“
„Fiona ist doch bei ihr ...“, argumentierte ich und erntete dafür wie so oft nur einen kalten Blick von Vince.
„Das war Fiona auch, als Oliver sie angegriffen hat … und es hätte Eveline fast das Leben gekostet!“
Ich sagte nichts mehr und ersparte mir, Vince daran zu erinnern, dass Oliver nicht mehr hier war ... dass im Grunde genommen überhaupt niemand mehr hier war, der Eveline schaden konnte. Noch nicht einmal ich, denn mich hatte Vince ja im Schlepptau. Mir war klar, dass er mich am liebsten losgeworden wäre. Er machte sich Gedanken darüber, wie alles weitergehen sollte, wenn das Kind da wäre. Auf keinen Fall wollte er mich in der Nähe seines Nachwuchses – wenn ich ehrlich war, konnte ich ihm das nicht mal verübeln. Ich nahm an, dass Vince hoffte, mich zu Fiona und Amon abschieben zu können … oder noch schlimmer … zu Marcel und Nathan!
Shit! Mein Leben war wirklich ein großer Hundehaufen!
Lustlos stieg ich aus dem SUV. Das Reklameschild des Supermarktes leuchtete mir in psychedelischen Farben entgegen. Die menschlichen Sinne waren so furchtbar unterentwickelt, dass ihnen derart geschmacklose Farbkombinationen gefielen. Ich hasste diese Zwangsausflüge in die Welt der Menschen, obwohl sie meine einzige Abwechslung in meinem einsamen Alltag mit einer Familie darstellen, die mich innerlich längst ausgeschlossen hatte.
Während ich hinter Vince her über den Parkplatz trottete, ertönte ein ohrenbetäubendes Knattern. Ich knurrte und suchte nach der Ursache des Krachs. Ein Chopper, wie auch Oliver ihn gefahren hat, rollte auf den Parkplatz des Supermarktes. Der Fahrer trug keinen Helm, dafür ein Bandoo, das ihm ein wenig das Aussehen eines Piraten verlieh, abgewetzte Jeans und eine Lederjacke mit Patches. Als er den Motor seiner Höllenmaschine abstellte, grollte ich: „Typisch Mensch ...“
Der Biker wandte den Kopf in unsere Richtung. Aus dem Bandoo ragten blonde, von der Sonne ausgeblichene Haarsträhnen. Scheinbar war der Typ viel unterwegs … die Sonne im Gesicht, absolut frei zu tun und zu lassen, was er wollte. Kurz durchfuhr mich ein Gefühl der Verbitterung. Es war Hochsommer, aber mir graute bereits jetzt vor dem Winter … vor der Paarungszeit …
„Was glotzt der Typ denn so?“, grollte Vince nervös, und starrte demonstrativ zurück.
„Keine Ahnung …“, antwortete ich desinteressiert, dann erreichten wir die Schiebetüren des Supermarktes und verloren den Blickkontakt.
Wie bei jedem Einkauf las ich Vince die Einkaufsliste vor, während er alles, was wir benötigten, in den Wagen packte.
Als wir in den Gang mit den Nudeln kamen, stand der Typ vom Parkplatz vor einem der Regale, und mir drang ein unverkennbarer Geruch in die Nase. Vince musste ihn auch bemerkt haben, denn er hob die Lippen und sandte ein Knurren in die Richtung des blonden Bikers.
Der Typ wandte sich uns zu und hob die Hände. „Ruhig, Mann … ich bin nur hier, um einzukaufen.“
Er ist einer von uns!, stellte ich überrascht fest. Ich betrachtete ihn von oben bis unten. Ohne diese abgewetzten Jeans und die blöde Jacke hätte er sogar ganz gut ausgesehen …
Vince musterte den Fremden jetzt mehr neugierig als aggressiv. „Ich bin überrascht, jemanden von uns hier zu treffen. Wo ist dein Rudel?“
Blondie verzog den Mund zu einem breiten Grinsen. Er durchschaute Vinces Alpha Taktik. Ein neues Rudel stellte immer eine unkalkulierbare Bedrohung dar.
„Keine Sorge … es gibt kein Rudel … ich bin allein.“
Ich runzelte die Stirn. Mein ohnehin nur schwaches Interesse fiel so schnell in sich zusammen, wie es aufgekommen war.
„Hat dein Rudel dich ausgestoßen?“, fragte Vince auch gleich, und der andere schüttelte den Kopf. „Ich bin schon seit Jahren allein unterwegs. In meinem Rudel gab es zu viele Männer und zu wenige Frauen … ständig Ärger und Rangkämpfe. Jeder wollte der Alpha sein. Ich bin freiwillig gegangen und ziehe es vor, unter Menschen zu leben. Weniger Hierarchie, mehr Freiheit ...“
Ich betrachtete den Typen misstrauisch. Entweder war er ein verdammt guter Lügner oder ein totaler Loser!
„Ich bin Vince ...“, stellte mein Bruder sich vor. Ich hätte ihn am liebsten gegen das Bein getreten. Warum unterhielt er sich überhaupt mit ihm?
„Freut mich … ich bin Jay.“
„Das ist Mona ...“, erklärte Vince mit einem Nicken in meine Richtung.
„Deine Gefährtin ...“, fügte Jay hinzu, und Vince schüttelte ein wenig zu schnell den Kopf. „Nein … meine Schwester … nur meine Schwester.“
Jay betrachtete mich mit einem Blick, den ich mit einem Grollen quittierte. Ja, Arschloch … du hast schon richtig verstanden … er würde sich lieber selbst kastrieren, als mich anzufassen …
„Willst du heute Abend mit uns essen? Meine Gefährtin ist ein Mensch … sie kocht sehr gut.“
Ja, natürlich … War ja klar, dass Vince als Menschensympathisant Freundschaft mit diesem Loser schließen musste.
„Klar, warum nicht … ich wollte heute ohnehin nicht mehr weiterfahren.“
Großartig! Das würde ja ein spaßiger Abend werden.
„Du kannst hinter uns herfahren ...“, schlug Vince vor. „Wir treffen uns auf dem Parkplatz.“
Als wir uns eine halbe Stunde später auf den Weg nach Hause machten, hatten wir Jay mit seinem stinkenden, lauten Chopper im Schlepptau.
Jay
Vince schien ein lockerer Typ zu sein, aber seine rothaarige Schwester hatte erst gar nicht versucht, zu verbergen, was sie von mir hielt. Irgendwie hatten die beiden mein Interesse geweckt. Vince hatte eine menschliche Gefährtin. Alphas nahmen sich wenn überhaupt nur menschliche Gefährtinnen, wenn keine Frauen von unserer Art zur Verfügung standen. Aber Vince hatte Mona … und trotzdem zog er seine Menschengefährtin seiner Schwester vor. Ich hatte vielmehr das Gefühl, als wäre Mona eine Last für ihn. Mich interessierte die Geschichte der beiden. Denn, dass es eine Geschichte gab, war mir klar. Als Wolf unter Menschen hatte ich meine Sinne besser geschult, als andere meiner Art, weil ich ständig auf der Hut sein musste, mein Geheimnis nicht preiszugeben.
Ich muss gestehen … obwohl sie mich offensichtlich nicht mochte, gefiel Mona mir. Ihre tätowierten Arme, ihr rotes Haar, ihr schroffer Charakter. Sie hätte sich verdammt gut hinter mir auf dem Bike gemacht – und es war das erste Mal in meinem Leben, das ich so über eine Frau dachte!
Das Haus, das Vince mit seinem Rudel bewohnte, hatte einen ranchartigen Stil … irgendwie klischeehaft … ein Wolfsrudel, das in einem Haus im Wald lebt ... Vince erklärte mir, dass es zu einem ehemaligen Ferienpark gehörte, der aber zu weiten Teilen aufgegeben worden war. Er hatte das Haus deshalb günstig kaufen können. Im gleichen Atemzug erwähnte er noch einen zweiten Alpha namens Amon, der mit seiner anderen Schwester zusammen war und einen weiteren Bruder, über den er jedoch nicht weiter sprechen wollte.
Auf jeden Fall ließ Vince keine Gelegenheit aus, um klarzustellen, wie wenig es sich für mich lohnen würde, Ärger zu machen. Das war kein Problem … ich war nicht auf der Suche nach Ärger und freute mich einfach nur über die Einladung zum Essen und ein wenig Gesellschaft. Vor allem mit Leuten meiner Art hatte ich in den letzten Jahren wenig Kontakt gehabt.
Ich parkte meinen Chopper neben Vinces SUV und folgte ihm und Mona dann ins Haus.
Auch von Innen war es wirklich schön … sehr gemütlich, wie man sich ein zu Hause vorstellte. Manchmal, wenn ich in sehr miesen Clubhäusern der MCs übernachtete, dachte ich darüber nach, ob ich sesshaft werden wollte … aber diese Anwandlungen gingen schnell vorbei. Ich war im Grunde genommen zufrieden mit meinem Leben und gerne unterwegs.
Als Vince mich seiner Gefährtin Eveline vorstellte, war ich überrascht. Sie war schwanger. Erneut wanderte mein Blick zu Mona. Was dachte sie über diese Schwangerschaft? Fühlte sie sich gedemütigt? Als Frau unserer Art hätte sie zuallererst Anrecht auf einen Gefährten und Nachwuchs gehabt. Oder war Mona unfruchtbar? Manchmal gab es keinen Nachwuchs, weil die Familienlinien untereinander zu eng verwandt waren.
Als Mona bemerkte, dass ich sie ansah, wandte sie sich um und verschwand kommentarlos die Treppe hinauf.
„Was ist mit ihr?“, wollte ich von Vince und Eveline wissen. Der Blick der beiden sagte mir, dass Mona nicht nur für Vince eine Last war.
„Mach dir keine Gedanken über sie … Mona ist, wie sie ist ...“, wich Vince mir aus.
Ich beließ es erst mal bei der Antwort, war aber entschlossen, mehr über Mona herauszubekommen. Es musste einen Grund für ihr Verhalten geben.
Während Eveline in der Küche hantierte, unterhielt ich mich mit Vince im Wohnzimmer.
„Hast du kein Interesse daran, sesshaft zu werden?“, wollte Vince von mir wissen. Ich zuckte die Schultern.
„Keine Ahnung … bisher gefällt mir mein Leben … und nicht jede menschliche Frau ist wie deine Gefährtin und akzeptiert jemanden wie mich.“
Vince nickte. „Ja, Eveline ist etwas Besonderes. Vor ihr hatte ich eine andere Gefährtin. Sie war von unserer Art … mein eigener Bruder hat sie umgebracht. Es war ein Unfall, aber es war trotzdem seine Schuld. Er konnte es nicht ertragen, dass Valerie mit mir zusammen war, obwohl er der Alpha war. Mein Bruder wollte sogar Eveline umbringen. Nicht, weil er sie für sich wollte, sondern weil sie ein Mensch ist. Jetzt hat er selbst eine menschliche Gefährtin, und ich muss mich um das Rudel kümmern.“ Vinces Lippen zeigten einen Zug von Verbitterung.
Ich bekam den Eindruck, dass sich in dieser Familie tragische Dinge zugetragen haben mussten. „Und welche Rolle spielt Mona in der Geschichte?“
Scheinbar hatte ich den Nagel auf den Kopf getroffen, denn Vince sah mich finster an. „Jedenfalls keine gute ...“
„Du wärst sie gerne los, oder?“
„Lieber heute als Morgen!“ Er schüttelte den Kopf. „In zwei Monaten bekommt Eveline unser Baby. Allein der Gedanke, dass Mona in der Nähe meines Kindes ist, macht mich verrückt.“
Ich konnte spüren, dass Vince es ernst meinte, und dachte nicht lange über meine Worte nach. „Gib sie mir als Gefährtin. Ich nehme sie mit und du bist sie los.“
Er sah mich überrascht an. „Hast du eine Ahnung, was du dir da einfängst? Mona hat Intrigen gesponnen, Eveline loszuwerden, weil sie unbedingt an erster Stelle im Rudel stehen wollte. Sie wird dich nicht akzeptieren. Du bist kein Alpha mit einem Rudel. Nur dann wäre sie an dir interessiert.“
Ich grinste. „In meiner Welt wird sie lernen, sich unterzuordnen. Außerdem … es wird die Paarungszeit kommen. Dann wird es ihr egal sein, wer oder was ich bin.“
Noch immer zweifelte Vince. „Ich würde sie dir sofort überlassen. Wirklich ... Aber sie wird sich weigern … und Eveline ist der Meinung, man darf sie nicht zwingen. Menschen sind so ...“
„... zivilisiert ...“, antwortete ich für Vince, und er nickte grollend.
„In meiner Welt sind Menschen das ganz und gar nicht. Es wäre eine Erfahrung, die Mona guttut. Sie wird Regeln lernen und wo ihr Platz ist.“
Vinces Stimme wurde leiser. „Du bist sicher, dass du das willst? Mona ist unzähmbar.“
„Ich werde sie zähmen ...“, antwortete ich leise und meinte es auch ernst. Der Gedanke, eine Gefährtin meiner Art zu haben, barg einige aufregende Möglichkeiten – unter anderem, in einer Frau zu kommen. Wenn ich in den verschiedenen Clubhäusern der MCs übernachtete und mir dort eine der Frauen nahm, unterbrach ich jedes Mal den Sex, bevor sie das Anschwellen bemerken konnte. Ich hatte Jahre gebraucht, um als Freebiker ohne Zugehörigkeit zu einem Motorradclub von den Clubs akzeptiert zu werden. Das wollte ich mir nicht verderben, indem die Frauen herumerzählten, dass mit mir etwas nicht stimmte. Tja … so sah es aus … mir einfach mal einen runterholen zu lassen, ging nicht! Immer musste ich vorher abbrechen und selbst Hand anlegen … den besten Moment beim Sex außerhalb eines Frauenkörpers erleben. Die Bikerszene war eine feste Gemeinschaft, die eine Gesellschaft bildete. Ich fühlte mich dort wohl und wollte einfach nichts riskieren – aber eine Frau meiner Art würde es nicht hinterfragen, wenn ich in ihr anschwoll. Außerdem nahm ich an, dass Mona sich gut in meiner Welt zurechtfinden würde … sie hatte genügend Haare auf den Zähnen, um sich nicht kleinkriegen zu lassen.
„Eveline wird mich dafür umbringen ...“, knurrte Vince und rieb sich den Nacken.
Vince wollte Mona so unglaublich gerne loswerden … und er wusste, dass er so eine Gelegenheit wahrscheinlich nie wieder bekommen würde … und mir persönlich gefiel die Idee auch immer besser.
„Dann verschwinde ich eben mit Mona, ohne dass sie etwas davon bemerkt. Erzähl ihr doch, dass Mona mit mir durchgebrannt ist.“
„Das wird sie mir nie glauben.“
„Aber sie wird auch keine Gegenbeweise haben ...“, argumentierte ich – jetzt voll in meinem Element. Was mir in meinem Leben fehlte, war eine Gefährtin für mein Bett. Und etwas sagte mir, dass Mona geeignet war, diese Lücke zu füllen.
Schließlich nickte Vince und sprach leiser weiter. „Du verschwindest nach dem Essen, damit Mona und Eveline keinen Verdacht schöpfen. Eveline schläft ziemlich fest, seit sie schwanger ist. Warte gegen 4.00 Uhr morgen früh auf dem Parkplatz. Ich bringe dir Mona … und ab da ist sie dann dein Problem!“
Ich streckte Vince die Hand entgegen, und er schlug ein. „Ich werde mich gut um deine Schwester kümmern.“
Vince zuckte die Schultern. „Mit der Übergabe endet meine Verantwortung für sie.“
Okeyyyy … In dieser Familie war mehr als nur Porzellan zerbrochen worden … Mona konnte im Grunde froh sein, dass ich sie mitnahm.